Julius Eduard Hitzig
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Romantik im E.T.A. Hoffmann Portal – Texten fürs Web“, das das Team E.T.A. Hoffmann Portal im Wintersemester 2019/2020 gemeinsam mit Prof. Dr. Anne Fleig am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin angeboten hat. Neun Studierende hatten sich in diesem Seminar mit den Themen Hoffmanns Berliner Orte und Bekanntschaften, Hoffmanns Netzwerke und Zeitgenossen sowie Romantik und Wissenschaften beschäftigt. Die besten Arbeiten, die von den Studierenden selbst webgerecht aufbereitet wurden, konnten im Portal veröffentlicht werden.
Janine Seidel, geb. 1997, studiert seit Oktober 2015 Biologie und Deutsche Philologie auf Lehramt an der Freien Universität Berlin.
(→ Forscherinnenprofil)
Biografie
26.03.1780: Julius Eduard Hitzig wurde als Itzig in Berlin geboren[1]; er entstammte der jüdischen Familie Itzig.
1795: Itzig beendete seine Schullaufbahn mit einem guten Abitur und absolvierte anschließend eine einjährige Handelslehre
1796: Itzig nahm ein rechtswissenschaftliches Studium in Halle auf.
1799: Im Rahmen seiner juristischen Laufbahn konvertierte Itzig zum Christentum und änderte seine Vornamen. Er kam als Auskultator, eine erste Ausbildungsstufe in der Justiz, nach Warschau.
1801: Itzig kehrte nach Berlin zurück und begann eine Stelle am Kammergericht.
1804: Nach der Ernennung zum Assessor wurde er erneut nach Warschau versetzt.
1807: In Folge des napoleonischen Vormarsches wurde Itzig aus dem Amt entlassen und kehrte erneut nach Berlin zurück
1808: Itzig eröffnete eine eigene Verlagsbuchhandlung und machte sich damit selbstständig. Schließlich änderte er auch seinen Nachnamen von Itzig in Hitzig um.
1814: Hitzig verkaufte seine Buchhandlung und kehrte er in die juristische Laufbahn zurück, bis er 1835 in den Ruhestand überging.
26.11.1849: Julius Eduard Hitzig verstarb in Berlin.
Der Kontakt zwischen E.T.A. Hoffmann
und Julius Eduard Hitzig
Julius Eduard Hitzig kann im eigentlichen Sinn nicht Hoffmanns Verlegern zugeordnet werden, da er zwar viele Erzeugnisse seines Freundes durchaus kritisch las, jedoch nie eines der Hoffmannschen Werke verlegte. In vielerlei Hinsicht prägte Hitzig jedoch die Entwicklung des Juristen Hoffmann und ermöglichte ihm durch seine umfangreichen Beziehungen den Zugang zur „literarischen Welt“. Dabei beeinflusste die bis zu Hoffmanns Tod andauernde, teils sehr intensive Freundschaft nicht nur dessen Persönlichkeit; sie schlug sich zudem in einigen Schriften des Autors nieder. Julius Eduard Hitzig wurde nach E.T.A. Hoffmanns Tod dessen erster Biograph.
Warschauer Zeit (1804 – 1807)
Posten in der Warschauer Regierung
Kennenlernen
E.T.W. Hoffmann trat nach seinem zweijährigen Zwangsaufenthalt in Plozk, der ihm wegen „einer aufsehenerregenden Verhöhnung der Posener Honoratioren“ auferlegt wurde, 1804 in die Warschauer Regierung ein[2]. Julius Eduard Hitzig, der nach seinem dritten juristischen Staatsexamen als Assessor nach Warschau versetzt wurde[3], hatte von Hoffmanns Vergangenheit gehört und war durchaus interessiert an einer Bekanntschaft mit ihm, sprach ihn dessen „launige, satirische Ader“[4] doch stark an. Hitzig selbst schrieb in „E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlaß“ dazu:
„viel hatte er von dem genialen Manne gehört, dessen Posener Karikaturgeschichte damals noch überall in frischem Andenken lebte; aber gerade der Charakter dieser Geschichte und auch Hoffmanns nichts weniger als zur Annäherung aufforderndes Äußeres hatten ihn eine solche geflissentlich suchen lassen“[5].
