Deutsche Illustrationen im 19. Jahrhundert
E.T.A. Hoffmann als erster Illustrator seiner eigenen Werke
E.T.A. Hoffmann war der erste Illustrator seiner Werke.[1] So wie er seinen Erzählstil analog zur bildenden Kunst entwickelte, dem Pinsel eines Malers, dem Stift eines Zeichners und Karikaturisten erzählend nacheiferte, mit seinen literarischen Texten eine reiche Bilderfülle, wahre Bilderbögen, erschuf und verfremden konnte wie ein Surrealist oder phantastischer Realist des 20. Jahrhunderts, so zeichnete er selbst überall, auf Briefbögen, Aktendeckel, Speisekarten, in der Freundesrunde, im Dienst, in der Kneipe oder zu Hause. Schnell, mit geübter Hand und scharfem Blick, mit einem Falkenauge, dem nichts entging, wie sein erster Biograph Hitzig 1823 formulierte. Zur Veranschaulichung seiner schriftstellerischen Einfälle und Pläne bediente er sich ebenfalls des Zeichenstiftes und schuf Titelvignetten zu seinen Werken.
Elke Riemer-Buddecke beforscht seit vielen Jahren Hoffmanns Illustrationsgeschichte. 1976 publizierte sie das inzwischen als Standardwerk geltende Buch E.T.A. Hoffmann und seine Illustratoren (Gerstenberg Verlag). Aktuell beschäftigt sich Riemer-Buddecke mit Hoffmann-Porträts. (→ Forscherprofil)
Charakteristischer Illustrationsstil ab 1813
Seinen charakteristischen Illustrationsstil entwickelte er ab 1813, nach seinem Aufenthalt in Bamberg (1808–1813) wie die zu den Fantasiestücken in Callots Manier, zu Nussknacker und Mausekönig von 1813, zum Fremden Kind von 1817 sowie die Umschlagszeichnungen von 1818 zu Klein Zaches genannt Zinnober, von 1820/21 zu den Lebensansichten des Katers Murr und von 1822 zum Meister Floh, seiner letzten Erzählung. Seine symbolischen, in romantischer Tradition gestalteten Vignetten sollten den Inhalt des jeweiligen Werkes spiegeln. Anders als bei Philipp Otto Runge verfremdete er aber sowohl die Rahmen- als auch die Binnenzeichnung ironisch und ins Groteske.
Spontane Illustrationen
Noch reizvoller sind seine spontanen Illustrationen. Oft rundete sich ihm eine Gestalt oder Szene vor der Niederschrift zum Bild, und dann war es an der Schreibfeder, den Weg der Zeichenfeder nachvollziehen: wie etwa bei der im November 1815 in kürzester Zeit hingeworfenen Zeichnung zu seinem Nachtstück Der Sandmann von 1816, das bis heute eine Fülle höchst unterschiedlicher, häufig psychoanalytischer Deutungen provoziert hat und ein Magnet für Illustratoren geblieben ist.[2]
Zeichnung Kreisler im Wahnsinn
Als Todkranker hat Hoffmann noch seine letzte Illustration geschaffen. Es ist die durch zwei Skizzen vorbereitete Zeichnung von Kreisler im Wahnsinn von 1822. Sie war für den Umschlag des 3. Bandes von Kater Murr, für das Ende der Kreisler-Biografie, bestimmt. Auf ihrer Rückseite befand sich die von Hoffmanns halb gelähmter Hand entworfene Disposition für den Schluss von Meister Floh. Kreisler ist hier wirklich ein Wahnsinniger: Er tanzt wie außer sich, wie einer, der die Welt hinter sich gelassen hat. Auf Requisiten hat Hoffmann im Gegensatz zu den beiden Vorzeichnungen verzichtet. Es gibt nur den typischen Fußschatten. Nach Dietmar Ponert sollte man sich als Gegenüber einen imaginären Spiegel vorstellen.[3] An sich unnötig: das bizarre Tanzen Kreislers ist bereits raumfüllend. Die meisterhafte Zeichnung zeigt, wie wirksam die Angst vor dem Wahnsinn bei dem todkranken Dichter noch war und dass hier ausnahmsweise der Zeichner dem Dichter ebenbürtig war.
