E.T.A. Hoffmann in Frankreich
Weitere Informationen zur Hoffmann-Begeisterung in Frankreich finden sich im Artikel zur Rezeption in Frankreich.
Literarische Rezeption im 19. Jahrhundert
Im Jahre 1814, nach der Vertreibung von Napoleons Bruder José Bonaparte, kehrte König Ferdinand VII. aus Frankreich nach Spanien zurück, weigerte sich jedoch, die 1812 in seiner Abwesenheit geschaffene liberale Verfassung anzuerkennen. Zwischen 1810 und 1825 erklärten bis auf Kuba alle ehemaligen spanischen Kolonien in Lateinamerika ihre Unabhängigkeit, wodurch die Einnahmen des Landes stark zurückgingen. Bis 1833 unter Ferdinand VII., danach während der wechselnden Regierungen unter der Regentin Maria Christina, der Königin Isabella II. bzw. Karl V. und Karl VI. blieb das politische und gesellschaftliche Leben des Landes im 19. Jahrhundert bestimmt von innerstaatlichen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen. Diese Umstände erschwerten die eigene kulturelle Produktion und waren naturgemäß auch der Rezeption von Literatur aus dem Ausland eher abträglich. Trotzdem hatte man jenseits der Pyrenäen durchaus Kenntnis des literarischen Geschehens in anderen Ländern Europas, wobei viele Werke über Frankreich nach Spanien gelangten und dort von den Dichtern der spanischen Romantik gelesen wurde, so Adolfo Gustavo Bécquer (1836-1870) oder José de Espronceda (1808-1842).
Martin B. Fischer, Dr. phil., geboren 1963 in Berlin. Studium der Romanistik, Hispanistik und Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin, Staatlich geprüfter Übersetzer für Spanisch, Promotion zur Übersetzung von Kinder- und Jugendliteratur bei Ottmar Ette an der Universität Potsdam. Übersetzer und Dozent für DaF und Übersetzung an der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona (1995-2014). Autor von Lehrwerken für Französisch und Spanisch. Seit 2015 Redakteur beim Cornelsen Verlag Berlin. (→ Forscherprofil)
Übersetzungen aus dem Französischen ins Spanische
Franz Schneider setzt sich 1927 erstmals mit der Rezeption von Hoffmanns Werken in Spanien auseinander.[1] Er zählt die ihm bekannten Ausgaben auf und schildert den Umweg über das Französische als Ausgangssprache. So schreibt er zu einer zweibändigen Ausgabe von vier Erzählungen Hoffmanns auf Spanisch von 1839 – Cuentos fantásticos, escogidos y vertidos al castellano por Don Cayetano Cortés – dass sie sich wie alle anderen des 19. Jahrhunderts auf die französische Fassung des Textes stütze. Während Hoffmanns Werke sich in Frankreich größter Beliebtheit erfreuten, habe in Spanien vor allem das Fantastische und Groteske Gefallen gefunden. Jene Spanier, die des Deutschen mächtig gewesen seien und sich im 19. Jahrhundert der Übersetzung deutscher Werke direkt aus dem Original gewidmet hätten, seien dagegen nicht an Hoffmann interessiert gewesen.[2]
Weitere Informationen zur Hoffmann-Begeisterung in Frankreich finden sich im Artikel zur Rezeption in Frankreich.
Schneider hebt in seinem Aufsatz den negativen Einfluss des Essays von Walter Scott, „On the Supernatural in Fictitious Composition; and particularly on the works of Ernest Theodore William Hoffmann”[3], hervor und kommentiert die Übersetzungen einzelner Erzählungen, die Ausgabe der so genannten Obras Completas von 1847, weitere Sammlungen von Erzählungen und nennt schließlich die Übersetzungen von Carmen Gallardo de Mesa ab 1922.
Weitere Informationen zum Aufsatz Walter Scotts bietet der Artikel zur Rezeption Hoffmanns in Großbritannien. Über das weitere Verhältnis der beiden Personen gibt der Beitrag zu den Einflüssen der britischen Literatur im Werk Hoffmanns Auskunft.
