Hoffmann und das Theater
E.T.A. Hoffmann als Theaterzuschauer
E.T.A. Hoffmann schätzte das Theater sehr. Auch in den Lebensabschnitten, in denen er professionell mit dem Theater zu tun hatte – als Musikdirektor, Dekorateur oder Komponist – und häufig über anstrengende Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten oder Schauspielern klagte, blieb er in seiner Freizeit als leidenschaftlicher Theatergänger der Schaubühne verbunden. „Täglich bin ich im Schauspiel gewesen“, so hält Hoffmann beispielsweise am 6. Februar 1804 in seinem Tagebuch seine Erlebnisse während einer Reise in seine Heimatstadt Königsberg fest. Hoffmann notierte auch die Stücke, die er dort an den verschiedenen Theaterabenden zu sehen bekam.
Bastian Dewenter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Seminar der Universität Siegen. Er forschte unter anderem zu Zuschauerinnen und Zuschauern in Theater- und Literaturjournalen des 18. und 19. Jahrhunderts und promovierte über den Theaterdiskurs in E.T.A. Hoffmanns literarischen Erzählungen. (→ Forscherprofil)
Täglich bin ich im Schauspiel gewesen und habe gesehen
1. Den Alten Überall und Nirgends
2. Das rote Käppchen
3. Die Räuber
4. Je toller je besser –
5. Don Ranudo de Colibrados
6. Die Pikkolomini
7. Wallensteins Tod![1]
E.T.A. Hoffmann: Tagebücher 1803-1813
Die Liste spiegelt ein buntes und vielfältiges Programm wider. Von komischen Opern (Das rothe Käppchen von Dittersdorf, Je toller, je besser, oder Wagen gewinnt von Treitschke), Singspielen (Der Alte überall und nirgends von Hensler mit Musik von Wenzel Müller) über Lustspiele (Don Ranudo de Colibrados, Lustspiel nach Holberg von Kotzebue) bis zu Dramen von Schiller (Die Räuber, Wallenstein)[2] reicht das Angebot, das Hoffmann im Theater geboten bekam.
Quodlibet
In dramatisch-musikalischen Quodlibets wurde eine Zusammenstellung aus einzelnen Szenen oder Arien aus verschiedenen Theaterstücken präsentiert.
Tägliche Theaterbesuche
Hoffmann ging, so dokumentiert es sein Tagebucheintrag, jeden Abend ins Theater und nicht nur zu ganz bestimmten, ausgewählten Aufführungen. Schiller steht neben Kotzebue und populären Werken des Musiktheaters. Das gezeigte Stück war für den Theaterbesuch letztlich nicht ausschlaggebend. Überhaupt bestand ein Theaterabend um 1800 nur selten aus einer einzigen abendfüllenden Inszenierung. Vielmehr wurde den Zuschauern ein abwechslungsreiches Programm aus Prologen, Einaktern, Hauptstücken, Zwischenspielen und Nachkomödien geboten. Auch sogenannte dramatisch-musikalische Quodlibets gab es häufig zu sehen. Schauspieler konnten an einem Abend in wechselnden Rollen auftreten und in Bravourszenen glänzen, was wiederum auch den Vorlieben vieler Theaterzuschauer entgegenkam, die meist nicht wegen der gezeigten Stücke, sondern aufgrund einzelner Schauspieler ins Theater gingen und manchmal auch nicht den ganzen Abend im Theater verbringen wollten.[3] Das große Interesse der Theaterbesucher am Spiel der Akteure ist auch auf Seiten Hoffmanns festzustellen. „Kommen Sie fein bald nach Berlin und schauen Sie den vortrefflichen Devrient-Falstaff“ schreibt Hoffmann beispielsweise 1817 in einem Brief an den befreundeten Autor Fouqué.[4] Der Schauspieler Devrient in der Rolle Falstaffs ist Hoffmanns heißer Theatertipp und seine Empfehlung an Fouqué.
