Opernkomponisten
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Zur Rezeption E.T.A. Hoffmanns“, das das Team E.T.A. Hoffmann Portal im Sommersemester 2019 am Institut für Deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin angeboten hat. Eine kleine Gruppe von fünf Studierenden hatten sich in diesem Seminar mit der Rezeption E.T.A. Hoffmanns in Literatur, Film, Kunst und Musik beschäftigt. Die besten Arbeiten, die zum Teil von den Studierenden selbst webgerecht aufbereitet wurden, konnten im Portal veröffentlicht werden.
Jonas Opitz studiert seit 2016 Germanistische Linguistik und Deutsche Literatur (B.A.) an der Humboldt-Universität zu Berlin. Aktuell schreibt er seine Bachelorarbeit mit dem Titel „Die Anrede in den Briefen der ‚Fürstinnenkorrespondenzez‘ – Eine Varianzuntersuchung.“ Anschließend wird er ein Masterstudium der Linguistik (M.A.) beginnen.
(→ Forscherprofil)
E.T.A. Hoffmann und die Oper als Bühnenform stehen über verschiedenste Beziehungen miteinander in Verbindung. Nicht zuletzt Hoffmanns eigene Oper Undine (1816) trug maßgeblich dazu bei, dass sich im Laufe des 19. Jahrhunderts eine eigene Opernsprache für den deutschsprachigen Raum herauskristallisierte. Damit war der Autor, der sich selbst lieber in der Rolle des Komponisten wahrgenommen hat, Vorreiter namhafter Opernkomponisten wie Richard Wagner, Ferruccio Busoni oder Paul Hindemith.
Richard Wagner
Neue Programmatik
Prägung durch Hoffmann
Gleiche Ansichten
Wagners Einfluss auf die Oper des 19. Jahrhunderts
Unbestritten gehört Wagner zu den einflussreichsten Komponisten des deutschsprachigen Raums. Mit seinen Opern Rienzi (1842), Der fliegende Holländer (1843), Lohengrin (1850), Tristan und Isolde (1865) und dem Ring des Nibelungen (1876) trug er einen großen Teil zur deutschsprachigen Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts bei.
Dabei brach der Komponist mit der grundlegenden Operntradition des 18. Jahrhunderts, indem er die
Nummernoper konsequent durch die
durchkomponierte Oper ersetzte. Außerdem schuf er eine Gleichstellung von Singstimme und Orchesterspiel. Während traditionell das Orchester lediglich zur Begleitung des gesungenen Textes diente, legte Wagner Wert auf eine Ausgewogenheit von Musik und Gesang. Das Orchester war daraufhin in der Lage, selbst größeren Einfluss auf die Stimmung und die Interpretation der Handlung zu nehmen.
Die thematisch fast durchgängig ernsten – und meist sehr ausgedehnten – Opern Wagners legen den Fokus dabei häufig auf das psychische Innenleben der Protagonistinnen und Protagonisten. Dieses Innenleben spiegelte sich in sogenannten Leitmotiven, wie dem weltbekannten „Tristan-Akkord“, wider, welche mit der traditionellen Kompositionstradition brachen, indem sie die harmonischen Regeln missachteten.
Richard Wagner und E.T.A. Hoffmann
Schon mit 13 Jahren las Wagner selbst Hoffmanns Erzählungen, die ihn fortan – wie die Tagebücher seiner Frau belegen – sein ganzes Leben lang begleiteten. Es ist offensichtlich, dass einige Kompositionen Wagners thematische Nähe zu Hoffmann aufweisen. Hier sind beispielsweise der Dualismus „Natur – Kultur“ oder die Motive „romantische Sympathie der Nacht“ und das „Liebesverbot“ zu nennen, welche vor allem aus Hoffmanns Die Serapionsbrüder (1819-1821) entnommen sind.
Am intensivsten scheint die Beziehung zwischen Wagner und Hoffmann jedoch nicht in den literarischen Stoffen selbst, sondern vor allem im Umgang mit der Kunst in Gestalt der Musik zu bestehen. Wagner hat sich ausgiebig mit Hoffmanns Musikanschauung (Kreisleriana (1810-1814)) beschäftigt und teilt dessen Auffassung, dass Musik nicht nur als akustisches Phänomen existiert, sondern immer auch visuelle Züge besitzt. Außerdem vertreten beide Künstler die Ansicht, dass jegliche Regeln der Musik Gewalt antun, weswegen sie starre Kompositionstraditionen ablehnen.