Erst 1980 befasst sich mit Manfred Tietz dann erneut ein Literaturwissenschaftler eingehend mit der Rezeption Hoffmanns in Spanien.[4] Der Hispanist setzt sich in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Bamberg zunächst mit Hoffmanns Spanienbild auseinander und folgert: „Die Heimat des Don Quijote, das Land eines Cervantes und Calderón sollte sich seinem Verehrer nicht verschlossen haben, zumal die Spanier, wie Hoffmann in den Serapions-Brüdern bemerkt, ‚zum Glauben an das Wunderbare geneigt‘ sind“.[5] Wie Tietz dann ausführlich darstellt, war das leider nicht der Fall. Zunächst schildert er, wie der schon erwähnte polemische Aufsatz von Walter Scott nicht zuletzt wegen eines Übersetzungsfehlers („Sanduhr“ statt „Sandmann“) Hoffmann und seine Werke in ein überaus ungünstiges Licht gesetzt habe.
Manfred Tietz
Manfred Tietz (geb. 1941) studierte von 1961 bis 1967 Germanistik und Romanistik sowie Philosophie und Pädagogik an der Universität Mainz und der Freien Universität Berlin, war von 1979 bis 1983 Professor für Romanistik an der Universität Bamberg und von 1983 bis 2007 an der Ruhr-Universität Bochum.
Erste Übersetzung 1837
Tietz nennt sodann als ersten überhaupt auf Spanisch erschienenen Titel den Baron von B. aus den Serapions-Brüdern, und zwar unter dem Titel La lección de violín, zusammen mit je einer Erzählung von Zschokke und Goethe (1837). Die schon von Schneider genannte Ausgabe von vier Erzählungen in zwei Bänden von 1839 enthielt Die Abenteuer der Silvesternacht, Signor Formica, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen und Doge und Dogaresse. Die beiden Bändchen wurden von Freunden des Übersetzers wohlwollend rezensiert, die Wert darauf legten, die Argumente Scotts zu entkräften.
Heinrich Zschokke
Heinrich Zschocke (1771-1848) war ein deutscher Schriftsteller und Pädagoge. Im frühen 19. Jahrhundert gehörte er zu den meistgelesenen deutschen Autoren.
Tietz kommentiert auch die umfassende zwei- bzw. vierbändige Ausgabe der Obras Completas von 1847, mit der erstmals eine größere Auswahl der Erzählungen Hoffmanns in Spanien verlegt wurde und stellt fest: „Es handelt sich nicht um eine wirkliche Gesamtausgabe, sondern um eine Übersetzung der recht zuverlässigen französischen Hoffmann-Übertragung, die Egmont 1840 in Paris in 4 Bänden hatte erscheinen lassen“.[6]
Arno Gimber (1991)
Violeta Pérez Gil (1993)
In einem Aufsatz von 1991 über die neuere Rezeption der Werke Hoffmanns in Spanien zeichnet Arno Gimber deren Einfluss in den Theaterstücken von Alfonso Sastre (1926) und Francisco Nieva (1924-Madrid) nach. Bei Alfonso Sastre finden sich motivische, intertextuelle Anspielungen, während sich Nieva ähnlich Hoffmann zwischen Realität und Fantastik bewegt.[7]
1993 befasst sich Violeta Pérez Gil mit der Rezeption der hoffmannschen Werke und den ersten Übersetzungen ins Französische und Spanische.[8] Sie hatte vorher schon die hundert Jahre zuvor erschienene Sammlung von Erzählungen in der Übersetzung von Enrique L. Verneuil neu herausgegeben (Mondadori 1990), die seinerzeit aus dem Französischen erfolgt war. In ihrem Aufsatz geht sie auf die vielfältigen Eingriffe des Übersetzers in Hoffmanns Text ein. David Roas merkt an, dass Pérez-Gil nicht erwähne, wie sehr diese Eingriffe selbst den Sinn der Texte veränderten.[9]
Alfonso Sastre
Alfonso Sastre (geb. 1926) ist ein spanischer, sozialkritischer Dramenautor und Regisseur. Viele seiner Dramen wurden vom Franco-Regime zensiert und er wurde mehrfach festgenommen.
Francisco Nieva
Francisco Nieva (1924-2016) war ein spanischer Dramenautor, Bühnenbildner und Regisseur.
