Berliner Romantik
Lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Markus Bernauer im Themenbereich „Romantik“.
Für E.T.A. Hoffmanns Freund und Biographen Julius Eduard Hitzig (1780–1849) war dessen Verkehr in den „feinern Tees“ und „Teesalons“ in Berlin gleich zum Scheitern verurteilt.[1] Doch die Tees, insbesondere die von Hoffmann amüsant geschilderte modische Trivialgeselligkeit der „ästhetischen Tees“, sind zu unterscheiden von den literarischen Salons im Sinne der historischen Salontradition.[2] Es waren gerade die Salonkreise, welche von Hoffmanns Geselligkeitssatiren entzückt waren und sein Werk differenziert würdigten. Als Salongast findet man Hoffmann allerdings selten. Die Quellen sind lückenhaft, seine Anwesenheit in manchen Salons bleibt Vermutung. Zweifelsfrei nachzuweisen ist er bisher nur im Salon Sara Levys.
Einzelne Ansätze zu literarischen Salons im Sinne einer regelmäßigen kultivierten Konversationsgeselligkeit um kluge Damen in der Tradition einer Marquise de Rambouillet (1588–1665) entstanden an der Spree zunächst in der Französisch sprechenden Hofgesellschaft.[3] Auf der Grundlage von bürgerlicher Aufklärung bzw. Haskala schufen literarisch interessierte Frauen aus der jüdischen „Ersatzbourgeoisie“ dann um 1780 die ersten deutschsprachigen Salons in Berlin (Henriette Herz, Sara Levy, später Rahel Levin-Varnhagen u.a.).[4] An solchen literarischen Teetischen am Rande der traditionellen ständischen Gesellschaftsordnung kamen Männer und Frauen, Juden und Christen, Adelige und Bürgerliche zwanglos zusammen, verbunden durch Dichtung, Kunst und Wissenschaft. Um 1800 traten auch Frauen aus dem christlichen Bildungsbürgertum und Adel als Gastgeberinnen von Salons hinzu.
Hoffmanns in mancher Hinsicht durchaus vorhandene ideelle Affinität zu den Berliner Salons bei praktischer Distanz ist ein komplexes Thema, das hier nur skizziert werden kann. Der Dichter war mit der bereits aus der Antike stammenden Tradition des kultivierten, heiteren, informellen Gesprächs vertraut, welche (durch den Humanismus des 16./17. Jahrhunderts vermittelt) auch die Geschichte der Salons geprägt hatte.[5] Wie Hoffmann setzen sich die Salonnièren zudem mit den Geselligkeitstheorien der Romantik auseinander („Poetisierung des Lebens“ durch Phantasie und Ironie, Humor und Kunst).[6]
Die Praxis war indes schwieriger als die Theorie, zumal die Salonnièren für einen variablen Gästekreis da sein mussten und zur Höflichkeit und Rücksichtnahme verpflichtet waren. Dass die satirisch verwertbare Tendenz zu geistiger Hochstapelei von „ästhetischen Tees“ in den Salons selten anzutreffen war, machte sie für Hoffmann eher weniger attraktiv.[7] Die Sternstunden der Salons erlebte man freilich nur, wenn man sie regelmäßig über einen längeren Zeitraum besuchte, und dazu hatte Hoffmann wohl weder Muße noch Neigung.[8]
Dr. Petra Wilhelmy-Dollinger ist Historikerin und arbeitet vor allem zur Geschichte und Kulturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts mit den Schwerpunkten „Preußen“ und „Anhalt“. Neben zahlreichen Aufsätzen in Zeitschriften und Sammelbänden publizierte sie: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780–1914) (Berlin: Walter de Gruyter, 1989) und Frauen am Ballenstedter Hof. Beiträge zur Geschichte von Politik und Gesellschaft an einem Fürstenhof des 19. Jahrhunderts, 2 Bde. (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 1999). Sie ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat, Mitarbeiterin des „Mitteldeutschen Jahrbuch für Kultur und Geschichte“ (Bonn) und hat einen Lehrauftrag zur Geschichte der Pädagogik an der Universität München. (→Forscherprofil)
Für die Berliner Referendarzeit Hoffmanns (1798–1800) liegen keine Hinweise auf nähere Kontakte zu den Salons vor.[9] Der zweite Aufenthalt 1807/08 bot dem stellungslosen Juristen als Künstler nur dürftiges Brot im kriegsverarmten, „menschenleeren geldarmen Berlin“.[10] Das Salonleben war fast erloschen, der Hof abwesend, doch verschafften die „Samstage“ Sara Levys (1761–1854), der Tante Hitzigs, ihm Kontakte zur Musik- und Gelehrtenwelt.[11] Die Gastgeberin war eine Mäzenin der Singakademie, könnte ihm von der Familie Bach erzählt haben, von Begegnungen mit Haydn und Mozart in Wien oder von Beethovens Berlinbesuch 1796.[12]
Im Juli 1807 notierte Hoffmann: „Gestern war ich von 7 ½ bis 8 ½ bey Mad. Levi, wo viele Leute Thee mit Rum tranken und vernünftige Gespräche führten […].“[13] Zu den Gästen zählte auch ein Bekannter Hoffmanns, der Jurist und Bildungsreformer Wilhelm Uhden (1763–1835) [14], welcher ihm riet, Kompositionen für das Theater einzureichen: „Sowohl die M[adame] L[evi] als vorzüglich Uhden dringen darauf daß ich mich mit dem hiesigen Theater in Correspondenz setzen soll – Uhden ist nun wohl freylich der Mann, der viel bey [Direktor] I[ffland] für mich thun kön[n]te, indessen habe ich leider nichts vorräthig […]. Morgen werde ich bey M[adame] L[evi] Zelters Bekan[n]tschafft machen!“[15] Doch Carl Friedrich Zelter (1758–1832), der Leiter der Singakademie, konnte wohl nichts für ihn tun. Als seine Bemühungen, eine Kapellmeisterstelle zu bekommen, scheiterten, entschied sich Hoffmann, nach Bamberg zu gehen.[16]
Im September 1814 kehrte Hoffmann als gefeierter Dichter und Komponist nach Berlin zurück und war von seinem ersten Besuch eines musikalischen Tees sehr befriedigt („[…] Sängerinnen Marcuse – fröhlich und guter Dinge“).[17] Er schätzte spontane Geselligkeit und ging auch in Gesellschaften[18], doch Notizen über Salonbesuche sind selten. Am 7. Januar 1815 amüsierte er sich bei Sara Levy offenbar „gut“, am 21. Januar war er krank und langweilte sich „schändlich“, obgleich zum Gästekreis seine Freunde Hitzig und Chamisso zählten sowie Wilhelm Uhden und „die Minister Humboldt“. Es handelte sich um Caroline von Humboldt (1766–1829) – Wilhelm von Humboldt weilte damals auf dem Wiener Kongress.[19] Vermutlich erschien Hoffmann auch gelegentlich als Gast bei Lea Mendelssohn Bartholdy (1777–1842)[20] oder ab 1817 bei der ehemaligen Weimarer Hofdame und Dichterin Amalie von Helvig (1776–1831).[21]
Warum wir nichts über Hoffmanns Präsenz im Staegemannschen Salon wissen, ist rätselhaft. Besuche Hoffmanns sind anzunehmen, doch nicht belegt. Elisabeth Staegemann (1761–1835), in erster Ehe die Schwiegertochter Hofkapellmeister Carl Heinrich Grauns (1704–1759), war mit Carl Friedrich Reichardt befreundet und pflegte zwei Jahrzehnte lang musikalische Geselligkeit in Königsberg, an der Hoffmann als junger Jurastudent (um 1792–1795) wohl teilgenommen hatte.[22] In zweiter Ehe heiratete sie den dichtenden Juristen und preußischen Reformer Friedrich August Staegemann (1863–1840; 1816 geadelt), mit dem sie seit 1810 in Berlin lebte und auch hier einen Salon schuf.[23] Staatsrat von Staegemann scheint dem Juristen- und Dichterkollegen freundlich, aber eher kühl begegnet zu sein.[24] Umso mehr interessierte sich die Staegemannsche „Donnerstag-Jugend“, welche sich am jour fixe in einem Nebenzimmer der Empfangsräume traf, für Hoffmann und sein Werk.
Gut dokumentiert ist Hoffmanns Beziehung zu seinem Freund Friedrich Baron de la Motte-Fouqué (1777–1843) und dessen Frau. Die ersten Begegnungen mit der Schriftstellerin Caroline von Fouqué (1773–1831) Anfang 1815 in ihrer Berliner Stadtwohnung empfand Hoffmann als unerquicklich, zumal sie ihn mit ihrem neuesten Werk langweilte.[25] Im lockereren Rahmen ihrer literarischen Landgeselligkeit in Nennhausen bei Rathenow fühlte er sich indes sehr wohl:
„Vierzehn vergnügte Tage habe ich in Nennhausen bey Fouqué verlebt. Sie (die Baronin) ist als Hausfrau besser, als sich litterarisch drucken lassend. Sie ist geistreich, witzig und noch recht hübsch – grande e maestosa. Auf mich hält sie viel und hat mich mit psychischer und physischer Atzung wohl versehen. Man ißt und trinkt vortrefflich, auch darf man mit dem alten Landesdirektor Briest (Fouqué’s Schwiegervater) beim Damenthee eine Pfeife VarinasKnaster rauchen.“[26]
Die im weitesten Sinne literarische, jedoch zweckfreie Konversationsgeselligkeit der Salons folgte traditionellen Regeln höflichen Umgangs, wobei die Gastgeberin den Ton angab. Für Hoffmann waren unkonventionelle, von gesellschaftlicher Rücksichtnahme unbelastete rein männliche Literatentreffen erheblich attraktiver, doch gab es auch viele Berührungspunkte (z.B. den Pluralismus von geistigen und ästhetischen Interessen). Ähnlich wie die Salons von jeher die „Pedanterie“ verurteilten, zogen romantische Dichterkreise gegen die geistige Enge der „Philisterei“ zu Felde. Sie hatten zumeist konkrete Ziele oder literarische Projekte und standen oft in personeller Verflechtung mit Salons und Vereinen.
Lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Markus Bernauer im Themenbereich „Romantik“.
Personelle Verflechtungen im literarischen Berlin im Hoffmann
Die personellen Verflechtungen im literarischen Berlin um Hoffmann können hier nur an Beispielen skizziert werden. Hoffmann war z.B. Mitglied der „Gesetzlosen Gesellschaft“ in Berlin, einem Kreis von prominenten Gelehrten, Beamten und Literaten (vgl. Schnapp (Hrsg.), Aufzeichnungen, S. 560–561). Sein Freund Chamisso verkehrte u.a. in den Salons Levy, Cohen und Sander. Hitzig, Contessa und Fouqué trafen sich am Teetisch der Schwestern Bardua, Koreff besuchte die Salons von Rahel Levin-Varnhagen, Elisabeth von Staegemann und Henriette von Crayen. Eine Großnichte Frau von Crayens, Caroline Mayer, war eine Jugendfreundin von Hoffmanns Cousine Minna Doerffer und heiratete den Dichter Jean Paul. Als Hoffmann diesen 1811 in Bayreuth besuchte, traf er also in Frau Richter eine Berliner Bekannte (Hitzig, Leben, S. 251; vgl. auch den Portal-Beitrag von Markus Bernauer: „Berliner Romantik“). Deren Tochter Emma Richter heiratete später den Kunsthistoriker Ernst Förster und wurde damit die Schwägerin von Hoffmanns Berliner Freund Friedrich Förster. Dieser war durch seine Frau Laura Gedike zugleich ein Schwager von Hoffmanns Hausarzt Dr. Heinrich Meyer. – Henriette von Crayen (1755–1832) ist später auch als Urbild für Theodor Fontanes „Frau von Carayon“ im „Schach von Wuthenow“ bekannt geworden (vgl. Wilhelmy, Salon, S. 626–630 u.ö.).
Obgleich Hoffmann kein Mitglied war, kam er in Berührung mit dem Berliner Polarsternbund junger Dichter, der 1804 angesichts des bevorstehenden Wegzugs mehrerer Freunde gegründet wurde.[27] Julius Eduard Hitzig, mit dem sich Hoffmann in Warschau anfreundete, zählte ebenso hinzu wie Varnhagen, Chamisso, Koreff, Fouqué, Wilhelm Neumann und Ludwig Robert. Die Polarstern-Dichter trafen sich auch in den Salons, bis 1804 vor allem bei Philippine Cohen (1776–1833), einer Freundin von Henriette Herz und Rahel Levin, sowie am „runden Tisch“ der Verlegersfrau Sophie Sander (1768–1828), einer Vertrauten des Mitglieds Franz Theremin.[28] Da Hoffmann 1807 (durch Hitzig oder bei Sara Levy) Chamisso, Varnhagen und Robert kennenlernte, dürften ihm diese Kreise zumindest in Umrissen bekannt gewesen sein.[29]
Außer Hitzig und Fouqué, dessen „Undine“ er komponiert hatte, traten Hoffmann von den Polarstern-Dichtern 1814/15 vor allem Adelbert von Chamisso (1781–1838) und David Ferdinand Koreff (1783–1851) näher. Nicht zum Nordsternbund zählte der Dichter Karl Wilhelm Salice Contessa (1777–1825), mit dem Hoffmann jedoch ebenfalls durch Hitzig bekannt wurde. Zusammen bildeten sie den engsten Teilnehmerkreis der Hoffmannschen „Seraphinen-“ und „Serapionsabende“. Die literarischen Gespräche fanden in einer Atmosphäre der Gemütlichkeit und herzlicher Freundschaft statt.[31] Hitzig betonte den mäßigen Genuss von Wein und Punsch. Doch habe man soviel „Witz und Geist“ konsumiert, „daß ein gewöhnlicher Tee durch die ganze Lebenszeit des Teegebers davon hätte bestehen können […].“[32] Selbst wenn Gäste hinzukamen, war man unter sich, d.h. unter ähnlich interessierten, etwa gleichaltrigen Dichterfreunden. Schon allein deshalb ging es lockerer zu als in Gesellschaft von Damen, älteren Leuten und Standespersonen. Das wusste auch Chamisso zu schätzen, obwohl er (1810/12) die faszinierende französische Salongeselligkeit Mme de Staëls kennengelernt hatte.
Gleichaltrige Dichterfreunde
Nicht nur die Mitglieder, auch die Gäste waren etwa gleichaltrig. 1819 freute sich Hoffmann, von dem zwei Jahre jüngeren Ludwig Robert (1778–1832) an „unsere gemüthliche SeraphinenAbende“ erinnert zu werden (Berlin, 20. Dezember 1819, Briefe, Bd. 2, S. 230–231). Der Schulfreund Theodor Gottlieb von Hippel (1775–1843) nahm auch gelegentlich teil und war wohl der Älteste, Ludwig Devrient (1784–1832) und Hitzigs Schwager August Oetzel (1784–1850; seit 1846 von Etzel, Apotheker, Offizier, Geologe) waren die jüngsten des Kreises. Auch Adam Oehlenschläger (1779–1850), Ernst und Friedrich von Pfuel (1779–1866 bzw. 1781–1846) und Werner von Haxthausen (1780–1842) gehörten den Jahrgängen 1775 bis 1784 an. Nur Joseph von Eichendorff (1788–1857) und Georg Seegemund (1794–1877) waren noch etwas jünger. Die Zuordnung mancher Personen ist umstritten (vgl. Schnapp, Seraphinenorden, S. 111, und Pravida, Seraphinenorden, S. 453).
Hoffmanns Seraphinen-Orden, gegründet am Tag des Hl. Seraphinus im Oktober 1814, traf sich zu einem wöchentlichen jour fixe, anfangs sogar fast täglich in einem Nebenraum des Cafés Manderlee oder zu Hause bei den Mitgliedern, wo man Manuskripte vorlas und diskutierte. Zu Hoffmann, Hitzig, Chamisso und Contessa (sowie Fouqué, wenn er in Berlin war) gesellte sich dann Ende 1815 der Leibarzt des Staatskanzlers Hardenberg, Dr. Koreff, der die Runde mit seinen Theorien über Psychologie und Magnetismus bereicherte. Bereits im März 1815 hatte er wohl bei einem kurzen Berlinaufenthalt einen Seraphinenabend besucht.[33]
Hl. Seraphinus
Hoffmann liebte Benennungen nach Heiligentagen. Am 12. Oktober war der Tag des Hl. Seraphinus von Montegranaro (geboren 1540 in Montegranaro, gestorben am 12. Oktober 1604 in Ascoli Piceno / Italien). Er war als Laienbruder in den Kapuzinerorden eingetreten und zeichnete sich aus „durch ungewöhnl. Sanftmut u. Feindesliebe, bei deren heroischer Ausübung er die Gabe der Krankenheilung u. Herzenskunde erhielt, so daß er, der sonst völlig Ungebildete, der gesuchte Ratgeber der höchsten weltl. u. geistl. Würdenträger wurde. 1767 heiliggesprochen.“ Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), 2., neubearb. Aufl., hrsg. von Michael Buchberger, Bischof von Regensburg, und Konrad Hofmann, Bd. 9, Freiburg im Breisgau 1937, Sp. 486.
Die Abende fanden ihren literarischen Niederschlag in gemeinsamen Publikationen der Freunde und wechselseitigen Anspielungen und Übernahmen. Am 13. Januar 1815 las Hoffmann den Freunden die „Abenteuer der Silvesternacht“ vor, in der auch „Peter Schlemihl“ auftaucht.[33a] Ein gemeinsames Romanprojekt scheiterte, aber Fouqué, Contessa und Hoffmann veröffentlichten gemeinsam zwei Bände „Kinder-Mährchen“ (1816–1817). Contessa schrieb für Hoffmann ein Opernlibretto und hinterließ einige frappierend hoffmanneske Erzählungen („Die Schatzgräber“ und „Das Bild der Mutter“).[34]
Seit sich Chamisso ab Juni 1815 auf seiner Weltreise befand und Contessa 1816 durch den Wegzug aufs Land kein ständiger Teilnehmer mehr war, wurden die Treffen seltener. Im August 1816 ist von einer außerordentlichen Seraphinenversammlung die Rede.[34a] Über die Seraphinenabende des Jahres 1817 weiß man wenig, 1818 schmolz der Kreis dann weiter zusammen, weil Koreff viele Monate abwesend war.