Erstes Gespräch
Da Hitzig Assessor desselben Collegii war, an dem auch Hoffmann als Rat verfügte, ergab sich ein Kontakt zwischen beiden Männern schon aus rein beruflichen Gründen. Ein erstes privates Gespräch fand schließlich während des gemeinsamen Heimweges – „sie wohnten Haus an Haus“– statt:
„die Rede [kam] auf irgendwen […], über den Hoffmann des Neuangekommenen Urteil begehrte. Hitzig antwortete kurz: ‚ein steifleinener Kerl‘ und kaum waren die Worte über seine Lippen, als Hoffmanns bis dahin finsteres Gesicht sich erheiterte und die trockene Einsilbigkeit sich in den gemütlichsten Redefluß auflöste“.
Warschauer Wohnsituation
Nikolaus Dorsch sieht in der Antwort Hitzigs dessen „anti-spießerische Gesinnung“[6] deutlich hervorkommen und auch Hoffmann wird über diesen Charakterzug Interesse an und Zugang zu ihm gefunden haben. Die Wohnsituation der Männer, sie konnten „aus dem Fenster miteinander sprechen“, ist auch für ihr weiteres Verhältnis von großer Bedeutung; Hitzig schrieb in seiner Biographie Hoffmanns dazu: „Wenn alles auf den Straßen ruhig geworden war, […] dann wurden die Fenster auf ein Signal […] geöffnet, und er [Hoffmann, J.S.] phantasierte dem Freunde […] oft vor, bis der Morgen graute“[7].
Hitzigs literarische Kontakte
Musenalmanach und Salon
Kontakt zu Friedrich Ludwig Zacharias Werner
Hoffmanns musikalisches Engagement
Dienstentlassung
Die Einführung Hoffmanns in die „literarische Welt“ durch Julius Eduard Hitzig
Julius Eduard Hitzig hatte bis zu seiner Warschauer Zeit als Assessor bereits umfangreiche Beziehungen, auch und vor allem zu literarischen Kreisen knüpfen können. Während seiner Zeit in Halle lernte er Clemens Brentano kennen[8], während seines ersten Warschauer Aufenthaltes als Auskultator, welcher heutzutage mit dem Terminus (Rechts)Referendar bezeichnet wird, ab 1799 machte er Bekanntschaft mit dem Schriftsteller Friedrich Ludwig Zacharias Werner[9]. Ab 1801 fand Hitzig in Berlin vor allem über den Salon seiner Tante Sara Levi Zugang zu literarischen und künstlerischen Kreisen und lernte schließlich 1803 auf dem elterlichen Anwesen in Tornow bei Potsdam Adalbert von Chamisso kennen[10]. Aber auch Hitzig selbst wurde (literarisch) aktiv; so begann er u.a. gemeinsam mit Chamisso schriftstellerische Erzeugnisse in einem „Musenalmanach“ zu veröffentlichen[11], um den sich später ein eigener kleiner Salon zu entwickeln begann. Innerhalb dieses Kreises, welchem sich auch der spätere Verleger Hoffmanns Georg Andreas Reimer zugesellte, kam Hitzig eine „Gastgeber- und Mittlerfunktion“ zu, der Kreis fand in ihm sein „organisatorisches Zentrum“[12].