Fokus auf die Schauspieler
Die individuelle Darstellung und schauspielerische Interpretation einer Rollenfigur stand für Hoffmann im Theater häufig im Fokus des Interesses, wie auch Einträge im Tagebuch dokumentieren. „Abend Theater Hamlet exalt. St. durch Leo’s herrliches Spiel“.[5] Die namentliche Erwähnung des Schauspielers Carl Leo markiert den Theaterabend als außergewöhnliches Ereignis und persönlich bedeutsame Erinnerung. Diese Praxis lässt sich auch in anderen autobiographischen Quellen dieser Zeit nachweisen. So zum Beispiel im Tagebuch des Dichters Joseph von Eichendorffs (1788-1857), der ebenfalls häufig einzelne Schauspielernamen hervorhebt und damit den jeweiligen Theaterbesuch besonders akzentuiert.[6] Berühmte Schauspieler oder Schauspielerinnen waren Publikumsmagneten, die nicht nur für volle Theaterkassen sorgten, sondern auch die Theaterkritik um 1800 stimulierten.
Diskurs über die Schauspielkunst
In zahlreichen Theaterzeitschriften und Kulturjournalen fanden theoretische Abhandlungen über Schauspielkunst, detaillierte Rollenporträts, Aufführungsbesprechungen oder kommentierte Kupferstiche von Schauspielern in Aktion eine interessierte Leserschaft.[7] Auch Hoffmann partizipierte in unterschiedlicher Weise an diesem Diskurs über Schauspielkunst; als enthusiastischer Theaterzuschauer, als interessierter Gesprächspartner von Schauspielern,[8] als Zeichner einer Sammlung grotesker Gestalten auf dem Berliner Nationaltheater (1808) und nicht zuletzt als literarischer Autor.[9]
Anmerkungen
[1] Hoffmann, E.T.A: Tagebücher 1803-1813. In: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Bd. 1: Frühe Prosa, Briefe, Tagebücher, Libretti, Juristische Schrift. Werke 1794-1813, hg. von Gerhard Allroggen [u.a.]. Frankfurt a.M. 2003, S. 325-488, hier S. 344-345.
[2] Vgl. Stellenkommentar. In: Ebd., S. 1181.
[3] Vgl. dazu insgesamt Dewenter, Bastian: „Täglich bin ich im Schauspiel gewesen.“ Der Theaterbesucher E.T.A. Hoffmann im Spiegel seiner Tagebücher (1803-1813). In: Jakob, Hans-Joachim und Dewenter, Bastian (Hg.): Theater und Publikum in Autobiographien, Tagebüchern und Briefen des 19. und 20. Jahrhunderts. Heidelberg 2017, S. 25-46. [im Druck]
[4] Hoffmann, E.T.A: An Friedrich Baron de la Motte Fouqué. In: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Bd. 6: Späte Prosa. Briefe. Tagebücher und Aufzeichnungen. Juristische Schriften. Werke 1814-1822, hg. von Gerhard Allroggen [u.a.]. Frankfurt a.M. 2004, S. 113-114 (Nr. 242), hier S. 114.
[5] Hoffmann: Tagebücher 1803-1813 (s. Anm. I), S. 450.
[6] Vgl. Korte, Hermann: „In der Commedie gewesen.“ Das Theatertagebuch des jungen Eichendorff. In: Korte, Hermann und Jakob, Hans-Joachim (Hg.): „Das Theater glich einem Irrenhause.“ Das Publikum im Theater des 18. und 19. Jahrhunderts. Heidelberg 2012, S. 235-257.
[6] Vgl. zu diesem Zusammenhang insbesondere Heßelmann, Peter: Gereinigtes Theater? Dramaturgie und Schaubühne im Spiegel deutschsprachiger Theaterperiodika des 18. Jahrhunderts (1750-1800). Frankfurt a.M. 2002 sowie Košenina, Alexander: Entstehung einer neuen Theaterhermeneutik aus Rollenanalysen und Schauspielerporträts im 18. Jahrhundert. In: Tomishige, Yoshio und Itoda, Soichiro (Hg.): Aufführungsdiskurse im 18. Jahrhundert. Bühnenästhetik, Theaterkritik und Öffentlichkeit. München 2011, S. 41-74.
[8] Vgl. zu Hoffmanns Bekanntschaft mit Schauspielern seiner Zeit Petzel, Jörg: E.T.A. Hoffmanns theatralische Sendung. Seine Beziehungen zu den Schauspielern Iffland, Holbein, Leo und Devrient. In: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 17 (2009), S. 124-136.