Nach der Rückkehr Chamissos erneuerte Hoffmann den Orden durch ein Treffen in seiner Wohnung am 14. November 1818, nun nach dem Tagesheiligen bezeichnet als „Serapionsbruderschaft“. Gespräche dieses Kreises und Erinnerungen an die Seraphinenabende sollten Hoffmanns schon seit Februar geplante Sammlung älterer Erzählungen mit Ideen zu einer Rahmenhandlung ausstatten.[35] In den oft heiter-ironischen Rahmengesprächen der auf vier Bände anwachsenden Sammlung „Die Serapionsbrüder“ (1819–1821) geht es um Kunst, Musik und Fragen dichterischen Schaffens, um Merkmale nicht-philiströser Geselligkeit und die „Ordensregel“, „geistreich, lebendig, gemütlich, anregbar und witzig“ zu sein.[36] Wie weit hier tatsächliche Gespräche zugrunde lagen, bleibt offen, wennschon sich typische Ansichten der Freunde darin spiegeln. Außerhalb des literarischen Textes existieren nämlich keine verlässlichen Zeugnisse. Entsprechende Angaben in Hitzigs Biographie sind wenig konkret, und auch die 1962 von Friedrich Schnapp unternommene Rekonstruktion und Datierung der acht Abschnitte („Abende“) ist zwar plausibel, doch kein Beweis.[37] Wir haben es mit einem autonomen Kunstwerk zu tun, in welchem Hoffmann mit verschiedenen Perspektiven, Phantasie- und Realitätsebenen spielt.[38] Doch fließen durchaus nachweisbare Erlebnisse in den Text ein.[39] Hitzig, Contessa und Koreff sind ihren literarischen „Doppelgängern“ in den Rahmengesprächen (Ottmar, Sylvester, Vinzenz) zwar nicht einfach gleichzusetzen, leihen ihnen jedoch wichtige Charakterzüge.[40] Nach den Briefwechseln lässt sich zumindest bis zum Frühjahr 1819 ein reger geselliger Kontakt annehmen, mit längeren Unterbrechungen vielleicht sogar bis Anfang 1820.[41]
Hl. Serapion
Es gab mehrere Heilige mit dem Namen Serapion („der Entflammte“), die in Hoffmanns Zusammenhang relevant sind. Der Ich-Erzähler Cyprian spricht den Grafen von P., der sich für Serapion hält, sogar direkt darauf an. Dieser identifiziert sich mit einem Einsiedler Serapion, der unter Kaiser Decius (249–251) in die Wüste geflohen sei und in Alexandria den Märtyrertod erlitt. Graf P.s Todestag ist, genau wie das Datum der Rahmenhandlung, der 14. November (durch den Kalender als Todestag des Hl. Serapion bestätigt). Hoffmann spielt hier mit verschiedenen Ebenen von Raum, Zeit und Identität. Der Hl. Serapion von Ägypten (Serapion Sindonita) war ein wohltätiger Asket im 4. Jahrhundert und starb in der Wüste. Sein Heiligentag ist der 21. März (bei den Kopten der 7. März). Dem 21. März wird auch ein gleichnamiger gelehrter ägyptischer Bischof der Spätantike zugeordnet. In den Kontext der Christenverfolgung unter Kaiser Decius im 3. Jahrhundert gehörte ein Serapion, der zu den „Sieben Schläfern“ zählte (27. Juli im römischen Märtyrerkalender), jenen frommen Jünglingen von Ephesus, die in eine Höhle flohen, eingemauert wurden und 200 Jahre später vorübergehend wieder zum Leben erwachten. Der 14. November hingegen ist der Todestag eines hochmittelalterlichen Mönchs Serapion (um 1175/79–1240). Dieser war wohl britischer Herkunft, trat in Spanien in den Mercedarier-Orden ein und starb 1240 als freiwillige Geisel in Algier den Märtyrertod. LThK, 2. Aufl., Bd. 7 (1935), Sp. 99–100, und Bd. 9, Sp. 486–487 und Sp. 538–539. Vgl. Schnapp, Seraphinenorden, S. 105, und Kommentar Segebrecht, SW, Bd. 4, S. 1236–1237.
Nachweisbare Erlebnisse
Faktisch nachzuweisen ist z.B. die Premiere eines Lustspiels von Contessa in Berlin, auf die zu Beginn des sechsten Abschnitts der „Serapionsbrüder“ angespielt wird. Die Reminiszenz bezieht sich allerdings schon auf 1817, die Zeit des Seraphinenordens. Am Beginn der Rahmenhandlung nutzte Hoffmann vielleicht sogar Eindrücke von einem Wiedersehenstreffen der Nordsterndichter 1815, bei dem er anwesend war. Varnhagen berichtet, die lange Trennung habe beim Wiedersehen eine „hölzerne“ Atmosphäre erzeugt, die Hoffmann durch witzige Einfälle etwas auflockerte.
Literarische "Doppelgänger"
Die Deutungen Chamisso–Cyprian und Lothar–Fouqué sind selbst cum grano salis äußerst problematisch, zumal „Cyprian“ und „Lothar“ ebenso wie „Theodor“ auch viele typische Positionen Hoffmanns vertreten. Vgl. Segebrecht, Kommentar, S. 1243. Die Neugründung der Bruderschaft erfolgte vor der Rückkehr Koreffs aus Aachen, und tatsächlich erscheinen Vinzenz und Sylvester erst am „vierten Abend“ (d.h. in Bd. 2, im vierten Abschnitt).
Die Pariser Hof- und Salonkultur im Zeitalter Ludwigs XIV. bildet den historischen Hintergrund der Novelle „Das Fräulein von Scuderi“, für die Hoffmann die Salonnière und Dichterin Madeleine de Scudéry (1607–1701) dichterisch verarbeitete.[42] Hoffmann zeichnet die geistvolle alte Dame als liebenswürdige Verkörperung der Humanität und der klassischen Salons. [43] Die unfreiwillige Amateurdetektivin verlässt die Welt der Poesie und ihr Bureau d’Esprit auf der Suche nach der Wahrheit und verhindert einen Justizmord, weil ihre bewegende Schilderung des Falles hilft, die Gnade des Königs zu erwirken. [44] In den „serapiontischen“ Rahmen fügt sich diese Erzählung besonders gut ein; denn das Fräulein handelt, das betonte schon Wulf Segebrecht, wie ein wirklicher „Serapionsbruder im Wahrnehmen und Gestalten des Lebens“.[45]
In allen seinen Umgangskreisen liebte Hoffmann Gespräche über Musik und geselliges Musizieren. Heitere Erinnerungen an musikalische Abende und die Zusammenarbeit mit Fouqué an der Oper „Undine“ haben ihre Spuren in den „Kreisleriana“ hinterlassen, auch wenn insgesamt die satirischen Spitzen gegen einen philiströsen Musikbetrieb überwogen. [46] Hoffmanns Wertschätzung echter Musikalität zeigt sich u.a. in seiner Verehrung der jungen Sängerin der „Undine“, Johanna Eunike, und seiner Bewunderung für den Pianisten und Komponisten Ludwig Berger. Hoffmann war Mitglied der 1819 von Berger und Bernhard Klein gegründeten Jüngeren Liedertafel und traf dort bei einem Fest am 31. Januar 1820 u.a. mit Carl Friedrich Zelter und Wolfgang Amadeus Mozart junior (1791–1844) zusammen. Lili Parthey (1800–1829), eine Enkelin Friedrich Nicolais, erzählt: „Auf der Liedertafel war es ungeheuer voll, ½ Berlin; Schadows mit Klein, wir mit Körners, Hoffmann, Mozart [jun.], Zelter.“[47] Da zu solchen besonderen Festabenden auch Damen geladen waren, regte Hoffmann die Aufführung gemischter Chöre an.[48] Außer fünf Männerchören vertonte er „Die neue Walpurgisnacht“, einen heiteren Wechselgesang von Frauen und Männern für den 1. Mai 1821, nach einem Text von Friedrich Förster.[49] Dieser schrieb 1822 auch den „Nachruf“ auf Hoffmann, der in der Liedertafel gesungen wurde: „[…] So schied ein Freund aus unserm Bunde, / Er sprach uns manches heitre Wort, / Er lebt in jeder guten Stunde / Bei uns in seinen Liedern fort.“[50]
Hoffmanns Freund Hitzig trug durch seine Biographie dazu bei, die Erinnerung an den Dichter wachzuhalten, und viele andere Bekannte verbreiteten das Interesse an Hoffmanns Werken in Deutschland und Europa; so z.B. Adam Oehlenschläger und Per Daniel Amadeus Atterbom in Skandinavien oder Werner von Haxthausen im Familien- und Freundeskreis der jungen Annette von Droste-Hülshoff in Westfalen. Koreff, seit 1822 in Paris, war bei Übersetzungen ins Französische behilflich und förderte die Hoffmann-Rezeption in den Pariser Salons.[51] In den Berliner Salonkreisen beschäftigte man sich sowohl zu Hoffmanns Lebzeiten wie auch nach seinem Tod immer wieder mit seinem Werk.
Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848)
Die in mancher Hinsicht mit Hoffmann geistesverwandte Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) in Westfalen kam gleich auf mehrfache Weise mit dem Umfeld und Werk E.T.A. Hoffmanns in Kontakt. Ihr vielseitig begabter Onkel Werner von Haxthausen war, wahrscheinlich seit 1816, mit Hoffmann bekannt (Schnapp, Seraphinenorden, S. 107). Ende März 1819 las ihre Mutter Therese von Droste-Hülshoff geb. von Haxthausen aus den „Phantasiestücken in Callots Manier“ vor, im Januar/Februar 1822 war die Lektüre der „Lebensansichten des Katers Murr“ an der Reihe (Walter Gödden, Tag für Tag im Leben der Annette von Droste-Hülshoff. Daten – Texte – Dokumente, Paderborn […] 1996, S. 29 und S. 89). Ein literarischer Mentor der jungen Droste, der ehemalige Hainbund-Dichter Anton Matthias Sprickmann (1749–1833; 1817–1829 Professor in Berlin) plante eine E.T.A.-Hoffmann-Biographie, und ihre Freundin Elise Rüdiger geb. von Hohenhausen (1812–1899) war im Berlin Hoffmanns aufgewachsen, wo Koreff, Chamisso und Heine um 1820 im Salon ihrer Mutter Elise von Hohenhausen (1789–1857) verkehrten. Zwanzig Jahre nach Hoffmanns Tod verfasste die Droste eine Liste prominenter Persönlichkeiten („gestorben seit meiner Erinnerung“). Sie nannte Hoffmann nach Goethe, Schiller, Wieland und Jean Paul an fünfter Stelle, noch vor Chamisso und vielen anderen. Undatiertes Blatt (nach 1842), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (MA II 38, fol.1), abgedruckt in: Bodo Plachta (Hrsg.), Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) – „aber nach hundert Jahren möcht ich gelesen werden“. Ausstellung zum 200. Geburtstag […], Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz […] 1997, Wiesbaden 1997, Nr. 101, S. 196.