Die Beziehungen, Aktivitäten und (literarischen) Erzeugnisse Hitzigs stellten zahlreiche Anknüpfungspunkte für Hoffmann dar. Dieser war nach seiner Zeit in Posen und Plozk, die trotz seines Interesses an Literatur und Kunst einer Isolation gleichgekommen war, „geradezu ausgehungert nach Neuigkeiten“[13]. Neben seinen ausführlichen Berichten konnte Hitzig mit einer eigenen Bibliothek beeindrucken, aus der sich Hoffmann frei bedienen konnte und in der Folge zu einigen musikalischen Erzeugnissen inspirieren ließ. Hitzig führte Hoffmann schließlich auch in Warschauer Kreise ein und ermöglichte unter anderem den Kontakt zu Friedrich Ludwig Zacharias Werner, den Hoffmann bereits aus Kindertagen als ehemaliges Nachbarskind kannte. Hoffmanns vermehrt musikalisches Engagement, insbesondere in der „Musikalischen Gesellschaft“, als dessen Vizepräsident und Sekretär er an der Ausgestaltung eines neuen Konzertpalais wesentlich beteiligt war, unterstützte Hitzig hingegen nur wenig. Er besuchte zwar die von Hoffmann geleiteten, herausragenden Konzerte der Gesellschaft, schien sich aber allgemein auf dem Gebiet der Musik nicht wohlzufühlen.
Die Zeit des politischen Umbruchs
Die politischen Geschehnisse des nahendenden Krieges gingen vor allem für Hoffmann in seiner künstlerisch-schaffenden Warschauer Zeit voller Vergnügen unter; Hitzig hingegen war an Informationen zu neuesten Entwicklungen interessiert[14]. Nach dem Einmarsch der Franzosen in Warschau wurde die dortige Regierung schließlich aufgelöst und die Beamten Hoffmann und Hitzig neben zahlreichen weiteren aus dem Dienst entlassen. Hitzig verließ daraufhin 1807 Warschau, während Hoffmann aufgrund mangelnder Perspektive, er konnte bei „keinem Verwandten einen Zufluchtsort suchen“[15], vorerst in Warschau ausharrte.
Die Berliner Zeit ab 1807
Neuorientierung
Julius Eduard Hitzig konnte die Dienstentlassung in Berlin vor allem aufgrund seiner eigenen finanziellen Sicherheit sowie der seiner Familie abfedern; er widmete sich schnell seinen Warschauer Freunden, wobei Nikolaus Dorsch konstatiert: „Die erste Sorge galt Hoffmann“[16]. Dieser war unter großer psychischer Belastung auf die Hilfe Hitzigs angewiesen:
„Schreiben Sie mir um Himmels willen, was ich thun soll, ich begebe mich ganz unter ihre Curatel, denn ich weiß, Ihr Rath ist besser, als alle meine Entschlüsse ins Blaue hinein.“[17]
Hoffmanns Rückkehr nach Berlin
Hitzigs Rat, nach Wien zu gehen, da er selbst dort einige Verwandte im künstlerischen Bereich hatte, konnte Hoffmann letztendlich aufgrund der Verweigerung der polnischen Regierung nicht umsetzen; so kommt er im Juni 1807 nach Berlin[18].
„Das Jahr, welches er daselbst zubrachte, mag leicht das unglücklichste seines Lebens genannt werden. Alles, was er selbst anfing oder was wohlwollende Freunde für ihn unternahmen, mißlang“[19],
Musikdirektor in Bamberg
beschrieb Hitzig in seiner Biographie Hoffmanns zusammenfassend dessen Jahr in Berlin. Erst die Idee der öffentlichen Suche nach einer Stelle als Musikdirektor, die in Form einer derartigen Bekanntmachung im Reichs-Anzeiger unter Hitzigs Mitwirken Umsetzung fand, führte Hoffmann aus finanzieller Not und Perspektivlosigkeit heraus. Das auf die Bekanntmachung folgende Angebot des Theaters zu Bamberg eröffnete vorerst neue Möglichkeiten[20].
Assoziation mit Reimers Realschulbuchhandlung
Verlagsbuchhandlung „J. E. Hitzig“
Sortimentsbuchhandlung und Lesezimmer
Verkauf der Geschäfte
Hitzigs Wechsel in das Buchhandels- und Verlagswesen
Über den durch den „Musenalmanach“ entstandenen Salon um Julius Eduard Hitzig machte dieser Bekanntschaft mit dem Buchhändler Georg Andreas Reimer. Da nach der Rückkehr aus Warschau eine juristische Karriere vorerst unmöglich, ein Leben ohne eine wirklich auslastende Tätigkeit für Hitzig zwar finanziell möglich, persönlich jedoch keinesfalls erstrebenswert war, richtete er sein Augenmerk auf den Buchhandel. In diesem sah er die „vollkommene Verbindung von Geschäft und persönlichem Interesse“[21]. Ab 1807 assoziierte Hitzig aus diesem Grund mit Georg Andreas Reimers „Realschulbuchhandlung“, akquirierte schnell Autoren und vermittelte nur weniger erfolgsversprechende Aufträge an Reimer selbst.
Schnell leitete Hitzig die Genehmigung einer eigenen Buchhandlung sowie die Zulassung als Verleger ein, wobei sein Gesuch über einige vorteilhafte Beziehungen schnell genehmigt wurde. Am 20.10.1809 wurde schließlich die „Verlagsbuchhandlung Julius Eduard Hitzig“ gegründet. In der Folge verlegte Hitzig u.a. Werke von Friedrich de la Motte-Fouqué sowie von August Wilhelm und Friedrich Schlegel, sein Programm lässt sich „mit den Begriffen aktuell, trendorientiert und populär beschreiben“[22]. 1810 eröffnete Hitzig schließlich zusätzlich zu seiner Verlagsbuchhandlung eine Sortimentsbuchhandlung und gliederte seinem Unternehmen im Hinblick auf die neugegründete Friedrich-Wilhelms Universität das sogenannte „Lesezimmer“ an, das dem wissenschaftlichen Publikum als „gehobene Leihbücherei“ dienen sollte.
Nach dem Tod seiner Ehefrau 1814 beschloss Hitzig, seine Geschäfte zu verkaufen, um in der politischen Umbruchsstimmung der Befreiungskriege in eine juristische Laufbahn zurückzukehren. Die Käufer seiner Buchhandlung wurden letztendlich zwei von Hoffmanns späteren Verlegern: Georg Andreas Reimer und Ferdinand Dümmler.
Wiedertreffen Hoffmanns und Hitzigs in Berlin ab 1814
Hoffmanns Märchen „Nußknacker und Mausekönig“
Intensivierung der Freundschaft
Sowohl Julius Eduard Hitzig als auch E.T.A. Hoffmann kehrten 1814 in Berlin in die juristische Laufbahn zurück; mit ihrem Wiedertreffen im Gerichtssaal begann sich auch, nach Hoffmanns Bamberger Zeit, ihre Freundschaft wieder zu intensivieren; „der familiäre Verkehr [wurde] sogleich wieder aufgenommen“[23]. In der Folge waren Hoffmann und seine Frau Michalina gern gesehene Gäste, besonders Hitzigs Kinder schätzten den Freund ihres Vaters sehr, der selbstgebasteltes Spielzeug mitbrachte und ihnen vorlas. Hoffmanns späteres Kunstmärchen „Nußknacker und Mausekönig“ ist aus dem Umgang des Autors mit Hitzigs Kindern hervorgegangen: so treten diese im Märchen mit ihren wahren Vornamen Marie und Fritz auf.
Klub der Serapionsbrüder
Vermehrte Aufenthalte in Weinlokalen
Treffen innerhalb literarischer Vereinigungen
Aber nicht nur Hitzigs Familie widmete sich Hoffmann in seiner Berliner Zeit ab 1814, auch zu dessen Freundeskreis entstand eine enge Beziehung. Von Hitzig organisiert fanden regelmäßige Treffen u.a. mit Chamisso, Fouqué und Karl Wilhelm Salice-Contessa statt[24] (Seraphinen-Orden). Später ging aus diesen eher lockeren Künstlertreffen der Klub der Serapionsbrüder (Serapionsbrüder) hervor, für dessen Idee und Namensgebung Hitzig von entscheidender Bedeutung war[25]. Neben diesen Treffen war Hoffmann, nach der Veröffentlichung seiner „Fantasiestücke in Callots Manier“, als anerkannter Schriftsteller in zahlreichen weiteren „anständige[n] Teegesellschaften“ gern gesehen, orientierte sich aber bald in Richtung der Weinlokale um, wo man aus seiner Sicht „Kunstgenüsse […] für sein Geld besser finde als in Privatzirkeln […] und […] man weggehen könne, wenn man wolle“[26]. Julius Eduard Hitzig äußerte seinerseits immer wieder Vorbehalte gegen Hoffmanns „ausufernden“ Lebensstil, entsprach dieser doch überhaupt nicht seinen eigenen Vorstellungen und schadete darüber hinaus v.a. Hoffmanns schon angeschlagener Gesundheit; Hoffmann hingegen „versucht[e] […] zu erklären, weshalb er so lebe und zuweilen leben müsse“[27].