David Roas (2002)
In seinem Buch Hoffmann en España (2002) beschäftigt sich David Roas eingehend mit der Rezeption der Werke des Autors im 19. Jahrhundert, vor allem mit der Reaktion der Literaturkritik, wobei er sich auch bemüht, den Einfluss jenes fatalen Aufsatzes von Walter Scott in zeitgenössische Wechselwirkungen einzuordnen. Ein Schwerpunkt der Betrachtungen des spanischen Forschers liegt auf dem Begriff des Fantastischen. Roas liefert in seinem Werk auch eine Liste aller Erzählungen in den erwähnten Obras Completas von 1847 sowie eine Aufstellung aller ihm bekannten Übersetzungen von Werken Hoffmanns ins Spanische zwischen 1831 und 1898.
Ana Pérez
Wichtig für die Beschäftigung mit der Rezeption Hoffmanns in Spanien sind schließlich die Arbeiten von Ana Pérez von der Universidad Complutense Madrid. Sie verfasste 1997 die Einleitung zur Übersetzung des Kater Murr von Carlos Fortea, dann eine Studie zur Rezeption Hoffmanns (2004) und die Einleitung zu Forteas Übersetzung einer Auswahl von Erzählungen: Cuentos (2007).
Enrique Rubio Cremades
In einem Beitrag für das Instituto Cervantes, das spanische Kulturinstitut im Ausland, befasst sich Enrique Rubio Cremades mit der Wirkung Hoffmanns auf die Romantik in Spanien. Er nennt zeitgenössische Zeitschriften, in denen der Autor erwähnt wird und sieht dessen Einfluss z.B. bei José Zorilla (1817-1893), dem schon erwähnten Gustavo Adolfo Bécquer oder auch Antonio José Teodoro Ros de Olano (1808-1886).[10]
José Zorilla
José Zorilla (1817-1893) war ein spanischer Dramatiker und Dichter. Bekannt ist er für seine mehr als zwanzig Theaterstücke.
Gustavo Adolfo Bécquer
Gustavo Adolfo Bécquer (1836-1870) war ein spanischer Schriftsteller der Romantik. In seinen Werken nutzt er oft phantastische Elemente, die an E.T.A. Hoffmann erinnern.
Antonio Ros de Olano
Antonio Ros de Olano (1808-1886) war ein in Venezuela geborener spanischer Staatsmann, General und Schriftsteller der Romantik.
Marina Amorós Aldea (2016)
Martin Fischer (2019)
Unter den jüngsten Beiträgen zur Rezeptions- und Übersetzungsgeschichte der Werke Hoffmanns in Spanien ist die Abschlussarbeit von Marina Amorós Aldea an der Universidad de Comillas erwähnenswert. Sie konzentriert sich darin auf die Übersetzungen des Nussknacker und zählt bis zu 64 verschiedene Ausgaben.[11] Zeitgleich befasste sich auch Martin Fischer mit den Übersetzungen dieser Erzählung Hoffmanns ins Spanische. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt bei der Frage, ob die verschiedenen Übersetzer/innen den Text bewusst für ein kindliches Publikum übersetzt haben. Man weiß, dass Hoffmann selbst die Eignung des Textes für kindliche Leser – oder Zuhörer – von den Serapions-Brüdern diskutieren lässt.[12]
Arno Gimber (geb. 1960) ist Professor für Germanistik an der Universidad Complutense de Madrid.
David Roas (geb. 1965) ist ein spanischer Schriftsteller und Professor für Literaturwissenschaften an der Universidad Autónoma de Barcelona.
Ana Pérez (geb. 1941) war bis 2011 Professorin für Deutsche Literatur an der Universidad Complutense de Madrid.
Enrique Rubio Cremades (geb. 1977) ist Professor für spanische Literatur an der Universität Alicante.
Die ersten Übersetzungen von eher willkürlich nach dem jeweiligen Zeitgeschmack ausgewählten Werken Hoffmanns über den Umweg des Französischen im 19. Jahrhundert wurden schon erwähnt.
Erste Direktübersetzung aus dem Deutschen 1922-1924
In ihrer ausführlichen Einleitung zu Carlos Forteas Übersetzung ausgewählter Erzählungen (Cuentos) schreibt Ana Pérez, sie habe mit der Übersetzung von Carmen Gallardo de Mesa die erste Übertragung von Texten Hoffmanns gefunden, die ausdrücklich „del alemán“ erfolgt sei.[13] Weitere Nachforschungen konnten diese Feststellung bestätigen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass El caldero de oro (Der goldene Topf), Cascanueces y el rey de los ratones (Nussknacker und Mausekönig), Las minas de Falún (Die Bergwerke von Falun) und La fermata in Gallardos Übersetzung erstmals überhaupt auf Spanisch erschienen sind.