Kreisler im Wahnsinn
Das Original ist verschollen. Die Zeichnung, eine Bleistiftzeichnung auf chamoisfarbenem Untergrund, ist nur durch eine Lithografie (Faksimile) aus Julius Eduard Hitzigs Buch: Aus Hoffmann’s Leben und Nachlass, Berlin 1822/23 überliefert. Die vorherigen, auch nicht mehr als Original vorhandenen Entwürfe zu Kreisler im Wahnsinn wirken durch die skizzenhafte Andeutung eines mit einem Giebel bekrönten Portal links, eines Baumastes und eines vergitterten Fensters rechts sowie einer Bank zu Kreislers Füßen noch bühnenhaft.
Dieser Eindruck wird durch den begrenzenden Rahmen, im zweiten Entwurf von Hand gezeichnet, im ersten wohl mit Lineal, noch verstärkt. Die Überlebensgröße von Kreisler sprengt freilich den Rahmen. Kreisler muss sich demnach vor einem Gebäude befinden. Was ihn so sichtlich ängstigt, wird nicht klar. Möglicherweise das Erkennen seines Ebenbildes oder Doppelgängers (vgl. Dietmar J. Ponert: E.T.A. Hoffmann – Das bildkünstlerische Werk. Ein kritisches Gesamtverzeichnis, Michael Imhof Verlag, Petersberg 1012, Bd.1, S. 366).
Kreisler-Zeichnung als Vorlage für Illustratoren
Für etliche Künstler diente diese Zeichnung Hoffmanns als Vorlage, z.B. für die herausragenden Hoffmann-Illustratoren Karl Georg Hemmerich und Rainer Ehrt, über die noch zu sprechen sein wird. Hemmerich (vgl. Einzelne Künstler) hat sich intensiv mit der Gestalt des Kapellmeisters Kreisler auseinandergesetzt und so auch Hoffmanns eigene Zeichnung vom wahnsinnigen Kreisler einbezogen. Ehrt kopierte Hoffmanns Kreisler-Gestalt, verfremdete sie aber durch Übergröße und konfrontierte mit einer Reihe von sechs einander sehr ähnlichen männlichen Zylinderträgern: stattlichen und selbstzufrieden wirkenden Bürgern. Es sind Bamberger Honoratioren. Vor ihnen, zu Kreislers Füßen, das Objekt ihrer Begierde: eine junge, fast nackte Dame mit Hut, eine Kurtisane, eine Kindfrau, Julia oder Giulietta(?). Ehrts Kreisler hat nicht nur Hoffmanns Züge, er ist Hoffmann selbst[4], wie es der Titel der Karikatur von 2008 suggeriert: E.T.A. Hoffmann mit Bamberger Honoratioren. Er erscheint, wenngleich durch Wahnsinn gefährdet, als ein souveräner Spötter, der sich über die Bamberger amüsiert und ihnen auf dem Kopf herumtanzt.[4a]
Hoffmanns Einfluss auf zeitgenössische Illustratoren
Hoffmann hatte dezidierte Vorstellungen, wenn es um künstlerische Beiträge zu seinen Werken ging. Für seine Oper Undine nach der gleichnamigen Erzählung (1811) von Friedrich Baron de la Motte Fouqué (1777–1843) kam nur Karl-Friedrich Schinkel (1781–1841) in Frage, den er persönlich 1815 bei der Theaterarbeit am Berliner Schauspielhaus kennengelernt hatte. Er kannte Schinkels meisterhafte Dekorationsentwürfe zu Mozarts Zauberflöte und wusste, dass Schinkel nicht nur ein großer Architekt, sondern auch ein romantischer Maler von Rang war.
Karl-Friedrich Schinkels Bühnenbilder
Schinkels 10 Bühnenbildentwürfe zur Undine (1815)[5] entstanden so in Absprache mit Hoffmann. Die Oper wurde mit großem Erfolg uraufgeführt und Schinkels viel beachtete Bühnenbilder waren in des Dichters Augen die genialsten der Art … die er jemals gesehen habe.[6] Allerdings, so seine vorsichtige Kritik, hätte er sich die Bühnenbilder noch phantastischer, im Stil weniger naturalistisch gewünscht. Dabei entsprechen Schinkels symbolische Bühnenbildentwürfe atmosphärisch durchaus Hoffmanns Anweisungen: Schinkel malte ungestüme, wilde Landschaften und bei dem 4. Und 5. Entwurf in einer für ihn typischen Mischung aus romantischer Idealisierung und detailverliebtem Historismus. Dennoch: Schloss Ringstetten und Kühleborns Wasserpalast wirken märchenhaft irreal. Kühleborns Wasserpalast ist textgerecht ein phantastischer (imaginärer) Unterwasserpalast. Das, was Hoffmann sich noch darüber hinaus wünschte, war eine surreale Gestaltung mit antinaturalistischen Farben und Formen, wie sie erst im 20. Jahrhundert möglich war, z.B. durch Surrealisten wie Max Ernst oder Vertreter des Wiener Phantastischen Realismus wie Ernst Fuchs und Rudolf Hausner oder viel später: Anselmus Kiefer.
