Carl Friedrich Kunz
1811-1813
⟨12. November 1811?⟩
Mio caro Amico! Schriftlich und nicht mündlich weil ich in Arbeiten fürs Theater vergraben sitze! H. zahlt nicht und wird den 15. wohl auch nicht zahlen, ich komme daher in den Fall als reicher UniversalErbe kein Geld zu haben, Sie boten mir in diesem Fall selbst gütigst ein〈en〉 Vorschuß an — Gern möchte ich auch gleich jetzt manche kleine Einricht:〈ungs〉 Ausg:〈aben〉 machen — können Sie mir 50 fl vorstrecken? — Eine kleine Antwort, nur das Wort ja oder nein bitt‘ ich durch irgend jemand von ihren Leuten mir zuzuschicken, damit ich nicht in Ungewißheit bleibe — das Geschäft selbst, in so fern es sein kann Morgen oder wenn Sie wollen! — Sie sind doch wieder gesunder als gestern?
W. hat sich gestern mir aufgedrungen, sonst wär er nicht bei Ihnen gewesen.
Ihr
ergebenster
Hoffmann
12
⟨16. Februar 1812.⟩
Was unternehmen Sie heute, Teuerster? Gehen Sie nach Bug oder ins Theater? Im erstern Falle begleite ich Sie, wenn es Ihnen angenehm, und sende meine Frau zu der Ihrigen. Sind Sie aber den Nachmittag beschäftigt und den Abend un beschäftigt, so komme ich in Ihr Haus und bringe Ihnen, wenn auch nicht Ihr Geld, doch meine gute Laune mit …
Dem Mädchen sagen Sie kurz: ja oder nein — Bug — Theater, oder zu Hause.
A revoir!
Der Ihrigste
Hffm
N. S. Daß sie nicht ins Theater gehen, weiß ich jetzt schon, denn die Aufwärterin bringt mir so eben den Zettel vom Grafen von Burgund.
»Ei der Graf von Burgund! das ist mir ein feiner Geselle;
Eh‘ man die Hand umdreht hat er regieren gelernt!«
Pereat Kotzebue! Vivat Schlegel! Ich nehme ein Schnäpschen.
Bamberg den 19 Juli 1812.
Guten Morgen, Vortrefflichster! Ich wünsche sehr, daß Sie den Tag Ihrer Geburt mit heiteren Augen erblickt haben mögen, als ich; denn mich quälten die ganze Nacht hindurch die infamsten exorbitantesten Spuckgestalten, in Folge des gestern genossenen kostbaren Steinweins. Ich war mit Ihnen auf dem Steinberge, wir preßten an einer Traube, die 2275/8 Pfund wog und 183,562 Beeren zählte, daß der Schweiß mit dem Weine nur so hinunterlief. Am Fuß desselben stand der Kanonikus S〈töhr〉, der ihn in seiner porzellanenen Terrine, die sich zu einer unmenschlichen Größe ausgedehnt, auffing, sich aber dabei so vollsoff, daß er kopfüber in die Terrine purzelte. Aus dieser erstiegen aber uns zum Schabernack gräßliche Dämonen, fantastische Knirpse, die den Berg zu Tausenden hinauf und um herumkrochen, so zwar, daß wir Beide umstülpten, und in die Hülsen der gekelterten Traube rettungslos versanken. Doch das können Sie alles, Edelster, viel besser in mitfolgender Zeichnung ersehen, als hier erlesen.
Meine Wünsche sprach ich Ihnen schon gestern aus; was ich heute fühle, bin ich auszusprechen unvermögend. Beigehende Knackwurst sage Ihnen das Unaussprechliche!
Zu Mittag stellt sich promptest ein
Ihr
Hffm
Dresden d. 25 April 1813
Geehrtester! In größter Eil, weil Schulmeister (der mich übrigens prächtig gefahren hat und ich ihn jedem Reisenden mit Recht empfehle) fort will, da er kein Unterkommen gefunden,:
Ich bin glücklich in Dresden angekommen, allein nicht ohne viele Schwürigkeit, Ungemach u. s. w. Hier ist alles überbesetzt weil der Kaiser und der König von Preußen gestern angekommen und mit vieler Feierlichkeit (freiwillige Illumination u. d.) empfangen — Unmenschlich viel Truppen sind hier und gehen immerwährend durch! —
Seconda ist noch nicht hier welches mich in die tödlichste Verlegenheit setzt; ich bin daher so frei gewesen auf Ihre Güte und Freundschaft bauend den Schulmeister mit 12 fl an Sie anzuweisen. Haben Sie die Güte ihm diese auszuzahlen und sein Sie versichert, daß ich alle meine Schuld richtig abtragen werde. —
Das Flaschenfutter erfolgt — 〈Fusinalli?〉 aus Gründen nicht — notieren Sie gefälligst noch 8 fl —
Schulmeister treibt entsetzlich —
Grüße — an Ihre liebe Frau — alle Freunde u. s. w. Sie erhalten nächstens über Prag einen ausführlichen Brief
Meine Frau grüßt sehr
Der Ihrigste
Hoffmann
Dresden den 26 April 1813.
Morgens 5 Uhr im vierten Stock der Stadt Naumburg in der WilsdrufferStraße .
Geehrtester!
Der Schulmeister mit seinem lamentoso so wie sein Treiben, sein Eilen aus der Stadt zu kommen, da er hier Pferde und Wagen hätte auf der Straße stehen lassen müssen, so wie endlich die auf mich niederdonnernde Nachricht: Seconda sei noch nicht hier und an seine Anherkunft noch nicht zu denken, hatten mich gestern so aus aller Fassung gebracht daß der Brief an Sie, den ich nicht wieder öffnen mag, sehr aphoristisch ausgefallen sein muß. — Schulmeister fand in der entferntesten Vorstadt ein Unterkommen, wurde aber des Passes wegen zum Warten bis auf heute früh 8 Uhr verwiesen, ich nutze daher die Zeit, in meinem zweiten Sie und meine Freunde wenigstens in aller Kürze von den Begebenheiten auf der Reise zu unterrichten, da ich Willens bin später über Prag ein förmliches Reisebülletin worin allerlei komische Begebenheiten und schnakische Abenteuer enthalten sein sollen zu schreiben. — Also:
In Ba〈y〉reuth fand ich den Postmeister Gschick und dieser so wie der Lieut〈e〉nant Beyerlein versicherten mich: es sei gar nicht daran zu denken daß ich durchkommen würde. — Ich dachte auf der Reise nun einmal muß man alles versuchen und fuhr in Gottes Namen weiter. Gschik empfahl mich wenigstens mündlich dem Obristwachtmeister Fortes von den Jägern der in Mönchberg die Vorposten kommandiert, an diesen wandte ich mich, und nachdem er erst einiges Bedenken geäußert, visierte er doch meinen Paß und ich kam ohne alle weitere Nachfrage durch alle Vorposten, deren letzte ich eine halbe Stunde übe〈r〉 Münchberg heraus antraf. — In Hof kein Militair aber beherzte Leute die meinem Sch〈ulmeister〉 rieten nur weiter zu fahren. — eine Stunde vor Plauen die erste Vedette, ein pr〈eu〉ß〈ischer〉 Husar, der mich frug wo ich hin wollte, und nachdem er mit mir auf Fridr〈ich〉 Willh〈elms〉 Wohl geschnapst, weiter ließ. — ein pr〈eu〉ß〈ischer〉 Wachtmeister mit einem Piket Husaren — dito — weiter fort — In Plauen ein prß: Kommando. Kaum aus Plauen heraus im Walde, ganz unvermutet leise hervorschleichend 25 Kosaken mit einem Offizier lauter alte bärtige Leute, die mich ungefragt vorbeiließen. In Reichenbach alles voll prß: Husaren, Kosaken. — Wir übernachteten; Schon Abends um 8½ Uhr kamen zwei Pulks Baschkiren und Kalmuken und die ganze Nacht hindurch hörte das Durchgehen von Kosaken nicht auf. — Das Gemurmel, die einzelnen Rufe in der fremden Sprache hatten was schauerliches — ängstliches. Nun blieb der Weg nicht mehr leer von einzelnen streifenden Baschkiren, Kosaken und pr〈eu〉ß〈ischen〉 Husaren. — In Lichtenstein russische Dragoner und Artillerie und zwar zwei Batterien jede zu 2 Haubitzen und 8 schweren 6Pfünde〈rn〉 — In Langewitz rückten eben zwei Eskadrons pr〈eußische〉 grüne Husaren ein — ganz herrliche Leute mit vortrefflichen Pferden, es war eine Lust sie anzusehen, mehrenteils Freiwillige — Chemnitz ganz voller Truppen von allen Warfen und vor dem Dorfe Wiese, wo wir übernachtet〈en〉 40 Kanonen (4 Batterien). Nun wurde es immer voller und voller — Munit〈ions〉Wagen — Kanonen — Infant〈erie〉 Kavallerie auf dem Marsch vorwärts begriffen. — Noch in Herzogswaldau liefen wir Gefahr von einem herabrollenden Munit〈ions〉Wagen alles zerbrochen zu sehen. — Endlich — endlich in Dresden . — Man kann es sich gar nicht denken, wie lebhaft es hier ist — dem König und dem Kaiser haben 20 000 Mann Garden mit 60 Kanonen gefolgt — Alles steckt voller Truppen die aber heute meistenteils vorwärts sollen.
Fünfzig oder damit ich nicht vielleicht dem Kellner eine Lüge nachsage, eine Menge weißgekleidete Mädchen haben den Kaiser bei seinem EinRitt in die Stadt bekränzt
Bei der Illumination am 25 t haben Spottverse auf Napoleon geglänzt. Unter andern habe ich selbst nah meinem Fenster die Inschrift gesehn: Sonst mit Schmerzen — Heute von Herzen! — Die ganze Nacht erschallen Hurrah’s und russische Volkslieder, es ist ein Leben und Regen ohne Gleichen — Russische und pr〈eu〉ß〈ische〉 Offiziere umarmen sich auf den Straßen und aus allen Tavernen hört man die Namen Alexander und Fridrich Willhelm! — Sonst weiß ich in Politicis Natürlicherweise nichts und werde erst nach gehörig eingezogenen Nachrichten im Bülletin weitläufiger sein — Übrigens denke ich wohl aus allem was ich gesehen, daß wenn Sie dieses lesen, Sie auch schon Preußen und Russen gesehen haben werde〈n〉.
Nachdem ich mich beruhigt oder wie man zu sagen pflegt die Sache beschlafen habe, finde ich es gerade recht gut, daß Seconda noch nicht hier ist, er muß mir natürlicher Weise nicht allein ReiseGeld schicken, sondern auch Gage zahlen, und ich habe jetzt Muße mich häuslich einzurichten und mein Buch zu enden, wozu ich mich auf der Reise schon präpariert. In dem Augenblick besitze ich 1 Carolin und diesem Umstande mögen Sie es zurechnen, daß ich, da Sie mir Ihre Freundschaft in der Not bewährt, so frei war den Sch〈ulmeister〉 dem ich übrigens habe 1 Carolin zulegen müssen des überteuern Futters wegen, an Sie zu adressieren; ich werde meine Schuld richtig abtragen. — Meinen Freund Morgenroth habe ich schon gefunden und er wird mir den Gluk verschaffen, den ich dann gleich dem Bülletin beilege — Der Schulm: ist da. Leben Sie wohl, Freund! — bald hören Sie mehr von mir —
Adio mio Carissimo!
Hoffmann
Dresden den 10 t Mai 1813.
Vortrefflichster! Es ist jetzt eine Zeit in der sich Neues an Neues drängt, so daß man nur das zunächst erfahrne erzählen mag; verlangen Sie daher nichts umständliches über meine Fata bis zum 30 April — Nur so viel, daß das herrliche Dresden selbst in den kritischten Zeiten, selbst in meiner übermißlichen Lage mich ganz ermutigte. — Schon den 26 April fand ich meinen alten Freund den Kammermusikus Morgenroth, der nichts angelegentlicheres zu tun hatte als mich in die Kirche zur Aufführung eines prächtigen altertümlichen Requiem’s von Hasse zu geleiten. — Aber noch eine größere Freude stand mir am Abend bevor; ich fand nehmlich im Linkschen Bade meinen ältesten Jugend, Schul, Akademischen Freund, den StaatsRat v. Hippel, dessen Herz noch eben so wie seit 25 Jahren jetzt unter dem Stern des roten AdlerOrdens, sich den Ergießungen der innigsten Freundschaft überließ. — Daß ich des gemütlichen für teutsche Musik empfänglichen Morlachi Bekanntschaft machte, daß ich die Vestalin, il matrimonio secreto , eine Hauptprobe des Cortez hörte und überhaupt in Kunst und Musik mich lustig bewegte, sind Nebensachen nachdem heute der 10 t Mai angefangen —
Den 30 t April Abends über Tische bekam ich Antwort v〈on〉 Seconda mit einem Wechsel auf 70 rth und der Bitte mich schleunigst nach Leipzig zu verfügen in so fern sein Bruder länger als 14 Tage hier zu bleiben gedächte, ich begab mich zum Signor Franz in sein mit den Bildnissen von Opitz, Ochsenheimer, Thering u. s. w. (sehr gut in Öl gemalt) geschmücktes Kabinett, und erhielt den Bescheid nur ja nach Leipzig zu gehen, weil er bei der Anwesenheit des Kaisers von R〈ußland〉 und des Königs von P〈reußen〉 vielleicht den ganzen Sommer über hier bleiben würde. Den 2 t Mai wollte ich daher mit der Diligence abreisen allein — keine Diligence — keine Post — keine Pferde — keinen Paß! — ich mußte hier bleiben. — Schon den 3 t ging ungeheure russische Bagage über die Elbe Tag und Nacht — den 7 t verließ der StaatsKanzler v. Hardenberg mit den StaatsRäten Dresden, den 8 t rückte von früh 3 Uhr Artillerie durch — um 10 Uhr ritt der König von P〈reußen〉 durch die Stadt, um 11 Uhr brannte die Elbbrücke (der von Holz aufgerichtete Teil zur Komm〈unikation〉 da wo die beiden Bogen eingesprengt sind) und beide Schiffbrücken deren Kähne brennend die Elbe herabschwammen, der KanonenDonner erschütterte die Fenstern der Häuser an der Elbe — um 11¼ Uhr ritt ein franz〈ösischer〉 Trompeter und fr〈anzösischer〉 Uhlann durch die Straßen, Kavallerie — Infanterie folgte und um 5 Uhr traf unter dem Geläute aller Glocken und von verschiedenen Deputationen empfangen Se〈ine〉 Maj〈estät〉 der Kaiser Napoleon mit zahlreichem Gefolge ein. Die Russen blieben in der Neustadt, und nun ging ein Tiraillieren mit Büchsen hinüber und herüber an welches bis in die späte Nacht und den 9 t um 3 Uhr wieder anfing und den ganzen Tag wieder bis in die Nacht dauerte. Sie wissen daß da, wo das Kreuz auf der Brücke steht, sich zwei steinerne Schildhäuser befinden; hinter diesen so wie hinter einigen Steinen hatten sich russische Jäger postiert und schossen, so wie sich franz〈ösisches〉 Militair blicken ließ, herüber; ich befand mich auf dem Wall neben dem Theater, und konnte sehen wie sie anlegten, und wie der russische Offizier hin und her sprang um seine Feinde zu entdecken, und wie er eifrig dem versammelten neugierigen Volke zuwinkte sich zu entfernen. Die Kugeln prallten am SchloßTore an, und eine Frau wurde schwer verwundet so wie ein Knabe erschossen. Den 9 t hatten sich französische Jäger auf die Gallerie und auf den Turm der katholischen Kirche postiert und schossen munter herüber — jetzt flogen KartätschenKugeln (die Russen hatten Geschütz aufgepflanzt) bis in den Neumarkt , und um 1½ Uhr platzte mitten auf dem Altmarkt eine hereingeworfene Granate. — Mit dieser Gefahr unbekannt ging ich noch V〈or〉M〈ittags〉 um 10 Uhr an das Brühlsche Palais und fand in der Nähe des Schloßtors mehrere Menschen, wurde aber in dem Augenblick von einer Kugel, die von der Mauer abschlug, am Schienbein, jedoch so matt getroffen, daß eigentlich nur meine neue StiefelKlappe verwundet wurde ich aber nur einen blauen Fleck davontrug — Die wie ein Geldstück platt gedrückte Kugel hebe ich zum Andenken auf und mit diesem Andenken gänzlich zufrieden uneigennützig nicht nach mehr verlangend entfernte ich mich ziemlich schnell, und gab auch die Idee auf den Wall zu besuchen, indem eben in den noch übrigen Schießscharten französ〈isches〉 Geschütz aufgefahren wurde. — An kein Amt an keine Vesper war zu denken denn die Kugeln zersplitterten die Fenster der Kirche und schlugen in die Türe ein, so daß schon in aller Frühe ein alter Mann auf der KirchenTreppe erschossen wurde — an das SchloßTor fuhren zischend unaufhörlich Kugeln — kurz in der ganzen Gegend konnte man den Tod der Neugierde sterben. — Die Nacht von gestern auf heute haben die Russen die Neustadt verlassen und die fr〈anzösische〉 Armee geht, wie man sagt, in zwei Punkten ganz in der Nähe von Dresden, wo sie Schiftbrücken geschlagen, über die Elbe. —
Ob ich nun hier in Dresden bleiben — wie und wann ich nach Leipzig gehen werde, das wissen die Götter; ich habe daher das teure Hotel verlassen und mir auf dem Altmarkt No 33 bei Madame Vetter Vier Treppen hoch ein höchst romantisches Stübchen ganz in der Nähe des Uranus gemietet, worin ich jetzt sitze und in stolzem Bewußtsein meines HeldenMutes von ausgestandener Angst und Gefahr schreibe. — Übrigens geliebter Freund! haben Sie gar keine Idee von der Unruhe und von dem gräßlichen Tumult, der hier in diesen Tagen geherrscht hat, und eben deshalb ist der versprochene Aufsatz noch nicht fertig, dagegen folgt die Abschrift des Ritter Gluck anbei.