Carmen Gallardo de Mesa
Carmen Gallardo de Mesa war Übersetzerin aus dem Englischen (u. a. Oscar Wilde, D.H. Lawrence und Pearl S. Buck), Deutschen (W. Hauff, ETAH) und wohl auch aus dem Russischen. Sie war verheiratet mit dem Dichter Enrique de Mesa (1878-1929). Über ihre eigenen Lebensdaten ist fast nichts bekannt.
Die Übersetzungen Gallardos wurden bis in die jüngste Zeit wieder aufgelegt, so etwa noch im Jahre 2001 ihre Übertragung des Goldenen Topfes und des Nußknackers bei Espasa Calpe in Madrid.
Bandübersicht
Hier die Übersicht dieser Reihe:
Alle Bände sind zwischen 1922 und 1924 erschienen. Einige von ihnen wurden zwischen 1942 und 1946 noch einmal separat aufgelegt, nämlich:
ausgewählte Titel
An dieser Stelle sollen noch ausgewählte Titel verschiedener Übersetzer erwähnt werden, z.B La Olla de oro (Der Goldene Topf) von Ferran de Pol (1940). Die Cuentos fantásticos in der Übersetzung von José Lleonart erschienen 1953 in einer schönen Ausgabe mit zahlreichen Radierungen von Nicolás Miralles bei Seix Barral in Barcelona. Sie umfassen vier Erzählungen, darunter das Fräulein von Scuderi und Meister Martin. Eine weitere Ausgabe von Cuentos Fantásticos erschien 1958 ebenfalls in Barcelona in der Übersetzung von Enrique Palau Claveras mit Illustrationen von Jaime Juez Castellá. Sie wurde mehrfach neu aufgelegt.
Francisco Payarols
Im Jahre 1962 wurde eine weitere Sammlung von Cuentos Fantásticos veröffentlicht. Diesmal in der hervorragenden Übersetzung von Francisco Payarols, in der betont wird, dass diese Übertragung direkt aus dem Deutschen erfolgt sei, wohl weil der Umweg über das Französische vielen Lesern noch vertraut war. Der Band ist mit 108 Zeichnungen im Text und acht Farbtafeln nach Originalen von Marta Ribas ausgestattet. Als Frontispiz ist eine Lithografie von François-Joseph-Aimé de Lemud von 1839 beigegeben.
Zu Francisco (Francesc) Payarols liegt weit bessere biografische Auskunft als zu Carmen Gallardo vor. Er wurde am 23. September 1896 in Girona geboren und lernte Französisch, Englisch, Deutsch und Russisch. Aus dem Deutschen übersetzte er u.a. Werke von Goethe, Stefan Zweig und Thomas Mann. Im Bürgerkrieg verfolgt, war er seit den 1940er Jahren als Lehrer und Schulleiter in der Kleinstadt Seu d’Urgell tätig. Payarols starb am 10. Februar 1998.[16]
In den 1960er Jahren wurden mehrere Ausgaben von Cuentos Fantásticos veröffentlicht, in meist stark bearbeiteten Übersetzungen verschiedener Übersetzer, z.T. sogar unter falschem Autorennamen wie etwa „F.Hoffmann“.
Die Philologin und Übersetzerin Carmen Bravo-Villasante (1919-1994) verdient einen eigenen Abschnitt in dieser kurzen Darstellung, denn ein großer Teil des heutigen Bekanntheitsgrads der Werke E.T.A. Hoffmanns und der Wertschätzung des Autors in Spanien ist unzweifelhaft ihr zu verdanken.[17]
Bravo-Villasante spezialisierte sich in Germanistik und verfasste zahlreiche Arbeiten zu deutsch- und englischsprachiger Literatur. Unter ihren Übersetzungen finden sich Namen wie Goethe, Hölderlin, Heine und eben Hoffmann. Der Schwerpunkt ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit lag auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur. So erwähnt sie Hoffmann auch als einen Autor für Kinder in ihrer Historia de la literatura infantil española.[18]
Übersetzungen
1974 später wurde sie für ihre Übersetzung der Elixiere des Teufels ausgezeichnet. Sie übersetzte 1984 auch den Magnetiseur und einen Band mit Erzählungen, Cuentos, in zwei Bänden. Einige ihrer Übersetzungen der Erzählungen sind eng an jene von Carmen Gallardo angelehnt.