Anders als ihr Verfasser waren die Dichtungen und Kompositionen Hoffmanns in vielen Berliner Salons sehr präsent, etwa im Salon Amalie von Helvigs, welche die „Fantasiestücke in Callot’s Manier“ gelesen hatte und den „Goldnen Topf“ ebenso wie Hoffmanns Undinenkomposition als „geistvoll“ und „genialisch“ lobte (1816/17).[52]
Ähnliches gilt für die Salon-Filiation der Staegemannschen „Donnerstag-Jugend“, die sich nach den Befreiungskriegen um den malenden Jurastudenten August von Staegemann (1797–1866) und seine dichtende Schwester Hedwig (1799–1891) versammelte. Zu diesem Kreis gehörten der Dichter und Historiker Friedrich Förster (1791–1868), der später Hedwigs Freundin Laura Gedike (1799–1864) heiratete, der Dichter Wilhelm Müller aus Dessau (1794–1827), der Maler Wilhelm Hensel (1794–1863) und seine Schwester, die Dichterin Luise Hensel (1798–1876).[53] Wilhelm Müller redete in seinem Tagebuch mit Hoffmanns musikalischem alter ego, dem Kapellmeister Johannes Kreisler („Kreisleriana“), und bekannte, er habe selbst „manche Ähnlichkeit“ mit dem „Musikfeind“.[54] Hell begeistert war man in der Donnerstag-Jugend von der Oper „Undine“, einem romantischen Gesamtkunstwerk mit prächtigen Dekorationen von Schinkel, zumal Friedrich Förster bei der Uraufführung am 3. August 1816 den vorangestellten Prolog zum Geburtstag des Königs geschrieben hatte.[55] Hedwig von Staegemann äußerte sich entzückt von der „wunderliche[n] Musik, die sich wie mit kühnen, zauberischen Schwingen über das ganze Stück legt“.[56] Wilhelm Hensel verfasste ein Sonett auf die Sängerin Johanna Eunike als „Undine“ und Wilhelm Müller eine enthusiastische Rezension.[57] Anregungen aus der Oper beeinflussten im November 1816 das in diesem Kreis veranstaltete Schreibespiel der „Ur-Müllerlieder“, woraus dann ein kleines Liederspiel des von Hoffmann geschätzten Komponisten Ludwig Berger (1777–1839) und die berühmten „Müllerlieder“ entstanden.[58] Als Hedwig Staegemann 1819 bei einem Aufenthalt in Rogau Theodor Gottlieb von Hippel (1775–1843) näher kennenlernte, schrieb sie stolz an Laura Gedike-Förster: „Er ist der intimste Freund von Hoffmann, dem Dichter“.[59]
Elisabeth von Staegemanns Aufzeichnungen über Musik sind geistig verwandt mit Hoffmanns musikalischen Schriften, und selbst der als Dichter ganz anders veranlagte Staatsrat war gut in Hoffmanns Werken beschlagen.[60] Zwar scheint er in der Meister-Floh-Affäre amtliche Indiskretionen Hoffmanns nicht ganz ausgeschlossen zu haben, doch verurteilte Staegemann die staatliche „Demagogen-Riecherei“, wie es auch viele seiner liberal eingestellten Bekannten taten (Schleiermacher, Karl August Varnhagen).[61] Rahel Varnhagen (1771–1833), die mit ihrem Mann bis 1819 von Berlin abwesend war, fand wohl nie wirklichen Geschmack an Hoffmanns Schriften.[62]
Anders Lea Mendelssohn Bartholdy, die sehr fein differenzierte. Sie machte sich zwar nichts aus Gespenstergeschichten, doch freute sie sich an Hoffmanns „Klein Zaches“, dem „Fräulein von Scuderi“ und „Signor Formica“, würdigte darin Humor und Zeitkritik, empfahl die Erzählungen weiter und las sie mit ihren Kindern.[63] Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) spielte später in seinen Briefen mehrfach auf Hoffmanns Werke an.[64]
Zwei Damen des Mendelssohnschen Bekanntenkreises, die Porträtmalerin Caroline Bardua (1781–1864) und ihre Schwester Wilhelmine (1798–1865), die einen literarischen Teetisch führten, fanden eine spezielle Verwendung für Hoffmanns Kindermärchen. Als Caroline Bardua 1821 ein Familienbild des Prinzen Wilhelm von Preußen (1783–1851) malte, erzählte ihre Schwester, um die Kinder zu unterhalten, „das Hoffmann’sche Märchen: ,Nußknacker und Mäusekönig‘, zu ihrem höchsten Entzücken“.[65]
Die mit Hoffmanns Werken herangewachsene Generation blieb dem Dichter zumeist verbunden; das belegt auch manches Berliner Salongespräch. Clara Kugler geb. Hitzig (1812–1873), die Frau des Dichters und Kunsthistorikers Franz Kugler (1808–1858), zählte zu den Kindern, für die Hoffmann „Nussknacker und Mausekönig“ und „Das fremde Kind“ geschrieben hatte. Sie führte um die Jahrhundertmitte einen Salon, in dem sich literarischer „Realismus“ und „Romantik“ unter dem gemeinsamen Ziel der „Echtheit“ zusammenfanden. Theodor Fontane (1819–1898) berichtet, wie eindrucksvoll Theodor Storm (1817–1888), der sich wohl ganz gern in der Hoffmannschen Tradition bewegte, dort Spukgeschichten und Gedichte vortrug.[66]
Auch Hedwig von Staegemann, die 1823 den Diplomaten Ignaz von Olfers (1793–1872) heiratete und später den Salon der Mutter weiterführte, behielt stets ihre hohe Wertschätzung für Hoffmann. Das gleiche gilt für ihren Mann, der 1839 Direktor der Königlichen Museen in Berlin wurde, ihre Kinder und viele Gäste in ihrem Salon.[67] Die Tochter Marie von Olfers fühlte sich 1870 bei der Erstaufführung der Wagnerschen „Meistersinger“ an Hoffmanns „Kreisleriana“ und das dort erwähnte Konzept eines „Gesamtkunstwerks“ in den Opern von Christoph Willibald Gluck erinnert. [68] Ein spezieller Hoffmann-Kenner unter den Stammgästen des Olfersschen Salons war der Gründer der „Deutschen Rundschau“ Julius Rodenberg (1831–1914), der Hoffmann in seinen „Bildern aus dem Berliner Leben“ ein literarisches Denkmal setzte.[69] Die fast neunzigjährige Hedwig von Olfers schrieb im September 1888 über E.T.A. Hoffmann im Zusammenhang mit seiner Erzählung „Das Majorat“: „Es kann sich kaum einer der Jetztzeit an Humor und Phantasie mit ihm messen.“[70]
Hoffmann-Reminiszenzen spiegelten sich nicht nur in Briefen und Gesprächen, sondern auch in manchen literarischen und graphischen Aktivitäten der Salonkreise. Ein wenig spukte Hoffmanns Geist sogar in dem 1843 unter der Schirmherrschaft der Schwestern Bardua in Berlin von Maximiliane (1818–1894), Armgart (1821–1880) und Gisela von Arnim (1827–1889) gegründeten sog. Kaffêterorden junger Mädchen, an dem auch die drei Olfers-Töchter und Dora von Helvig teilnahmen.[71] Er bestand bis 1848 als spielerische Akademie-Persiflage mit einem phantasievollen Gemisch von künstlerischer Kreativität, Ironie und Humor („charmante Verrücktheit“).[72] Gisela von Arnim schrieb für diesen Kreis das vom „Kater Murr“ inspirierte Märchen „Aus den Papieren eines Spatzen“, illustriert von ihrem späteren Mann Herman Grimm (1828–1901) und Marie von Olfers.[73]
Die Dichterin und Malerin Marie von Olfers (1826–1924) erbte 1891 den Salon ihrer Mutter, den sie, unterstützt von ihren Schwestern, in der dritten Generation weiterführte. Sie galt als letzte Personifizierung des romantischen Geistes in Berlin. Phantasievoll gestaltete Landschaften, Blumen und Kinderleben in der Natur waren Schwerpunkte ihres Schaffens als Illustratorin. Sie beeinflusste damit auch die Bilderbücher ihres jüngeren Bruders Ernst (1840–1915) und ihrer berühmten Nichte, der Jugendstilkünstlerin Sibylle von Olfers (1881–1916).[74]
Innerhalb der facettenreichen Institution der Berliner Salons hebt sich die romantische Tradition besonders charakteristisch ab, nicht zuletzt durch die hundertjährige Kontinuität des Staegemann-Olfersschen Salons, den Gisela Grimm einmal ein „liebenswürdiges Welttheater“[75] nannte. Hoffmanns Ideale wie „das geistreiche, von echtem Humor beseelte Gespräch“[76] und die phantasievolle Poetisierung des Lebens waren in den romantisch und spätromantisch geprägten Berliner Salons bis ins frühe 20. Jahrhundert zu finden. Natürlich hatten diese Salons zugleich einen wachen Sinn für jene Doppelbödigkeit der Existenz, die Hoffmann in seinen Dichtungen so meisterhaft schilderte. Auch sie waren von Krieg, Krankheit, Tod und anderen herben Realitäten betroffen. Nicht zuletzt in solchen Situationen griff man auf Hoffmanns Werke und Formulierungen zurück. Als 91jährige Frau kommentierte Marie von Olfers 1918 ihre zunehmende Augenschwäche und die Berliner Versorgungsnöte im Ersten Weltkrieg: „Viel liegt jetzt an der mangelhaften Nahrung. ,Zu wenig Speck‘, seufze ich mit dem König aus dem ,Nußknacker‘“.[77]
[1] Julius Eduard Hitzig, E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlaß. Mit Anmerkungen zum Text und einem Nachwort von Wolfgang Held, Frankfurt/Main 1986, S. 309–317.