Erste Hoffmann-Illustratoren
Buchhorn, Ludwig (1770–1856)
Chodowiecki, Daniel (1726–1801)
Hensel, Wilhelm (1794–1861)
Kolbe, Karl-Wilhelm (1781–1853)
Meil, Johann Wilhelm (1733–1805)
Opitz, Georg Emanuel (1775–1841)
Ramberg, Johann Heinrich (1763–1840)
Rupprecht, Friedrich Karl (1779–1831)
Wolf, Ulrich Ludwig Friedrich (1772–1832)
‚Taschenbuchzeichner‘
In seinen letzten Lebensjahren war Hoffmann ein viel gelesener Autor. Viele seiner Erzählungen erschienen zuerst in den damals beliebten volkstümlichen Taschenbüchern und waren meist mit einem oder seltener auch mit zwei Kupferstichen geschmückt. Zeitgenössische Zeichner arbeiteten für solche Taschenbücher, waren also erste Hoffmann-Illustratoren und ihr anschaulich-erzählender Illustrationsstil entsprach dem Geschmack der Auftraggeber.
Hoffmann sah die gewöhnlichen Taschenbuchzeichner mit kritischen Augen. Vor allem von Ramberg und dessen ewig wiederkehrenden Formen in fabrickmäßiger Manier[7] hielt er nicht viel. Da er selbst ein begabter Zeichner war, versuchte er Einfluss zu nehmen und war auch parteiisch. Deshalb lieferte er selbst Wolf die Bildideen für seine Kupferstiche zur Brautwahl (1819) und Die Irrungen/Die Geheimnisse (1891/20). Wolf folgte weitgehend Hoffmanns Vorstellungen. Hoffmann erwähnte ihn deshalb lobend in beiden Erzählungen.[8] An sich bevorzugte er Karl Wilhelm Kolbe, einen Schüler von Jakob Asmus Carstens und Meil, der ihn durch zwei Gemälde zu den Erzählungen Doge und Dogaresse und Meister Martin der Küfner und seine Gesellen anregte. Aber mit seiner surrealen, Schauerliches und Komisches raffiniert mischenden Zeichnung zum Elementargeist von 1822 (in Kupfer gestochen von Pouquet) hat gerade Ramberg bewiesen, dass Hoffmann ihn unterschätzt und Kolbe überschätzt hat.
Nachruhm – Illustrationen nach Hoffmanns Tod
Nach seinem Tod begann in Deutschland Hoffmanns Tagesruhm bald zu verblassen. Immerhin haben sich noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts 22 Künstler[9] mit ihm beschäftigt. Darunter Künstler von Rang wie Karl Blechen, Moritz von Schwind, Joseph von Führich und Adolph von Menzel. Von Anfang an hat Hoffmanns auffälliger Charakterkopf die Porträtisten interessiert, angeregt durch dessen Selbstbildnisse und oder durch Beschreibungen von Zeitgenossen wie Julius Eduard Hitzig, Hoffmanns Kollege und langjährigem Freund, der auch zu seinem ersten Biographen wurde. Diverse Porträts entstanden: 1821 das idealisierende von Wilhelm Hensel, in Kupfer gestochen von Johann Passini. Es wurde wie das von Dorndorf (1822) und das berühmte von Ludwig Buchhorn nach E.T.A. Hoffmanns lebensgroßem, verlorengegangenem Selbstbildnis zum Vorbild vieler künftiger Hoffmann-Porträts; Menzel hat sich z.B. an Buchhorn orientiert. Es ist die einzige Hommage an E.T.A. Hoffmann eines Realisten aus dem 19. Jahrhundert.