Neben El cascanueces y el rey de los ratones (Nussknacker und Mauskönig) liegt ebenfalls aus dem Jahre 1988 von ihr die erste spanische Übersetzung der Erzählung Das fremde Kind vor: El niño extraño. Beide Erzählungen waren noch nicht im Band von 1984 enthalten.
Die Übersetzungen der Werke Hoffmanns begleitete Bravo-Villasante häufig mit Vor- oder Nachworten. So im Falle von Signor Formica (1988) und Los Autómatas (1992). Ihre Übersetzung des Sandmanns erschien auch in Kombination mit Sigmund Freunds Essay über Das Unheimliche (Lo siniestro, 2008).
Weitere Informationen zu Hoffmanns Erzählung Der Sandmann und zu Sigmund Freud finden sich in einem Beitrag aus den Werkinterpretationen.
In jüngerer Zeit wurden nicht nur bekannte und beliebte Erzählungen Hoffmanns erneut veröffentlicht, sondern auch Neu- oder Erstübersetzungen seiner umfangreicheren Werke. Hervorzuheben sind hier die Übersetzer Celia und Rafael Lupiani, von denen eine Ausgabe der Serapions-Brüder vorliegt: Los hermanos de San Serapión.[21] Im Jahre 2000 erschien eine prachtvoll illustrierte Ausgabe vier klassischer Erzählungen in ihrer Übersetzung: Cuentos de Hoffmann.[22]
Übersetzungen der Lebensansichten des Katers Murr
Dann erschienen interessanterweise in sehr kurzem Abstand zwei Übersetzungen des Kater Murr von renommierten Übersetzer/innen. Die erste, Opiniones del gato Murr („Meinungen des Katers Murr“), wurde 1997 in der Studienreihe des Madrider Verlags Catedra veröffentlicht, die Übersetzung stammt aus der Feder von Carlos Fortea, die eingehende begleitende Studie aus jener von Ana Pérez. Die andere Übersetzung, Puntos de vista y consideraciones del gato Murr („Standpunkte und Betrachtungen des Katers Murr“), stammt von Eustaquio Barjas und Marisa Siguan. Die Germanistin Siguan verfasste auch das Nachwort.[23]
Weitere Informationen zu Hoffmanns Erzählung Lebensansichten des Katers Murr finden sich in einem Beitrag aus den Werkinterpretationen.
Forteas Übersetzung wurde 2007 neu aufgelegt. Im selben Jahr erschien seine Übersetzung von sieben Erzählungen (Ritter Gluck, Der Magnetiseur, Der goldene Topf, Die Abenteuer der Silvesternacht, Der Sandmann, Die Bergwerke von Falun, Des Vetters Eckfenster). Diese hervorragende Ausgabe der Cuentos enthält eine umfassende Bibliografie sowie die schon erwähnte ausführliche Einführung zu Leben und Werk des Autors und zu dessen Rezeption in Spanien von Ana Pérez.
Aus demselben Jahr stammt auch eine Übersetzung des Mayorats (El mayorazgo) von Jorge Seca, herausgegeben von Marisa Siguan.[24]
Katalanische Übersetzungen vor 1936
In Spanien gibt es bekanntermaßen neben dem Spanischen als Sprache des gesamten Staates noch drei offiziell anerkannte Regionalsprachen, das Galicische, das Baskische und das Katalanische. Während der Franco-Diktatur waren diese historischen Sprachen lange verboten. Heute liegen in allen drei Regionalsprachen einzelne Titel Hoffmanns vor. Auf Katalanisch waren jedoch auch schon vor dem Bürgerkrieg (1936-1939) einige Werke Hoffmanns verlegt worden. Das katalanische Bildungsbürgertum hatte im Zuge der aus der Romantik entstandenen Bewegung der Renaixença (d.i. Wiedergeburt) nicht nur die katalanische Literatur des Mittelalters und der Neuzeit wiederentdeckt, sondern sich auch mit großem Interesse den französischen und deutschsprachigen Klassikern und Romantikern zugewandt. So wurde etwa 1925 eine Übersetzung von Doge und Dogaresse von Carles Riba veröffentlicht: El Dux i la dogaressa. Der Dichter Ribas übersetzte unter anderem Grimms Märchen und Werke von Hölderlin, Rilke oder Kafka ins Katalanische.