[9] Zu Hoffmanns Auseinandersetzung mit dem Theater in seinen literarischen Texten vgl. Eilert, Heide: Theater in der Erzählkunst. Eine Studie zum Werk E.T.A. Hoffmanns. Tübingen 1977 sowie Dewenter, Bastian: Von Enthusiasten, Theaterdirektoren und Scharlatanen. Der Theaterdiskurs in E.T.A. Hoffmanns Erzählungen. Heidelberg 2017.
Theaterrezeption im „Don Juan“ (1814)
Hoffmanns Fantasiestück Don Juan spielt im Theater. Mit der Figur des reisenden Enthusiasten wählt Hoffmann eine Erzählerfigur, die aus seiner Rolle als Theaterzuschauer berichtet. Der Enthusiast besucht eine Aufführung von Mozarts Oper Don Juan und teilt im Anschluss seine dort gemachten Beobachtungen und Schlussfolgerungen mit. Dabei zeigt sich Hoffmanns Erzähler als kompetenter und erfahrener Theatergänger, der nicht nur Mozarts Oper bestens kennt, sondern auch die Darsteller und deren Körpersprache genau beobachtet und analysiert.
Der Zuschauerhabitus des Enthusiasten
Die Aufmerksamkeit für die Bühnenpräsenz der Schauspieler prägt den Zuschauerhabitus des Enthusiasten, der aus der konkreten Verkörperung einer Rolle durch einen Schauspieler auch neue Erkenntnisse über die dargestellte Rollenfigur ableitet. Sowohl die Figur des Don Juans als auch Donna Annas sind nicht nur durch das Libretto und die Musik Mozarts charakterisiert. Vielmehr leitet der Enthusiast aus der individuellen Darstellung der Charaktere durch die Schauspieler neue Facetten der Figurenpsychologie ab. Es sind kleine Details der Körpersprache, die der Enthusiast genau beobachtet und auf die dargestellte Rolle bezieht. Über Don Juan heißt es beispielsweise:
Eine kräftige, herrliche Gestalt: das Gesicht ist männlich schön; eine erhabene Nase, durchbohrende Augen, weich geformte Lippen; das sonderbare Spiel eines Stirnmuskels über den Augenbrauen bringt sekundenlang etwas vom Mephistopheles in die Physiognomie, das, ohne dem Gesicht die Schönheit zu rauben, einen unwillkürlichen Schauer erregt.[10]
Nicht nur die Physiognomie Don Juans hat der Enthusiast im Blick, er nimmt auch kleinste Veränderungen in der Mimik wahr, die er dann als sublime Nuance eines Charakterzuges definiert. Hoffmanns Erzählerfigur zeigt sich als genauer Beobachter, der zugleich seine eigenen Affekte zur Sprache bringt.
Die Faszinationskraft des Theaterabends
Die Theaterrezeption ist keine nüchterne Angelegenheit, sondern ruft auch beim Zuschauer expressive Körperreaktionen hervor. „Der unwillkürliche Schauer“ markiert das Theaterereignis als besonderen Moment, in dem zwischen Bühne und Zuschauerraum eine affektive Verbindung entsteht, die nicht zuletzt auch die Beziehung des Enthusiasten zur Figur der Donna Anna prägt. Im Medium der Literatur entfaltet Hoffmann die Faszinationskraft eines Theaterabends, bei dem der emotional aufgewühlte aber genau beobachtende Zuschauer zu einem innovativen Blick auf die Oper gelangt.
Anmerkungen
[10] Hoffmann, E.T.A: Don Juan. In: Sämtliche Werke in sechs Bänden. Bd. 2/1: Fantasiestücke in Callot’s Manier. Werke 1814, hg. von Hartmut Steinecke unter Mitarbeit von Gerhard Allroggen und Wulf Segebrecht. Frankfurt a.M. 1993, S. 83-97, hier S 85.
Diskussion über Theater.