Selbstbildnis Hoffmanns
Hoffmann hat dieses lebensgroße Selbstbildnis für seine Frau Mischa mit Kreide in Windeseile hingeworfen und das Zeichenblatt hinter ihren Blumentöpfen versteckt, um ihr, wenn sie heimgekehrt, einen Schrecken einzujagen. Nach Hitzig sei dieses Selbstbildnis besonders ähnlich ausgefallen.
Das Motiv des Freundeskreises
Lange Zeit galt ein zeitgenössisches Porträt in Öl aus der Berliner Nationalgalerie als Selbstbildnis Hoffmanns. Inzwischen wird das bezweifelt. Der Künstler ist unbekannt geblieben. Beliebt war bis ins 20.Jahrhundert auch das Motiv des Freundeskreises um den erzählenden Dichter, z.B. der Kreis der Serapionsbrüder. Künstler wie Carl Themann (1832)[10], Ludwig Löffler (ca. 1840), ein anonym gebliebener Porzellanmaler (ca. 1832), Hermann Kramer (1843), Emil Roland Rucktäschl (1900), Pius Messerschmidt (1914), Max Schenke (zwischen 1914-19) haben Hoffmann mit seinen Freunden Devrient, Hitzig, Koreff und Chamisso im Weinkeller von Lutter und Wegner, auf der Altenburg in Bamberg oder bei Hoffmann zu Hause dargestellt. Die Bronzebüste außen an Hoffmanns letzter Wohnung in Berlin von 1890 von Ludwig Tendlau hat einen ähnlichen Denkmalcharakter.
Zeichnungen im Biedermeier-Stil
Moritz von Schwind (1804–1871) und Joseph von Führich (1800–1876) schufen 1825 auftragsunabhängige Zeichnungen zu Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, die wegen ihrer Detailverliebtheit und leichten Sentimentalität dem Biedermeier zuzuordnen sind und Hoffmanns Werk bestens entsprechen. Schwinds mit lockerer Hand hingeschriebenen Zeichnungen sind lebendig und handlungsreich, voll komischer Details, überbieten darin sogar den dichterischen Text, die von Führich eher verhalten, stimmungsvoll und religiös in nazarenischer Tradition. Karl Röhling wird 1875 noch einmal dieses für Hoffmann eigentlich untypische Werk illustrieren.
Der von Hitzig 1844/45 mit der Illustration der ersten Gesamtausgabe von Hoffmanns Werk beauftragte Theodor Hosemann (1807–1875) war ebenfalls ein biedermeierlicher Künstler. Er zeigte sich der Aufgabe weitgehend gewachsen, überbot sich sogar selbst nach dem Urteil seiner Biographen und mancher Hoffmann-Forscher.[11] Er schuf 24 einfühlsame Zeichnungen, die stellenweise sogar Phantastisches und Groteskes, ja sogar Dämonisches sichtbar machen.[12] Bis heute erscheinen sie, als gehörten sie dazu, in Hoffmann-Ausgaben des In-und Auslands. Gerade weil sie sich nicht vordrängen, den Lesefluss nicht stören. Nach Georg von Maassen zeigen sie in ihrer liebenswürdig naiven Art wenigstens … den Reflex Hoffmannscher Stimmung.[13]
Auftragsunabhängige Illustrationen
Vereinzelt tauchen noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beachtliche auftragsunabhängige Illustrationen auf, die zeigen, dass E.T.A. Hoffmann auf einzelne Künstler nachwirkte: Außergewöhnlich, nur als kongenial zu bezeichnen ist Karl Blechens (1798–1840) kleines düsteres Ölgemälde von 1826 zu den Elixieren des Teufels. Trotz eines leicht bühnenhaften Aufbaus ist es kompromisslos auf die Psyche des Mönches und Büßers Medardus konzentriert (zweiter Romanabschnitt: Die Buße) und die bislang intensivste Verkörperung der zentralen Romangestalt.[14]
Bemerkenswert ist zweitens die lavierte Federzeichnung von ca. 1830 des sonst unbekannt gebliebenen Künstlers Ludwig Grohe zum Rembrandtschen oder Höllenbreughelschen Gemälde der Siebente[n] Vigilie des Goldene[n] Topfes[15], phantastisch und alptraumartig wie die Zeichnungen des Schweizer Künstlers Johann Heinrich Füssli (1741–1825) und ihnen auch stilistisch verwandt[16]. Lebendig und skizzenhaft frisch ist die Zeichnung von Friedrich Nerly (1807–1878) zu Doge und Dogaresse (um 1840), amüsant die Zeichnung Hans Krämers von etwa 1850, die den auf einer Alkoholtour befindlichen Hoffmann am Pfahl zeigt, während der Hund Berganza an seinem Frack zieht. Ludwig Halles (1824–1889) Zeichnung von 1859 zu den Lebensansichten des Katers Murr ist deutlich an die Theodor Hosemanns von 1844 angelehnt. Sie zeigt Kater Murr und Miesmies als verliebte, duettierende Sänger auf dem Dach[17] – eine Idylle, die sehr bald durch einen schwarzen Kater und die Monotonie der (Kater-)Ehe gestört wird.