1942, also in schwerer Zeit, erschien La Senyoreta de Scuderi in der Übersetzung von Francesc de Borja Moll, wiederaufgelegt im Jahre 1979. Eine neue Übersetzung dieser Erzählung erschien dann 1996 aus der Hand von Josep Roderic Guzmán Pitarch.[25] Die Übersetzung von Moll wurde auch in einem bibliophilen Band aufgenommen, in welchem sie der 1928 erstmals veröffentlichten kuriosen Legende des mordenden Buchhändlers in Barcelona gegenübergestellt wird. Weitere Texte von Flaubert und Nodier ergänzen diese Ausgabe.[26]
Neuere Übersetzungen
1969 wurde von Albert Rué für den Verlag des Klosters von Montserrat eine Bearbeitung von Nussknacker und Mausekönig veröffentlicht. Die erste vollständige Übersetzung des Textes fast zwanzig Jahre später stammt von Joan Valls i Royo und richtet sich an kindlich-jugendliches Publikum.[27] Vom selben Übersetzer stammt auch die Übersetzung des Goldenen Topfes aus dem Jahre 1989.[28]
Die Elixiere des Teufels erschienen 2006 in der Übersetzung von Ramon Monton i Lara auf Katalanisch.[29] Von ihm stammt auch die zeitgleich im selben Verlag veröffentlichte katalanische Übersetzung des Katers Murr: Opinions sobre la vida del gat Murr.
Der Magnetiseur liegt seit 2010 in der Übersetzung von Joan Fontcuberta vor.[30]
Obwohl schon im 19. Jahrhundert einzelne Erzählungen ETA Hoffmanns auf Spanisch zu lesen waren, konnte die spanischsprachige Leserschaft erst im 20. Jahrhundert einen Eindruck von der vielfältigen literarischen Produktion des Autors erhalten. Jedenfalls kann das Interesse an Hoffmann jenseits der Pyrenäen nicht so groß gewesen sein, wie Roas noch 2002 behauptet.[31]
Mit den Übertragungen von Carmen Gallardo, Francisco Payarols und Carmen Bravo-Villasante, später dann den Übersetzungen von Carlos Fortea, Celia und Rafael Lupiani, Joan Fontcuberta, Eustaquio Barjas, Marisa Siguan und anderen liegen Ausgaben vor, die Hoffmanns Texten stilistisch gerecht werden. Trotzdem ist die von Ana Pérez ersehnte Gesamtausgabe der Werke Hoffmanns bisher leider ein frommer Wunsch geblieben.[32]
Auf der Seite Einflüsse gibt es auch einen Artikel zum Einfluss der spanischen Literatur auf das Werk E.T.A. Hoffmanns.
[1] Schneider, Franz. „E.T.A. Hoffmann en España: apuntes bibliográficos e históricos“. Estudios eruditos in memoriam de Adolfo Bonilla y San Martín (1875-1926). Vorwort Jacinto Benavente; Facultad de Filosofía y Letras de la Universidad Central Madrid: Imp. Vda. e Hijos de Jaime Ratés, 1927; Bd. 1, 279-287.
[2] Schneider a.a.O., S. 282.
[3] Foreign Quarterly Review, nº 1, vol 1, 60-89. Vgl. Abschnitt „Polemik und Pathologisierung“ im Beitrag zur Rezeption in Großbritannien von Polly Dickson, ETA Hoffmann-Portal.
[4] Tietz, Manfred: „E.T.A. Hoffmann und Spanien“. MHG. 26 (1980) S. 51-68.
[5] Tietz a.a.O., S. 56.
[6] Tietz a.a.O., S. 63.
[7] „Zur neueren Rezeption E.T.A. Hoffmanns in Spanien: Alfonso Sastre und Francisco Nieva”. Romanistisches Jahrbuch, 42 (1991), 290-302.