[2] Herrliche Satiren finden sich z.B. in den „Kreisleriana“, im „Hund Berganza“ und in den „Serapionsbrüdern“. Vgl. Petra Wilhelmy, Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780–1914), Berlin, New York 1989 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 73), S. 465–468, sowie Christine Lubkoll, Künstlerische Geselligkeit / Bürgerliche Alltagskultur, in: Christine Lubkoll / Harald Neumeyer (Hrsg.), E.T.A. Hoffmann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2015, S. 282–286. – Zur historischen Salontradition siehe Wilhelmy, Salon, S. 1–28.
[3] Zu den Kreisen um Königin Sophie Charlotte, Mme de Rocoulle, Gräfin Camas und Reichsgräfin Bentinck vgl. Petra Wilhelmy-Dollinger, „Häuser ohne Frauen sind Verse ohne Poesie“ – Berliner Salons vor und um 1800, in: Bärbel Holtz / Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Kennen Sie Preußen – wirklich? Das Zentrum „Preußen – Berlin“ stellt sich vor, Berlin 2009, 59–90. Vgl. zur Geschichte der europäischen Salontradition: Petra Dollinger, Salon, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hrsg. vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) Mainz, 2017-11-23. URL: http://www.ieg-ego.eu/dollingerp-2017-de (mit weiterer Literatur).
[4] Vgl. Steven M. Lowenstein, Jewish Upper Crust and the Berlin Jewish Enlightenment: The Family of Daniel Itzig, in: Frances Malino u.a. (Hrsg.), Profiles in Diversity. Jews in a Changing Europe, 1750–1817, Detroit 1998, S. 182–201. Auch Moses Mendelssohns Tochter Brendel Veit (1764–1839; spätere Dorothea Schlegel) prägte diese Salons wesentlich mit. 1814 lernte Hoffmann ihren Sohn kennen und schätzen, den Maler Philipp Veit (1793–1877).
[5] Anders als in der öffentlichen Rhetorik ging es in dieser Art antiker Gesprächskultur um literarische Gespräche, praktische Lebensphilosophie in Mußestunden, Einfachheit und Natürlichkeit (im Sinne von otium cum dignitate, serenitas, honestas, decorum), wie es Cicero in seinem Buch über die Pflichten (De officiis) und den Gesprächen in Tusculum formulierte und Aulus Gellius später in den „Attischen Nächten“ veranschaulichte. Dieses Gedankengut war Hoffmann sicher geläufig. Zu Beginn des vierten Bandes der „Serapionsbrüder“ in einem Gespräch der Rahmenhandlung über französische bzw. deutsche Konversationskultur äußert sich Theodor zum Stichwort eines „geistreichen, von echtem Humor beseelten“ Gesprächs. E.T.A. Hoffmanns Werke, Achter Teil: Die Serapionsbrüder. Vierter Band, hrsg. von Georg Ellinger, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J., S. 9–17, Zitat S. 12. (Übersichtlicher ist die Ausgabe: E.T.A. Hoffmann, Sämtliche Werke in sechs Bänden, hrsg. von Hartmut Steinecke und Wulf Segebrecht, Frankfurt/Main 1985–2004, künftig abgekürzt SW, hier Bd. 4, S. 911–916, Zitat S. 915–916.)
[6] Friedrich Schlegel (1772–1829) schrieb 1798 im berühmten Athenäums-Fragment 116: „Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen […].“ Sie solle „die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegenem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen. […] Die romantische Poesie ist unter den Künsten[,] was der Witz der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist.“ Hier zitiert nach: Theorie der Romantik, hrsg. von Herbert Uerlings, Stuttgart 2000, S. 79–80.
[7] Zum Reiz unfreiwilliger Komik in Gesellschaften vgl. Hitzig, Leben, S. 313.
[8] Angesichts einer durch Krankheit und zunehmende künstlerische und amtliche Arbeitslast gesteigerten Reizbarkeit bevorzugte Hoffmann spontane Verabredungen und vor allem die Gesellschaft seines Freundes Ludwig Devrient. Auch die Seraphinen- und Serapionsabende konnten Hoffmann nicht langfristig fesseln. Hitzig verweist auf seine Stimmungsabhängigkeit: „Es konnte ihn heute ärgern, worüber er gestern gelacht oder sich gefreut haben würde.“ Hitzig, Leben, S. 436–437.
[9] Vgl. E.T.A. Hoffmann, Briefwechsel, gesammelt und erläutert von Hans von Müller und Friedrich Schnapp, hrsg. von Friedrich Schnapp, 2 Bde., München 1967–1968; hier Bd. 1, An Theodor Gottlieb von Hippel, Berlin, 15. Oktober und 31. Dezember 1798, S. 140–144 . Opern, Konzerte und Ausstellungen bedeuteten ihm mehr als Gesellschaften (vgl. „Langeweile“, S. 143).
[10] An Hippel, [20. Oktober 1807]: „Meine einzige Hoffnung ist bey irgend einer Kapelle als Direktor unterzukommen, und hierzu habe ich alle Anstalten gemacht, bis jetzt aber vergebens! – Wäre es mir möglich nach Wien zu gehen, wohin ich die dringendsten Empfehlungen habe [von Hitzig, u.a. an seine Tante Fanny von Arnstein], und wo es mehrere PrivatKapellen [sic] giebt, so wäre vielleicht mein Glück gemacht, indessen fehlt es mir hierzu durchaus an einem Fonds!“. Hoffmann, Briefe, Bd. 1, S. 221–222. Die einflussreiche Fanny von Arnstein geb. Itzig (1758–1818) hatte einen musikalischen Salon in Wien; sie war eine Schwester von Sara Levy.
[11] Sara Levy geb. Itzig war die Tante von Lea und die Großtante von Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy. Petra Wilhelmy-Dollinger, Sara Levy (1861–1854). Cembalistin, Musikaliensammlerin, Philanthropin, Salonnière, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, hrsg. für die Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat von Harro Kieser und Gerlinde Schlenker, Bd. 18, Bonn 2011, S. 210–212 (dort weitere Literatur).
[12] Petra Wilhelmy-Dollinger, Singen, Konzertieren, Diskutieren. Musikalische Aktivitäten in den Salons der „Berliner Klassik“, in: Urbane Musikkultur. Berlin um 1800, hrsg. von Eduard Mutschelknauss, Hannover 2011, S. 141–169 (Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800. Studien und Dokumente, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, betreut von Conrad Wiedemann, Bd. 18), hier speziell S. 147–152, und dies., Musikalische Salons in Berlin 1815–1840, in: Die Musikveranstaltungen bei den Mendelssohns – Ein ‚musikalischer Salon‘? Die Referate des Symposions am 2. September 2006 in Leipzig, hrsg. im Auftrag des Mendelssohn-Hauses von Hans-Günter Klein, Leipzig 2006, S. 17–33 und S. 73–86, hier vor allem S. 20–22.
[13] „[…] von 9 bis 11 ½ bey [dem Rechtsanwalt Johann Gottlieb] [Win]zer eingeladenermaßen, wo wieder viele Leute Rum mit Thee tranken […].“ An Hitzig, wohl Berlin, Mitte Juli 1807, Briefe, Bd. 1, S. 214. Das von Hoffmann in diesem Brief anschließend erwähnte Beisammensein mit August Ferdinand Bernhardi, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und dem Komponisten Wilhelm Schneider dürfte wohl eher bei Winzer als bei Sara Levy stattgefunden haben.
[14] Uhden war auch Diplomat, Archäologe und Philologe, er wirkte mit bei der Gründung der Universität Berlin.
[15] An Hitzig, Berlin, 7. Juli 1807, Hoffmann, Briefe, Bd. 1, S. 213.
[16] Hoffmann lernte damals auch Adelbert von Chamisso, Ludwig Robert und Karl August Varnhagen kennen, die er, wie Schleiermacher und Johann Gottlieb Fichte, ggf. auch bei Sara Levy treffen konnte. Doch schrieb er an Hippel, Berlin, 12. Dezember 1807: „Nur wenig kann ich den Umgang dieser Leute nützen, da ich wieder tief, tief in das Studium alter Meisterwerke, von denen ich hier die Partituren auftreiben konnte, gerathen bin […].“ Hoffmann, Briefe, Bd. 1, S. 231.
[17] Hoffmann, Tagebuch, 27. September 1814, in: E.T.A. Hoffmann, Tagebücher. Nach der Ausgabe Hans v. Müllers mit Erläuterungen hrsg. von Friedrich Schnapp, München 1971, S. 255. An Carl Friedrich Kunz, Berlin, 28. September 1814: „Nach dem Diner wurde ich gestern bei einem Tee unter dem Namen eines Doktor Schulz aus Rathenow eingeführt, und erst nachdem viel und gut musiziert, sagte Fouqué: ,Der Kapellmeister Johannes Kreisler befindet sich unter uns – und hier ist er!‘ – Das übrige können Sie sich denken .“ Hoffmann, Briefe, Bd. 2, S. 24. Es bleibt offen, wo der Tee stattfand, vielleicht bei Hitzig. Die Sängerinnen, die Hoffmann so gut gefielen, waren Betty Marcuse (spätere Frau Gedike) und ihre Schwester Julie (spätere Frau von Lancizolle), Mitglieder der Singakademie und Salongäste bei Sara Levy und Elisabeth Staegemann. Betty Marcuse soll nach Hitzig das Vorbild zur „Bettina“ („Das Sanctus“) gewesen sein. E.T.A. Hoffmann in Aufzeichnungen seiner Freunde und Bekannten. Eine Sammlung von Friedrich Schnapp, München 1974, S. 427 und Hitzig, Leben, S. 306–307 und S. 325–326.
