Station 8

Wohnung Hoffmann, Taubenstraße 31 / Charlottenstraße 38–39 (heute 56)

Es ist nötig zu sagen, daß mein
Vetter ziemlich hoch in kleinen
niedrigen Zimmern wohnt.
Das ist nun Schriftsteller- und
Dichter-Sitte. Was tut die niedrige
Stubendecke?
die Phantasie fliegt empor,
und baut sich ein hohes, lustiges
Gewölbe bis in den blauen
glänzenden Himmel hinein.
Dabei liegt aber meines Vetters
Logis auf dem großen
Markte, in dessen Mitte das
kolossal und genial gedachte
Theatergebäude prangt.
Es ist ein Eckhaus, was mein
Vetter bewohnt,
und aus dem Fenster eines
kleinen Kabinets übersieht er mit
einem Blick das ganze Panorama
des grandiosen Platzes.

E.T.A. Hoffmann: Des Vetters Eckfenster

E.T.A. Hoffmann: Der Kunzsche Riss. 1815. Staatsbibliothek Bamberg, Signatur: L.g.o. 390(1

Von 1815 bis zu seinem Tod 1822 wohnte E.T.A. Hoffmann mit seiner Frau Michaelina in der Taubenstraße 31 an der Ecke zur Charlottenstraße. Der Schriftstellerin Helmina von Chézy zufolge hatte Hoffmann die Wände der 128 m2 großen Wohnung selbst bemalt. In einem Zimmer nahm der Wandschmuck Bezug auf Hoffmanns Oper Undine. Der Gendarmenmarkt bildete in diesen Jahren E.T.A. Hoffmanns Lebensmittelpunkt. Zahlreiche von ihm regelmäßig besuchte Orte lagen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Seinem Bamberger Freund und Verleger Carl Friedrich Kunz schickte Hoffmann eine eigenhändige Zeichnung, den sogenannten Kunzschen Riss. Darin illustriert er das Leben um den Gendarmenmarkt wie in einem Wimmelbild mit allerhand realen und fiktiven Figuren und Geschichten. In der späten Erzählung Des Vetters Eckfenster wird das Treiben auf dem Gendarmenmarkt zum literarischen Thema. Der Vetter und sein Besucher beobachten vom Fenster aus die Passanten auf dem Markt und schreiben ihnen Eigenschaften und Geschichten zu. Wie der Protagonist war Hoffmann zum Ende seines Lebens so krank, dass er das Haus nicht mehr verlassen konnte. Der Blick auf den Markt blieb seine Verbindung zur Außenwelt. 1905 wurde das Haus abgerissen und durch ein neues Geschäftshaus ersetzt, das im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1980 rekonstruiert wurde.

Zur weiteren Lektüre empfohlen:

E.T.A. Hoffmann: Die Serapions-Brüder

Unbekannter Künstler: Die Neue (Deutsche) Kirche auf dem Gendarmenmarkt mit Nachbarschaft. Berlin, nach 1778. Öl auf Lwd., 109,50 cm x 121,50 cm. Inv.-Nr.: VII 60/411 x. © Stiftung Stadtmuseum Berlin. Reproduktion: Michael Setzpfandt, Berlin

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