Deutsche Illustrationen im 20. Jahrhundert
Hoffmann-Renaissance
Im frühen 20. Jahrhundert kam es zu einer außergewöhnlichen Hoffmann-Renaissance, an der nicht nur Literaturwissenschaftler maßgeblich beteiligt waren, sondern auch Hoffmanns immenser Erfolg in Frankreich, Amerika und Russland, sein Einfluss auf deren Schriftsteller und Künstler. Sein Werk stieg zur Weltliteratur auf.[18] Da zudem die Buchkunst und Grafik durch den Jugendstil und den Expressionismus aufgewertet wurden und Verlage, vor allem bibliophile, wie Pilze aus dem Boden schossen, auf genug Liebhaber und bibliophile Sammler stießen, E.T.A. Hoffmanns Werk möglicherweise einen Nerv der Zeit traf, war so der Boden bereitet für eine expandierende Illustration.
Bekannte Illustratoren
Brasse, Otto Adolf
Brucks, Eberhardt
Fischer, Fritz
Fronius, Hans
Georgi, Hanns
Hegenbarth, Josef
Hemmerich, Karl Georg
Kubin, Alfred
Schenke, Max
Steiner-Prag, Hugo
Winkler, Paul Gerhard
Weniger bekannte Illustratoren
Berke, Hubert
Born, Wolfgang
Dannemann, Karl
Engelhorn, Christine
Felixmüller, Conrad
Grossmann, Rolf
Hadl, Richard
Huber, Ernst
Hutloff, Karl
Königer, Gustel
Kuhfuß, Paul
Nückel, Otto
Parin d’Aulaire, Edgar
Rabus, Carl
Rössing, Karl
Schröder, Rudolf Alexander
Schultheiß, Carl
Schwetz, Carl
Stuhlmann, Robert
Thylmann, Karl
von Wätjen, Otto
Wetzenstein, Ernst
Windisch, Hans
Vervielfachung der Hoffmann-Illustrationen
Jedes Jahr erschienen neue Illustrationsbeiträge, ab etwa 1906 vervielfachten sie sich, in den 1920er Jahren explodierten sie nahezu. In Zahlen verdeutlicht: 44 Künstler illustrierten zwischen 1900 und 1920, 61 von 1920–1930, 10 von 1930–1945, 42 von 1945–1960 Künstler Hoffmanns Werk. Manche Künstler haben sich über Jahre, ja Jahrzehnte bis zu ihrem Tod intensiv und zunächst auftragsunabhängig mit Hoffmann auseinandergesetzt und beachtliche, sehr individuelle Illustrationen geschaffen.[19] Das gilt für Hugo Steiner-Prag, Karl Georg Hemmerich, Alfred Kubin, Max Schenke, Otto Adolf Brasse, ab 1940 für Hans Fronius, Fritz Fischer, Hanns Georgi, Josef Hegenbarth, Paul Gerhard Winkler und Eberhardt Brucks.[20]
Beeindruckende Grafiken für bibliophile Hoffmann-Editionen stammen jedoch auch von Künstlern, die wenig bekannt wurden und die wie Winkler und der kongeniale Karl Georg Hemmerich zu Unrecht zur Generation der vergessenen Künstler gezählt werden müssen. Zu nennen wären hier Karl Thylmann, Karl Hutloff, Gustel Königer, Rudolf Alexander Schröder, Rolf Grossmann, Richard Hadl, Conrad Felixmüller, Christine Engelhorn, Carl Rabus, Karl Rössing, Ernst Huber, Edgar Parin d’Aulaire, Wolfgang Born, Otto von Wätjen, Otto Nückel, Karl Dannemann, Carl Schultheiß, Hans Windisch, Robert Stuhlmann, Ernst Wetzenstein, Carl Schwetz, Paul Kuhfuß und Hubert Berke.