Dieses verbindende Element geht jedoch über das reine „Handwerk“ des Komponierens weit hinaus. Vielmehr geht es um eine generelle Kunst- beziehungsweise Weltanschauung, die Ingeborg Köhler für die beiden Künstler folgendermaßen definiert: „Die Auffassung der Musik als Ausdruck einer geheimnisvollen höheren Welt hat Wagner mit Hoffmann gemeinsam, und damit zugleich die Überzeugung, daß übernatürliche Kräfte ins Menschenleben eingreifen“ (Köhler 1983). Dorothea Rüland attestiert Wagner die Tendenz „sich der Realität zu entziehen“ (Rüland 1986). Diese Tendenz finde in Hoffmanns Erzählungen „reichhaltiges Identifikationsmaterial“ (Rüland 1986).
Aus dieser Kombination aus Kunst- und Weltanschauung ergeben sich für Wagner und Hoffmann sehr ähnliche Definitionen. Wagner selbst äußert sich diesbezüglich folgendermaßen:
Biografie
Wilhelm Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren. Mit 18 Jahren begann er in Dresden sein Musikstudium und bekam fortan Unterricht bei dem Thomaskantor Theodor Weinling. 1833 wurde der Komponist Korrepetitor in Würzburg. Anschließend arbeitete er als Hofkapellmeister in Magdeburg, Königsberg, Dresden und München. 1866 zog er nach Triebschen bei Luzern. Dort verbrachte er viel Zeit mit seiner späteren Ehefrau Cosima, die er 1870 heiratete. Mit dem Umzug nach Bayreuth 1872 begann Wagners Durchbruch. Mit dem Bau des Festspielhauses legte er das Fundament für sein weiteres Schaffen. Er führte dort zum ersten Mal die Gesamtaufführung des Ring des Nibelungen auf, auf die weitere weltberühmte Opern wie Der fliegende Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Tristan und Isolde oder Die Meistersinger von Nürnberg folgten. Am 13. Februar 1883 verstarb Richard Wagner in Venedig.
„Das, was die Musik ausspricht, ist ewig, unendlich und ideal; sie spricht nicht die Leidenschaft, die Liebe, die Sehnsucht dieses oder jenes Individuums in dieser oder jener Lage aus, sondern die Leidenschaft, die Liebe und Sehnsucht selbst, und zwar in den unendlich mannigfaltigen Motivierungen, die in der ausschließlichen Eigenthümlichkeit der Musik begründet liegen, jeder anderen Sprache aber fremd und unausdrückbar sind. Jeder soll und kann nach seiner Kraft, seiner Fähigkeit und seiner Stimmung, aus ihr genießen, was er zu genießen und zu empfinden fähig ist!“
(Kaiser 2009)
Hoffmanns Kunstverständnis fasst Kaiser wie folgt zusammen:
„Die wahre Kunst, die unmittelbare Kunst, ist für Hoffmann die Musik, denn nicht der Sprache, sondern allein der Musik als Vehikel gelingt der Rückzug aus der sensiblen Welt; denn im Vergleich zur gesprochenen Wortsprache, die sogleich individualisiert Sprache ist, ist die Musik allgemeine Sprache der Natur und für jeden Menschen verständlich.“
(Kaiser 2009)
Sowohl Wagner, als auch Hoffmann erkennen die wahre Kunst einzig und allein in der Musik. Dieser theoretische Ansatz und Hoffmanns erzählerische Stoffe bildeten somit eine Inspirationsquelle Wagners, aus derer der Opernentwurf Die Bergwerke zu Falun (1842) (nach der gleichnamigen Erzählung Hoffmanns) sowie die Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg (1845) (nach Der Kampf der Sänger aus den Serapionsbrüdern (1819-1821)) hervorgingen.