Seltsame Leiden eines Theaterdirektors (1819)
Diese Dialogerzählung Hoffmanns, deren erste Fassung unter dem Titel Die Kunstverwandten 1817 in einer Berliner Theaterzeitschrift veröffentlicht wurde, bündelt Hoffmanns Erfahrungen mit dem Theaterbetrieb seiner Zeit. Hoffmann lässt zwei fiktive Theaterdirektoren, deren er die Namen Der Graue und Der Braune gibt, über Fragen des Theaters diskutieren. Es wäre falsch, hinter den Positionen der Gesprächspartner Meinungen des Autors suchen zu wollen. Hoffmann wählt nicht nur einfach zwei fiktive Figuren als Stellvertreter und Sprachrohre, die bestimmte Ansichten des Autors vertreten.
Aktuelle Problemfelder des Theaters
Die von Hoffmann konzipierten Protagonisten repräsentieren vielmehr ganz unterschiedliche Organisationsformen des Theaters, wenn der Braune als Prinzipal einer Theatertruppe die Tradition der Wanderbühnen und reisenden Schauspielgesellschaften aufruft und der Graue als Theaterdirektor die moderne Institution stehender Bühnen vertritt. Somit werden die im Gespräch eruierten Theaterfragen kontrovers aus der jeweiligen Rollenperspektive heraus diskutiert. Überlegungen zur Beifallspraxis des Theaterpublikums und zur Rolle der Zuschauer beim Herausrufen einzelner Schauspieler, Diskussionen über eine Ästhetik der Schauspielkunst, Fragen zu Kostümierung und Dekoration sowie Reflexionen über literarische Autorschaft, Rollenstudium der Schauspieler und zum Ensemblespiel auf der Bühne werden in Hoffmanns Erzählung als aktuelle Problemfelder des Theaters am Paradigma einer durch den Braunen geleiteten, musterhaften Marionettentruppe kritisch durchleuchtet.
Vorab-Veröffentlichungen
Hoffmanns Dialogerzählung ist eingebunden in einen vielstimmigen Theaterdiskurs um 1800. So wurden einzelne Gesprächspassagen aus Hoffmanns Text als eigenständige theaterkritische Artikel vorab publiziert und als Diskussionsbeiträge zum Theater rezipiert.
Hoffmann und die Commedia dell’arte.
„Signor Formica“ (1820) und „Prinzessin Brambilla“ (1820)
Die Bezeichnung Commedia dell’arte fungiert als Sammelbegriff für eine Theaterpraxis, die auf Maskenfiguren, Improvisationen und einer offenen Kommunikation mit dem Theaterpublikum aufbaut. Hoffmann zeigte eine große Affinität für diese Theaterform. Dabei kannte er Charakteristika der Commedia dell’arte nicht nur aus den Zeichnungen Jacques Callots (1592-1635) und aus dem Werk des italienischen Dramatikers Carlo Gozzi (1720-1806),[11] sondern auch aus seiner eigenen Theatersozialisation. Hoffmann konnte im Theater noch Schauspieler sehen, die auf die Praxis des Stegreifspiels zurückgriffen und stereotypische Szenen, die als „lazzi“ zum festen Inventar der Commedia dell’ arte gehörten, im Programm hatten. Ein Schauspieler wie Doebbelin, den Hoffmann bereits aus seiner Zeit in Posen kannte und den er in Bamberg wieder spielen sah, stand mit seinen grotesken Rollenverkörperungen, seiner exzentrischen Spielweise und seinen „lazzi“ in der Tradition eines schauspielerzentrierten Improvisationstheaters.[12]
Spiel mit den Zuschauern
In den Erzählungen Signor Formica und Prinzessin Brambilla hat Hoffmann dem Theater der Commedia dell’arte ein literarisches Denkmal gesetzt. So bildet das fiktive Budentheater Nicolo Mussos in Hoffmanns Signor Formica das Zentrum der Erzählung. Auf diesem Theater werden ausschließlich improvisierte Aufführungen gegeben. Die Schauspieler agieren als Maskenfiguren und nehmen in ihrem Theaterspiel Bezug auf Figuren und Geschehnisse der erzählten Realität. Das Theaterspiel ist geprägt durch eine offene Kommunikation mit den Zuschauern, die auf das Bühnenspiel lautstark reagieren und sich in das Spiel auf der Bühne einmischen.