Illustration von 1933-1945
In der Zeit des Dritten Reiches gab es zwar deutlich weniger Hoffmann-Illustratoren, aber ihre Beiträge sind als mögliche Produkte innerer Emigration teils auffällig gut: neben Fischer und Hegenbarth Illustrationen z.B. die von Hellmut Rabitz und Gregor Rabinovitsch. Bezeichnenderweise war der Roman Die Elixiere des Teufels das bevorzugte Illustrationsobjekt. Seit dem Kriegsende ist das Interesse wieder und ab 1960 sogar auffällig gewachsen: Von 1960 bis 2016 haben sich 151 Künstler Hoffmanns Werk zugewandt.
Stilfragen – Einfluss zeitgenössischer Kunstströmungen
Stilistisch und inhaltlich ist die Hoffmann-Illustration zwischen 1900–1950 den zeitgenössischen Kunstströmungen verpflichtet, spiegelt diese meist mit einer gewissen zeitlichen Verspätung bzw. Verschiebung und in Mischformen wider. Ihr Erscheinungsbild ist vielfältig: neben Jugendstiladaptionen finden sich Illustrationen mit spätromantischen und biedermeierlichen Zügen, ferner impressionistische, expressionistische, kubistische, auch tendenziell abstrakte und surreal-phantastische. Viel Raum für Individualität zeigt sich hier – trotz schwieriger Zeiten (oder vielleicht gerade deswegen?).
Vielfalt in der Hoffmann-Illustration
Innovativ, experimentell und avantgardistisch war Hoffmann-Illustration damals zwar nicht, aber das scheint auch dem Wesen der Illustration zu widersprechen. Sie konnte und kann inzwischen jedoch an vorderer Front ‚mithalten‘, auch in der Qualität. Sich mit Hoffmann künstlerisch auseinanderzusetzen war damals Mode und scheint es heute wieder zu sein. Vergleichbar ist die Vielfalt der bildnerischen Deutungen und eingesetzten künstlerischen Mittel. Und das beträchtliche Qualitätsgefälle. Hier Wertungen vorzunehmen ist nach wie vor eine problematische Angelegenheit, aber unvermeidlich und nicht zuletzt von individuellen Wertmaßstäben abhängig.
Intermezzo: Ist Illustration zu E.T.A. Hoffmanns Werk überhaupt sinnvoll und wann ist sie kongenial?
Der Komplexität Hoffmann ‘scher Dichtkunst, die auch Franz Kafka anregte, bildkünstlerisch wirklich zu entsprechen ist viel schwerer als nach erstem Leseeindruck zu vermuten. Den bildkünstlerischen Möglichkeiten sind engere Grenzen gezogen. Nähe auf Augenhöhe im Sinne einer kongenialen Illustration ist und bleibt ein seltener Glücksfall. Das Prädikat kongenial zu vergeben ist schon ein Wagnis.
Kritische Einwände gegen Illustrationen
Wulf Segebrecht hat in einem unveröffentlichten Vortrag 1999 sogar provokant davon gesprochen, dass Hoffmanns Werk eigentlich nicht der Illustration bedürfe und sehr wohl ohne diese auskomme, weil es selbst eine Fülle von Bildwelten im Leser hervorrufe. Illustrationen könnten sogar die Phantasie des Lesers bevormunden und lenken. Solche kritischen Einwände seitens der Literaturwissenschaft sind nicht untypisch und mögen ihre Berechtigung haben. Für Menschen des Mittelalters, die mehrheitlich nicht lesen konnten, vor allem des Lateinischen nicht mächtig waren, war das Nebeneinander von Bild und Schrift eine schlichte Notwendigkeit (Biblia pauperum oder Manessische Handschrift). Die heutigen Vorbehalte gegen jedwede Form der Illustration entspringen einem eher engen, puristischen Denken. Für den russischen Menschen dagegen ist ein Buch ohne Bilder unvollständig.[21]
Zudem ist die Toleranz gegenüber farbigen Illustrationen, die den dichterischen Text zu erdrücken scheinen und fast immer zum Typus des Bilderbuches gehören, deutlich größer. Er hat schon deswegen nicht dieselben grundsätzlichen Bedenken, dass Illustrationen ‚stören‘ und vom Text ablenken könnten. Dass sie auch bereichern können, wäre immerhin denkbar.
