Johannes Hampe
〈Sonntag, 2. April 1809.〉
Mein liebster teuerster Freund!
Ihr lieber angenehmer Brief hat mir keine Sünde vorgerückt, die nicht täglich mein Gewissen beängstigt hätte; allein der entsetzliche Strudel, in dem ich bis jetzt gelebt habe, hat mich allen angenehmern Beschäftigungen aus der Unterhaltung mit meinen Freunden entrissen. Die längst dem Theater bevorstehende Katastrophe und mit ihr die Administration der Bühne von den Gläubigern des Herrn Cuno ist nun eingetreten. Nach einem mit Hrn. Cuno von den Mitgliedern der Bühne getroffenen gerichtlichen Verein sind gegen Garantie der rückständigen Gagen sämtliche Kontrakte den 1. April d. J. aufgehoben, und es steht nun dahin, ob mich die Herren Administratoren unter vernünftigeren Bedingungen, als die bisherigen waren, weiter engagieren werden, woran ich fast zweifle, da die äußerste Einschränkung nötig ist, und man mich doch mit keiner gar zu kleinen Gage abspeisen kann. Wie unangenehm mir es vorzüglich in den jetzigen kriegerischen Zeiten sein würde, meinen Stab wieder weiter zu setzen, können Sie sich denken, und um so fataler würde es mir sein, als mein jetziger Aufenthalt, rücksichts der Wohlfeilheit und höchst angenehmen Lage schwer mit einem bessern zu vertauschen sein würde. Ein musikalischer Freund in Dresden, der meine Verhältnisse kennt, hat mich benachrichtigt, daß der Musikdirektor Bierey in Breslau aus seinem Kontrakte treten und einem Rufe nach Wien folgen würde, und mir geraten, nach Breslau zu gehen; sofort habe ich an Bierey geschrieben, wiewohl ich einen innern horreur für Breslau habe. Ihnen wieder recht nahe zu sein, wäre herrlich; indessen glaube ich lauter Böses von dem Orte — Teurung — Abgeschmacktes — Eigensinn u. s. w. Wissen Sie etwas Besseres, so widerlegen Sie mich! ich nehme gern Raison an; wissen Sie aber auch nur Schlechtes, so verschweigen Sie es nicht, und ich gebe das ganze Projekt, bis jetzt nur noch Embryo, auf. Antwort von Bierey habe ich so noch nicht.
Daß Ihnen meine Ouverture so wohl gefallen, freut mich ganz ungemein, und ich bin überzeugt, daß das, was darauf folgt, nehmlich die Oper von Brentano: Die lustigen Musikanten recht sehr Ihren Beifall haben würde, wenigstens urteilten die Kenner in Warschau recht günstig davon. Ich datiere von dieser Komposition meine bessere Periode, und es ist mir nun nicht ganz recht, daß ich auch nicht ein Blatt mehr davon besitze, sondern daß von Partitur und Partien höchst wahrscheinlich polnische oder französische Patronen gemacht worden sind, und ich glaube, daß in dieser Form meine Musik von großem Effekt gewesen sein, und so zu sagen drastisch auf die Zuhörer gewirkt haben wird.
In meiner bisherigen Lage habe ich nicht komponieren , sondern Musik schmieren müssen — Tänze — Gesänge — Chöre — Märsche, was weiß ich alles, und Sie können sichs vorstellen, daß außer der Praktik im Niederschreiben, ich nichts dabei lernen konnte, sondern vielmehr Besseres versäumen mußte. So habe ich die Nägeli’sche Komposition schändlich liegen lassen; ganz toll ist es aber, daß ich ein Miserere für den Großherzog von Würzburg, welches ein gutes Werk geworden sein würde, und mir außer guten Ruf, wenigstens 25 Carolin eingetragen hätte, liegen lassen mußte, um ein Ballett zu machen, das seiner elenden Anordnung wegen nur einen Abend überlebte. Habe ich vor Abgang des Briefes noch Zeit, so lege ich Ihnen etwas vom Miserere , das ich nun, aber zu spät (nach Ostern) vollendet habe, bei.
Liegnitz stelle ich mir angenehmer und freundlicher vor, als Glogau, und ich wünsche Ihnen zu dieser Veränderung, die Ihrem ganzen Tun und Treiben einen wohltätigen Stoß geben wird, herzlich Glück. Warum in aller Welt schreiben Sie nichts auf? Es kommt nur auf einen Entschluß an, und Sie versündigen sich mit Ihrer Untätigkeit an der musikalischen Welt. Über die Idee, über einen gegebenen Text zu fantasieren, hätte ich viel — viel zu sagen; es würde mich heut zu weit führen. Wollen Sie mir aber einen Gefallen erzeigen, so unterrichten Sie mich von dem Gange Ihrer Ideen, und schreiben Sie mir die Aufsätze auf, es soll mir Stoff geben, mich über diese Art Musik ganz breit auszulassen. Können Sie einmal den Jahrgang 1807 – 8 etwa die Junius- oder Juliusstücke der nun in Gott ruhenden Theaterzeitung erhaschen, so lesen Sie doch meinen Aufsatz über das Melodram: Salomons Urtheil, und schreiben Sie mir, ob Sie meiner Meinung sind.
Wünschen Sie mir, bester H., ein ruhiges Brod unter einem heitern Himmel als Künstler, und Sie sprechen das aus, wohin mich immer Trieb und Neigung ziehn. Leben Sie froh, glücklich, und sein Sie ein fleißiger Kunstjünger. Bestrafen Sie mich nicht durch Stillschweigen, sondern schreiben Sie mir bald, auch wegen Breslau, einer Angelegenheit, welche etwas pressiert.
Ewig unverändert
Ihr
Hoffmann.
〈5. Juli 1819.〉
Sie mögen Sich wohl vorstellen, mein geliebtester Freund, welche innige Freude es mir machte, nach Jahre langem Schweigen endlich einmal wieder etwas von Ihnen zu hören! — Wie vieles habe ich Ihnen zu sagen von meinem wirren Leben in den Jahren bis 1813, das sich endlich in ein ruhiges und ich kann wohl sagen zufriedenes aufgelöst hat! — Wie gern möcht‘ ich Ihnen praktisch zeigen, wie ich in der Kunst stehe! — doch wie weitläuftig und mager ist das Schreiben, viel besser wir sehen und sprechen uns Aug‘ zu Auge von Mund zu Mund und da will ich Ihnen nur gleich lieber 40 Meilen entgegenkommen, als hier mich abquälen mit verblaßten Bildern, wie ich sie Ihnen doch nur mit einem schnöden Gänsekiel aufstellen könnte! —
Ich treffe zwischen dem 15 und 20 Julius bestimmt in Warmbrunn ein, und nichts in der Welt darf Sie abhalten wenigstens auf einige Tage hinzukommen. In W. bleibe ich wohl bis zum 15 ten August und gehe dann noch auf 4 Wochen nach Flinsberg und von da vielleicht nach Prag.
Nun Freund rütteln Sie Sich auf, eilen Sie den wiederzusehen, der Sie nie aus Sinn und Herz gelassen hat, der Ihnen ganz und gar treu geblieben ist mit voller Seele! Machen Sie meine Hoffnung nicht zu Schanden! Ihrethalben habe ich
die Reise nach Schlesien der Reise nach dem Rhein vorgezogen.
Der
Ihrigste
Hoffmann
Berlin
d 5 Julius