Kontroverse Theaterfragen
Mit seinem Signor Formica rückt Hoffmann eine Theaterpraxis ins Zentrum, die im Theaterdiskurs um 1800 als Sinnbild einer vormodernen Theaterepoche fungiert. Maskenfiguren, Improvisationsspiel, direkte Anreden an die Zuschauer und ein lautstark mitgehendes Theaterpublikum passen für die meisten Theaterkritiker nicht länger zu einer zeitgemäßen Vorstellung von Theater. Hoffmann greift in dieser Erzählung und auch in der Prinzessin Brambilla auf dieses normative Leitbild von Theater als disziplinierte Kunstinstitution und sittliche Lehranstalt zurück, wenn er durch die Figur des Pyramidendoktors im Signor Formica das fiktive Theaterpublikum im Budentheater Nicolo Mussos maßregeln lässt oder in der Gestalt des Dramatikers Abbate Chiari in der Prinzessin Brambilla die Akzentuierung der literarischen Verstragödie und eine auf genaue Textwiedergabe beschränkte Vorstellung von Schauspielkunst satirisch aufgreift. Die Theaterwelt der Commedia dell’arte, die Hoffmann in seinen literarischen Texten wieder aufleben lässt, ist keineswegs eine nostalgische Reminiszenz an die Vergangenheit. In seinen Erzählungen steht der Bezug auf die Commedia dell’arte im unmittelbaren Zusammenhang mit kontroversen Theaterfragen des frühen 19. Jahrhunderts.
Eine erzählte Commedia dell’arte
Die in der Prinzessin Brambilla thematisierte Theaterreform, die von der Aufführung pathetischer Literaturtragödien zur improvisierenden Maskenkomödie zurückfindet, steht kontrafaktisch zur Theaterrealität um 1800. Das karnevalistische Programm, das Hoffmanns Prinzessin Brambilla eindrucksvoll auf verschiedenen Ebenen vorführt, fungiert zugleich als Perspektive auf das zeitgenössische Theater, in dem der literarische Text als Mittelpunkt der Aufführung die Stegreifkunst des Schauspielers sukzessive verdrängt hat. Als eine erzählte Commedia dell’arte nimmt Hoffmanns Capriccio eine singuläre Position innerhalb der deutschsprachigen Literaturgeschichte ein. Die Improvisationspraxis der Commedia dell’arte wird von Hoffmann kongenial in die Literatur übertragen.
Erzählverfahren: Das Ende ist ein neuer Anfang.
Als Basis des Capriccios fungieren acht Kupferstiche Jacques Callots, die vom Erzähler zu einer zusammenhängenden Geschichte imaginiert werden. Dabei vertritt der Erzähler keine auktoriale Position. Die Theaterbilder Callots können auch alternativ ausgelegt werden und zu einer neuen Geschichte führen. So wie die Schauspieler der Commedia dell’arte mit ihren Maskenfiguren bestimmte Handlungssequenzen und Szenen immer wieder neu variierten, so verweigert auch das Erzählverfahren in Hoffmanns Prinzessin Brambilla einen finalen Abschluss. Im „literarischen Karneval“[i] ist das Ende bloß wieder ein neuer Anfang. Gerade die Prinzessin Brambilla zeigt Hoffmann als einen literarischen Autor, der immer wieder das Theater zu einem wichtigen narrativen Sujet auswählt und sich innerhalb eines rezenten Theaterdiskurs um 1800 positioniert. Nicht nur in der deutschsprachigen Literatur-, sondern auch in der Theatergeschichte hat dieser Autor einen wichtigen Platz eingenommen.
Anmerkungen
[xi] Vgl. Steinecke, Hartmut: „Ein Spiel zum Spiel.“ E.T.A. Hoffmanns Annäherungen an die Commedia dell’arte. In: Moraldo, Sandro M. (Hg.): Das Land der Sehnsucht. E.T.A. Hoffmann und Italien. Heidelberg 2002, S. 127-143 sowie Pikulik, Lothar: Die Hieroglyphenschrift von Gebärde, Maske, Spiel. E.T.A. Hoffmann, Jacques Callot und die Commedia dell’arte. In: Ebd., S. 145-157.
[xii] Vgl. Dewenter: „Täglich bin ich im Schauspiel gewesen“ (s. Anm. III), S. 34-41.
[xiii] Kremer, Detlef: Literarischer Karneval. Groteske Motive in E.T.A. Hoffmanns „Prinzessin Brambilla“. In: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 3 (1995), S. 15-30.