Beiliegendes Blättchen geben Sie gütigst unserm Juristen, meinem Bamberger Sachwalter, da ich weiß daß er sich für meine einfältige Angelegenheit interessiert. — In meiner jetzigen poetischen Wohnung ist es sehr ruhig und ich hoffe daher (auf jeden Fall bleibe ich noch 8 Tage in Dresden) fleißig sein und Ihnen noch viele specialia schreiben zu können. — Ihrer lieben Frau — Schwägerin — den Freunden Herzliche, innige Grüße. —
Mein litterarisches Handwerkszeug taugt den Teufel nichts — Wer vermag mit blasser Tinte und stumpfer Feder was ordentliches zu schreiben — aber es soll und wird alles besser werden. — Stets unverändert
Der Ihrigste
H.
Dresden den 20 t Juli 1813.
Geschätztester! Endlich erhalte ich über Leipzig Ihren lieben Brief, oder nach dem gewissen uns bekannten lignösen Styl (im Gegensatz von Lapidarstyl) Ihr Wertestes vom 6 t Julius, und werde Rücksichts der ganz absonderlichen Gedanken, die bei Ihrem hartnäckigen Stillschweigen in mir aufstiegen, gänzlich beruhigt. Nur darin ausschließlich liegt es, daß ich die erste Abteilung des für die Fantasiestücke bestimmten letzten Aufsatzes, den ich endlich dem Speyer auf gut Glück sandte, so lange zurückhielt. Alle Specialia , die mein Leben, Tun und Treiben betreffen, habe ich Speyern ganz ausführlich geschrieben, ich beziehe mich darauf, es bedarf keiner Wiederholung, und ich muß gleich von unserer interessanten litterarischen Verbindung sprechen.
Die Ansicht der beiden ersten Bogen hat mir viel Freude gemacht, da der Druck wirklich äußerst elegant ausgefallen ist und Ihnen in den LiteraturZeitungen gerechtes Lob einbringen wird. Was nun Ihre Vorschläge betrifft, so ist nach reiflicher Überlegung das Resultat folgendes:
1) Ich mag mich nicht nennen, indem mein Name nicht anders als durch eine gelungene musikalische Komposition der Welt bekannt werden soll; später wird man’s doch erfahren, wer dies und das, verlegt bei Herrn C. F. K., geschrieben hat.
2) Ich werde auf eine allegorische Vignette sinnen, dieselbe zeichnen und Ihnen zusenden.
3) Alle Vorreden sind mir, stehen sie nicht als Prolegomena vor einem wissenschaftlichen Werke, in den Tod zuwider, am mehrsten aber solche, womit bekannte Schriftsteller die Werke unbekannter wie mit einem Attestate versehen und ausstatten. — Diese Vorreden sind gleichsam die Brandbriefe, mit denen in der Hand die jungen Schriftsteller um Beifall betteln. Finden Sie als Verleger, Ihres bessern Nutzens wegen, es aber geraten, meinem Werklein ein solches Attestat vorsetzen zu lassen, so schreiben Sie immerhin an Ihren Freund Jean Paul, vielleicht ist er in der Laune, ein launigtes Vorwort hinzuwerfen, das dann noch meinem Vorworte (ich meine den Callott) vorgesetzt werden könnte.
4) Rücksichts der zwei Bändchen sind wir auf eine Idee geraten, und es fragt sich nur, wie dieselben einzurichten. Bloß aus dem jetzigen Vorrate genommen, würden sie zu mager ausfallen, und ich bin daher Willens, noch Behufs des zweiten Bändchens manches nachzuliefern, indem ich natürlicher Weise voraussetze, daß diese neuen Aufsätze nicht in die Rücksichts des ersten Bandes gemachten Bedingungen eingeschlossen, sondern als für ein neues Werk bestimmt, anzusehen sind; die Vorschläge deshalb erlasse ich Ihnen teurer Freund! Damit ich aber Rücksichts der Länge einen Maßstab habe, so schreiben Sie mir doch gütigst, wie viel ein nach meiner Art eng und klein geschriebener Bogen im Druck austrägt, und wie und wann Sie Manuskript brauchen.
Der Aufsatz, welcher nach meiner ersten Idee nur eine flüchtige, aber pittoreske Ansicht des Träumens geben sollte, ist mir unter den Händen zu einer ziemlich ausgesponnenen Novelle gewachsen, die in die vielbesprochene Lehre vom Magnetismus tief einschneidet, und eine, so viel ich weiß, noch nicht poetisch behandelte Seite desselben (die Nachtseite) entfalten soll. Außer dem, was Sie besitzen, wird die Erzählung noch drei Abteilungen haben, nehmlich: Mariens Brief an Adelgunda; Albano’s Sendschreiben an Theobald, und das »einsame Schloß«. — Mit Albano’s Sendschreiben, dem schwersten, und, wie ich glaube, dem tiefsten und philosophisch-gedachten Teile bin ich zwar fertig, aber noch nicht im Reinen, d. h. noch genügt mir mancher Satz nicht, da eine vollendete Schärfe des Ausdrucks das ist, wonach ich hier durchaus streben muß. — Schon in dem »Träume sind Schäume« werden Sie Andeutungen über die Wirkungen des tierischen Magnetismus, so wie über Sympathien und Idiosynkrasien finden; allein ob Sie die angelegten Minen, deren Explosion so verderbend wirken soll, ahnden, weiß ich nicht. Am Schlusse der Erzählung wüte ich unter den lebendigen Menschen, wie ein Dschingiskhan; aber es soll nun einmal so sein. — Verbinden werden Sie mich, wenn Sie die Güte haben wollen, mir das Buch (nehmlich Tom. I.) nach Vollendung des Drucks zu senden.
Sehr begierig bin ich, wie sich der Hund ausnehmen wird; ich setze nehmlich voraus, auf Ihre Diskretion mit Festigkeit bauend, daß außer den von mir selbst veranstalteten Änderungen nun keine mehr erfolgt sein werden . Die Korrektur ist sehr genau zu machen, und um so nötiger, da ich mir im Schreiben gewisse Unarten nicht abgewöhnen kann. — Speyer mag den Magnetiseur vor dem Druck lesen, damit er beurteile, ob ich in medizinischer Hinsicht gehörige Konsequenz beobachtet. — Von andern, zum Teil höchst skurrilen Ideen, die ins zweite Bändchen sollen, nächstens.
Unerachtet des großen Tumults der jetzigen Zeit, lebe ich doch hier recht einsam, indem ich zur Zeit keinen Ort gefunden, oder habe finden wollen, der mich aus meinem Tusculum Abends herauslocken könnte. Daher kommt es, daß ich unmenschlich fleißig bin, und außer meinen Amtsgeschäften gar manches ans Tageslicht befördere. So wird z. B. die Undine auch in kurzer Zeit beendigt sein und Härtel wird mit Rezensionen überschüttet. Der Himmel gebe nur, daß alles hier in Dresden gut ablaufen mag, falls der unglückselige Krieg wieder ausbrechen sollte. Keine Zeit ist wohl der Kunst so nachteilig, als gerade die jetzige, und Seconda kann in der Tat nicht genug von Glück sagen, daß sein Theater bis jetzt besucht bleibt. —
Gar manchmal sehne ich mich nach dem Zirkel meiner Freunde in Bamberg, besonders aber nach Ihnen, Verehrtester! 〈…〉
Aber auch selbst in physischer und psychischer Hinsicht würde Ihnen, bekommen wir Frieden, was ich trotz aller kriegerischen Anstalten noch immer hoffe, eine Reise nach Dresden oder Leipzig recht von Nutzen sein. An beiden Orten wollten wir in Kunst und Litteratur schwelgen! — In Leipzig habe ich vorzüglich an Örtern, von denen Sie mir so oft erzählt haben, unzählige mal an Sie gedacht. So z. B. hatte ich, um Abends nach dem Theater mich in Gesellschaft zu zerstreuen, das Reichard’sche Kaffeehaus deshalb gewählt, weil ich nur zehn Schritte hinzugehen hatte, und wenn ich nicht irre, ist dieser Ort auch häufig von Ihnen besucht worden. Den Baumgärtner habe ich an besagtem Orte kennen gelernt, so wie andere, Künstler, Gelehrte, Leipziger Magister u. s. w. — Hier in Dresden komme ich nur zur Probe und Vorstellung nach der Stadt, übrigens bleibe ich auf dem Lande, und komme mir, wenn ich in meinem Gärtchen (das übrigens eine himmlische Aussicht über die Elbe, nach der sächsischen Schweiz bis Böhmen hinein hat) mit der Pfeife und in einem ziemlich abgelebten Überrock, dem ich, wie Bickert im Traume, vergebens einige Neuheit geben zu lassen streben würde, umherwandle, vor wie der homme de qualité qui se retiroit du monde ! — Geht das so in dieser Lebensweise fort, so schreibe ich Berge von Noten, Fantasiestücken u. s. w., da ich Morgens 5 Uhr richtig aus dem Bette muß, indem sich alles im Hause regt und bewegt, wo hingegen später eine Totenstille eintritt.
Der Weinzahn liegt verschlossen in meinem Kästchen, und wird erst wieder eingesetzt, wenn wir künftig Manuskripte gegen Wein troquieren. Den Maßstab nehmlich was und wie ich trinke, finden Sie in den Kreislerianis .
Daß Sie heftig, aber kurze Zeit krank waren, schrieb Speyer. Nun Gottlob, daß es vorüber; — ich habe an einer verfluchten Diarrhoe, die hier grassiert, und leicht in Ruhr ausartet, gelitten, — man hat mir Rhabarber gegeben, und ich bin wieder gesund worden. 〈…〉 Wetzel ist mir gleich originell und interessant erschienen, — springt er mit Ihnen auch auf die Jagd? — er muß süperbe schießen! Grüßen Sie ihn doch von mir! 〈…〉
Ihr langes Stillschweigen hat mich gewissermaßen verstimmt. Lassen Sie künftig ja nicht so lang auf Briefe warten
〈…〉
Leben Sie wohl, teuerster Freund! — —
Dresden den 26 Julius 1813.
Geschätztester!
In diesem Augenblick erhalte ich Ihren GeburtstagsBrief (schreiben Sie noch fünfzig mal dergl.) und antworte auf der Stelle um in der litterar〈ischen〉 Angelegenheit kein Säumnis zu verursachen! — Erinnern Sie Sich wohl, wie oft ich Sie vor meiner verfluchten engen Handschrift warnte? — ich weiß ja, wie viel sie vorzüglich in solch splendidem Druck austrägt. — Nun ists einmal auf 2 Bändchen abgesehen, und die Einteilung muß freilich proportionierlich nach der Bogenzahl geschehen. Machen Sie daher dieselbe gefälligst nach Ihrem Belieben,
Also Tom. I. Callott Gluk Kreisler Don Juan — II. Berganza Magnetiseur. und da das Werkchen für jetzt mit dem »Träume sind Schäume« geschlossen wird, erfolgt nächstens mehr Manuskript. — Lassen Sie ohne alle Besorgnis nur darauf los drucken, denn selbst wenn ich plötzlich Todes verbleichen sollte, könnte aus dem, was ich schon geschrieben, der Aufsatz vollendet werden. — Findet das Werkchen eine gute Aufnahme so dächt ich, lieferten wir zur OsterMesse dito 2 Bändchen, und beschlössen damit die FantasieSt〈ücke〉. Die Zahl 3. gefällt mir nicht! — Diese 2 Bändchen würden aber als ein Neues Werk anzusehen sein. — Wer brachte dann, besonderer Mann! die Idee mit dem Kontrakt aufs Tapet? — Glauben Sie denn, daß ich so diplomatisch bin, aber eine gewisse aus meinem Geschäftsleben herüber gebrachte Genauigkeit läßt mich eine einmal formell eingeleitete Angelegenheit nicht gern ohne weitere Wirkung ausgehen! — ein sauber und rund entworfenes Dekret unexpediert hinter den Tisch geworfen! — Die Antwort auf den Leipziger Brief haben Sie in Händen und in ihr den Grund einer gewissen Verstimmung die er gehoben hat. — Es ist mir höchst erfreulich, daß wir uns auch in der Idee einer Reise begegnet haben; indessen bitte ich um deutliche Explikation ob Sie nach Dresden oder Leipzig kommen wollen — ich vermute letzteres, und bemerke in dieser Hinsicht daß wir bis Med . Oktober hier bleiben — Daß wir die höchst ersprießlichsten jovialsten Abende verleben werden, ist kein Zweifel — der fromme Zusatz: wenn mir Gott das Leben fristet, rührt noch von dem Schauer des letzten Anfalls her — das leise fortgehaltene Tremulo nach dem Donnerschlag —
Finden Sie in diesem Brief Etwas rapshodisches — ungleiches, so rechnen Sie es nächst der Eil, dem Umstande zu, daß gerade 〈gegen〉über mir im Koselschen Garten die Kaiserl〈ichen〉 GardeHoboisten ihre Übung halten und ejusdem temporis vor dem Hause meines verstorbenen Nachbars Bäckermeisters die Neustadter Schüler Leichenlieder singen — gehört das nicht zu Kreislers Musikalischen Leiden?