Wulf Segebrecht
Wulf Segebrecht 1999: Der Text benötigt offenbar keine Bilder, weil er selbst Bilder genug in der Einbildungskraft der Leser hervorbringt. Erste These: Illustrationen zu Hoffmanns Erzählung ’Der Sandmann‘ sind unnötig – und diese These ließe sich ausweiten auf Hoffmanns Gesamtwerk und auf die Illustration literarischer Werke überhaupt…. Abbildungen, Illustrationen, soweit sie nicht vom Urheber selbst in den Text hinein komponiert wurden, sind zunächst einmal Unterbrechungen eines fortlaufenden Textes und des ihm entsprechenden Lesevorgangs… Die Illustrationen wirken nach. Sie verändern oder bestimmen das weitere Rezeptionsverhalten des Lesers…Illustrationen sind deshalb aus der Sicht des Lesers höchst problematische Zutaten zum Text… Die Illustrationen können ihn bereichern, aber sie können ihn auch banalisieren… Illustrationen können als mehr oder weniger eigenwillige Interpretationen des Textes angeschaut werden. Sie setzen sich in jedem Fall in einen Bezug zum Text… Illustrationen sind prinzipiell als ein schwerwiegender Eingriff in den Text zu verstehen. Sie verändern ihn substantiell…, unveröffentlichter Vortrag, gehalten 1999 auf einem Symposium in Berlin zu dem Illustrator Fritz Fischer.
Besonders ästhetische Illustrationen
Barta, Erwin
Enders, Ludwig
Laboccetta, Mario
Teschner, Richard
von Divécki,József
Der Unterhaltungswert eines ästhetisch ’schönen‘ Buches
Vielleicht ist all dies schlicht abhängig von der Persönlichkeit des Lesers. Der Bibliophile wird Illustrationen ganz anders aufnehmen als der wissenschaftlich orientierte Leser. Der auf inhaltliches Erleben und Erweiterung eigener Erfahrungen ausgerichtete Leser wird wahrscheinlich begleitende Textillustrationen schlichtweg überlesen, nicht oder ganz nebenbei wahrnehmen. Auch nicht ganzseitige Illustrationen, hat er sich einmal auf den Text eingeschworen. Die Verfilmung einer literarischen Vorlage beeinflusst deutlich stärker!
Dass andererseits der Unterhaltungswert eines ästhetisch ‚schönen‘ Buches auch ein stimulierender Faktor sein kann, ein Buch überhaupt in die Hand zu nehmen, dürfte kaum zu bestreiten sein, zunächst einmal unabhängig von der Frage, wie textgerecht die Bilder sind. Jugendstil- und Exlibris-Künstler glaubten daran. So haben Spätgeborene des Jugendstils, des französischen Symbolismus und des englisch-amerikanischen Arts- and Crafts-Movements mit ihrem spezifischen Schönheitskult (nicht selten Verbindung von Schönheit und Tod) wie Richard Teschner (1879–1948), Ludwig Enders (1889–1955), Erwin Barta (1878–1956), József von Divécki (1887–1951)[22] und der Franzose Mario Laboccetta (1899–1988) Hoffmanns Erzählungen mit teils orientalisierenden Illustrationen von morbider Schönheit und märchenhafter Farbigkeit ‚geschmückt‘.
Anmerkungen
[1] Vgl. Riemer, S. 1.
[2] Diese düstere Erzählung gehört als literarisches Meisterwerk trotz ihrer Rätselhaftigkeit sogar zum Abiturwissen.
[3] Vgl. Ponert, S. 368.
[4] Kreisler kann mit gutem Recht als Alter Ego Hoffmanns angesehen werden. Er ist Hoffmann in vielem ähnlich.