Hitzig als positiver, bürgerlicher Charakter
Hoffmann und Hitzig als zwei gegensätzliche Charaktere
Hatten E.T.A. Hoffmann und Julius Eduard Hitzig zu Beginn ihres Kontaktes in Warschau noch über ihre ähnliche anti-spießerhafte Gesinnung besonderes Interesse aneinander gefunden, zeichnete sich im Verlauf ihrer Bekannt- und vor allem Freundschaft ein immer stärkerer Zwiespalt zwischen ihren Einstellungen ab. Dies wurde vor allem in der gemeinsamen Berliner Zeit ab 1814 deutlich sichtbar.
Für Hitzig war als „positive[r] bürgerliche[r] Charakter“[28] eine sichere und vor allem auch zukünftige Existenzgrundlage von großer Bedeutung. Sicherlich auch der eigenen Familie, der er sich neben seinem Beruf als höchste Priorität widmete, geschuldet, war ein Ausbruch aus einem alltäglichen Leben unmöglich. Verhalf Hitzig seinem Freund Chamisso mit viel Unterstützung zur Teilnahme an einer russischen Expedition, so kann dies als Möglichkeit Hitzigs gesehen werden, „ein Stück eigener unterdrückter und längst ausgelöschter Natürlichkeit und Freiheit“ in Chamissos Aufbruch zu verkörpern[29].
Hoffmanns zweigeteilte Seele
Die „Prinzessin Brambilla“
Hoffmann hingegen sah seine Seele zweigeteilt „zwischen dem leidigen ‚Broterwerb‘ und der eigentlichen (künstlerischen) Berufung“[30]. Er strebte nach Freiheit und doch nach gesicherter Versorgung, konnte sich nicht abfinden mit einem Leben gefangen im beruflichen Alltag. Die Kunst war für ihn „niemals Zeitvertreib, bloße Unterhaltung“, wohingegen Hitzig fast sein Leben lang die Rezeption von literarischen Werken als „Hobby“ betrieb („Literarisches blieb auf die Nebenstunden beschränkt“[31]). Besonders trat dieser Konflikt der Einstellungen in der Kritik Hitzigs an Hoffmanns „Prinzessin Brambilla“ hervor, in welcher Hoffmann die „Summe seiner künstlerischen Erfahrungen und Träume“ darlegte und sich mit dem Werk deswegen stark identifizierte[32]. Hitzig hingegen verstand die Konzeption des Werkes nicht; „[s]o reagiert[e] der Bürger“[33].
Hoffmanns letzte schriftliche Äußerung
Hoffmanns letzte Jahre
Als Hoffmann sich für die Veröffentlichung („Meister Floh“) höchst vertraulicher Vorgänge der Immediatkommission zur Untersuchung demagogischer Umtriebe, welcher er selbst als aufsichtsführender Richter angehörte, mit einem Strafverfahren konfrontiert sah, war vor allem Julius Eduard Hitzig um eine Unterstützung des Freundes bemüht[34]. Viele seiner Künstlerfreunde, u.a. auch Ludwig Devrient, wendeten sich von dem immer stärker kränkelnden, bald ans Bett gefesselten Hoffmann ab[35]. Wolfgang Häufler konstatiert dazu: „Dem schwer leidenden Hoffmann erweisen sich Hitzigs >>Bürgerlichkeit<<, seine praktische Nüchternheit, seine Religiosität als existenziell hilfreich“[36]. Die nach vollständiger Lähmung seiner Hände von Hoffmann diktierten Schriften wurden von Hitzig durchgesehen; Hoffmanns letzte schriftliche Äußerung ging an den alten und geschätzten Freund:
„Sie, bester Freund, sind der einzige, zu dem ich meine Zuflucht nehmen kann. Schenken Sie mir ein Stündchen Ihrer freilich kostbaren Zeit, um die Reinschrift (des ‚Meister Floh‘) in jener doppelten Hinsicht durchzusehen – verlassen Sie mich nicht in arger Schwulität, nochmals, verlassen Sie mich nicht.“.