Unendlich werden Sie mich durch die Anweisung an Arnold aufs Schubertsche Buch verbinden — eben jetzt, da ich mit dem Studium der Schellingschen Weltseele fertig bin, kann ich dazu schreiten. —
Bester Mann! — Nur keine Änderungen in meinem Manuskript — es ist nicht Eitelkeit, aber jeder hat doch was eignes, und was so aus der Seele, aus dem Innersten hervorgegangen, dem schadet oft selbst scheinbare Politur — Haben Sie die Leiden nach meinem Manuskr〈ipt〉 oder nach der Mus〈ikalischen〉 Z〈eitung〉 abdrucken lassen — Ich finde » verlungerter Abend, pikantes Stumpfnäschen — dumm, wie ich fürchte «, alles dieses ist nicht in meinem Manuskr〈ipt.〉 — Verbessert vielleicht Wezel? — Ich bitte liebster Mann, nur nicht im Berganza — er muß weiß Gott bleiben, wie er ist. Übrigens freut mich der schöne Druck herzlich, aber haben Sie die Güte, wenn der erste Band fertig, mir solchen durch Beipackung an Ihren Kommiss〈ionär〉 od〈er〉 sonst zu übermachen — ich muß unmenschliches Porto zahlen — Ihrer Bemerkung unerachtet Gedrucktes pp — kostet — jeder Brief 12 ggr 6
Gestern Nacht hat uns der Kaiser verlassen — einige sagen nach Paris, andere nach Italien — Niemand weiß gewisses, jedoch verbreiten sich die erfreulichsten FriedensNachrichten — Gott gebe, es sei wahr —
Wegen meines übrigen Lebens beziehe ich mich auf m〈einen〉 letzten Brief —
Meine Frau grüßt Sie und die Ihrigen sehr — Eben so ich die Ihrigen
Adio — mio carissimo amico
Der Ihrigste
Hff (Wollen Sie die Bändchen broschieren lassen
Ich glaube — es macht sich nicht übel
In hochster Eil)
Dresden den 12 t August 1813.
Verehrtester! Um Sie von meiner Tätigkeit zu überzeugen, sende ich Ihnen 1. zwei Zeichnungen zu den Vignetten des ersten und zweiten Bandes 2. Ein Bogen Manuskript.
Der Sinn der Allegorie in den Zeichnungen spricht sich so deutlich aus, daß ich kein Wort darüber zu sagen brauche, und ich glaube nicht, daß bei der Einfachheit die Platte sonderlich viel kosten wird. Eben so wird wohl jetzt der Druck ohne allen Aufenthalt vorwärts gehen können, indem noch in diesem Augenblick viel Manuskript vorhanden sein muß. —
Albans Brief enthielt eine weitläuftige imaginaire Theorie des Magnetism, ich habe sie aber ganz beschnitten und mich mehr an die Begebenheit gehalten; nächstens empfangen Sie den Schluß! —
Am 10 t hatten wir hier Napol〈eons〉 Geburtsfeier, durch FreiTheater, Illumination, GartenDiner unter freiem Himmel, Feuerwerk und hauptsächlich KanonenDonner, daß die Fenster klirrten und die Häuser wackelten. — Das in der Tat feurige Feuerwerk wurde auf der Brücke abgebrannt und gewährte mit seinen dito feurigen Reflexen im Wasser einen wunderbar feenhaften Anblick. —
Sehr hübsch war es, daß unsere Prima Donna (es wurden Paers Wegelagerer gegeben) ihre BravourArie förmlich mit obligaten Kanonen absang. Von dem Tumult den ganzen Tag und die ganze Nacht haben Sie keine Idee; mir braust noch der Kopf davon! — Übrigens wissen wir von Krieg und Frieden nicht das mindeste; und ich weiß von keiner andern Fehde, als die ich mit Hrn. Sec〈onda〉 beginnen möchte, der bei den herrlichsten Einnahmen unsre Gagen nicht erhöht. —
Mit inniger Lust habe ich vorigen Sonntag den Pumpernikel dirigiert, oder vielmehr am Flügel sitzend angehört; das Haus war gesteckt voll, und wie die Leute die es wissen können sagen befanden sich 450 rth in Cassa . Eine gewisse Madame Horstel aus Wien mit ihren beiden Töchtern ist hier, und tanzt in unsern Vorstellungen zur innigsten Freude der Franken. Sie sowohl als ihre Töchter sind aber auch sehr brav, und letztere tanzten neulich im elegantesten Pariser BallCostum eine Gavotte, die gräßlich applaudiert ward — Zu den Theaternovitäten gehört ferner, daß Benelli wohl gewiß unverdienter Weise, in der Schweizerfam〈ilie〉 ausgepfiffen wurde und nun nicht mehr auftreten will. Die Sandrini empfiehlt sich Ihnen bestens und erinnert sich mit Entzücken der seligen Augenblicke die sie mit ihrem Carlo genossen!
In diesem Augenblick war der Arzt bei mir und untersagt mir das Ausgehen auf zwei Tage, denn Sie müssen wissen, daß ich auf eine ganz verfluchte Art krank geworden bin — wahrscheinlich durch Ansteckung, nehmlich ein Anfall von wirklicher Ruhr, die hier grassiert und von den aus dem Lager kommenden Soldaten verbreitet wird, wirft mich körperlich nieder, aber nicht geistig, und das Buch: die Kunst seiner krankhaften Gefühle Meister zu werden, ist nicht so schlecht wie es Ihnen vorgekommen — Je größer der Schmerz, desto mehr Ruhe kann man erzwingen. z. B. bei großen Verwundungen — wenn einem der Kopf abgeschlagen wird. u. s. w.
Schreiben Sie mir doch gütigst viel Bambergiana — das interessiert mich sehr da ich doch dort manches besondere erlebt. Grüßen Sie die Freunde! — empfehlen Sie mich Ihrer Familie, der lieben Frau küsse ich die Hand — meine Frau grüßt außerordentlich.
Der Ihrigste
Hff
Wie finden Sie es, daß ich unter die Vignette meinen Namen als Zeichner setze? Es ist gleichsam ein Versteckspielen — In den annexis sucht man nicht! Sollte ich an der Ruhr sterben so vermache ich Ihnen meine sämtlichen Manuskripte — Noten mit eingeschlossen, und Sie können ein〈e〉 charakteristische Vorrede schreiben worin öfters vorkommt — mein verstorb〈ener〉 Freund hatte das Eigne — oder mein verst〈orbener〉 Fr〈eund〉 pflegte pp
Dresden den 19 t August 1813.
Verehrtester! Vorgestern erhielt ich Ihren lieben Brief vom 7 t durch Morgenroth! — Daß Ihnen der Magnetiseur zusagt freut mich ungemein, da es mir den Beweis gibt, daß ich mein〈e〉 eignen Sachen ziemlich richtig beurteile! — Erinnern Sie Sich denn nicht, daß ich Ihnen selbst sagte: es würde das beste im Ganzen werden?
— Empfangen Sie in der Anlage, als Beweis meines Fleißes den Schluß des Ganzen. — Die Katastrophe habe ich, da die Anlage weitschichtig genug, in kurzen, aber starken Zügen gegeben! — In keiner als in dieser düstern verhängnisvollen Zeit, wo man seine Existenz von Tage zu Tage fristet und ihrer froh wird, hat mich das Schreiben so angesprochen — es ist, als schlösse ich mir ein wunderbares Reich auf, das aus mein〈em〉 Innern hervorgehend und sich gestaltend mich dem Drange des Äußern entrückte — Mich beschäftigt die Fortsetzung ungemein, vorzüglich ein Märchen das beinahe einen Band einnehmen wird — Denken Sie dabei nicht, Bester! an Schehezerade und Tausend und Eine Nacht — der Turban und türkische Hosen sind gänzlich verbannt — Feenhaft und wunderbar aber keck ins gewöhnliche alltägliche Leben tretend und sei〈ne〉 Gestalten ergreifend soll das Ganze werden. So z. B. ist der Geheime Archivarius Lindhorst ein ungemeiner arger Zauberer, dessen drei Töchter in grünem Gold glänzende Schlänglein in Krystallen aufbewahrt werden, aber am H. DreifaltigkeitsTage dürfen sie sich drei Stunden lang im HolunderBusch an Ampels Garten sonnen, wo alle Kaffee und Biergäste vorübergehn — aber der Jüngling, der im Fest〈t〉agsRock sei〈ne〉 Buttersemmel im Schatten des Busches verzehren wollte ans morgende Collegium denkend, wird in unendliche wahnsinnige Liebe verstrickt für eine der grünen — er wird aufgeboten — getraut — bekommt zur MitGift einen goldnen Nachttopf mit Juwelen besetzt — als er das erstemal hineinpißt verwandelt er sich in einen MeerKater u. s. w. — Sie bemerken Freund! daß Gozzi und Faffner spuken! —
Mit mein〈er〉 Gesundheit geht es besser, nur muß ich in diesem Augenblick beinahe zu viel arbeiten, da schwere Oper auf schwe〈re〉 Oper folgt — Iphigenia — Faniska — Sylvana — Cortez — es ist arg —
Mein Arzt hat das ††† Nervenfieber befürchtet, indessen der Sturm ist abgeschlagen! — Übrigens sind jetzt hier die Stufen: Ruhr — Nervenfieber — Tod! Vor zwei Tagen war ich noch so krank, daß ich wirklich daran dachte ein schöner Engel zu werden und heute habe ich das Billet an Nikomedes geschrieben und Alles ins Reine gebracht zum Absenden! — Bei dieser Gelegenheit eine Bitte! — Ich bin zwar noch in Ihrer Schuld, da aber unsere Verbindung fortwährt, so wird es Ihnen nicht sehr darauf ankomme〈n〉, mir auf folgende Art unter die Arme zu greifen, weil jede bare Zahlung künftig dadurch verringert wird. — Ich soll nach des Arztes Vorschrift roten Wein und zwar guten trinken, könnten Sie mir wohl durch Assignat〈ion〉 an ein〈en〉 hiesigen Weinhändler mit dem Sie in Verbindung stehn zu ein anderthalb oder Paar Dutzend Flaschen nicht zu teuern aber guten verhelfen? — Sonst aufrichtig gesagt kann ich es mir jetzt bei 10 rth Gehalt und enormer Teurung nicht antun Wein zu trinken — Gehts nicht so sagen Sie nein und damit gut — Es sind Odiosa kein Wort weiter
Das herrliche Buch: Schuberts Ansichten pp habe ich erhalten und bin begierig auf alles was der geniale Mann geschrieb〈en〉 und schreibt. Scharfsinnig mehr als poetisch ist die Erklärung der Ahndungen der Sonnambulen
Über Krieg und Frieden soll ich schreiben? — Ach Teuerster! Krieg ist es! — böser arger Krieg! Der Kaiser mit den Garden ging vorigen Sonntag fort, und seit der Zeit wird die Straße nicht leer von Truppen — wie eine ewige Prozession zieht Artillerie Kavall〈erie〉 Inf〈anterie〉 vorüber die schlesische Straße hinauf — von einer vorgefallen〈en〉 Schlacht weiß man bis dato nichts aber Alles ist in der größten Spannung und weiß der Himmel wie es uns ergehen wird — Wir vertrauen ganz auf das Glück v〈on〉 Nap〈oleons〉 Waffen — sonst sind wir verloren — Ich ziehe übrigens in die Stadt, da mein Häuschen äußerst angenehm gerade in der SchußLinie einer bedeutenden Schanze liegt — In diesem Augenblick daß ich dieses schreibe (Nachts 12 Uhr) kommt Kavaliere die auf der ganzen Straße vor mei〈nem〉 Fenster bivouaquiert, mei〈ne〉 Wirtin muß für 20 Mann kochen u. s. w. — Von dem Leben hier mitten im Kriege haben Sie Alle! — Verehrungswürdigste Bamberger! keine Idee! —
Die Vignetten haben Sie nun schon erhalten — also wird es wohl dabei bleiben müssen, es ist auch im Grunde so lieber als der Rand den ich übrigens auch gern und recht fantastisch gezeichnet hätte! — Rücksichts des Honorars für die künftigen Bände einige〈n〉 wir uns wied〈er〉 auf ein bestimmtes Honorar fürs Werk, da ich mir Ihre splendide〈n〉 Bogen natürlicherweise nicht honorieren lassen kann. — Ich bin nicht eigennützig, sonder〈n〉 will nur einigermaßen entschädigt sei〈n〉 für Aufwand an Kraft Mühe was eigentlich intaxable ist — .
Das Rhapsodisch〈e〉 d〈es〉 Briefs so wi〈e〉 das Gekritzel verzeihe〈n〉 Sie de〈m〉 Umstande daß ich erst um 10½ Uhr aus der Probe der Iphigenia gekommen, die seit 8 Tage〈n〉 die erste Oper ist die ich wied〈er〉 dirigiere, da ich einsitze〈n〉 mußt〈e〉 — von 5 bis 10½ Uhr TheaterProbe!! — es ist nehmlich Ballett dabei —
Ihre lieb〈e〉 Frau grüß〈e〉 herzlichst
Adio mio carissimo amico
Hff
Schreiben Sie schleunigst um mein〈e〉 Promptitude zu belohn〈en〉 Den nächst〈en〉 Brief adress〈ieren〉 Sie wie gewöhnlich, künftig: Moritz Straße No bei dem Hrn. OberExaminator Herrmann. 3 Treppen hoch. Grüßen Sie Wetzel und Speyer Weiß pp
Dresden den 8 t Septbr: 1813.
Verehrungswürdigster!
Wie viel herzliche Freude mir Ihre beiden letzten Briefe gemacht, kann ich nicht sagen — Die Ba〈y〉reuther Reise mag höchst interessant gewesen sein, und es ist fatal, daß ich vor der Hand dergleichen entbehre. Richters Weigerung sah ich voraus und es ist nur um so erfreulicher daß eigentlich mein Genius ihn bestimmt hat, mir mit ein paar Worten vorzutreten und zu vertreten beim LesePubl〈ikum〉 — Er mag mich nennen und meiner MusikDirektorschaft erwähnen wie er will und wie es ihm die Laune und Lust eingibt — es ist ehrenvoll von ihm genannt zu sein — Den Zusatz » in Callotts Manier « hab‘ ich reiflich erwogen und mir dadurch Spielraum zu Manchem gegeben — Denken Sie doch nur an den Berganza — ans Märchen u. s. w. — Sind denn nicht die Hexenszenen so wie der Ritt im Hausplatz wahre Callottiana ? — Lassen Sie es bei dem einmal best〈immten〉 Titel und sein Sie in dergl〈eichen〉 Sachen nur nicht zu ängstlich mein teuerster Freund — Das Fiducit darf nicht fehlen! — Spricht Sie denn nicht das Geheimnisvolle der Musik in den Harfentönen an, die dem altdeutschen Troubadour an dem mysteriösen Bildnis der Isisköpfigen Sphinx beim Aufgang der Sonne erklingen? — Den Jokusstab schwingt der Humor, aber er krönt mit Dornen, und dem magnetisch schlafenden drohen spitze Dolche — Hier haben Sie in Parenth 〈 esi 〉 beide Vignetten —
Kratzer hat nur die Form beobachtet Sich begraben zu lassen, tot war er schon lange, ich habe ihn nicht anders gekannt! — So viel in Bezug auf Ihre beiden höchst ergötzlichen und in Wahrheit erfreuenden Briefe — doch setze ich noch hinzu, daß ich für die Assignat〈ion〉 danke, da sie mir herrliche Dienste getan indem mein Nachbar Cagiorgi (hier nennen sie ihn auf eine fabelhafte Art Kasozzi) mir den Wein in ziemlicher Qualität liefert, doch behalte ich mir vor zu besserer Zeit Sie um den sublimsten aller Weine der das Geheimnis seiner Kraft im Namen trägt zu bitten! — ich meine den göttlichen Nuit ! — Gott lasse mich nur das Märchen enden, wie es angefangen — ich habe nichts besseres gemacht, das andere ist tot und starr dagegen und ich meine, daß das Sich herauf schreiben zu etwas ordentlichem, vielleicht bei mir eintreffen könnte! — Der Wille ist immer stark gewesen, aber: wir sind allzumal Sünder und mangeln pp Das übrige des Spruchs werden Sie noch wissen von der Einsegnung her!
Übrigens lebe ich jetzt hier bis auf einige Angst und Not ein wahres Schlaraffenleben da das Theater schon seit 14 Tagen geschlossen ist, Seconda aber dem unerachtet wenigstens bis jetzt die Gage ordentlich zahlt. — Der stillste Ort, wo man entfernt von allem KriegsGetümmel sich wie in einer andern Welt befindet, ist die BilderGallerie, und Sie können denken, daß ich jeden Nachmittag da zubringe, indem der Inspektor Schweikard, ein braver junger Künstler, der eben an einem schönen Bilde nach Schillers Dichtung: Pegasus im Joche, arbeitet, mein Freund geworden. Eben so finde ich in der Dreyßigschen SingeAkademie ein Asyl und erhebe mich über die Unbill der Zeit. Abends gehe ich zu Eichelkraut auf dem AltMarkt, wo ich den jovialen Sekretair Schulz (Fridrich Laun), Winklern (Theodor Hell) und den Kind finde — Schade nur, daß die wahrhaft großen Ereignisse des Tages jedes andere Gespräch ertöten. — Es scheint, als wären wir großen Katastrophen nahe! —
Speyer hat mir einen interessanten Brief geschrieben, er erhält von mir die Neuigkeiten des Tages, so weit sie sich erzählen lassen , in Chronologischer Ordnung, die er Ihnen, so wie den Freunden mitteilen soll. — Ich nenne dies nach meine〈m〉 bekannten Waidspruch »das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden«! —
Jetzt eine Bitte ganz eigner Art, deren Erfüllung, wenn sie in Ihren Kräften steht, nicht gerade eilt: Könnten Sie mir wohl einen leichten Umriß der Pommersfelder Maria (dem angeblichen Raphael) der nur eine Idee vom Bilde gibt, so wie eine kurze Notiz auf welche Weise das Bild in die Gallerie gekommen verschaffen? — Es ist nehmlich von einer ganz besonderen Hypothese die Rede, die sich in meinem Kopfe entsponnen, und die durch die Vergleichung verschiedener Marien in der hiesigen Gallerie, vorzüglich der ganz über alle Maßen altertümlich frommen von Holbein mit der bekannten hochherrlichen Raphaelschen viel Wahrscheinliches gewinnt — Nun möcht ich durch jenen Umriß mein〈en〉 Diskussionen mit den hiesigen Malern Gewicht geben u. s. w. — Sie bemerken, daß ich mich in den schönen Künsten rege und bewege, und werde ich nicht morgen oder übermorgen durch eine preuß〈ische〉 österr〈eichische〉 oder russische Granate in die Luft gesprengt, so werden Sie mich genährt ja gemästet von KunstGenüssen aller Art wieder finden! — Jenen Zusatz wegen der Granate erzeugt ein Leichenzug, der sich gerade 〈gegen〉über mir aus dem Hause bewegt; erst gestern ist nehmlich drüben ein junger Mann gestorben, dem am 26 t Aug〈ust〉 (dem denkwürdigsten Tage für Dresden seit langer Zeit) in seiner Stube ein Stück der gesprungenen Granate den Schenkel wegriß!! — Unwillkürlich gerate ich auch hier , wo ich es nicht wollte, in die kriegerischen Szenen des Tages — indem ich aber ein Glas Cagiorgischen Burgunder genieße, verschwinden plötzlich Kanonen — Granaten pp und ich sitze mit Ihnen in höchster Gemütlichkeit in den herrlichen Katakomben des MaxPlatzes, der mir in schimmernden Lichtern oft wie der Markus-Platz erschienen, da sich der Dunst der sublimsten Weine zum optischen LinsenGlase verdichtet, vor dem sich allerlei närrische Gestalten in skurrilen Bockssprüngen lustig und ergötzlich bewegten! Was ist der Mensch o Gott! pflegte ich dann oft andächtig zum Himmel blickend zu sagen, wenn mir der Chambertin Prima recht gut mundete, in diesem Ausruf üb〈er〉 die Nichtigkeit alles menschlichen Tuns und Treibens tröstete mich aber gerade die Überzeugung vom Gegenteil — denn nie fühlte ich die Herrlichkeit des lebendigen Lebens mehr als eben da! und jener Ausruf war so gut wie die Ausforderung eines unbekannten Widersachers im höchsten Übermute, so wie im Shakespear die besoffnen Schlingel die unverwundbare Luft mit ihren Streichen zu verletzen trachten! — Lassen Sie meinen zweiten Spruch: Es ist alles Eins! — nicht aus Gedanken und Herzen! — Das Vertrauen auf jene Hand, die sich über das All erstreckt, und wie der geschickte Maschinist des MarionettenTheaters jeden Faden zu rechter Zeit zu bewegen weiß ist in jetziger Zeit recht nötig — Ich hoffe Sie im späten Herbst in Leipzig zu sehen, denn es wird geraten sein, daß Sie hin reisen, so bald die Krisis vorüber, und wir besseren Zeiten mit Grund entgegensehen können wie es in Wahrheit zu hoffen steht. u. s. w.
Adio mio carissimo amico — Ihre liebe Frau grüße ich sehr, so wie Alle Freunde — den schalkäugigten Redakteur u. s. w.
Meine Frau grüßt ganz ungemein.
Der Ihrigste
Hoffm
In Eil füge noch hinzu, daß in dem Aufsatz: Jacques Callot, recht eigentlich der Zusatz auf dem Titel: in Callots Manier, erklärt ist, nehmlich: die besondere subjektive Art wie der Verfasser die Gestalten des gemein〈en〉 Lebens anschaut und auffaßt, soll entschuldigt sein. — ich wünschte doch jetzt wohl ein Exemplar des ersten Bandes, wenn Sie es mir gütigst gelegentlich schicken wollten! —
Dresden den 17 t November 1813.
Teuerster Freund! Freiheit! — Freiheit! — Freiheit! — Meine schönsten Hoffnungen sind erfüllt, und mein fester Glaube, an dem ich selbst in der trübsten Zeit treulich gehalten, ist bewährt worden. Haben nicht selbst manche meiner Freunde, auch Sie geliebter Freund! gar kleinmütig mich in einem frommen Wahne befangen geglaubt, wenn ich immer hoffte und hoffte, und Ansichten, die so weit entfernt schienen, ins Leben trug? — Freilich wurde ich durch manches, was ich vor meinen Augen geschehen sah und was wohl manchem entgangen, gar oft gestärkt und erhoben, aber ich mußte schweigen, da es unmöglich war, daraus irgend einen überzeugenden Beweis meiner innigsten Meinung zu geben. — Was soll ich von der letzten Zeit, die ich hier erlebt, sagen? Sie war gewiß die merkwürdigste meines Lebens, da ich alles das, was sonst lebhafte Träume mir vor Augen brachten, wirklich und in der Tat vor mir erblickte! — Gewiß wird Sie und meine Freunde in B〈amberg〉 eine detaillierte Beschreibung der hiesigen Vorfälle interessieren und ich weiß nichts besseres, als
eine Art Tagebuch beizulegen, das das merkwürdigste enthält.
Gewiß ist es ein Glück ohne Gleichen, daß ich nur mit der allgemeinen Angst und Not gelitten, auf meine spezielle Lage dagegen das Ungemach der entsetzlichen Begebenheiten in und bei Dresden keinen Einfluß gehabt hat. Nur nach der Schlacht bei Dresden, am 26 t und 27 t August, blieb das Theater 14 Tage geschlossen, sonst ist unausgesetzt bei vollem Hause gespielt worden, und Seconda hat gerade diesen Sommer bessere Geschäfte gemacht als sonst, da, wie man mir sagt, oft schlechte Witterung den Besuch des Theaters im Bade verminderte. So ist es auch wirklich eine ganz besondere Schickung des Himmels, daß weder ich noch meine Frau, dicht am Lazarett wohnend, nicht erkrankt sind, da selbst in dem Hause, wo wir wohnen, mehrere an dem Nervenfieber, welches einen wahrhaft pestartigen Charakter angenommen, gestorben sind. Der kurze Klimax dieser Krankheit sind: Kopfschmerz, Schwindel, Betäubung, Tod! — Alles in wenigen Stunden. Bei dem gänzlichen Mangel an soliden Lebensmitteln (Brod war gar nicht zu haben, Fleisch nur dann und wann in geringer Quantität) mußte jenes Übel nur zu sehr um sich greifen, und noch in der letzten Woche vor der Kapitulation starben an 200 Personen bürgerlichen Standes, in den Spitälern aber täglich über 200 bis 250, so daß die Leichname aufgetürmt auf dem Neustädter Kirchhofe lagen. — Franzosen auf der Straße auf das jämmerlichste sterben zu sehen, war etwas gewöhnliches!
Nun zu erfreulichern Gegenständen und eine Stelle aus einem Aufsatz, überschrieben: der Componist und der Dichter, den ich für die M〈usikalische〉 Z〈eitung〉 ausgearbeitet, gibt den natürlichen Übergang zu Litteratur und Kunst, in der wir nun schwelgen wollen, Freund!
Ludwig, der sich der edlen Musika ergeben, findet unter den Adjutanten des Heerführers, der in die Stadt gezogen, seinen alten akademischen Freund Ferdinand, der sonst ohne alle militärische Tendenz den Musen gelebt, wieder — sie kamen nach alter Weise in stiller Nacht zusammen, und nachdem sie viel über die Bedingnisse der wahren Oper gesprochen, schließt sich das ganze wie folgt:
»Ferdinand war im Begriff zu antworten, als auf der Straße, dicht vor den Fenstern, der GeneralMarsch geschlagen wurde — er schwieg betroffen.
Ludwig fuhr auf, und tief seufzend drückte er des Freundes Hand an seine Brust.
»»Ach Ferdinand, teurer, geliebter Freund!«« rief er: »»was soll aus der Kunst werden in dieser rauhen, stürmischen Zeit? Wird sie nicht, wie eine zarte Pflanze, die vergebens ihr zartes Haupt nach den finstern Wolken wendet, hinter denen die Sonne verschwand, dahin sterben? Ach Ferdinand, wo ist die goldne Zeit unserer JünglingsJahre hin, was ist aus unserm Streben geworden, alles bessere geht unter in dem reißenden Strom, der die Felder verheerend dahin stürzt, aus seinen schwarzen Wellen blinken blutige Leichname hervor, und in dem Grausen, das uns ergreift, gleiten wir aus — wir haben keine Stütze — unser Angstgeschrei verhallt in der öden Luft — Opfer der unbezähmbaren Wut sinken wir rettungslos hinab!««
»Ludwig schwieg in sich versunken.
Ferdinand stand auf, er nahm Säbel und Kaskett; wie der Kriegsgott zum Kampfe gerüstet, stand er vor Ludwig da. Verwundert blickte ihn dieser an, da überflog eine Glut Ferdinands Gesicht, sein Auge erstrahlte in brennendem Feuer, und er sprach mit erhöhter Stimme: »»Ludwig! — was ist aus Dir geworden? Hat die Kerkerluft, die Du hier so lange eingeatmet haben magst, denn so in Dich hineingezehrt, daß Du krank und siech nicht mehr den glühenden Frühlingshauch zu fühlen vermagst, der draußen durch die in goldner Morgenröte erglänzenden Wolken streicht? — In träger Untätigkeit schwelgten die Kinder der Natur, und die schönsten Gaben, die sie ihnen bot, achteten sie nicht, sondern traten sie in einfältigem Mutwillen mit Füßen. Da weckte die zürnende Mutter den Krieg, der im duftenden BlumenGarten lange geschlafen, der trat wie ein ehrner Riese unter die Verwahrlosten, und vor seiner schrecklichen Stimme, von der die Berge wiederhallten, fliehend, suchten sie den Schutz der Mutter, an die sie nicht mehr geglaubt. Aber mit dem Glauben kam auch die Erkenntnis: Nur die Kraft bringt das Gedeihen — dem Kampf entstrahlt das Göttliche, wie dem Tod das Leben! Ja, Ludwig! — es ist eine verhängnisvolle Zeit gekommen, und wie in der schauerlichsten Tiefe der alten Sagen, die gleich in ferner Dämmerung wunderbar murmelnden Donnern zu uns herüber tönen, vernehmen wir wieder deutlich die Stimme der ewig waltenden Macht — ja sichtbarlich in unser Leben schreitend erweckt sie in uns den Glauben, dem sich das Geheimnis unsers Seins erschließt. Die Morgenröte bricht an, und schon schwingen sich begeisterte Sänger in die duftigen Lüfte, das Göttliche verkündend und im Gesange lobpreisend. Die goldenen Tore sind geöffnet, und in einem Strahl entzünden Wissenschaft und Kunst das heilige Streben, das die Menschen zu einer Kirche vereinigt. — Darum Freund, den Blick aufwärts gerichtet! — Mut! — Vertrauen! — Glauben!«« —
Ferdinand drückte den Freund an sich, dieser nahm das gefüllte Glas: »»Ewig verbunden zum höhern Sein im Leben und Tode!«« —
»»Ewig verbunden zum höhern Sein im Leben und Tode««, wiederholte Ferdinand, und in wenig Minuten trog ihn sein flüchtiges Roß schon zu den Scharen, die in wilder Kampflust hoch jubelnd dem Feinde entgegen zogen.«
——
Als ich in gar böser Zeit jene tröstlichen Worte Ferdinands niederschrieb, kam mir eine gar besondere Ermutigung, mögen Sie auch Freund! die Wahrheit meiner Andeutungen recht innig fühlen und sich daran erlaben!
Das Märchen sub titulo : der goldene Topf, ist fertig, aber noch nicht ins Reine gebracht, so wie auch ein humoristischer Aufsatz unter der Feder sub titulo : Schreiben Milo’s, eines gebildeten Affen, an seine Freundin Pipi in Nord-Amerika, den ich höchst wahrscheinlich der M〈usikalischen〉 Z〈eitung〉 entziehen und den Callotts zuwenden werde.
Mit Schulz (F. Laun) und F Kind komme ich, die TheaterTage ausgenommen täglich Abends in einem Kaffeehause zusammen. Sch〈ulz〉 ist gar gemütlich, liegt aber leider seit 4 Tagen am NervenFieber krank, wird aber, eben weil er schon vier Tage krank ist, höchst wahrscheinlich wieder gesund. Er hat ein dramatisches Märchen in Gozzi’s Manier geschrieben, das ich schon im Manuskr〈ipt〉 zum lesen erhalten hätte, wäre er nicht darüber erkrankt.
Undine naht der Vollendung. — Überhaupt wäre aber schon viel mehr getan, wenn es nicht in den letzten vier Wochen gar zu arg geworden wäre, und nur die exaltierten Augenblicke mit Freunden bei der Flasche die einzigen lebendigen gewesen wären. Wie oft habe ich an Sie und an Ihre Frau gedacht — Ihre Frau hätte die Angst des 26 t und 27 t Aug〈usts〉 kaum überstanden; videatur Tagebuch!
Höchst wahrscheinlich gehen wir jetzt bald nach Leipzig, adressieren Sie Ihre Briefe aber gütigst nach Dresden wie gewöhnlich bis ich wieder schreibe — Wie steht es mit den Callotts? — Sollte der Druck fertig sein, so bitte ich mir gütigst ein Exemplar zu schicken.
Nun teurer Freund, leben Sie herzlich wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und alle Freunde. Das Tagebuch können Sie ja in pleno vortragen;
Ewig unverändert
Der Ihrigste
Hoffm
Meine Frau grüßt ungemein. Noch ein Odiosum — bitte herzlich durch Eizenberger, falls es nötig sein sollte, wegen Zahlung … K. einigen Aufschub zu veranlassen. Gleich nach meiner Ankunft in D〈resden〉 wurde der Postenlauf nach K〈önigsberg〉 unterbrochen — schon habe ich geschrieben und in weniger Zeit erhalte ich meine remesse worauf sogleich alles prompt berichtigt wird — Ich glaube, daß Sie mich von dieser Seite kennen.
Darf ich denn dem Hitzig sagen, daß er Exemplare von den Callotts in Korn〈mission〉 erhalten werde? — für Rochlitz bitte ich auch um ein Ex〈emplar〉.
Den 28 t Dezbr: 1813.
Leipzig, im goldnen Herz auf der FleischerGasse
Den 28 t Dezbr: 1813.
Geliebtester Freund!
Ihr Brieflein empfing ich prompt von Härtel, und wie viel es mir Freude machte von Ihnen ersprießliches zu hören darf ich wohl nicht versichern, wiewohl ich ungern im Ganzen einen gewissen trüben Ton wahrnahm, den die düstre NervenfieberFurcht in etwas weniges apprehensiven Personen wohl leicht erzeugen mag! —
Wie soll ich großer Laie es denn anfangen Ihnen von CurArten und CurMethoden zu schreiben, um die ich mich gar nicht bekümmere so lange ich mich wohl fühle, indessen kann ich Ihnen so viel wohl sagen, daß unser TheaterArzt D〈oktor〉 Kluge, ein gescheuter sinniger Mann, herrliche Ansichten von der Krankheit hat, die sich aber meistens aufs psychische beziehen und in dieser Art manche individuelle Behandlung dieses oder jenes Kranken veranlassen. — Ich müßte eine Brochure schreiben um nur etwas in die wahrhaft herrliche Ideen einzugehen, die ich als von ihm herstammend hörte. — Nur so viel, daß er bei Gesunden alle Präservative, die den ordinairen Lebensgang unterbrechen, selbst alle ungewöhnliche Räucherungen verwirft — Ich wenigstens meine auch daß schon alles ungewöhnliche die Fantasie, die bei jener Krankheit so wichtig eingreift, spannt und den toten Leichnam zur Empfänglichkeit reizt. — Daß man sich nicht unnötig in die Nähe Nervenkranker begeben solle, unterliegt keinem Zweifel, die große Scheue in Häuser zu gehen, wo Kranke gestorben sind oder gar nur vorbeizugehen, taugt den Teufel nichts; meinen brennenden Zigarro im Munde wandle ich gemütlich hin, wo mich meine Pflicht hinruft oder auch das Vergnügen, nachdem ich Morgens mein gutes Gläschen Echten JamaicaRum , den man Gott sei es gedankt wieder in zivilem Preise haben kann (1 rth 8 gr die gr〈oße〉 F〈lasche〉) genossen. Beides sind keine ungewöhnliche Präservative und angenehm zu gebrauchen. — Rücksichts der Behandlung wirklich nervös erkrankter weiß ich nur so viel, daß man sowohl in Dr〈esden〉 als hier Anfangs mit vieler Behutsamkeit brechen läßt, dann aber, hat die Krankheit einen hohen lebensgefährlichen Grad erreicht, sehr oft mit Glück Vesikatorien auf Brust und Rücken anwendet. Der KammerMusikus Dunkel in D〈resden〉 bekam vom Dok〈tor〉 Rublak ein Vesificat 〈 orium 〉 wie eine Zwangweste und der Mann wurde dadurch ganz vernünftig, wandelt jetzt wieder unter den Menschen und geigt sehr! — Ew. Edlen können glauben, daß mich bloße Gewissenhaftigkeit dazu trieb mich mit dem garstigen Nervenfieber ††† abzuquälen; also jetzt kein Wort weiter darüber, vielmehr eile ich Sie teuerster Freund! mit einer Angelegenheit bekannt zu machen, über die ich mit umgehender Post mich gütigst zu bescheiden bitte! — Nach meiner gewöhnlichen Weisheit packte ich mein Tagebuch statt in Ihren in Rochlitzens Brief, der hat es denn nun wahrscheinlich herumgetragen, und auch wahrscheinlich auf seine mittelbare Veranlassung ist mir der Antrag gemacht worden eine kleine Brochure zu schreiben, die meine individuelle Ansichten jener wichtigen Ereignisse des Tages in D〈resden〉 auf pittoreske Weise erzählt enthalten soll. Die Arbeit steht mir an, nur unterliegt es keinem Zweifel, daß nach unserm Kontrakt Sie den Anspruch auf die Brochure haben, die auf 5 bis 5½ Bogen höchstens berechnet ist. Nur das Einzige Bedenken ist mir aufgestoßen ob Sie Sich nicht vielleicht weigern würden ein Werkchen zu drucken das zwar nicht eigentlich politisch ist, sich doch aber in starken Ausdrücken gegen das Höllensystem und den Tyrannen selbst ausspricht, wiewohl es auf der andern Seite für den Verleger nicht ohne Nutzen sein würde. Ganz in Ihr Gutbefinden stelle ich es daher teuerster Freund: Ob Sie jene Broch〈ure〉 auf 5 bis 5½ Bogen berechnet unserm Kontr〈akt〉 gemäß gegen ein Honorar von 10 rth p 〈 ro 〉 B〈ogen〉 verlegen, oder mir die Erlaubnis geben wollen es sonst in die Welt zu schicken.
Damit Ihr Entschluß aber wenigstens einigermaßen vorher bestimmt werden könne, lege ich Ihnen den Anfang des Werks, in gewisser Art das Pianissimo , so wie als fortissimo Tutti die Vision, die als Beilage des dritten Briefs den Schluß der Broch〈ure〉 macht, bei. — Am merkwürdigsten wird überhaupt der dritte Brief sein, der eine ziemlich pittoreske Beschreibung jener Pantomime und des Benehmens von Napoleon enthält als er am 26 Aug〈ust〉 unter dem Kanonendonner an der Brücke hielt, Befehle austeilte, den König v. Neapel gröblich insultierte u. d〈ergleichen〉 — Wollen Sie das Werkchen, so erfolgt das Manskr: in 8 Tagen, soll es anderswo in die Welt, so remittieren Sie nur ja gütigst mit umgehender Post die mitgeteilten Bruchstücke. —
— Leipzig hat dadurch, daß sich hier das Schicksal Deutschlands durch eine Schlacht, die so glorreich, als Nap〈oleon〉 nie eine erfocht, gewonnen wurde, entschieden, ein so hohes Interesse erhalten als nie zuvor, die Menschen sind unerachtet noch so vieles harte zu tun, heiterer, freundlicher geworden. — In den öffentlichen Häusern kehrt das alte Leben zurück und man sieht mit freudiger Erwartung einer reichen ergiebigen NeujahrsMesse entgegen.
Die Feier des AlexanderTages am 24 t war wahrhaft herzlich gemeint; im Theater gaben wir Faniska und als ich vor dem Anfange und in den ZwischenAkten fleißig pauken und trompet〈en〉 ließ, erdröhnte das Haus von dem Vivat der Deutschen und dem Hurrah der Russen.
— Eben heute hat sich unser alte Seconda der schon sich seit mehreren Tagen klagte, gelegt sollte der Mann Gottes ein schöner Engel werden, so dürfte mit unserm Theater sich manches ereignen, was vielleicht auch auf mich Einfluß hätte. — Doch wer kann Alles vorauswissen.
— Rochlitz ist in Weimar — Noch habe ich Steinackern nicht aufgesucht, will es aber noch heute tun — Recht gefreut und überrascht hat es mich in der eleg〈anten〉 Z〈eitung〉 Beethovens Instr〈umental〉Musik abgedruckt gefunden zu haben! — ich werde in der Note ja sogar geistreich genannt, was will man mehr!
Nun teurer Freund! leben Sie wohl — Fröhlichkeit — guten Mut — daraus entsprießt die Gesundheit von selbst — und alles dies wünsche ich Ihnen perpetuierlich — fahren Sie damit hinein ins Jahr 1814 welches kein Schaltjahr ist sondern nur ein gemeines, was ich sonst nicht gewußt wenn ich mir nicht ein〈en〉 Kalend〈er〉 gekauft die in L〈eipzig〉 wirklich zu haben sind —
Punkt 12 Uhr in der Sylvest〈er〉Nacht trinke ich mit mei〈ner〉 Frau auf Ihr Wohl und der Ihrigen ein Gläschen guten echt〈en〉 Punsches — tun Sie desgleichen und es ist möglich, daß wir uns denn in der Begeisterung wirklich sehen — erschrecken Sie nur nicht — Viel Schön〈e〉s Ihrer lieb〈en〉 Frau von der meinige〈n〉 und von mir
Antwort〈en〉 Sie gütigst diesmal umgehend, da jene Angelegenheit pressiert
Adio Carissimo
In Leben und Tod
Der Ihrigste
Hff
(Es hat kein Brief an Wetzels Bruder beigelegen, sonst hätte ich ihn besorgt — das Brieflein an Sp〈eyer〉 bitte gütigst besorgen zu lassen. Vom Märchen könnte ich Ihnen schon saubere Reinschrift schicken, ich möchte aber das Manskr: nicht gern trennen und Ihnen gleich das Ganze senden.)
1814-1818
Leipzig den 16 t Januar 1814.
Teuerster Freund! Ihren letzten Geschäftsbrief haben Sie gewiß in einer besondern Verstimmung geschrieben, von der Sie wohl zuweilen heimgesucht werden! — Wie haben Sie doch die ganze Angelegenheit wegen der intendierten Flugschrift so ganz anders aufgefaßt, als sie in meinem guten Willen recht aufrichtig und loyal zu handeln lag! — Wie käme es mir denn in den Sinn, Ihnen Unternehmungen aufzubürden, die Sie der Gefahr irgend eines Verlustes aussetzen können; was mag ich denn es in dem Sinn haben, daß Sie auf irgend ein Geschreibsel, das von den Ereignissen des Tages erzeugt wurde, reflektieren sollen. — Lassen Sie mich es wiederholen, daß nur der Antrag hier zur Stelle die in Rede stehende Briefe für den Druck zu bearbeiten mich dazu bewog, das Manuskript zunächst für Sie auszuarbeiten, indem ich nach dem mit Ihnen geschlossenen Kontrakt mich durchaus nicht berechtigt glaubte, etwas bei einem andern Verleger erscheinen zu lassen, wiewohl ich, wäre ich irgend nur von dem Geist des Merkantilischen ergriffen, spitzfindig Broschüre von Werk hätte unterscheiden und mir einen angenehmen Meßzuschuß von 50 bis 60 rth hätte verschaffen können. Die Flugschrift wäre nehmlich, wie Rochlitz es intendierte, nun schon seit vier Wochen gedruckt und im Publikum verbreitet. Durch das Hinschreiben nach Bamberg und die etwas verspätete Antwort geriet uns freilich die Sache ins Stocken, und jetzt, da die Zeit in der Tat zu lange vorüber, möchte es wohl nicht mehr der Mühe verlohnen, mit dem Werkchen ins Feld zu rücken. Ich abstrahiere daher gänzlich davon und bitte: 1) die übersendete »Vision« in irgend eine Zeitschrift, etwa in die Zeitung für die elegante Welt (in welcher sich die höchst zerstreuten Gedanken recht gut ausnehmen) gütigst einrücken zu lassen. Von Honorar ist natürlicherweise nicht die Rede; 2) mir den gesandten Brief nächstens zurück zu senden.
Ich will nehmlich jetzt mit größerer Abweichung von dem eigentlich Politischen, und mehr ins Leben eingehend, meine Erfahrungen in Dresden in einem Aufsatz; der vielleicht die Briefform beibehält, für den dritten Band der Callotts niederlegen, und so den Vorschlag erfüllen, den Sie mir selbst machen. — Überhaupt, teuerster Freund, würde ich in Sorgen sein, daß meine Autorschaft Ihnen nicht den Nutzen gewähren könnte, den Sie Sich vielleicht davon versprachen, wenn ich nicht von mehreren Seiten die schmeichelhafte Zusicherung erhielte, daß die Callotts in die Reihe der beachteten und vielgelesenen Bücher treten würden, indem wenigstens hier in der Tat die eingerückten Sachen in der eleganten Zeitung einige Sensation erregt haben, wie mir z. B. nur noch eben heute Rochlitz und Adolph Wagner versichern.
Unerachtet Sie mir schreiben, daß die Callotts noch in jener Woche (11 t Dezember) abgesendet werden sollten, so habe ich mich doch noch heute vergebens darnach bei dem Buchhändler Steinacker erkundigt, und gewiß liegt die Zögerung in der Säumnis meines Vorredners.
In der festen Überzeugung, daß Sie es doch fortwährend geraten finden werden, noch zwei Bändchen Callotts erscheinen zu lassen, habe ich schon folgenden Entwurf fürs Ganze gemacht: Drittes Bändchen: 1) der goldene Topf, ein Märchen aus der neuern Zeit; 2) Erinnerungen aus Dresden im Herbst 1813; 3) Szenen aus dem Leben zweier Freunde, in 3 bis 4 Abteilungen. Viertes Bändchen: 1) Des Malers Franz Bickert Allegorien im gotischen Styl; 2) Kreisleriana (Milos Brief ist dabei); 3) Der Revierjäger, eine Geistergeschichte.
(NB. Denken Sie Sich beim Revierjäger nichts Verbrauchtes, etwa einen Freischützen oder sonst dergl.) — Ohne Rücksicht auf den splendiden Druck berechne ich jeden Band auf zehn Bogen, da Sie wahrscheinlich aus jedem ein ganzes Alphabet machen werden, welches auch eigentlich nicht zu stark ist. Und nun, teuerster Freund, bestimmen Sie selbst: 1) soll ich Ihnen von jetzt an schon Manuskript schicken, so daß Sie den Druck beginnen können, oder soll ich damit anstehen, bis ein ganzes Bändchen manuskriptlich vollendet? 2) sollen auch zu diesen Bändchen Vignetten gezeichnet werden? Auf jeden Fall müßte dieses zuletzt bleiben.
Das ganze Manuskript beider Bände haben Sie komplett in drei Monaten, früher kann ich meiner andern Geschäfte und jetzt auch zuwachsender Arbeit für die Musikalische Zeitung wegen, der ich eben einen wichtigen Aufsatz geliefert, die Ablieferung nicht versprechen, und ich glaube, daß es auch nicht früher nötig sein wird. — Rücksichts des Honorars bliebe es natürlicherweise bei unsern Verabredungen, nach denen billigerweise die zwei neuen Callotts für das zweite Werk , das ich liefere, zu achten sind.
Bei dem Tumult und dem Ausräumen in Dresden während des Bombardements sind mir ein Paket Briefschaften, wobei Cagiorgi’s Rechnung befindlich, verloren gegangen. Ich habe 24 Flaschen roten elenden Wein à 16 Kreutzer erhalten. — Künftig nichts mehr aus solcher unklaren Quelle, ich werde Sie bitten, aus Ihrem eigenen klaren Fond unmittelbar mir manches zu senden, wenn ich erst nicht so wie jetzt zu zahlen , sondern zu fordern haben werde.
So viel von Geschäften, und nun noch die herzliche Bitte, daß Sie Sich meine Individualität recht vor Sinn und Gedanken führen, und selbst unserm Geschäft die Heiterkeit und Gemütlichkeit erhalten mögen, die sonst unser Zusammensein belebte und selbst im Geldgeschäft das Tote, Starre, Frostige eines merkantilischen Geistes, der uns beiden gewiß ganz fremd ist, und uns nur wie ein feindseliger Wauwau eine Furcht einjagen kann, die wir nachher selbst belächeln, durchaus nicht aufkommen ließ. Möchten Sie Sich nur entschließen, selbst einmal eine Reise nach Leipzig zu machen, und so sich selbst lebendig zu überzeugen, daß Trennung und Abwesenheit über ein geistiges Band, das sich vom Innern ausgehend um Inneres schlingt, nichts vermag!
Ich glaube Ihnen eine Gemütsergötzlichkeit zu bereiten, wenn ich Ihnen anliegend die Reinschrift der ersten vier Vigilien meines Märchens sende, das ich selbst für exotisch und in der Idee neu halte; die Idee, die ich beabsichtigt, spricht sich im Anfange der vierten Vigilie aus. Sie täten mir einen Gefallen, wenn Sie mir diese Reinschrift zurücksendeten — wollen Sie aber schnell den Druck beginnen, so können Sie Sich darauf verlassen, daß meinerseits kein Aufenthalt verursacht werden soll, da ich unausgesetzt jetzt arbeite. Ich bemerke aber, daß ich noch mit mir uneins bin, ob ich es bei dem Titel belasse, dann aber auf Ihr und Wetzels Urteil submittiere, ob den Vigilien nicht mit Effekt kurze Inhaltsanzeigen vorzusetzen. Ich würde alsdann sie einrichten, wie auf beiliegendem Blättchen.
Wetzeln grüße ich sehr, danke herzlich für die beigefügten Hieroglyphen, deren Entzifferung mir herrliche Nachrichten brachte, die aber auch schon hier verbreitet.
Schreiben Sie mir bald, teurer Freund, und bitte ich ausdrücklich um Nachricht, wie Sie und Wetzel das Märchen angesprochen. Ihre liebe Frau und all‘ die Ihrigen grüße ich und meine Frau sehr. Adio mio carissimo. — Der Ihrigste
Hoffmann.
So eben habe ich die sechste Vigilie noch einmal gelesen; es bleibt bei dem Titel »der goldene Topf.«
Warum schreiben Sie mir nie etwas von Ihrem Leben, Tun und Treiben, da Sie doch wissen, daß mich das interessiert. Wenn’s Ihnen recht ist, komme ich nächstens nach Frensdorf auf die Jagd, — sorgen Sie gefälligst für ein Gewehr. — Guten JamaicaRum bringe ich mit, auch wohlfeilen Zucker à 16 Kreutzer pr. Pfund; — nur für Zitronen sorgen Sie, die sind hier teuer! — Herrlichen, herrlichen Knaster à 1 rth 16 gr bringe ich zur Stelle, und eine türkische Pfeife! — Sie erlauben doch, daß ich ein gewisses schwarz samtnes Mützchen auch im Zimmer aufsetze, da mich ein nervöser Kopfschmerz nur zu oft heimsucht. — Sein Sie aber froh deshalb, wertester Freund und Verleger! Dergleichen Kopfschmerz gebärt das Exotische! — Wollen wir nicht in Frensdorf Distichen machen, oder rhapsodische Szenen bauen?
Leipzig den 4 t März 1814
Verehrtester! Was soll ich denn nun von Ihrem unendlich langen Stillschweigen halten? — posttäglich habe ich auf ein Brieflein und auch wohl auf Jean Pauls Vorrede nebst der Ergänzung meines Buchs geharrt aber vergebens! Nicht hoffen will ich, daß dieser Zögerung irgend eine unangenehme Ursache zum Grunde liege, und es gebe der Himmel, daß nicht eine verdammte Ahnung, die Sie aufs Krankenbette wirft, eingetroffen sein mag! — Ohne Säumnis schicke ich Ihnen in der Anlage das vollendete Märchen mit dem herzlichen Wunsche, daß es Ihnen in seiner durchgehaltenen Ironie Vergnügen gewähren möge! — Die Idee so das ganz Fabulose, dem aber wie ich glaube, die tiefere Deutung gehöriges Gewicht gibt, in das gewöhnliche Leben keck eintreten zu lassen ist allerdings gewagt und so viel wie ich weiß von einem teutschen Autor in diesem Maß noch nicht benutzt worden; Sie können mir auch glauben, teuerster Freund, daß ich mich recht in steter Spannung und Aufmerksamkeit erhalten mußte um ganz in Ton und Takt zu bleiben. — Wie mir dieses nun gelungen, mögen meine Freunde beurteilen. — Rücksichts der Einteilung der Aufsätze in die beiden Bändchen wird es nötig sein es in dem dritten, bei dem Märchen und den Szenen aus dem Leben pp bewenden zu lassen, dem vierten aber die vier letzten Aufsätze einzuverleiben, da die Szenen auch ziemlich lang sind, und mit dem Märchen über dreißig Druckbogen betragen werden. — Die Szenen pp sind bis auf einige Seiten der letzten vollendet und Sie können demnach in ganz kurzer Zeit das Manuskript des dritten Bändchens vollendet im Pult haben und drucken lassen wie Sie wollen. Auch mit dem vierten könnte ich mich nach Verlangen sehr fördern. —
Ich habe Ihnen, teuerster Freund! sehr viel wichtiges über mich selbst und manches was sich hier seit kurzem ereignet zu sagen! ich halte aber damit zurück, bis ich einen Brief von Ihnen erhalten und gelesen, alsdann sollen Sie das ausführlich hören; was Sie, da ich Ihren Anteil an meine〈m〉 Schicksale unbedingt voraussetze, gar sehr interessieren wird. —
Wir haben hier mehrere Tage hindurch (in den letzten Tagen des Februar) 16 bis 18 Grad Kälte gehabt; die Proben der Camilla und höchst unvernünftiger OpernBallette die der Weimarsche Ballettmeist〈er〉 Uhlig gibt in dieser strengen Kälte im ungeheizten Theater von 9 bis 1 Uhr zogen mir rheumatische Beschwerden zu, die sich zu meiner Pein und Qual auf die Brust warfen, so daß ich durch einen schnellen Aderlaß (der erste in meine〈m〉 Leben) und durch siebentausend achthundert und vierzig andere Mittel nur der wirklichen Brustentzündung und vielleicht dem Tode entging —
Schreiber dieses sitzt in diesem Augenblick auf dem Bette, hinter seinem Rücken türmen sich eine Unzahl Kissen auf, die Füße sind mit Flanell umwickelt und Betten drüber gelegt — die Handgelenke sind mit Müffchen umwickelt — Schreiber dieses sieht circiter so aus:
Lassen die unsäglichen Schmerzen, die ich noch zuweilen leide, nur etwas nach, so bin ich bei der besten Laune, auch versichert mir der Arzt, daß an langwierige Folgen nicht zu denken — Seconda ringt die Hände, da das Orchester verwaiset — Nun für heute Adieu mein geliebtester Freund! — erfreuen Sie mich ja recht bald mit einem Brieflein und benehmen Sie mir alle Sorgen um Ihr Wohlsein! — Ihrer lieb〈en〉 Frau, allen Freunden tausend Grüße — mein〈e〉 Frau grüßt auch sehr
Der Ihrigste
Hff:
Leipzig den 24 t März 1814.
Viel Verehrter!
Ihr sehnlichst gewünschter Brief vom 14 t d. 〈Monats〉 hat mir in jeder Hinsicht lebhafte Freude verursacht, vorzüglich aber, weil daraus eine heitere gemütliche Stimmung hervorleuchtete, die ich in dem vorigen vermißte und daher fürchtete, daß Sie mit dem leidigen ††† zu kämpfen gehabt. — Ich sehe nun aber wohl, 〈daß,〉 damit die weitschichtigen Gegenstände, über die ich zu schreiben genötigt, nicht toll und wild durcheinander laufen, oder eins ins andere, läuft, ich förmlich mein Sendschreiben in Kapitel-Segmente — teilen muß! — Wie Öl auf italiänischem Wein schwimmen die Litteraria oben, womit ich aber nicht angedeutet haben will, daß Sie das Fette von oben abschöpfen sollen, vielmehr ist Ihnen ja eben darunter der Genuß des Weines vorbehalten, indem ich weiter unten von vortrefflichen Sachen zu handeln gesonnen. Also:
A. Litteratur. Ganz bin ich mit Ihnen einverstanden, daß es nicht geraten, den Druck in der übermäßig weitläuftigen Art fortzusetzen, und es spricht mich an, daß Callotts in kühnster Manier folgen sollen, wovon, wie ich denke, das gesendete Märchen einen guten Anfang macht, da es wirklich, wie Sie mir beipflichten werden, in kühnster Manier geraten. Daraus folgt nun aber wieder, daß ich zu den folgenden Bänden von den projektierten Aufsätzen keinen brauchen kann, als die Kreisleriana und den Revierjäger, übrigens muß ich auf Neues denken, und zwar in kühnster originellster Manier, damit der Klimax fortsteige. 〈…〉
Eben vor einiger Zeit habe ich, wie Kanne, gelobt, 40 Tage und Nächte bei meinem Liebchen zu bleiben, und Oneiros der Traumgott hat mir einen Roman inspiriert, der in lichten Farben hervorbricht, indem Tom . I. beinahe vollendet. — Das Büchlein heißt: Die Elixiere des Teufels, aus den nachgelassenen Papieren des Paters Medardus, eines Capuziners. Es ist darin auf nichts geringeres abgesehen, als in dem krausen, wunderbaren Leben eines Mannes, über den schon bei seiner Geburt die himmlischen und dämonischen Mächte walteten, jene geheimnisvollen Verknüpfungen des menschlichen Geistes mit all‘ den höhern Prinzipien, die in der ganzen Natur verborgen und nur dann und wann hervorblitzen, welchen Blitz wir dann Zufall nennen, recht klar und deutlich zu zeigen. — Um mich musikalisch auszudrücken, fängt der Roman mit einem Grave sostenuto an — mein Held wird im Kloster zur heiligen Linde in Ostpreußen geboren, seine Geburt sühnt den verbrecherischen Vater — Joseph und das Christuskind erscheinen pp — dann tritt ein Andante sost 〈enuto〉 e piano ein — das Leben im Kloster, wo er eingekleidet wird — aus dem Kloster tritt er in die bunt-bunteste Welt — hier hebt ein Allegro forte an. — Schon daraus, daß ich so viel von dem Dinge schwatze, können Sie sehen, daß es mich stark beschäftigt und mir die Arbeit zusagt. In 5 Wochen sind 20 bis 30 Bogen vollendet, und das Ganze geschlossen, also noch zum Verkauf bis zur Ostermesse. — Ohe jam satis!
Mein Büchelchen (Callott 1. 2.) bekomme ich so wie Medizin zugetröpfelt — alle 4 Stunden einen Eßlöffel voll! Jetzt habe ich Titel und Vorrede, aber ohne Vignette und noch nicht den Magnetiseur, den ich gerade zu lesen wünschte, da er gut sein soll und ich ihn noch nicht kenne. — Jean Paul’s Kleister- und Essig-Aale haben mir tüchtig vorgeschnalzt, — ich habe mir die Vorrede weniger von meiner Wenigkeit handelnd — kürzer — genialer gedacht; da aber der eigentliche Zweck, nehmlich die Worte auf dem Titelblatt »Mit einer Vorrede von Jean Paul« erreicht ist, und er selbst in der Vorrede von seiner Manier (nicht Styl) spricht, so mag ich nichts mehr darüber sagen. Was aber seine Ermahnung zur Menschenliebe betrifft, so habe ich ja dieser Liebe beinahe zu viel getan, indem mir oft vor lauter Liebe ganz schwächlich und miserabel zu Mute worden, daß ich Wein oder Arak nachtrinken müssen.
Rücksichts der Callotts in kühnster Manier habe ich hinzuzusetzen, daß es sich nun von selbst versteht, daß in die Musikalische Zeitung nichts eingerückt wird. Von Mahlmann bin ich aufgefordert, an der eleganten Zeitung zu arbeiten, und durch Rochlitz mit Cotta Rücksichts des Morgenblattes in Verbindung gekommen; ersterer zahlt 15 rth, letzterer 20 rth per Bogen. Aber auch diese sollen nichts von den Callotts erhalten, es sei denn höchstens als Probe, aber auch nicht ohne Ihre Mitwissenschaft und Einwilligung. Sie sehen übrigens, Teuerer, wie ich ein Scribilifax worden, aber wahrlich ohne mein sonderliches Bemühen; — so was muß sich von selbst finden.
Was meine »Vision auf dem Schlachtfelde bey Dresden« betrifft, so muß ich ja doch wohl damit zufrieden sein, daß sie als Flugschrift gedruckt worden, obwohl ich, hätte ich dieses beabsichtigt, das Ding noch anders gefaßt, und mit einer farbigen Vignette versehen, hier und in Dresden auch nicht unbedeutenden Vorteil davon gezogen hätte. — Ein Schriftsteller muß mit jedem Worte geizen, ohne geizig und habsüchtig zu sein, spricht Rochlitz, und er hat nicht ganz Unrecht. Die Splendidität ist in diesem armseligen Leben nicht zu Hause, aber leider verstehe ich mich nicht aufs Geschäft, so sehr ich auch davon schwatze und immer einen gewaltigen Anlauf nehme viel zu verdienen, woraus nie was Rechtes wird! — Sie haben keinen Druckort angegeben, — dagegen gesagt: vom Verfasser der Fantasiestücke pp, und in der Vorrede dieses Buchs werde ich genannt, nach Charakter, Wohnort pp — Übrigens ist der Druck die Eleganz selbst, und wäre ich nicht von jeher über die Torheit weggewesen, mich zu ergötzen, wenn ich mich gedruckt sehe, ich hätte mich kindisch freuen können; — gelächelt habe ich aber doch, das weiß ich, hätte es mir die Frau auch nicht gesagt. — Nun ist es aber genug von literarischem Handel und Wandel! Sie können mir es glauben, es wird mir sauer, über Honorare oder sonstiges zu schreiben, aber ich bin es mir und meinen Verhältnissen als rechtlicher Mann schuldig, genau zu sein. Zur Erklärung des Gesagten beziehe ich mich auf: B. Aus meinem Leben. (Aber bloß Wahrheit ohne Dichtung.) Meine Krankheit hat mir hart zugesetzt. Das Rheuma ist in wirkliche Gichtschmerzen ausgeartet, an denen ich periodisch und vorzüglich bei der geringsten Wetterveränderung leide — also ein lebendiger Thermometer. Der Arzt untersagte mir gänzlich das Theater, so wie die Reise nach Dresden; Seconda, der sonst unbillig, grob, insolent gegen die Schauspieler ist, macht bei mir eine glänzende Ausnahme! Er hat mir bis jetzt noch nicht einen Pfennig abgezogen, bezahlt vielmehr die volle Gage die ganze Zeit seines Hierseins, unerachtet ich nur die Proben im Hause abzuhalten im Stande bin, und vielleicht nur künftige Woche, wenn die Witterung sich hält, dirigieren werde. Er läßt mich hier, und künftigen Herbst, wenn er wieder herkommt, trete ich, hoffentlich ganz hergestellt, wieder ins Amt. Den Sommer über bleibe ich also hier, pflege privatisierend, schreibend, komponierend u. s. w. meine Gesundheit, und muß ernstlich darauf denken, nächst dem wenigen Gelde, das ich aus Königsberg erhalte, mir einen Zuschuß zu verschaffen. — Der Roman: Die Elixiere des Teufels, muß für mich ein Lebens-Elixier werden! — Podagristen haben gewöhnlich einen besondern Humor — brillante Laune — dies tröstet mich, ich empfinde die Wahrheit, denn oft mit den heftigsten Stichen schreibe ich con amore ; — wird es aber gar zu toll, so nehme ich Bleistift und Pinsel und zeichne — Karikaturen der Zeit! Es sind von mir erschienen bei Baumgärtner: »Abbildung, wie 〈die〉 Dame Gallia von dem Teufel, der sie besessen, endlich durch verbündete Macht glücklich befreit wird«. »Abbildung, wie die Dame Gallia ihren Ärzten den Schaden ersetzt, den sie ihnen während des Paroxismus verursacht, und noch besondere Geschenke verspricht«. Bei Joachim erscheint nächstens: » The exequies of the universal monarchy. Feyerliche Leichenbestattung der UniversalMonarchie.« Letzteres Blatt, auf dem der König von Westphalen im Leichengefolge an Vinaigre à quatre voleurs riecht, da ihm schlimm worden u. s. w. ist ergötzlich. Lassen Sie Sich doch jene Blätter schicken; oder soll ich’s besorgen? Einen kleinen Schnörkel, den ich der Miserabilität der Idee wegen mit vieler Ironie gemacht, und den Baumgärtner stechen lassen, lege ich bei. — Ich erhielt für das Ding ein artiges Honorar, und es geht reißend. — Meine Karikaturen sollen nach England! — Practica est multiplex.
Jetzt komme ich zu der wichtigen Nachricht von mir, die ich Ihnen mitteilen wollte, und schäme mich sehr, daß sich gar nichts jetzt darüber sagen läßt, wovon ich damals, als ich schrieb, so sehr er erfüllt war! — Nur so viel: Auf eine ganz unerwartete Weise ist mir eine äußerst ehrenvolle glänzende Laufbahn in der Kunst in meinem Vaterlande eröffnet worden! Meine Freunde, die sich jetzt an der Spitze des Staats befinden, denken an mich, und ein ewiger Vorwurf ist es mir, daß ich in meiner unbegreiflichen Indolenz nicht früher an sie dachte. — Sie kennen meine Verbindungen! — Alles hängt aber noch von dem Eintritt gewisser Umstände in Berlin ab. — Nach dem Frieden ein Mehreres! — Wer weiß auf welchem Stuhl ich künftigen Sommer sitze! —
Mit der Undine führe ich ein herrliches Leben. Sie besucht mich alle Morgen, und bringt (Gott weiß, wo sie sie hernimmt) die herrlichsten Blumen, auch allerlei bunte, glänzende Steine mit, da setzen wir uns hin und spielen wie die Kinder, bis die Sonne gar zu hoch heraufkommt — da eilt sie fort, und kaum ist sie dahin, so sind alle Blumen welk und die Steine glanzlos! — »Gott der Herr im Himmel, welcher Unsinn!« sagt der Magister Friesner und klopft die Pfeife am StiefelAbsatz aus: »aber nicht jedem ist es gegeben, sich mit Anstand das Maul zu wischen, wenn er Kirchberger Bier getrunken.« Dieses Bier ist königlich-schweißfarbig oder Isabell (Sie können’s in Baumgartens allgemeiner Welthistorie nachlesen) und PrimaSorte, wie der Magister behauptet und viele doctores juris utriusque nebst einigen dünnwadigen Philosophen mit ihm. Achten Sie dies alles, Geschätzter! für einen Hops pas in einem lustigen Walzer, den ich tanzend in meinem Leben wohl nicht mehr ausführen werde, welches Sie Ihrer lieben Frau mit dem Bedeuten mitteilen können, wie ich mich für den nächsten Ball tausend mal entschuldigen ließe, und nur in Gedanken etwas weniges mit ihr walzte! 〈…〉
Unter andern ist mir auch die MusikDirektorStelle in Königsberg angetragen worden, wofür ich, sollte ich an Leipzig noch weniger gefesselt sein, pour jamais gedankt habe. Sie wollten mir 258,430 Taler Gehalt geben, — das ist aber Lumpengeld für einen, der das ganze Eldorado besitzt! Gestern Abend, als ich die wohl eingeschwefelten wollenen Strümpfe anzog, kam ich mir vor, wie Scarron, und ein nichtswürdiger Pfropf mit verbrannter Nase würde hinlänglich gewesen sein, der meinigen durch einen Kraftstrich viel Scarronität anzuähneln; — 345 meiner besten Noten hätte ich darum gegeben, wenn mir sein roman comique zur Hand gewesen wäre, statt dessen nahm ich aber Blepsidemus‘ Hochzeit und Kindtaufe zur Hand, und es war eben so gut. — Nachher vertiefte ich mich in die Wissenschaften, das heißt in die geheimen und zwar — ich legte Karten! — da klopfte es aber, und der Konrektor Paulmann aus Dresden trat herein mit vielen Empfehlungen vom Hofrat Heerbrand! — Dieser gute hat viel gelitten, er machte sieben Sonette und eine Glosse, die Ärzte sagten aber nachher, das sei bloß ein zurückgetretener Schnupfen, nebst etwas metrischem Fieber, — da ich aber nicht wie Stallmeister meinen Setzer zur Hand habe, der dem tollen Gaul nachsetzt, der durch Gichtstiche, wie durch Spornstiche scheu worden, so ziehe ich lieber in Zeiten den Zügel an — und somit Hott — hott — trott hott — hinein in:
C. Theatralia. Das kecke, aber schöne Unternehmen, Eginhard und Emma von Fouqué wirklich in glänzenden bunten Farben und leuchtenden Worten auf dem Theater zu agieren, gefällt mir ausnehmend und ich wünschte in der Tat, in Bamberg zu sein, um als Dekorateur, Maschinist u. s. w. mich aufzudringen. — Unter den Rollen vermisse ich, wo nicht die allerwichtigste, doch gewiß diejenige, die dem Ganzen Ton und Takt gibt, ja ohne die der ganze romantische Schimmer, der über dem herrlichen Gedicht verbreitet, sich vernebelt — ich meine den alten Köhler Busching. — Er ist doch wohl nicht weggestrichen? — Doch daran darf ich wohl nicht denken, da wenigstens Sie es nicht zugeben werden, daß man in des Dichters Eingeweiden wütet. So wie eine herrliche Blume in den dunkeln grünen Blättern, ruht das ganze Stück im Liede der Nibelungen. Es ist der warme Hintergrund, auf dem die Farben erglänzen, ohne ihn sind sie bleich und glanzlos! Hätten Sie mir früher davon geschrieben, so würde ich Ihnen manches in Dekoration, Kleidung pp aus echten Quellen haben mitteilen können, wie z. B. Carl’s Burg u. s. w.
Über die Kleidung Carl’s habe ich den Eginhard nachgelesen, aus dem Ciampini aber beifolgende leicht, aber mit der gewissenhaftesten Treue hingeworfene Zeichnung kopiert, und nach der im Text enthaltenen genauen Beschreibung koloriert. In Haustracht erscheint Carl, ohne den Samtmantel und ohne die Krone. Das anscheinende Mützchen ist nehmlich die Krone von Silber mit einer goldenen Lilie und goldenem Wulst. Das Unterkleid würde aus Merino oder anderm wollenen Zeuge zu machen sein. Nach Eginhard ging Carl bei feierlichen Gelegenheiten manchmal sehr reich und prachtvoll gekleidet. Er beschreibt den Anzug: »In solennitatibus veste auro texta et calicamentis gemmatis et fibula aurea sagum adsringente; diademate quoque ex auro et gemmis ornatus incedebat.«
Hiernach könnten Sie Sich noch mehr schmücken, nach meinem unmaßgeblichen Rate bleiben Sie aber bei der Zeichnung, der Sie die wahre Antiquität, fern von allem falschen, unleidlichen Theaterpompe wohl bald ansehen werden. Fouqué selbst wollte, daß Carl ganz getreu nach diesem Bilde, auf das er sich bezog, gehen solle; überhaupt wünschte er die genaueste Beobachtung des altertümlichen Wahren in jeder Hinsicht. Es ist nehmlich auch nach meiner Ansicht eine ganz falsche Tendenz, wenn man die genaueste Befolgung des wahren Costüms deshalb verwirft, weil sie nur sich dem Altertumskenner erschließe. Ist es denn aber nicht eben die aus der Wahrheit entspringende tiefste Charakteristik, welche das Innere mit dem Äußern verbindet und eben daher in geheimnisvollen Anregungen auf das Gemüt jedes Zuschauers wirkt?
Das Tragen des Eginhards macht eine unangenehme Schwierigkeit, da der lose vornehme Pöbel leicht über so was das Maul verzieht. — Die Prinzessin mag den Liebling Huckepack getragen haben, auf dem Theater geht’s nicht wohl. Am besten ist es, sie umschlingt ihn mit einem Arme und hebt ihn vorwärts, so daß sich die Gruppe ungefähr macht wie die bekannte Antike: Amor und Psyche. Da der Donna aber nicht die Kraft zuzumuten ist, dies zu vollbringen, so muß durch eine mechanische Vorrichtung, wie die von Eusebio’s Fall in der Andacht zum Kreuze, geholfen werden, und zwar so: 〈…〉 So wird das Ding schön und graziös. Hopf und Knopf verstehen das alles herrlich und ersterer wird sagen: »Ganz vernünftig!« — Ums Himmelswillen muß das Gewicht aber nicht zu schwer sein, sonst könnte es kommen, daß zum nicht geringen Staunen und Schrecken der Zuschauer Eginhard und Emma durch die Lüfte davon führen, und das gesamte Auditorium vergeblich darnach trachtete, die liebende Braut durch den Schnee waten zu sehen. — Dieser wird am besten durch aufgespannte leinene Tücher gemacht — hier tut die Beleuchtung alles!
Ferner muß, nach Fouqués Willen, die Kaiserburg so gestellt werden, daß der Balkon oder das große gotische Fenster, in welchem Carl erscheint, ziemlich in die Mitte des Theaters kommt. Dies kann geschehen, wenn die Burg schräg hineinlaufend angenommen wird; z. B. Die Kapelle, oder vielmehr das HeiligenStandbild mit dem Grabmal kommt rechts; schreitet nun Emma mit Eginhard weiter, so macht das Tableau mit dem oben erscheinenden Carl eine PyramidalGruppe.
Nehmen Sie alles dieses, großer Kaiser! für gut gemeinte Andeutungen. Wäre Zeit da gewesen, so hätte ich eine kleine Zeichnung der Burg aus dem Ciampini beigelegt, und mit geringen Kosten hätte der Maler in Bamberg was machen können, doch hätte er andere Farben nehmen müssen als weiß, blau und rosa, worüber sich die Bamberger so freuen!
Der Gräfin Auguste traue ich es ganz zu, daß sie die Emma sehr gut darstellen wird, vorzüglich wird sich ihr Costüm auszeichnen, da sich in der hochgeachteten Familie reiner Geschmack mit wahrer Kenntnis verbindet. Bringen Sie mich in gutes Andenken! — Daß Hr. B〈aron〉 v. H. den Arsaphius spielt und als solcher auf dem Theater einen Riß zeichnet, hat für mich was Ergötzlich-Komisches; nur soll er sich für jeden Riß in seiner Rolle hüten. — Sie, mächtigster Kaiser, verehre ich im Staube und sehe Ihre stattliche Figur mit dem Purpur mit Golde gestickt, Kron‘ auf dem Haupte, Stirne gerunzelt, mit Jovis Augenbrauen, Szepter in der Hand, einherschreiten! Blicke herab, großer Kaiser! auf einen armen Erd-, Stadt-, Haus-, Stuben-, Kammerbürger und Podagristen, und gibst du dich in müßigen Stunden noch mit dem Bücherversenden ab, so schicke — schicke — o schicke ihm bald Schuberts Symbolik des Traumes! — er dürstet darnach! 〈…〉
⟨28. September 1814.⟩
Berlin, französische Straße No 28 zwei Treppen hoch.
〈28. September 1814.〉
Teuerster Freund! Ganz unbegreiflich ist mir Ihr obstinates Stillschweigen, und täte es mir nicht Not Ihnen von der Veränderung meiner Lage, Nachricht zu geben — wahrhaftig, ich würde mich kaum entschlossen haben meinem Rechte erst Ihren Brief zu erwarten, zu entsagen! —
Sehr wichtige Gründe haben mich veranlaßt wieder in den JustizDienst zu treten — vorläufig bin ich im Bureau des JustizMinisters und zugleich im KammerGericht angestellt, woselbst ich den Freund Hitzig bereits gefunden habe, der seine Buchhandlung verkauft hat. — Ob ich in Berlin bleiben werde oder nicht, steht noch dahin — ersteres geschieht, wenn sich meine Karriere so wendet, wie ich wünsche und wozu ich Hoffnung habe. — Gestern hatte ich eines der interessantesten Diners die ich erlebt. — Ludwig Tiek, Fouqué, Franz Horn, Chamisso, Bernhardi, der Professor Moretto, der Maler Veith, Hitzig und ich, das waren die Personen die sich bei dem ersten Restaurateur nach der ersten Weise, und auf verschiedene Weise restaurierten.
— Durch die Fantasiestücke bin ich hier ganz bekannt geworden, und ich kann auch sagen merkwürdig denn der Berganza ist ein Fehdehund geworden der unt〈er〉 die Damen gefahren, wogegen der Magnetiseur ganz nach der Frauen Wunsch geraten. — Nach dem Diner wurde ich gestern bei ein〈em〉 Tee unt〈er〉 dem Namen eines Doktor Schulz aus Rathenow eingeführt, und erst nachdem viel und gut musiziert, sagte Fouqué: der Kapellm〈eister〉 J〈ohannes〉 Kr〈eisler〉 befindet sich unter uns — und hier ist er! — ppp Das übrige könn〈en〉 Sie sich denken! —
Daß Ifland tot und begraben ist, wissen Sie längst, der Graf Brühl, ein herrlicher wahrhaft nach unserer Weise gesinnter Mann wird Intendant des Theaters, und diesem steht eine große Revolution bevor, an der ich Teil nehme, wenigstens mittelbar. —
Sobald das dritte Bändchen Callotts fertig ist, bitte ich um Zusendung von 2 bis 3 Ex〈emplaren〉. Schreiben Sie mir, wenn Sie das Manuskript zum vierte〈n〉 Bändchen brauchen, und:
ob Sie bis Ostern oder wann länger, die lichten Stunden eines wahnsinnigen Musikers verlegen wollen? — Dies Buch wird in einem ein Alphabet starken Bande bestehen.
Bei Ihrem Wagner habe ich 100 Bout〈eillen〉 Wein bestellt, daß diese Bestellung nun cessiert, versteht sich ja wohl von selbst, ich bitte daher nichts zu senden!
Unsere Abrechnung kann, wenn Sie es wünschen bis Ostern aufgeschoben bleiben. —
Grüßen Sie Ihre liebe Frau Minna herzlich, so wie, Speyer, Marcus, Ziegler — Weiß pp
Der Ihrigste
Hff
Meine Adresse ist
An den Königl. Pr〈eußischen〉 RegierungsRat Hoffm〈ann〉
ppp
⟨24. Januar 1815.⟩
〈…〉 schleunigst sechs Exemplare meiner Fantasiestücke in Leipzig anzuweisen, und mir sie gefälligst auf Rechnung zu stellen〈…〉
Fouqué ist eben angekommen und braut heute am 24. Jan. 1815 Abends 8 Uhr als an meinem Geburtstage, in meiner Geburtsstunde (es sind jetzt 38 Jahr her, als ich geboren wurde) bei mir in der Französischen Straße No. 28 zwei Treppen hoch Punsch. Wollen Sie nicht auch ein bißchen herüberhuschen?
Adio Werther!
Hoffmann
Berlin den 24 t Mai 1815.
Geschätztester! Entnehmen Sie aus dem ganz ungewöhnlichen Format meines Schreibens, daß ich solches an heiliger Stätte, nehmlich auf dem Kammergericht während der Session des KriminalSenats dem Präsidenten zur Seite verfasse! — Ein Aktenstoß verbirgt oder maskiert vielmehr die exotische Arbeit! —
Den vierten Teil der Callotts habe ich in Händen und somit ist nun das ganze Werklein geschlossen und gedruckt — Hätte ich gewußt, daß der Teil so unverhältnismäßig stark werden würde, so hätte ich die Blandina als mein schwächstes Produkt nicht eingeschoben, sondern statt dessen ein kürzeres Stück geliefert — dagegen kann wie ich glaube die musikalische Welt mit Kreislers Lehrbrief zufrieden sein — Jetzt teuerster Freund bitte ich Sie mir gütigst die Berechnung und eventualite 〈 r 〉 das was ich vielleicht noch gut habe zu senden, da ich des Geldes bedürftig bin. —
Was die Lichte Stunden betrifft, die im MeßKatalog als Leichte Stunden angezeigt sind, so könnte ich Ihnen das Manuskript bis Ende Julius schicken, es würden ungefähr 25 Bogen ordinairen Drucks sein, und ich v〈e〉rlange für das Manuskript 30 Fridrichsd’or welche mir nach Abliefrung des Manuskripts gezahlt werden müßten — Erklären Sie Sich, Liebster! ob Ihnen diese Bedingungen recht sind. — Für die Elixiere des Teufels die zu Michael kommen, habe ich von Dunker und Humblot 80 Fridrichsd’or erhalten — bar in blankem Golde! — Die Redaktion der Urania zahlt mir p Druckbogen 4 Fridrichsdor, und aus allem diesem mögen Sie Teuerster! abnehmen, daß ich mich gegen Sie als alter Amicus billig finden lasse! — So viel von fatalem literarisch-merkantilischem Wesen! —
Ein großer Kelch ist durch einen Geniestreich des russischen Kaisers von mir gegangen! — Der hat nehmlich den Polen die Erhaltung ihrer Nationalität zugesagt, die Justizverfassung im Großherzogtum Posen bleibt daher polnisch, und die mir zugedachte Ehre OberLandesgerichtsDirektor in Posen zu werden bleibt in suspenso weshalb ich jetzt noch alle Tage Kapellmeister werden kann.