Ferruccio Busoni: Die Brautwahl
Theoretische Ausarbeitungen
Busonis Einfluss auf die Oper des 20. Jahrhunderts
Auch Busoni widmete sich in mehreren Texten der Musiktheorie. Seine 1907 erstmals erschienene Schrift Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst warf revolutionäre Ideen wie die Einführung neuer Tonskalen oder das Verwenden elektronisch erzeugter Klänge auf. Außerdem hat Busoni durch diese kritische Auseinandersetzung mit der musikalischen Tradition das „idealistische Bild einer in der ewigen Harmonie von Natur und Kosmos aufgehenden, akulturellen wie geschichtslosen Musik entworfen.“ (Struck-Schloen 1989) Der Komponist selbst sagte über die gegenwärtige Tonkunst: „Befreien wir sie von architektonischen, akustischen und aesthethischen Dogmen.“ (Struck-Schloen 1989)
Der musikalische Expressionismus überschritt jedoch auch für den Reformer Busoni eindeutige Grenzen, weswegen er nach dem Ersten Weltkrieg wieder zum musikhistorisch Gegebenen zurückkehrte („Junge Klassizität“).
Ambivalenz der Oper
Ferruccio Busoni und E.T.A. Hoffmann
Ähnlich wie Richard Wagner wurde auch Ferruccio Busoni von den musiktheoretischen Überlegungen E.T.A Hoffmanns geprägt. Busonis zentrales Thema im Bezug auf die Oper ist der Widerspruch, der dieser Bühnenform immanent zu sein scheint: Auf der einen Seite ist sie in Form des Ablaufs, des Bühnenbildes und des Textes an starre, nicht universelle und irdische Gegebenheiten gebunden; dem gegenüber steht die Musik mit dem im Entwurf (1907) formulierten utopischen Autonomieanspruch.
Busonis und Hoffmanns Opernästhetik (Der Dichter und der Komponist (1813)) weisen klare Parallelen auf und können beide als Versuch gelten, „das Dilemma der Divergenz zwischen Autonomieanspruch der Instrumentalmusik und Begrenztheit des Wortes“ (Struck-Schloen 1989) aufzulösen.
Die musiktheoretischen Ansichten bilden jedoch nicht das einzige verbindende Element zwischen Busoni und Hoffmann. Auch thematisch und biografisch stehen sich die Künstler sehr nahe. Über sein Schaffen schreibt Busoni:
Biografie
Ferruccio Busoni wurde am 01. April 1866 in Empoli (Italien) geboren. Als Sohn eines Klarinettenvirtuosen und einer Pianistin spielte Busoni bereits mit acht Jahren erste Klavierkonzerte in Italien und dirigierte schon mit 12 seine eigenen Kompositionen. Ab 1888 lehrte er Musik in Helsinki, Moskau und Boston. Es folgten Stellen in Wien (Leiter der Klavier-Meisterklasse am Wiener Konservatorium), Bologna (Director des Liceo Musical) und Berlin. Als Kompositionslehrer an der Akademie der Schönen Künste in Berlin blieb er bis zu seinem Tod am 27. Juli 1924 aktiv. Sein Lebenswerk umfasst nicht nur die Pianisten- und Lehrtätigkeit, sondern auch das Verfassen musiktheoretischer Schriften und Kompositionen. Dazu zählen auch die Opern Die Brautwahl, Arlecchino oder Die Fenster, Turandot und Doktor Faust sowie zahlreiche Konzerte und Klavierwerke.
„Es sollte die Oper des Übernatürlichen oder des Unnatürlichen, als der allein ihr natürlich zufallenden Region der Erscheinungen und der Empfindungen, sich bemächtigen und dergestalt eine Scheinwelt schaffen, die das Leben entweder in einem Zauberspiegel oder einem Lachspiegel reflektiert; die bewußt das geben will, was in dem wirklichen Leben nicht zu finden ist. Der Zauberspiegel für die ernste Oper, der Lachspiegel für die heitere.“
(Struck-Schloen 1989)
Vergleich der Biografien
Das Über- beziehungsweise Unnatürliche Busonis kann mit Hoffmanns Motiven des Romantischen und Fantastischen gleichgesetzt werden. Im vorangestellten Zitat wird außerdem klar, dass auch Busoni fasziniert von der Idee zu sein scheint, mittels der Kunst (Oper) eine Brücke in die dem Leben meist verborgene „Scheinwelt“ zu bauen.
Nicht zuletzt erscheint einem Busonis Biografie an einigen Stellen wie ein zweites Leben Hoffmanns. Auch er versucht – ähnlich wie Hoffmann – einen „Künstlertypus zu verkörpern, dessen geistige Basis grenzüberschreitender Natur“ (Struck-Schloen 1989) ist. So ist er nicht nur Komponist, sondern auch Konzertpianist, Lehrer, Essayist und Briefschreiber und widmet sich in seiner Rolle als Person des öffentlichen Lebens politischen Themen.
Sein Leben spielt sich ebenfalls in der Großstadt Berlin ab, über die er sagt:
„Heilig ist die Großstadt. Unendlich heiter, unendlich tragisch, banal und außerordentlich, geregelt und überraschend! Von meinem zehnten Jahre ab wurde ich ihr Sohn, ihr Schüler und ein wenig ihr Meister. Ich brauche sie, und sie hat meinesgleichen nötig. Aber während sie mich kaum bemerkt, liebe ich sie und kann sie nicht missen.“
(Ermen 1994)
Die musiktheoretischen, thematischen und biografischen Überschneidungen zwischen Ferruccio Busoni und Hoffmann sind demnach nicht von der Hand zu weisen. Aus diesen Gemeinsamkeiten ging Busonis erste Oper Die Brautwahl hervor, welche 1912 in Hamburg uraufgeführt wurde und auf Hoffmanns Erzählung Geschichte von den seltsamen Drangsalen des Geheimen Kanzleisekretärs Tusmann aus den Serapionsbrüdern (1819-1821) beruht.
Paul Hindemith: Cardillac
Radikale Veränderungen
Hindemiths Einfluss auf die Oper des 20. Jahrhunderts
Als Vertreter der Moderne und insbesondere der „Neuen Musik“ schockiert Hindemith schon früh mit provokativen Neuerungen auf dem Feld der Kompositionsmusik. Mit unüblichen Rhythmen, eingebauten Jazz-Elementen und Dissonanzen grenzte sich Hindemith von klassischen Kompositionsnormen der Romantik und der Vorstellung des Künstlers im Sinne des „Genies“ ab. Vielmehr vertrat er die Idee des Komponierens als Handwerk, dem er das theoretische Prinzip der „freien Tonalität“ zu Grunde legte.
Rezeption
Beziehung zwischen Cardillac und Das Fräulein von Scuderi
Paul Hindemith und E.T.A. Hoffmann
Mit der Oper Cardillac, die 1926 uraufgeführt wurde, schrieb Hindemith ein Stück Operngeschichte. Obwohl die Presse nach der Uraufführung negativ auf die Kombination aus romantischer Textvorlage und Neuer Musik reagierte, kam es zu einer zweiten Fassung, welche, dirigiert von Otto Klemperer, in Wiesbaden gezeigt wurde. Diese Neufassung fand breite Anerkennung, sodass es allein in der Spielzeit 1926/27 13 weitere Cardillac-Inszenierungen gab.
Die Oper basiert auf Hoffmanns Fräulein von Scuderi (Serapionsbrüder (1819-1821)); das Libretto der Erstfassung schrieb Ferdinand Lion. Caroline Gommels interdisziplinäre Forschungsarbeit zeigt auf, dass Oper und Text in diesem Fall nicht mehr als eigenständige (Sinn-)Einheiten nebeneinander stehen, sondern in wechselseitiger Beziehung existieren, wenn sie zu folgendem Schluss kommt:
Biografie
Paul Hindemith wurde am 16. November 1895 in Hanau geboren. Bereits mit 14 Jahren war er Schüler des „Hochschen Konservatoriums“ in Frankfurt am Main. Dort wurde er 1915 Konzertmeister des Opernhauses und war 1922-1929 als Bratscher Teil des Amar-Quartetts. Vor seiner Zeit als Kompositionslehrer der Berliner Hochschule für Musik (1927-1937) gründete er die Donaueschinger Kammermusikfeste (1921-1927) und siedelte 1938 erst in die Schweiz und anschließend in die USA über. Dort lehrte er an der Yale University in New Haven, hielt Vorlesungen und machte Konzertreisen. Mit der Übernahme der Professur an der Universität Zürich kehrte Hindemith 1953 in die Schweiz zurück und starb am 28. Dezember 1963 in Frankfurt am Main. Sein Werk umfasst neben den berühmten Opern Cardillac, Mathis der Maler und Die Harmonie der Welt unzählige Sinfonien, Kammer- und Klaviermusikstücke sowie Chorwerke und Lieder.