Julius Eduard Hitzig war gemeinsam mit Hoffmanns Gattin an dessen Sterbebett zugegen, stand nach dem Tod des Ehemannes der Witwe in finanziellen Angelegenheiten zur Seite, veranlasste die Herausgabe des „Hoffmannschen Gesamtwerkes“ und wurde nicht zuletzt Hoffmanns erster Biograph.
Julius Eduard Hitzig in der Hoffmann-Forschung
Projekt einer Biographie von E.T.A. Hoffmann
Biographie aus Briefen und Dokumenten
Hitzigs Leben und Nachlass
Nachdem E.T.A. Hoffmann im Jahre 1822 verstarb, fasste Julius Eduard Hitzig das Projekt einer Biographie des Freundes relativ schnell ins Auge; dass er als langjähriger und enger Freund Hoffmanns für dieses Vorhaben am geeignetsten und gewissermaßen dazu aufgefordert war, ließ sich auch in der allgemeinen Öffentlichkeit vernehmen. So hieß es in einem Nachruf in der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ vom September 1822: „Möchte doch einer seiner Freunde – und wir fordern hierzu vorzüglich […] Hitzig auf – über seine [Hoffmanns] früheren Lebensverhältnisse sichere Nachrichten mittheilen“[37]. Die im Mai 1823 bei Ferdinand Dümmler erschienene Biographie „Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß“ stieß auf allgemeine Begeisterung[38]; „[g]erade die Tatsache, dass Hitzig sich Hoffmann in seiner Biographie auch kritisch näherte, […] brachte ihm das Lob der Zeitgenossen ein“. Die Machart, die „dem Biographen […] nur die Arbeit des Kompilierens und Herstellens eines sinnvollen Zusammenhanges durch kurze verbindende Texte“ zukommen ließ und ansonsten aus Briefen und Dokumenten „den Dichter selbst sprechen zu lassen“ vermochte, kann als besonders authentisch und objektiv gesehen werden. In der Hoffmann-Forschung sind jedoch auch negative Stimmen gegen Hitzigs Lebenswerk Hoffmanns laut geworden; die Kritik bezog sich dabei vor allem auf die Edition im Werk erscheinender Briefe Hoffmanns; „[d]a wird gekürzt, gestrichen, ausgelassen, umgestellt, und zum Teil sogar verändert“.