Ad vocem Kapellmeiste〈r〉 fällt mir ein, daß unser Graf Brühl gar kein unebner Mann, und zuweilen gar ein fabuloser Schnörkulant ist! — Ich komme zuweilen, und in dieser Zeit sogar oft 〈mit ihm〉 zusammen wegen der Undine, die als Haupt und StaatsOper mit neuen Dekorationen Maschinen (vom Architekt Schinkel sinnig geordnet) und Kleide〈rn〉 im großen Opernhause künftgen Herbst gegeben wird.
Wollen Sie mich nicht dann in Berlin besuchen? — Sie finden mich in ein〈er〉 kleinen aber netten Wohnung und könn〈en〉 bei mir sehr guten Chambertin trinken! — Ist das Wetter heiß, so liefert Giannoroli Eispunsch und Varinas-Knaster können Sie auch rauchen! — Lauter gute Dinge! —
Wie leben Sie denn, was macht Speyer — warum schreibt er gar nicht mehr? —
Morgen gehe ich nach Potsdam um mit unserm herrlichen Fouqué ein〈en〉 ganzen Tag in heller Poesie zuzubringen und zwar im Garten des Schlosses am heiligen See! — Chamisso (Schlemihl) geht mit mir, bald zieht er die Sieben-Meilenstiefel an und schreitet nach dem Nordpol — In der Tat macht er die Expedition mit, die unter Kotzebues Anführung (ältester Sohn des Komödienschreibers) von Krusenstern nach dem Pol im Junius abgefertigt wird. —
Was macht Ihre liebe Frau? — wie geht es Wetzeln? —
Empfehlen Sie mich allen sehr — mei〈ne〉 Frau grüßt!
Daß Sie bald schreiben werden, versteht sich von selbst, wir haben ja ein Geschäft abzumachen das kein〈en〉 Aufschub leidet, und nebenher bekommt man allerlei zu hören —
Behalten Sie mich lieb Teuerster — verzeihen Sie das Rhapsodische mei〈nes〉 Briefs dem Umstand, daß ich auf den Vortrag horchen, auch wohl mei〈ne〉 Meinung sage〈n〉 muß. Wie imm〈er〉 unverände〈r〉t
Der Ihrigste
Hoffm
Berlin den 23 t Dezember 1815.
Verehrungswürdigster! 〈…〉 Noch immer bin ich nicht definitiv fixiert, sondern in doppeltem Joch ohne brillante Gehaltseinnahme! — Die Vorstellung der Undine ist durch meine Schuld verzögert; ich hatte etwas übernommen, was ich in der Folge nicht ausführen konnte, da es mir an Zeit gebrach. Diese Zögerung bringt mir aber mehr Vorteil, als Schaden, da ich mich unter der Zeit künstlerisch fester gesetzt, auch schon in einer kleinen Komposition auf dem Theater reussiert habe. Wahrscheinlich lasen Sie in der Berliner Zeitung, daß zu dem Fouquéschen Vorspiele Thassilo , welches zur Säkularfeier des Hohenzollern’schen Hauses im großen Opernhause sehr prächtig gegeben wurde, Chöre und Märsche von mir gesetzt waren.
Mit Weber stehe ich sehr gut, wir trinken zuweilen ein Gläschen Johannisberger Schloßwein! —
Vierzehn vergnügte Tage habe ich in Nennhausen bei Fouqué verlebt. Sie (die Baronin) ist als Hausfrau besser, als sich literarisch drucken lassend. Sie ist geistreich, witzig und noch recht hübsch — grande e maestosa . — Auf mich hält sie viel und hat mich mit psychischer und physischer Atzung wohl versehen. Man ißt und trinkt vortrefflich, auch darf man mit dem alten Landesdirektor Briest (Fouqué’s Schwiegervater) beim Damentee eine Pfeife VarinasKnaster rauchen. — Nachher, und zwar wie der Kaiser Alexander hier war, fanden sich Fouqués auch in Berlin ein. — Ihr demütiger Freund und Diener hat bei dieser Gelegenheit (nehmlich als der Kaiser hier war), seit elf Jahren wieder zum ersten Mal in einer abenteuerlichen Uniform diplomatischen Fêten beigewohnt, bei denen man selbst zu den Schaugerichten sortiert, und Leibesnahrung und Notdurft höchlich vernachlässigt wurde, zum Schaden des Staats und seiner Diener! —
Was die Theatralia betrifft, so wünsche ich Glück zu dem neuen Unternehmen, halte aber den Zuschuß für viel zu gering! — Ich nenne das: auf halbem Wege stehen bleiben. — Ohne soliden Fond kein solides Theater. — Wegen der gewünschten Personen habe ich mich an Brühl und Esperstaedt gewandt, und schreibe die Resultate. — Mit Wurm kann ich persönlicher Verhältnisse wegen, nicht wohl unmittelbar unterhandeln. Als KriminalRichter möcht‘ es nehmlich nicht ganz schicklich sein, sich mit ihm auf der Hausvogtei, wo er in KriminalArrest sitzt, schriftlich oder mündlich in Relation zu setzen. Auch gleich abreisen wird er wohl deshalb nicht können, weil es noch dahin steht, in wie fern das Urteil erster Instanz in der zweiten bestätigt oder gemildert werden wird. In jenem Urteil ist der arme Wurm zu einjähriger Zuchthausstrafe verurteilt worden. Durch die dritte Hand habe ich dem Wurm Ihren Antrag sagen lassen; sollte er wirklich nach Bamberg gehen, so werden Sie doch wohl ganz sein — (viel zu gelinde ex indiciis gerügtes) Verbrechen verschweigen müssen.
Früher, als Undine hier auf das Theater gekommen, kann ich sie nicht versenden; dann aber wollen wir deshalb in Unterhandlung treten. — Der Oberbaurat Schinkel ordnet hier die Dekorationen zur Undine an; sie sollen 8 bis 10,000 Taler kosten; so ist wenigstens der Anschlag.
Grüßen Sie (etc.) Ihr [etc.]
Den 1 t Januar 1816, (welches ein Schaltjahr ist.)
Prosit Neujahr!
Berlin, den 25 November 1816.
Teuerster Freund! So eben erhalte ich wieder, wie vor einiger Zeit den Adalbert, ein Büchelchen aus Ihrer Güte: Lotosblätter von Isidorus genannt, aus dem ich mit Vergnügen ersehe, daß die Klarinette deshalb so heißt, weil sie klar und nett ist, übrigens auch als ein liebenswürdiger Charakter und herziges, himmelblaues Vergißmeinnicht überall ungemein gelitten wird pp — Noch bemerke ich, daß mir wenigstens der musikalische Teil solche Ansicht gewährt, als wenn ich viele kleine glinzernde Fischchen in einem sehr trüben Wasser spielen sähe. Ein gewisser Novalis hat übrigens ähnliche, nicht ganz unebene Fragmente oder vielmehr Themata geschrieben.
Der Adalbert von Babenberg, von Birnbaum, ist gar nicht ohne Talent geschrieben, nur wird er doch keine große Sensation erregen. Etwas komisch macht es sich, daß der Verfasser so oft und so wehmütig versichert, daß gerade dies Trauerspiel das liebste Kind seiner Muse wäre. — Die Schiller’sche Periode (der Heros Schiller bleibt ewig unvergänglich, es ist nur von dem imitatorum pecus die Rede) ist, dem Himmel sei gedankt, vorüber, und die weitschichtigen Redensarten, wenn Jemand z.B. in zehn bis zwölf Zeilen schön gedrechselter, mit einem Knallreim schließender Jamben nichts sagt, als: er wolle hinter die Tür treten, um zu 〈…〉, machen vorzüglich auf der Bühne einen miserablen Effekt. Auf dem Felde, das Müllner beackert und besäet hat (Schuld, Yngurd), möchte noch eher zu ernten sein, wiewohl der Pflüger und Sämann selbst sich in der Arbeit übernommen zu haben scheint ( videatur das Taschenbuch) 〈…〉
Berlin den 8 März 18
Sehr Wertgeschätzter Freund!
Wegen der neuen Auflage der Fantasiestücke, die Ihr neuliches Schreiben vom 1 t d〈es〉 M〈onats〉 veranlaßt hat, sind folgendes meine Gedanken. Sie würden Sich m. E. im Lichten stehen die alte Ausgabe zu komplettieren da bloß der durch den zu weitläufigen Druck entstandene zu hohe Preis dem Debut des Werkes geschadet hat. Drucken Sie eine Ausgabe in zwei Bänden zu wohlfeilerem Preise so würden Sie nicht allein zu dem Ersatz des durch meine Schreiberei erlittenen Schadens, sondern wohl auch zu einigem Vorteil gelangen. Durchsehen, nachhelfen, ändern (in Einzelheiten) müßte ich aber durchgängig und das ist eine mühselige Arbeit. — Wir stehen noch in Rechnung die mir aber aus mancherlei Gründen so sehr odios geworden ist, daß ich beschlossen hatte, gar nicht mehr daran so wie an manches andere Wermutsbittere einer vorübergegangenen trüben Geist und Sinn lähmenden Zeit zu denken. Es ist nun aber einmal so gekommen, daß ich wieder daran erinnert, und so stelle ich ohne alle andere Rücksicht folgende Bedingungen. — Die gegenseitige Rechnung aus der ich noch zu fordern hatte, wird als abgetan angesehen und Sie zahlen mir zur Ostermesse Zwanzig Stück Friedrichsdor . Der Bequemlichkeit halber auf Assignation an den Buchhändler Dümmler gerichtet. So wie Sie diese Bedingung eingehen, beginne ich sofort meine Durchsicht und Sie erhalten Ende der Messe wenigstens den 1 t Band (wohl aber zwei nach der alten Ausgabe) druckfertig . —
Es versteht sich dann von selbst, daß das Übrige so nachfolgt, daß zu Michaelis das Werk erscheinen kann. Das ist Alles! — Die lichten Stunden habe ich Ihnen zugesagt, es versteht sich daher auch von selbst daß sie bei keinem andern Verleger erscheinen. Indessen kann und werde ich sie vor der Hand nicht erscheinen lassen — vielleicht erst darüber von Todeswegen disponieren. — Das Buch ist ganz etwas anders worden als ich im Sinn hatte. Es ist mir damit so ergangen wie mit dem ersten Bande der Elixiere des Teufels, den ich nicht hätte drucken lassen sollen — So weit Mercantilia . —
Daß Sie über meinen Nußknacker gelacht haben, freut mich sehr. Gneisenau sagte mir, daß in mir ein Feldherrn-Talent stecke, da ich die gewaltige Schlacht so gut geordnet und Nußknackers Verlieren vorzüglich von der Eroberung der auf Mamas Fußbank schlecht postierter Batterie abhängig gemacht. Doch empfehle ich Ihnen mehr mein diesjähriges Märchen: das fremde Kind. Es ist reiner, kindlicher und eben deshalb für Kinder, fassen sie auch nicht die tiefere Idee des Ganzen, brauchbarer. Lesen kann ich bei meinen überhäuften Geschäften wenig, Journale und Philisterblätter lese ich gar nicht. — Wetzels Jeanne d’Arc habe ich auch noch nicht gelesen, kann also darüber nicht urteilen. Seinen Hermanfried habe ich mit aller Macht auf die Bühne bringen wollen, es ging aber nicht. Er hat schöne Stellen,
dem Ganzen fehlt es aber an eigentlichem dramatischen Leben.
Eben an meiner vielfachen Arbeit (drei Monate hindurch habe ich, da unser Präsident verreiset, als ältester Rat neben meinem gewöhnlichen Geschäft, auch die Präsidial-Gesch〈äfte〉 übernehmen müssen) liegt es auch, daß ich so wenig geschrieben wie Sie wissen werden.
Im zweiten Teil der Nachtstücke empfehle ich Ihnen das Majorat und das Gelübde, das öde Haus taugt nichts und das steinerne Herz ist so — so! — Künftig Jahr erscheint mehr, ein halb Dutzend Erzählungen beinahe in Taschenbüchern und noch manches andere. Seit dem 1 t Jan〈uar〉 bin ich fleißig gewesen. Auch komponiere ich künftigen Sommer eine Oper deren Text Contessa nach Calderons, El galan fantasma gar herrlich bearbeitet hat. Mit Undine ist es mir schlimm gegangen, Sonntag wurde sie zum 23 t mal gegeben und Dienstag darauf brannte das Haus ab mit sämtlichen Dekorationen, Kleidern, Noten pp Erst jetzt malt man wieder an den Dekorat〈ionen〉 —
So viel über mein literarisches und künstlerisches Treiben auf gütige Nachfrage.
Fouqué wurde vor ungefähr vier Wochen als er hier war von einem Rückenmarksschlag befallen und hat den Gebrauch des Piedestals ganz verloren, wird auch nicht lange mehr leben, wenn nicht besondere Umstände eintreten. Merkwürdig war es, daß in den ersten Tagen seine Fantasie tätig wirkte aber sein Gedächtnis ganz hin war. So z. B. ließ er Menschen grüßen die längst gestorben, erzählte Geschichten, die ihm aufgegangen und die er bei wieder erlangter Gesundheit schreiben wolle, aber die waren z. B. das Galgenmännlein, der unbekannte Kranke pp Haben Sie nicht in F〈ouqué〉s neuern Sachen eine auffallende Schwäche bemerkt? — Leider sind seine Ritter unter die preußischen Ulanen oder Garde du Corps gegangen u. s. w.
Ich empfehle mich angelegentlichst Ihrem gütigen Andenken und Ihrer Freundschaft
Hff
Devrient kommt eben zu mir und bittet Sie herzlichst zu grüßen auch Ihre Frau Gemahlin (der ich mich zu empfehlen bitte) in süßer Erinnerung an die schönen Tage von Aranjuez oder Dessau
Berlin den 10 Junius 18
Geschätztester Freund Schelten Sie nicht — Toben Sie nicht — Nicht wortbrüchig ist ihr Freund aber seit 3 Wochen liegt er hart darnieder auf dem Rücken — andere Stellung ist nicht möglich — Verhärtung im Unterleibe — edelste Teile angeg〈r〉iffe〈n〉 — Harndrang — überarbeitet zu viel gesessen — Reitpferd anschaffe〈n〉 — Gott gerechter wie wird das aussehn!! 〈Abb. 20〉
Beständig Fieber! — Vortrefflicher Arzt! — Alle 3 St〈unden〉 1 kl〈eine〉 Pillule aber! — Künftig mehr
Ängstigen Sie Sich nicht Vortrefflichster wegen der Fant〈asie〉St〈ücke〉 — Die Krankheit steht so circiter
So wie ich fieberfrei bin gehts rastlos drüber her — früher möchts doch nicht ratsam sein — Gott erhalte mir den heitern Geist der mich bei den unsäglichsten Schmerzen nicht verlass〈en〉 hat — Rücksichts des Aderlassens und Blutigelansetzens hab ich auch mein〈e〉 Jungf〈ern〉sch〈aft〉 verlo〈ren〉
Gruß Ihr〈er〉 lieb〈en〉 Frau — Speier — Wezel — Speier würde, als ich umfiel bloß gesagt hab〈en〉: Bautsch!
Adios
Der Ihrigste
Hoffmann