„Die Analyse wesentlicher Komponenten der Oper ‚Cardillac‘ und ihrer Gestaltungsmittel erweist eine Anwesenheit dreier eng miteinander verknüpfter eigener Kunstwerke in einem übergeordneten Werk Oper. Hindemiths Komposition ist sinfonisch, Lions Text poetisch, und beide Schöpfungen bringen eigene Sinngehalte zum Ausdruck. Doch vermittels ihrer Bezüge zu dem ihnen zugrunde gelegten Urtext ‚Das Fräulein von Scuderi‘ verweben sie sich über die Hoffmannsche Brücke miteinander.“
(Gommel 2002)
Hoffmann als wiederkehrendes Motiv
Hoffmann ist in diesem Fall nicht mehr nur Inspirationsquelle. Er ist vor allem das verbindende Element zwischen Immanentem (Text) und Transzendentem (Musik). Auch wenn Hoffmann selbst diese Verbindung in seinen eigenen Opern nicht gelungen ist, so kann er sie doch für Hindemiths Oper sein.
Der Komponist baut diese „Hoffmannsche Brücke“, indem er sowohl innerhalb des Werkes, als auch darüber hinaus immer wieder Bezüge zu Hoffmann oder dessen Erzählungen herstellt. Kaleidoskopartig werden verschiedenste Hoffmann-Elemente gebündelt und mit anderen Hoffmann-Texten oder Zeichnungen des Autors verbunden. Die Musik fungiert dabei als Träger dieser Bezüge, indem sie typische Motive, wie den immer wieder auftretenden Dualismus „Individuum – Gesellschaft“, akustisch darstellt (Einzelton [Individuum] – Tutti [Gesellschaft]). Hindemith baut Erinnerungs- und Charaktermotive ein und ahmt Hoffmanns multiperspektivische Erzählweise nach, indem das Orchester den Text immer wieder unterläuft, verhöhnt, hinterfragt oder unterdrückt und damit kommentiert. (Vgl. Gommel 2002)
Dies sind nur wenige Beispiele dafür, wie Hindemith in seiner Oper die Bezüge zu Hoffmann herstellt. Wichtig dabei scheint mir, dass nicht nur Verbindungen zu Hoffmanns Ursprungstext oder zu Hoffmann als Person hergestellt werden, sondern, dass auch der Erzählstil und Hoffmann als universeller Künstler bei der Transformation zur Oper Beachtung gefunden haben. Hindemith spannt mit seiner Musik ein vieldimensionales Netz, in dessen Mitte E.T.A. Hoffmann in all seinen Facetten erscheint.
Literatur
Ermen, Reinhard: Ferruccio Busoni in Berlin. Ein biographischer Essay. In: Musica 48 (1994), S. 155-157.
Gommel, Caroline: Prosa wird Musik. Von Hoffmanns „Fräulein von Scuderi“ zu Hindemiths „Cardillac“. Freiburg 2002.
Kaiser, Anne Katrin: Die Kunstästhetik Richard Wagners in der Tradition E.T.A. Hoffmanns. Freiburg 2009.
Köhler, Ingeborg: Richard Wagner und E.T.A. Hoffmann. In: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft 29 1983, S. 36-40.
Rüland, Dorothea: Künstler und Gesellschaft. Die Libretti und Schriften des jungen Richard Wagner aus germanistischer Sicht. Frankfurt a.M. 1986, S. 131-148.
Struck-Schloen, Michael: „Der Dichter und der Komponist“. Wandlungen der Opernästhetik Ferruccio Busoni. In: Die Sprache der Musik. Festschrift Klaus Wolfgang Niemöller zum 60. Geburtstag. Jobst Peter Fricke (Hg.). Regensburg 1989, S. 561-578.