[8] „La recepción de E.T.A. Hoffmann: primeras traducciones al francés y al español“ in: III Encuentros Complutenses en torno a la Traducción: hg. Margit Raders y Julia Sevilla. Madrid: Editorial Complutense 1993, S. 225-232.
[9] Roas, David. Hoffmann en España. Madrid: Biblioteca Nueva 2002. S. 58f. Vgl. a. Pérez, Ana. „La recepción de E.T.A. Hoffmann en España“. Paisajes románticos : Alemania y España. Raposo Fernández, Berta / Calañas Continente, José-Antonio (Hg.). Frankfurt am Main [etc.]: Peter Lang, 2004. 133-148, hier S. 146, 148.
[10] „La presencia de Hoffmann en el Romanticismo español”. Link
[11] Amorós Aldea, Marina. Recepción de Nußknacker und Mauskönig en España. Trabajo de fin de grado. Madrid: Universidad Pontificia de Comillas: 2016.
[12] Fischer, Martin. „Nussknacker und Mausekönig en España“. Cámara Aguilera, Elvira (hg.). Traducciones, adaptaciones y doble destinatario en literatura infantil y juvenil. Berlin, Bern, Brüssel [etc.]: Peter Lang, S. 137-158.
[13] Pérez, Ana. „Introducción”. E.T.A. Hoffmann Cuentos. Madrid: Cátedra. 2007, S. 80f.
[14] Pérez a.a.O., S. 144.
[15] Universität Barcelona, Universität Rovira i Virgili (Tarragona) und Stadtbücherei Igualada.
[16] Vgl. Estelrich. „Francesc Payarols i Casas: Història d’un llarg camí“, in Llengua & Literatura 10 (1999), S. 47-72.
[17] Vgl. a. Gimber a.a.O., S. 290.
[18] Madrid: Escuela Española; erstmals 1959, Madrid: Revista de Occidente.
[19] CLIJ 5/37, S. 33-36.
[20] Madrid: Nostromo, 1973 / Palma de Mallorca: Olañeta Hesperus 1992.
[21] Einführung von Juan Tébar, illustriert von Bertall und Paul Gavarni. Madrid: Anaya 1988.
[22] El cascanueces y el Rey de los Ratones, El niño desconocido, Maese Martín el tonelero y sus oficiales, El hombre de la arena. Einführung Luis Mateo Díez: „Castillos en el aire“ (S. 5-12); Anhang Juan Tébar: „Cuatro rostros de un hombre mágico“ (S. 291-301); Illustrationen Javier Serrano, Judit Morales, Adrià Gòdia, Manual Ortega, Javier Sáez, Ricard Castells. Madrid: Anaya 2000.
[23] Valencia: Pre-Textos 1999.
[24] El mayorazgo. Übers. Jorge Seca, Einführung Marisa Siguan, Madrid: Nordica Libros 2007.
[25] La senyoreta de Scudéry. La marquesa de Pivardière. Valencia: Tres i Quatre, 1996.
[26] Miquel i Planas, Ramon. El llibreter assassí de Barcelona. Enthält neben der Entstehung der Legende („Der Bibliomane oder der neue Cardillac“) auch die Texte Bibliomania von Gustave Flaubert und Der Bibliomane von Charles Nodier. Hg. Josep Sarret. Barcelona: Montesinos 1991.
[27] Trencanous i el rei dels ratolins. Übers. Joan Valls; Einführung Josep Bigordà. Barcelona: La Llar del Llibre, 1986.
[28] La Gerra d’Or. Barcelona: La Llar del Llibre 1989.
[29] Els elixirs del diable. Barcelona: Edicions de 1984, 2006.
[30] El Magnetitzador – un esdeveniment familiar. Übers. Joan Fontcuberta. Ill. Miguel Navia. Einführung Roberto Bravo de la Varga. Barcelona: Editorial Bambú 2010.
[31] „Podemos concluir, por tanto, que Hoffmann fue un autor popular en nuestro país“, Roas. Hoffmann en España. 2002: 60.
[32] Pérez, Ana. „Introducción”. E.T.A. Hoffmann Cuentos. Madrid: Cátedra. 2007, S. 84. Manfred Tietz hatte schon 1980 geschrieben: „Vergeblich sucht man in der gegenwärtigen hispanischen Welt nach einer spanischsprachigen Gesamtausgabe der Werke Hoffmanns“, Tietz 1980, S. 57.