[18] Im Mai 1819 trafen ihn August und Ottilie von Goethe im Hause des Staatsrats Georg Heinrich Nicolovius (1767–1839) in Berlin. Vgl. Schnapp (Hrsg.), Aufzeichnungen, Kapitel: Goethe und Hoffmann, S. 741 und 743. Ottilie von Goethe (1796–1872) schätzte Hoffmanns Werke und ließ sich von ihrem Schwiegervater das diesem von Hitzig übersandte Exemplar seiner Hoffmann-Biographie schenken.
[19] Hoffmann, Tagebücher, 7. und 21. Januar 1815, S. 259 und S. 261. Im Frühjahr 1815 endet Hoffmanns Tagebuch. – Caroline von Humboldt, die in Rom einen Salon für Künstler und Gelehrte geführt hatte, hielt sich seit Ende 1814 in Berlin auf. Wenn sie in Berlin war, spielte sie eine wichtige Rolle in den Salonkreisen; bedeutend wurde später ihre Landgeselligkeit in Tegel. – Ob Hoffmann bei Sara Levy auch einmal deren Freundin Henriette Herz traf, bleibt offen.
[20] Besuche um 1814/15 bei Lea und Abraham Mendelssohn Bartholdy (1776–1835) sind angesichts der Verwandtschaft mit Hitzig und Sara Levy naheliegend und wurden schon von Schnapp vermutet. Vgl. Wilhelmy, Salon, S. 146–148 u.ö.
[21] Vgl. Wilhelmy, Salon, S. 126–130 u.ö. – Hoffmann kannte den schwedischen General Carl von Helvig (1776–1831; seit 1815 in preußischen Diensten) schon länger; dessen Frau Amalie geb. von Imhof begegnete ihm wohl zuerst im April 1817 (Amalie von Helvig an Per Daniel Amadeus Atterbom (1790–1855), Berlin, 11. April 1817, Schnapp [Hrsg.], Aufzeichnungen, S. 392). Ob Hoffmann ihr Salongast war, ist unsicher. Atterboms Bemerkung, Hoffmann habe nur widerstrebend Besuche gemacht („[…] kommt er dann einmal ungeladen, dann spricht er kein Wort, trinkt seinen Tee und schneidet wunderliche Gesichter“) ist allgemein gehalten und nicht direkt auf den Salon Amalie von Helvigs zu beziehen. Per Daniel Amadeus Atterbom, Ein Schwede reist nach Deutschland und Italien. Jugenderinnerungen eines romantischen Dichters und Kunstgelehrten aus den Jahren 1817 bis 1819. Nach dem Erstdruck von 1867 hrsg. von Elmar Jansen, Weimar o.J. [1967?], S. 84, vgl. über Hoffmann auch S. 65–67 und S. 85–88. – Es fehlen bislang Hinweise auf Besuche Hoffmann bei Amalie Beer (1767–1854), der Mutter Meyerbeers und Protektorin Carl Maria von Webers in Berlin, oder der Schriftstellerin Elise von Hohenhausen (1789–1857), die den jungen Heine protegierte. Vgl. Wilhelmy, Salon, Register der Salonnièren.
[22] Margarete von Olfers, Elisabeth von Staegemann. Lebensbild einer deutschen Frau, 1761–1835, Leipzig 1937, S. 135 (Familienüberlieferung?). Hoffmann selbst erwähnt nur, dass er 1795 tief bewegt Grauns Passionsmusik „Der Tod Jesu“ hörte. An Hippel, Königsberg, 4. April 1795, Hoffmann, Briefe, Bd. 1, S. 60–61. Elisabeths erster Mann, der Jurist Karl Ferdinand Graun, war der jüngste Sohn des Hofkapellmeisters; die Ehe wurde Ende 1795 geschieden. Vgl. Petra Wilhelmy-Dollinger, Elisabeth Graun-von Staegemann (1761–1835), in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, hrsg. für die Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat von Harro Kieser und Gerlinde Schlenker, Bd. 18, Bonn 2011, S. 133–137.
[23] Gäste im Staegemanschen Salon wie Anton Fürst Radziwill (1775–1833) oder Clemens Brentano (1778–1842) teilten viele musikalische Ansichten Hoffmanns, etwa über „Bravourgesang“, vgl. Hedwig von Olfers an ihre Cousine Antoinette Schwinck, Berlin, 17. Oktober 1816, in: Hedwig von Olfers geb. von Staegemann. Ein Lebenslauf. Aus Briefen zusammengestellt [von Hedwig Abeken], Bd. 2, Berlin 1914, S. 15. Vgl. Wilhelmy-Dollinger, Singen, Konzertieren, S. 155–162.
[24] Als Hoffmann Staatsrat Staegemann 1813 mit Hippel in Dresden traf, nannte er diesen einen „Jugendfreund“. An Härtel, Dresden, 1. Mai 1813, Hoffmann, Briefe, Bd. 1, S. 380, und Hoffmanns Tagebücher, Dresden, 26. April 1813, S. 201. Vielleicht half Staegemann, der Hoffmanns juristisches Können anerkannte, bei der Wiederanstellung Hoffmanns im preußischen Staatsdienst. Doch scheint er Hoffmanns Künstlerpersönlichkeit eher reserviert gegenübergestanden haben.
[25] Hoffmann, Tagebücher, 24. und 30. Januar 1815, S. 261–262. – Hitzig übertreibt, wenn er behauptet, Hoffmann habe schriftstellernde oder gelehrte Frauen gemieden (Leben, S. 433–434), wie schon Wolfgang Held 1986, u.a. unter Verweis auf Helmina von Chézy, betonte (ebd., Anm. 32, S. 454).
[26] Hoffmann an Carl Friedrich Kunz in Bamberg, Berlin, 23. Dezember 1815, Briefe, Bd. 2, S. 78–79. Vgl. Petra Dollinger, Literarische Landgeselligkeit in Nennhausen. Der Dichterkreis um die Fouqués im Schloß des letzten Briest, in: Blühende Landschaften. Romantik in Brandenburg. Ein Lesebuch, hrsg. von Petra Kabus, Andreas Keller und Knut Kiesant, Berlin 2002, S. 72–84, hier S. 80 f., und „Salon“ und „Tusculum“. Urbane und ländliche Geselligkeit in Brandenburg-Preußen um 1800, in: Einsamkeit und Geselligkeit um 1800, hrsg. von Susanne Schmid, Heidelberg 2008, S. 67–94.
[27] Umfassend mit Literatur: Dietmar Pravida, Anna Busch, Janine Katins, Polarsternbund (Nordsternbund), in: Uta Motschmann (Hrsg.), Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2015, S. 439–450. Man hatte den Polarstern als „Symbol der Unwandelbarkeit“ gewählt, angeregt durch Gedankengänge in den ästhetischen Vorlesungen August Wilhelm Schlegels. Vgl. Karl August Varnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hrsg. von Konrad Feilchenfeldt, Bd. 1, Frankfurt/Main 1987, S. 239–294.
[28] Richard Speich, Philippine Cohen (1776–1833). Eine Frau von großem Verstand und noch größerer Herzensgüte. Ergebnis einer Spurensuche, Privatdruck [Erstausgabe auch Jahresgabe der Varnhagen-Gesellschaft 2011], 4., erweiterte Aufl. 2015. Vgl. Ludwig Geiger, Aus Chamissos Frühzeit. Ungedruckte Briefe nebst Studien, Berlin 1905, S. 2–3, S. 20 ff., S. 58 u.ö. – Else Lüders, Die Sanders. Ein Familienschicksal aus Preußens Notzeit und Aufstieg, Leipzig 1940, S. 111–121, S. 125 f., 137 f. und S. 160; Wilhelmy-Dollinger, „Häuser […]“, S. 85–86.
[29] An Hippel, Berlin, 12. Dezember 1807, Briefe, Bd. 1, S. 231. Vgl. Varnhagen an Chamisso, Berlin, 15.–21. Oktober 1806: „Ich habe die Bekanntschaft der Madam Levi hinter dem Packhof gemacht und eine sehr preiswürdige Frau gefunden. Sie sprach mir mit sehr viel Freundlichkeit, Theilnahme und Ernst von Dir […].“ Geiger, Chamissos Frühzeit, S. 57. Varnhagens spätere Aussage, Hoffmann sei dem Nordsternbund „in der Ferne“ verbunden gewesen, geht einher mit seiner persönlichen Abneigung, die er mit seiner Frau teilte (Varnhagen, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, Frankfurt/Main 1987, S. 686–687). Mit Rahels Bruder Ludwig Robert verstand sich Hoffmann gut; schon in einem Brief an Hitzig aus Bamberg ließ er ihn ebenso wie Sara Levy grüßen (1. Januar 1809, Briefe, Bd. 1, S. 258).
[30] Dietmar Pravida, Seraphinenorden / Serapionsbrüder, in: Uta Motschmann (Hrsg.), Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815 […], S. 450–455 (zu den wirklich existierenden schwedischen Ehrenzeichen „Polarstern-“ und „Seraphinen-Orden“ vgl. S. 453). Friedrich Schnapp, Der Seraphinenorden und die Serapionsbrüder E.T.A. Hoffmanns, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch [der Görres-Gesellschaft] 3 (1962), S. 99–112. Vgl. den Kommentar Wulf Segebrechts in: Die Serapionsbrüder, SW, Bd. 4, S. 1230–1244.
[31] Vgl. die Gedanken Hoffmanns über Freundschaft in einem Brief an Hippel, Königsberg, 13. März 1796, Briefe, Bd. 1, S. 87–88. Hoffmann war beeinflusst vom Freundschaftskult des späten 18. Jahrhunderts und den Freundschafts- und Tugendlehren Ciceros (z.B. „Laelius de amicitia“). Den Schüler hatte man offenbar bis zum Überdruss mit Cicero traktiert, doch blieben solide Kenntnisse der Klassiker zurück. An Hippel, Glogau, 22. Oktober 1796, ebd., S. 109.
[32] Hitzig, Leben, S. 323, vgl. S. 321–322. Hitzig förderte diese Geselligkeit ganz bewusst, ja er war als langjähriger Freund aller Beteiligten eine unauffällige, aber zentrale Gestalt. In seiner Biographie ist nur von „Serapionsabenden“ die Rede, nie von „Seraphinenabenden“, und die Chronologie ist manchmal etwas konfus.
[33] Vgl. Schnapp, Seraphinenorden, S. 101. Vgl. Friedrich von Oppeln-Bronikowski (Hrsg.), David Ferdinand Koreff. Serapionsbruder, Magnetiseur, Geheimrat und Dichter. […] Aus Urkunden zusammengestellt […], 2. Aufl., Berlin, Leipzig 1928.
[33a] Hoffmann, Tagebücher, S. 259.
[34] Vgl. Carl Georg von Maassen (Hrsg.), Carl Wilhelm Salice Contessa, Serapiontische Erzählungen, München 1922, und Kleine Geschichten und Hoffmanniana, München 1922.
[34a] An Hippel, Berlin, 30. August 1816, Briefe, Bd. 2, S. 100.
[35] Der bereits angekündigte erste Band der „Seraphinenbrüder“ im Verlag Georg Reimer wurde wohl am 30. November in „Die Serapionsbrüder“ umbenannt. Wulf Segebrecht, Zwei bisher unbekannte Briefe E.T.A. Hoffmanns, in: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 2 (1994), S. 29–35, mit dem ersten Beleg für die Umbenennung (30. November 1818).
[36] Werke, hrsg. von Ellinger, 6. Teil, Die Serapionsbrüder, Bd. 2, 4. Abschnitt, S. 144 (SW, Bd. 4, S. 484 f. und S. 568).
[37] Schnapp, Seraphinenorden und Serapionsbrüder, S. 108–110. Vgl. Pravida, Seraphinen- und Serapionsorden, und Segebrecht, Kommentar zu den Serapionsbrüdern, SW, Bd. 4, S. 1230 ff. Von den acht literarisch beschriebenen Abenden finden der fünfte und sechste Abend in einem Gartenlokal statt.
[38] Die Rahmenhandlung entspricht der Novellen-Tradition, doch betonte Hoffmann im Vorwort das Fehlen der „holden Frauen“. Am 14. November 1818 brachte Mischa Hoffmann, die also zumindest in Rufweite war, den Kalender herbei (Hitzig, Leben, S. 323); in den gedruckten „Serapionsbrüdern“ findet man den Tagesheiligen ohne weibliche Hilfe. – Vgl. Petra Liedke Konow, Sich hineinschwingen in die Werkstatt des Autors. Ästhetische Rekurrenzphänomene in E.T.A. Hoffmanns Rahmenzyklus Die Serapionsbrüder, in: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 2 (1994), S. 57–68.
[39] Vgl. Werke, hrsg. von Ellinger, 7. Teil, Die Serapionsbrüder, Bd. 3, S. 125 (SW, Bd. 4, S. 773). Vgl. Varnhagen, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 686–687.
[40] Hitzig, Leben, S. 322.
[41] Bekanntlich verlieh Hoffmann dem „Balthasar“ in der Erzählung „Klein Zaches“ Züge Chamissos. Chamisso an Louis de La Foye, Berlin, Anfang 1819, in: Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso, hrsg. von Julius Eduard Hitzig, 5. Ausgabe, 2. Theil, Berlin 1864, S. 163 (Werke, Bd. 6). Von Februar bis Mai 1819 beriet Chamisso Hoffmann bei Details der Südsee-Geschichte „Die Haimatochare“. An Chamisso, 28. Februar und 21. Mai 1819, Briefe, Bd. 2, S. 201–202 und S. 211. Die Heirat Chamissos im September 1819 war wohl eine definitive Zäsur. Im Juni 1820 schreibt Hoffmann dann, er sehe seinen Freund Koreff „beinahe gar nicht“. An Hippel, 24. Juni 1820, Briefe, Bd. 2, S. 264.
[42] Hoffmann lässt „Sylvester“ die Novelle vorlesen, weil er zu einigen Details der Handlung durch Motive aus einer Erzählung Contessas angeregt worden war, die Hoffmann dann mit anderen, weitaus komplexeren Zusammenhängen verknüpfte. Contessa, Der Todesengel (1814), Serapiontische Erzählungen, S. 65–126 (hier wird ein deutscher Goldschmied tatsächlich vom Geliebten der Tochter ermordet). Vgl. Henderikus Jan Koning, Carl Wilhelm Salice Contessa. Ein Schriftsteller aus dem Kreis um E.T.A. Hoffmann, Kampen 1987, S. 116–118. Hoffmanns wichtigste Quelle war eine Anekdote in der Nürnberger Chronik Johann Christoph Wagenseils von 1697 (vgl. Segebrecht, SW, Bd. 4, S. 1508–1511). Caroline von Fouqué könnte die Erzählung Contessas im Sinn gehabt haben, als sie Hoffmann sehr insistierend nach weiteren Quellen fragte. Bericht von Willibald Alexis, Berlin, Anfang 1820, hier nach Schnapp (Hrsg.), Aufzeichnungen, S. 523–524. – Hoffmann lässt auch die Marquise de Maintenon auftreten, welche in erster Ehe mit dem Dichter Paul Scarron verheiratet gewesen war, den Hoffmann zu Beginn seiner Erzählung „Des Vetters Eckfenster“ erwähnt.
[43] Das „Fräulein von Scuderi“ steht in scharfem Kontrast zu Hoffmanns Satire „Die ästhetische Teegesellschaft“ (im achten Abschnitt, Bd. 4 der „Serapionsbrüder“), welche die modischen Auswüchse literarischer Geselligkeit persifliert.
[44] Der Dichter kannte die Gefahren von Indizienbeweisen und der Vorverurteilung durch öffentliche Meinung oder politischen Druck aus seiner amtlichen Tätigkeit.
[45] SW, Bd. 4, S. 1521–1522 (Kommentar von Wulf Segebrecht).
[46] Phantasiestücke in Callots Manier, vor allem im zweiten Teil der Kreisleriana: Brief des Kapellmeisters Kreisler an den Baron Wallborn, Kreislers musikalisch-poetischer Klub, Der Musikfeind. Werke, hrsg. von Ellinger, Bd. 1, S. 277–283 und S. 291–298 (SW, Bd. 2/1, S. 366 ff. und S. 428 ff.).
[47] Lili Parthey, Tagebücher aus der Berliner Biedermeierzeit, hrsg. von Bernhard Lepsius, Leipzig 1928, S. 134. Der Musiker Franz Xaver Wolfgang Mozart hatte die Vornamen seines Vaters angenommen und hielt sich im Winter 1819/20 in Berlin auf.
[48] Ludwig Rellstab berichtet in seiner Biographie Ludwig Bergers von einem „Gedanken Hoffmanns“: „Um die festlichen Tage, an denen Frauen als Gäste dem Vereine beiwohnten, zu verherrlichen, sollte auch für diese, deren Berlin so viele musikalisch gebildete besitzt, Bedacht genommen, und Compositionen geschaffen werden, wobei sie mitwirken möchten.“ Hier zitiert nach Schnapp (Hrsg.), Aufzeichnungen, S. 507–508.
[49] Hoffmanns Komposition „Die neue Walpurgisnacht“, ebd., S. 567–568, ist verschollen. Von seinen Vertonungen für die Liedertafel sind nur die Türkische Musik, nach einem Text von Friedrich Förster, und eine Skizze zum Katzburschenlied („Kater Murr“) erhalten. Ebd., S. 515–516.
[50] Berlin, 29. Juni 1822. Ebd., S. 664.
[51] Oppeln-Bronikowski, Koreff, S. 149*.
[52] An Erik Gustav Geijer, Berlin, 30. Dezember 1816: „Fouqué hat aus einem wunderholden Mährgen eine unzusammenhängende Oper mit mittelmäs[s]igen Versen gemacht – doch der Compositeur faßte recht genialisch das Geisterhafte, wie besonders die Naturerscheinungen auf […]“, sowie an Per Daniel Amadeus Atterbom, Berlin, 11. April 1817, in: Schnapp, Aufzeichnungen, S. 365–366 und 392. Salongespräche bei Amalie von Helvig über „Das Fräulein von Scuderi“ anlässlich einer Theaterbearbeitung und über die Undinenoper sind für 1825/26 belegt. Malla Montgomery-Silfverstolpe, Das romantische Deutschland. Reisejournal einer Schwedin (1825–1826), mit einer Einleitung von Ellen Key, Leipzig 1913, S. 141–142 und S. 215.
[53] Wilhelm Hensel lieh offenbar dem „Maler Lehsen“ in Hoffmanns „Brautwahl“ einige seiner Züge. Luise Hensel wurde u.a. von Wilhelm Müller und Clemens Brentano umworben. Vgl. Petra und Heinz Dollinger, Die erste Begegnung Luise Hensels und Clemens Brentanos im Staegemannschen Salon 1816, in: Zwischen Traum und Wissenschaft – Aspekte zum Zeitalter der Romantik. Publikation der wissenschaftlichen Beiträge der Romantiktagung an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus vom Herbst 2002, hrsg. von Barbara Baumüller / Steffen Krestin […], Cottbus 2005, 136–151.
[54] Wilhelm Müller, Werke, Tagebücher, Briefe, hrsg. von Maria-Verena Leistner, mit einer Einleitung von Bernd Leistner, 5 Bde., Berlin 1994, hier Bd. 5, Tagebuch, 8. Oktober 1815, S. 10. Der Abschnitt beginnt: „Du wunderlicher Kapellmeister Kreisler! Die Leute haben mir gesagt, du wärst ein Bösewicht gewesen. Aber ich weiß es besser als die, so dich zu kennen vorgeben. Wenn ich so gut wäre, als ich wohl sein möchte, mit dir wollte ich einen Tauschakkord machen um die ewige Seligkeit! […]“.
[55] Als Mitglied der Jüngeren Liedertafel um Ludwig Berger (ab 1819) stand Friedrich Förster in engem Austausch mit Hoffmann, der mehrere seiner Liedertexte vertonte. Förster schrieb 1822 den in der Liedertafel gesungenen poetischen „Nachruf“ auf Hoffmann; vgl. Der Musiker E.T.A. Hoffmann. Ein Dokumentationsband, hrsg. von Friedrich Schnapp, Hildesheim 1981, S. 554.
[56] An Antoinette Schwinck, 5. August 1816, Olfers, Lebenslauf, Bd. 2, S. 13–14.
[57] Schnapp (Hrsg.), Der Musiker, S. 482 und S. 486–487.
[58] Petra Dollinger, Wilhelm Müller, die „Ur-Müllerlieder“ und sein Freundeskreis in Berlin, in: Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde 25 (2016), S. 9–37.
[59] Hedwig Staegemann lernte Hippel während eines Aufenthaltes bei dem Minister von Rother näher kennen und schätzen. Hedwig an Laura Förster, Rogau. 6. Juni 1819, Olfers, Lebenslauf, Bd. 2, S. 30.
[60] Lili Parthey bestätigte das. Parthey, Tagebücher, S. 200 (26.11.1822). Zu Elisabeth Staegemanns musikalischen Auffassungen vgl. Wilhelmy-Dollinger, Singen, Konzertieren, S. 152–169.
[61] Staegemann an Johann Friedrich Benzenberg, Berlin, 16. Februar 1822, in: Schnapp (Hrsg.), Aufzeichnungen, S. 641 (er kannte die Einzelheiten der Posener Karikaturen-Affäre, ebd., S. 79). Vgl. verschiedene Quellen zu den Untersuchungen gegen Hoffmann (1822) und den Bemühungen von Freunden ebd., S. 623–649. Auch in den Salons wurde wahrscheinlich darüber gesprochen.
[62] Rahel Varnhagen schickte am 19. März 1819 ihrem Bruder aus Karlsruhe „Klein Zaches“ und noch ein weiteres Buch, „die für uns nichts sind.“ Rahel Levin Varnhagen, Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde, hrsg. von Barbara Hahn. Mit einem Essay von Brigitte Kronauer, Bd. 4, Göttingen 2011, S. 134. An „Mlle. de Scudéry“ kritisierte sie im Februar 1822 mehrere Unwahrscheinlichkeiten der Handlung, ebd., Bd. 4, S. 235–236. Sie kontrastierte die Gespenster-Schriftsteller Tieck und Hoffmann (damit meinte sie sowohl ihre Stoffe wie die Art ihrer Kreativität) mit dem von ihr bevorzugten schönen, freien Geist Ludwig Börnes. An Ludwig Robert, Berlin, 5. Oktober 1825, ebd., Bd. 5, S. 48. Börne stand Hoffmanns Dichtungen bekanntlich sehr kritisch gegenüber.
[63] Lea Mendelssohn Bartholdy an ihre Cousine, die Wiener Salonnière Henriette Freifrau von Pereira-Arnstein, Berlin, 1. Mai, 4. Juli und 5. November 1819, in: Schnapp (Hrsg.), Aufzeichnungen, S. 470–471, S. 482, S. 502 und S. 509.
[64] Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 1: 1816 – Juni 1830, hrsg. von Juliette Appold und Regina Back, Kassel, Basel 2008, u.a. S. 76 (Klein Zaches) und S. 500 (Sandmann). Er kannte Hoffmanns Vertonung der „Türkischen Musik“ für die jüngere Liedertafel (ebd., S. 236 und S. 620).
[65] [Wilhelmine Bardua,] Jugendleben der Malerin Caroline Bardua. Nach einem Manuskript ihrer Schwester […] hrsg. von Walter Schwarz (= Wanda v. Dallwitz), Breslau 1874, S. 244.
[66] Näheres zu Clara Kugler, Fontane und Storm, Romantik und Realismus in Wilhelmy, Salon, S. 213–218. Storm bezog sich in der Rahmenhandlung seines Bandes mit unheimlichen Erzählungen, der wohl auch von den Abenden im Kuglerschen Salon inspiriert wurde, explizit auf „den Trank, bei dem der selige Hoffmann seine Serapionsgeschichten erzählte“ („Am Kamin“, 1861). – Clara Kugler wurde die Schwiegermutter Paul Heyses.
[67] Sowohl im Olfersschen „Gelben Saal“ auf der Museumsinsel, dann ab 1877 in der Margaretenstraße am Tiergarten und in der bei Königsberg gelegenen Metgethener Sommerfrische (bis 1890) las oder zitierte man Hoffmann. Am 18. Juli 1868 notierte Marie von Olfers in Metgethen: „Papa liest E. Th. Hoffmann, sein tägliches Brot.“ Marie von Olfers, Briefe und Tagebücher, hrsg. von Margarete von Olfers, 2 Bde., Berlin 1928–1930, hier Bd. 1, S. 335. Vgl. die Erwähnung Hoffmanns im Nachruf des Dichters und Hausfreundes Ernst von Wildenbruch (1845–1909) auf Frau von Olfers, in: Hedwig v. Olfers geb. v. Staegemann, Gedichte, Berlin 1892, S. XXV.
[68] An Marie Behr, Berlin, 1. Mai 1870, in: M. von Olfers, Briefe, Bd. 2, S. 7, vgl. S. 6.
[69] Julius Rodenberg, Bilder aus dem Berliner Leben, hrsg. von Gisela Lüttig, mit einem Nachwort von Heinz Knobloch, Berlin 1987, S. 293–313 (die dreibändige Originalausgabe erschien in Berlin 1885–1888).
[70] An ihre Tochter Hedwig Abeken, Metgethen, 6. September 1888, Olfers, Lebenslauf, Bd. 2, S. 607. – Als ihr Sohn 1890 das idyllische Gut Metgethen nicht mehr halten konnte und mit seiner Familie nach Königsberg umziehen musste, mischte sich die Erinnerung an „Das fremde Kind“ in ihre Sorgen um die Enkel, die „auch ihr ländliches Heim“ verloren. An Hedwig Abeken, Roskow (Brandenburg), Juli 1890, ebd., S. 617.
[71] Der Präsident des Kaffêters war Bettine von Arnims (1785–1859) älteste Tochter Maximiliane (spätere Gräfin von Oriola, sie hatte seit um 1870 einen Salon in Berlin). Zu den Mitgliedern zählten Nina von Olfers (1824–1901; spätere Gräfin Yorck von Wartenburg), Marie von Olfers (1826–1924), Hedwig von Olfers jr. (1829–1919; spätere Geheimrätin Abeken), Dora von Helvig (gest. 1847; Tochter der Amalie von Helvig), Ottilie von Graefe, Marie Lichtenstein usf. Alle erhielten spezielle männliche Ordensnamen. Elisabeth Gräfin von Königsmarck (später verheiratet mit dem Dichter Gustav zu Putlitz) bekam den hoffmannesken Kaffêternamen „Elias Drosselmaier“. Hans Christian Andersen war Ehrenmitglied. Erst nachträglich wurden junge Herren als ordentliche Mitglieder zugelassen (u.a. Herman Grimm). Die Mütter, vor allem Bettine von Arnim und Hedwig von Olfers, halfen bei Theateraufführungen oder schrieben für das „Café-Blatt“, waren indes als verheiratete Frauen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Die Schwestern Bardua. Bilder aus dem Gesellschafts-, Kunst und Geistesleben der Biedermeierzeit. Aus Wilhelmine Barduas Aufzeichnungen gestaltet von Johannes Werner, 3. Aufl., Leipzig o.J. [Copyright 1929], S. 175–184, vgl. Wilhelmy, Salon, S. 182–184.
[72] Mine Bardua, Tagebuch, 19.5.1851, in: Werner, Bardua, S. 261.
[73] Aus den Papieren eines Spatzen. Märchen für eine Morgenstunde von Marilla Fittchersvogel, Berlin 1848. Im Vorwort verweist Gisela von Arnim explizit auf Hoffmann. Auch andere Märchen aus diesem Kreis zeigen seine Einflüsse. Vgl. Armgart von Arnim, Das Heimelchen. Dämmermärchen. Mit Illustrationen von Gisela und Maximiliane von Arnim, Herman Grimm und Marie von Olfers, hrsg. und eingeleitet von Wolfgang Bunzel, Darmstadt 2012. Zur Erläuterung des Titels siehe das Vorwort des Herausgebers (mit einer guten Charakterisierung des Kaffêters), S. 5–8.
[74] Den Neffen und Nichten las sie gern Hoffmanns Märchen vor. Metgethen bei Königsberg, 25. August 1882 („Die Königsbraut“), M. von Olfers, Briefe, Bd. 2, S. 129. – Sibylle von Olfers’ Bilderbücher, z.B. „Etwas von den Wurzelkindern“ und „Was Marilenchen erlebte“, verbinden Romantik und Jugendstil. Vgl. Petra Wilhelmy-Dollinger, Sibylle von Olfers (1881–1916), in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, hrsg. für die Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat von Harro Kieser und Gerlinde Schlenker, Bd. 23, Bonn 2016, S. 117–122.
[75] Olfers, Lebenslauf, Bd. 2, S. 527 (Brief von Gisela Grimm geb. von Arnim an Hedwig von Olfers, 1876).
[76] Werke, hrsg. von Ellinger, 8. Teil, Die Serapionsbrüder, Bd. 4, S. 12 (SW Bd. 4, S. 915–916).
[77] Berlin, Ende Januar 1918, M. von Olfers, Briefe, Bd. 2, S. 326.