Hitzigs Bürgerlichkeit und Bodenständigkeit
Hitzig als erster Biograph Hoffmanns
Nachlassmaterial zu zahlreichen romantischen Autoren
Unterstützung der Literaturproduktion zu Beginn des 19, Jahrhunderts
Der Einfluss Hitzigs auf E.T.A. Hoffmann
Hoffmanns erster Biograph wird in der allgemeinen Diskussion bezüglich seines Einflusses auf E.T.A. Hoffmann als eher negativ gesehen. Nicht zuletzt stand Hitzig mit seinen eher bürgerlich-bodenständigen Ansichten dem tiefgründigen und nach Freiheit strebenden Charakter Hoffmanns entgegen. Dass Julius Eduard Hitzig mit „E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlass“ entscheidende und wichtige Einblicke in das Leben des so vielseitigen Künstlers und Juristen gab und sein Wirken für die Zukunft festhielt, scheint dabei in der Diskussion um Hitzigs Person einen eher geringeren Wert einzunehmen. So stellt W. Harich fest: „Hitzig war Hoffmanns erster Biograph, […] ohne Verständnis für diese Erscheinung absoluten Künstlertums“[39]. Die lange präsente Beschreibung der Freundschaft Hitzigs und Hoffmanns als die des Philisters zum Genie[40] beginnt jedoch mit der zunehmend tieferen Forschung zu Julius Eduard Hitzig zu verblassen. Denn dem viel vernetzten und fleißigen Mann ist neben der „Fülle von Nachlassmaterial in Form von Lebensdokumenten und Briefen“ nicht nur zu Hoffmann, sondern auch zu Werner, Chamisso und Jean Paul, auch die Entstehung eines Großteils romantischer Literatur durch Idee, Anstoß und Unterstützung zu verdanken. Hitzigs Gespür für den Umgang mit Schriftstellern, Buchhändlern und Verlegern beeinflusste nicht nur E.T.A. Hoffmanns Lebenslauf auf prägnante Art und Weise; die durch ihn ermöglichte Vernetzung und dadurch der Austausch unter all diesen Personengruppen hatten großen Einfluss auf die Entstehung und Produktion von Literatur zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Anmerkungen
[1] Für den folgenden Absatz vgl. Dorsch, Nikolaus: Julius Eduard Hitzig. Literarisches Patriarchat und bürgerliche Karriere. Frankfurt am Main: Verlag Peter Lang 1994, S.29, 39, 57, 65ff., 105, 127, 152, 170-172 u. 255
[2] Dorsch 1994. S.144-145
[3] Ebd., S.127
[4] Ebd., S.145
[5] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Hitzig, Julius Eduard: E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlass. Mit Anmerkungen zum Text und einem Nachwort von Wolfgang Held. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Insel Verlag 1986. S.196-198
[6] Dorsch 1994, S.146
[7] Hitzig 1986, S.200
[8] Dorsch 1994, S.60
[9] Ebd., S.78
[10] Ebd., S.104 u. 105
[11] Dorsch 1994, S.107
[12] Ebd., S.118
[13] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Dorsch 1994, S.146-149
[14] Ebd., S.149
[15] Hitzig 1986, S.208
[16] Dorsch 1994, S.163
[17] Schnapp, Friedrich (Hg.): E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel. Gesammelt und erläutert von Hand von Müller und Friedrich Schnapp. Erster Band, Königsberg bis Leipzig 1794-1814. München: 1967 Winkler. S. 204
[18] Dorsch 1994, S.164
[19] Hitzig 1986, S.231
[20] Ebd., S.231-232
[21] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Dorsch 1994, S.166-173, S.173f. u. 179f.
[22] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Dorsch 1994, S.210-214 u. S.256
[23] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Häufler, Wolfgang: Ein Freund der Dichter und Künstler. Julius Eduard Hitzig, die Berliner Romantik und E.T.A. Hoffmann. In: Tribüne – Zeitschrift zum Verständnis des Judentums 30 (1991), H.118, S.194
[24] Hitzig 1986, S.302f.
[25] Häufler, Tribüne 30 (1991), S. 191 u. 194
[26] Hitzig 1986, S.316
[27] Häufler, Tribüne 31 (1991), S.195
[28] Dorsch 1994, S.239
[29] Ebd., S.240
[30] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Häufler, Tribüne 31 (1991), S.192
[31] Dorsch 1994, S.107
[32] Häufler, Tribüne 31 (1991), S.195
[33] Ebd., S.195
[34] Ebd., S.198
[35] Hitzig 1986, S.345
[36] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Häufler, Tribüne 31 (1991), S.196 u. 198
[37] Schnapp, Friedrich (Hg.): E.T.A. Hoffmann in Aufzeichnungen seiner Freunde und Bekannten. Eine Sammlung von Friedrich Schnapp, Darmstadt 1974. S.675
[38] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Busch, Anna: Hitzig und Berlin. Zur Organisation von Literatur (1800-1840). 1. Auflage. Hannover: Wehrhahn Verlag 2014. S.93-98
[39]Harich, Walther: E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines Künstlers dargestellt von Walther Harich. Erster Band. Berlin: Erich Reiß 1920. S.11
[40] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Busch 2014, S.99-1040