[4a] Nach dem Graphikrepertorium IT der Bamberger Staatsbibliothek sind in diesen Bamberger Honoratioren folgende für die Bamberger E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft zentrale Persönlichkeiten porträtiert: Bernhard Schemmel, Rainer Lewandowski, Peter Braun, Gerhard Seitz, Werner Hipelius und Oliver Will. In der Karikatur ist natürlich auch Anzügliches möglich und üblich. Warum Ehrt hier so konkret Persönlichkeiten, die sich um das Erbe E.T.A. Hoffmanns in Bamberg und weit darüber hinaus verdient gemacht haben, karikiert und in diesen Zusammenhang gebracht hat, bleibt sein Geheimnis. Dass keiner an die Größe E.T.A. Hoffmanns heranreicht, suggerieren bereits die Größenverhältnisse. Durch die Reihung und Gleichförmigkeit der Zylinderträger wird das absolut Genialische und Individuelle Hoffmanns unterstrichen. Es macht ihn zwar zum souveränen Spötter, gefährdet ihn aber auch zutiefst. Er zahlt dafür einen hohen Preis. Auch dies wird deutlich: beide, E.T.A. Hoffmann und die Bamberger Honoratioren, zeigen sich empfänglich für verführerische Kindfrauen in Gestalt einer Julia/Giulietta. Zu IT 53s/1.
[5] Nur noch fünf erhalten. Sie befinden sich im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin.
[6] HBW, 2. Bd., S. 98. S. Elke Riemer: Karl Friedrich Schinkels Bühnenbildentwürfe zu E.T.A. Hoffmanns Oper „Undine“, in: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft, 17. Heft 1971, S. 20-34. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen: Ulrike Harten: Die Bühnenbilder Karl Friedrich Schinkels (Diss. Kiel 1974), von Friedrich Schnapp und Dietmar Ponert: Der Musiker E.T.A. Hoffmann. Ein Dokumentenband (Hildesheim 1981) und Saskia Dams: Schinkels Bühnenbilder zu E.T.A. Hoffmanns Oper „Undine“ (Magisterarbeit, Heidelberg 2005).
[7] Vgl. Riemer, S. 14 u. 16
[8] HWW, 4. Bd., S. 184 (Die Geheimnisse): Gut ist aber, dass besagter Schriftsteller den Mann hat zeichnen lassen, und dass die Zeichnung zum Sprechen ähnlich geraten ist.
[9] Außer den Genannten: Carl Themann, Ludwig Löffler, Friedrich Nerly, Ernst Heider, Sylvan, Hans Krämer, Ludwig Halle, Carl Röhling, Karl Fischer Köystrand, Ludwig Tendlau, Emil Rucktäschl.
[10] In Klammern ist das Entstehungsdatum angegeben.
[11] Lothar Brieger und Arthur Rümann, Hoffmann-Forscher wie Carl Georg von Maassen, Georg Ellinger, Hans von Müller, Walter Müller-Seidel.
[12] Sie wurden als Holzstiche vervielfältigt.
[13] Zit. n. Riemer, S. 24.
[14] Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin. Verständlich, dass Blechens eindrucksvolle Gestalt des Medardus als Coverbild für die wissenschaftliche Ausgabe des Romans Die Elixiere des Teufels des Deutschen Klassiker Verlages von 2007 (Taschenbuch, Bd. 17 – s.u., eigentlich Bd. 2/2) gewählt wurde.
[15]. Fantasiestücke, Bd. 2/I bzw. Band 14 im Taschenbuch. E.T.A. Hoffmann, Sämtliche Werke in sieben Bänden, hg. v. Hartmut Steinecke unter Mitarbeit von Gerhard Allroggen und Wulf Segebrecht, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2006, S. 279f.
[16] In der künstlerischen Qualität etwas, aber nicht deutlich geringer.
[17] Kapitel: Lebenserfahrungen des Jünglings. Auch ich war in Arkadien. HWW, Bd. 2, S. 469 f.
[18] Vgl. Jörg Marquardt, Andreas Kilcher, Detlef Kremer: Hoffmanns literarische Rezeption im 19. Und in der Neuromantik des frühen 20. Jahrhunderts, S. 563- 577, hier: S. 563. Waren die Literaturwissenschaftler im 19. Jahrhundert im Gegensatz zu Schriftstellern des In-und Auslands weitgehend blind gegenüber der ästhetischen Qualität von Hoffmanns Werk (vgl. Detlef Kremer: Grundzüge der Hoffmann-Forschung, S. 593- 615, hier: S. 596, beides in: E.T.A. Hoffmann. Leben, Werk und Wirkung, hg. v. Detlef Kremer, 2. Auflage, Berlin/Boston 2012), so haben ab 1894 deutsche Literaturwissenschaftler wie Georg Ellinger, Eduard Grisebach, Hans von Müller, Carl Georg von Maassens, Walter Harich, Arthur Sakheim und Richard Schaukal Hoffmann neu entdeckt und berühmt gemacht.
[19] