Hoffmann als „Demagogenrichter“
Eine wichtige Station in Hoffmanns juristischer Karriere war die Mitgliedschaft in der „Königlichen Immediat-Untersuchungskommission“, die letztendlich aus den politischen Umbrüchen und den „Karlsbader Beschlüssen“ von 1819 resultierte. Auf dieser Seite wird die politische Lage 1819 näher beleuchtet und die Entstehung, Struktur und Geschichte der Königlichen Immediat-Untersuchungskommission dargestellt.
Hartmut Mangold ist Rechtswissenschaftler und Germanist. Derzeit arbeitet er als Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Veröffentlichungen zu E.T.A. Hoffmann allgemein sowie zu E.T.A. Hoffmann als Jurist (→ Forscherprofil).
Die politische Situation um 1819
Der Wiener Kongress hatte weder die von vielen Liberalen erhoffte staatliche und politische Einheit Deutschlands, in Preußen aber auch keine verfassungsmäßige Verankerung der bürgerlichen Freiheiten gebracht: Friedrich Wilhelm IV. hatte sein im Jahre 1815 gegebenes Verfassungsversprechen nicht eingelöst, die liberalen Kräfte in der Preußischen Politik um den Staatskanzler Hardenberg konnten sich in der vom König eingesetzten Verfassungskommission gegen die restaurativen Politiker um Innenminister Friedrich Schuckmann nicht durchsetzen – Preußen blieb bis 1848 ohne Verfassung.
Studentische Vereinigungen
Zu denjenigen, die am deutlichsten die Einlösung der vom König geforderten Verfassungszusage einforderten, gehörten die studentischen Vereinigungen und liberalen Bünde. Ihr politisches Spektrum reichte vom national-religiösen Einheitsgedanken, über liberale, vor allem bürgerliche Freiheitsrechte fordernde Positionen bis hin zu republikanischen Vorstellungen. Einig waren sich alle Gruppierungen in der Forderung einer Repräsentativverfassung – entweder als konstitutionelle Monarchie oder als Republik.
Diese Bünde aus der Zeit der Befreiungskriege waren auch die geistigen Väter der Studentenverbindungen, in denen die meisten der so genannten Demagogen organisiert waren. In den Jahren der napoleonischen Besetzung arbeiteten sie natürlich konspirativ, konnten nach den Befreiungskriegen zunächst öffentlich agieren, wurden aber durch ein Edikt Friedrich Wilhelms III. im Jahre 1816 wiederum in den Untergrund getrieben.
Die meisten Studenten- und Freiheitsbünde waren aber letztlich antirevolutionär und tasteten die Idee der Monarchie nicht an:
Dies galt für die 1814 in Südwestdeutschland von Ernst Moritz Arndt gegründete „Deutsche Gesellschaft“, den „Hoffmannschen Bund“ in Frankfurt, in dem die Brüder Wilhelm und Ludwig Snell organisiert waren, sowie den „Deutschen Bund“ von Friedrich Ludwig Jahn und seine im Jahre 1811 ins Leben gerufene Turnbewegung.
Burschenschaften
Im Jahre 1815 wurde in Jena die erste Burschenschaft gegründet; die Burschenschaften verfolgten zwar dezidierte politische Vorstellungen:
Ein nationaler bürgerlicher Einheitsstaat mit bürgerlichen Freiheitsrechten war der Kern ihres Programms. Revolutionäre Ziele verfolgten auch sie nicht.
Unter den Deutschen Burschenschaften verdienten nur zwei das Prädikat „radikal“ im Sinne von revolutionär und republikanisch: die „Altdeutschen“, eine Abspaltung der Jenaer Burschenschaft und der harte Kern der Gießener Burschenschaft – die „Schwarzen“ um die Brüder Karl, Adolph und Paul Follen. Beide Gruppierungen strebten eine Republik nach französischem Muster an und waren – zumindest in der Theorie – bereit, Gewalt zu ihrer Durchsetzung anzuwenden.
Für beide gilt allerdings ebenso, dass sich dieser Verbalradikalismus niemals in tatsächlichen Gewaltakten entlud, ihre Resonanz und politische Wirkung ebenso gering war wie die Zahl ihrer Mitglieder – insgesamt um 1819 wohl nur zwischen 80 und 100.
Karlsbader Beschlüsse
Objektiv – und bei der Mehrheit der Mitglieder auch subjektiv – ging also von diesen studentischen Bewegungen keine Gefahr für Preußen und Deutschland aus; die Karlsbader Beschlüsse, die die Restauration in Deutschland einleiteten und zur Einsetzung der „Immediat- Untersuchungskommission“ führten, brauchten also – mangels objektiven Grundes – einen Anlass.
Den lieferte der Student Karl Ludwig Sand am 23. März 1819 mit seinem tödlichen Attentat auf den populären Autor und russischen Staatsrat August von Kotzebue. Zwar waren nach dem Wartburgfest in Preußen studentische Verbindungen verboten worden, aber weiter reichende Einschränkungen der akademischen Freiheit hatte selbst Metternich auf dem Aachener Kongress im Jahre 1818 nicht durchsetzen können.
Die Königliche Immediat-Untersuchungskommission
Die Reaktion der Politik folgte – vor allem in Preußen und Österreich – auf dem Fuße: Im Juli 1819 wurde eine große Anzahl von Studenten und Liberalen als so genannte „Demagogen“ verhaftet; zwischen dem 6. und 19. August 1819 fanden in Karlsbad eine Reihe von Konferenzen zwischen den zehn größten deutschen Staaten statt und fassten die „Karlsbader Beschlüsse“:
Handstreichartig wurden unter Führung Österreichs und Preußens dem Bundestag ein Universitäts-, ein Pressegesetz, ein Untersuchungsgesetz und eine Exekutionsordnung – also gewissermaßen die Ausführungsbestimmungen – vorgelegt.
Deren wichtigste Folgen waren die weitgehende Aufhebung der Unabhängigkeit der Universitäten und deren Überwachung durch Regierungskommissare, eine umfassende Vorzensur für alle kleineren Publikationen und sämtliche Periodika.
Mainzer Untersuchungskommission – Königlichen Immediat- Untersuchungskommission in Preußen
Für E.T.A. Hoffmanns juristische Karriere bedeutsam war die Einrichtung einer zentralen Behörde zur Untersuchung so genannter revolutionärer Umtriebe in Mainz. Sie war als Untersuchungsgericht konzipiert, konnte also – am ehesten vergleichbar mit einer heutigen Staatsanwaltschaft – Zeugen vernehmen, Akten anfordern, Durchsuchungen durchführen lassen.
Und sie sollte die Arbeit der entsprechenden Landeskommissionen koordinieren. In Preußen war das die „Königlichen Immediat- Untersuchungskommission“ (im folgenden IUK), die im September 1819 gegründet wurde.
Die Mainzer Untersuchungskommission existierte von 1819 bis 1828, ihre Ermittlungserfolge gingen zwar gegen Null, aber ihre politische Wirkung war außerordentlich effektiv: Die Infrastruktur der liberalen bürgerlichen Bewegungen wurde in diesen Jahren weitgehend zerstört und die liberale Opposition mehr oder weniger paralysiert.
In Preußen wurden die Karlsbader Beschlüsse 1819 mit einer strengen Zensurverordnung, einer rigorosen Kontrolle der Hochschulen und dem Verbot der Burschenschaften konsequent umgesetzt.
Wesentliche Grundlage dafür war das Hochschulrecht, das verbotene studentische Verbindungen zunächst disziplinarisch – nicht strafrechtlich verfolgte; seit dem 7.7.1821 genügte der bloße Verdacht der Zugehörigkeit, um die Relegation von der Universität zu rechtfertigen.
Grundlagen für eine strafrechtliche Verfolgung so genannter „demagogischer Umtriebe“ boten in Preußen vor allem drei Vorschriften:
- Die strengste bestrafte den Hochverrat mit langen Haftstrafen, in seiner schwersten Form mit dem Tode;
- milder bestraft wurden die Stiftung und die Mitgliedschaft in einer geheimen hochverräterischen Verbindung mit bis zu zehn bzw. sechs Jahren Festungshaft
- die öffentliche Erregung von Mißvergnügen und Unzufriedenheit der Bürger mit der Regierung wurde nur mit Gefängnis bestraft.
Mit Kabinettsorder vom 16.9.1819 wurde Hoffmann zum Mitglied der IUK bestellt.
Auch die IUK war ein inquirierendes Kriminalgericht, also ein Untersuchungsgericht, ähnlich unserer Staatsanwaltschaft. Dies bedeutete, dass die Verfahrensregeln der Preußischen Kriminalordnung und das Preußische Strafrecht Anwendung fanden. Die IUK führte also die Untersuchung durch und fasste sie in einem Votum zusammen, das entweder die Freilassung des Angeschuldigten verfügte oder die Empfehlung auf eine Kriminaluntersuchung vor einem ordentlichen Strafgericht abgab.
Spruchgericht – also die in der Strafsache entscheidenden Instanz – war das Oberlandesgericht Breslau.
Verhaftungen
Bereits im Juli 1819 hatte eine erste Verhaftungswelle stattgefunden, der unter anderem Karl Follen, Ernst Moritz Arndt, Carl Bader, Carl Jung, Friedrich Ludwig Jahn, Friedrich Wilhelm Lieber und Ludwig von Mühlenfels zum Opfer gefallen waren; bei fast allen war Hoffmann mit der Untersuchung beauftragt.
Die Protokolle der ersten polizeilichen Vernehmungen, die Begründungen und die Umstände der Verhaftungen hatten Hoffmann und den anderen Mitgliedern der IUK aller Illusionen beraubt, welche Rolle ihnen zugewiesen war: Sie sollten das juristische Deckmäntelchen für politische Willkür liefern.
Die IUK nahm daher ihren gerichtlichen Auftrag sehr wörtlich und führte ihn, wie Hoffmann in einem Gutachten formulierte, „mit völliger Gerechtigkeit und Vermeidung aller Übertretung rechtlicher Formen“ aus: Das Gericht verfügte für die weit überwiegende Zahl der Angeschuldigten deren sofortige Haftentlassung mangels strafrechtlich relevanter Tatbestände.
Wohl weil die Mitglieder der Kommission wussten, dass sie damit den eigentlichen Implikationen des Preußischen Innen- und Polizeiministeriums – der Ausschaltung der liberalen Opposition – nicht gerecht wurden, hatten sie bereits in einer Anfrage an Justizminister von Kircheisen am 23. 9. 1819 um Klärung gebeten, ob ihnen die Befugnis zur Eröffnung förmlicher Kriminaluntersuchungen zustände.
Der König sprach ihnen tatsächlich mit Kabinettsorder vom 30.9.1819 der IUK alle Rechte eines Gerichtes zu.
Hoffmann nahm dieses Schreiben am 6. 10. 1819 zu den Akten mit dem folgenschweren Satz „<…> soll nun dieser Anweisung gemäß überall verfahren werden.[1]“
Hoffmanns Fälle
Und so verfuhr Hoffmann denn auch: Bereits im Oktober und November 1819 votierte er in den ersten ihm zugewiesenen Fällen des Studenten Carl Ulrich und Franz Lieber, des Arztes Carl Bader und des Philologen Ludwig Roediger auf Freilassung:
Die gegen sie erhobenen Vorwürfe waren entweder offensichtlich abwegig oder die nachweisbare Straftat reduzierte sich auf jene „Erregung von Missvergnügen gegen die Regierung“, die dann bereits mit der erlittenen Untersuchungshaft mehr als bestraft war.
Selbst im Falle des Redakteurs Follen plädierte er auf Freilassung: Follen war Mitglied der vergleichsweise radikalen Gruppe der „Unbedingten“ und dem preußischen Beamten Hoffmann und dessen ironischen Distanz zu politischem Pathos eher suspekt. Der Herr Redakteur hatte zwar aufrührerisch gedacht, aber eben nichts Strafbares verbrochen.
Auch im Verfahren gegen Friedrich Ludwig Jahn, den Hoffmann für einen politischen Phantasten hielt, plädierte er letztlich – wenn auch ohne jeden Erfolg – auf Freilassung: Starke Worte und schwächliche Ideen – dies war aus Hoffmanns Sicht der einzige Vorwurf, den man dem Turnvater machen konnte – alles keine nach dem preußischen Strafrecht kriminelle Handlungen.
Obwohl Hoffmann wenig Sympathie für den ethischen Rigorismus seiner „Inquirenten“ aufbrachte, wurde er mehr und mehr zum Verteidiger der intellektuellen und physischen Integrität der letztlich unschuldigen Opfer des absolutistischen Verfolgungswahns. Dabei war er nüchtern und pragmatisch genug um zu erkennen, dass er die Beschuldigten nur retten konnte, indem er die minimale richterliche Unabhängigkeit nutzte.
Also zog er sich auf seine professionellen Fähigkeiten zurück: Durch akribische Recherche decouvrierte er die absurden und lächerlichen Tatvorwürfe der Polizei – oft nur rot unterstrichene Passagen in Briefen und Pamphleten, die angeblich verschwörerische Absichten beweisen sollten.
Und die ließ er gnadenlos durch das Raster des preußischen Strafrechts fallen. Was am Ende blieb, waren kriminelle Petitessen, die zwar nicht den Freispruch, aber die unmittelbare Haftentlassung erlaubten.
Hoffmann und seine Kollegen verweigerten sich ihrer Instrumentalisierung und exerzierten dies – letztlich unangreifbar – unter rechtstreuer Erfüllung der ihnen auferlegten Verpflichtungen zur Anwendung der Gesetze. Deshalb sah sich der König im November 1819 genötigt, die IUK darauf hinzuweisen, worum es hier eigentlich ginge: Dass nämlich „die vollständige polizeiliche Aufklärung der Staatssache der nicht zu verrückende Hauptzweck des Geschäfts sei, die Verzweigung der dem Staate höchst gefährlichen Verbindungen zu entdecken, … wogegen die Bestrafung der Beschuldigten zwar notwendig, aber immer ein untergeordneter Zweck bliebe“[2].
Ministerialkommission
Und als sich die IUK diesen „Hauptzweck“ weiterhin nicht zu eigen machte, ließ Friedrich Wilhelm III. seinem politischen Hinweis nach kurzer Zeit auch organisatorische Taten folgen. Am 6. Dezember 1819 setzte er eine „Ministerialkommission“ ein. Unter dem Vorsitz Hardenbergs setzte sie sich aus den Ministern von Kircheisen, Schuckmann und Wittgenstein und dem Geheimen Kabinettsrat Albrecht zusammen; Referent war neben von Bülow Albert von Kamptz, der die Folie für den intriganten Spion Knarrpanti in Hoffmanns „Meister Floh“ bildete und zum Hauptgegner des Autors und des Richters wurde.
Die Ministerialkommission beschnitt die Rechte der IUK ganz erheblich: Diese blieb zwar weiterhin zuständig für die Ermittlungen und gab auch ein Votum ab, aber die Entscheidung über die Entlassung und über die Haftbedingungen – also die Rolle des Haftrichters – oblag von nun an der Ministerialkommission.
Die Entscheidung des Königs stand nicht nur in klarem Widerspruch zu den der IUK zugewiesenen Rechten als Untersuchungsgericht, mit ihr war ein permanenter Konflikt geradezu angelegt, denn die Ministerialkommission weigerte sich in der Regel, die rechtlich begründeten Freilassungsverfügungen der IUK umzusetzen.
Im Falle des „Turnvaters“ Friedrich Ludwig Jahn eskalierte der Streit: Die IUK gab ein eindeutiges Votum auf dessen Freilassung ab. Justizminister Kircheisen lehnte diesab und entschied: „Es muß die gegenwärtige Verhaftung bis dahin fortdauern, daß über die Straffälligkeit des p Jahn rechtskräftig erkannt seyn wird“[3]. Er widersprach deutlich der Einschätzung der IUK, daß es keine Beweise für Jahns Strafbarkeit gäbe. Zwei sehr deutliche, strafprozessrechtlich begründete Remonstrationen der IUK wurden wiederum zurückgewiesen: Kircheisen verfügte, „dass es vor der Hand bei meiner, wegen dieses Gegenstandes am 8 t April d.J. erlassenen Verfügung verbleiben muß[4]“ und forderte die Kommission zur „Beschleunigung des Schlusses der Untersuchung“ auf.
Die IUK gab jedoch nicht auf, sondern verlegte in einem Brief vom 18. 5. 1820 ihre Argumentation auf ihre durch königliche Kabinettsorder geschaffene Position als „förmlicher selbstständiger CrimninalGerichtshoff mit allen Gerechtsamen und Prärogativen der LandesjustizCollegien“, <...> dessen rechtliche Beschlüsse rechtsgültige Kraft haben und behalten müssen.[5]“ Die Mitglieder der IUK verliehen der erneuten Forderung, Jahn freizulassen, nun deutlichen Nachdruck – Sie drohten mit ihrem Rücktritt vom Amt:
Dies wirkte zunächst. Friedrich Wilhelm III. genehmigte Hardenberg gegenüber am 31. Mai 1820 den Antrag, Jahn zunächst auf die Festung Kolberg zu bringen und schließlich freizulassen; jedoch stellte sich diese Demonstration richterlicher Unabhängigkeit bald als Pyrrhussieg heraus:
Die Ministerialkommission nahm den Kompetenzkonflikt mit der IUK zum Anlass, den König um eine klare Regelung in ihrem – und sicher auch in seinem Sinne – zu bitten. Mit einer neuerlichen Kabinettsorder am 5. 3.1821 kam Friedrich Wilhelm III. dieser Bitte nach und erklärte die Ministerialkommission zur Oberbehörde, deren Anordnungen die IUK zu folgen hatte. Die IUK durfte zwar weiter Untersuchungen führen und Voten abgeben. Die Entscheidung über rechtliche Konsequenzen – Freilassung oder weitere Haft – lag aber bei der Ministerialkommission. Die IUK war damit entmachtet und kein unabhängiges Untersuchungsgericht mehr.
Die weiteren Gesuche des Vorsitzenden der IUK, Friedrich von Trützschler, am 4.2.1821 und der gesamten Kommission am 5.4.1821 um Demission wurden nicht mehr beantwortet.
Hoffmanns Haltung
Hoffmanns Motiv, der Überreaktion des absolutistischen Staates entgegen zu wirken, war sicher nicht Sympathie für die Programmatik der „Demagogen“; sie waren ihm im Ton zu pathetisch und in ihren politischen Zielsetzungen zu diffus. Die Tagespolitik interessierte ihn zu wenig, um sich mit deren Ideengerüst wirklich auseinander zu setzen.
Er war nur nicht gewillt, sich zum juristischen Erfüllungsgehilfen einer evident rechtswidrigen, nur der faktischen Vernichtung des politischen Gegners dienenden Innenpolitik machen zu lassen.
In einem Brief an Hippel aus dem Jahre 1820 bringt er dies auf den Punkt: Ihn irritiere zwar „das hirngespenstige Treiben einiger junger Strudelköpfe“ – der Staatsmacht wollte er aber nicht mehr zugestehen, als „auf gesetzlichem Wege mit aller Strenge zu strafen und zu steuern“. In keinem Falle aber wollte er Maßnahmen decken, die „nicht nur gegen die Tat, sondern gegen Gesinnungen“ gerichtet waren und deshalb nicht Recht, sondern „heillose Willkür, freche Nichtachtung aller Gesetze, persönliche Animosität“ [6] bedeuteten.
Weder der Jurist noch der gesellschaftliche Grenzgänger E.T.A. Hoffmann wollten dem staatlichen Machtapparat nicht den Zugriff auf den höchstpersönlichen Bereich der philosophischen, politischen oder moralischen Auffassungen seiner Bürger einräumen – er bestand auf dem Sicherheitsabstand zwischen Staat und Individuum.
[1] JA, S. 121
[2] E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel. 3. Band, Amtliche Briefe, Dokumente. Hg. von Friedrich Schnapp. München 1969 (BW III) S. 139
[3] BW III, S. 184
[4] BW III, S. 195
[5] BW III, S. 198
[6] E.T.A. Hoffmans Briefwechsel 2. Band 1814-1822 Hg. von Friedrich Schnapp. München 1968, S. 263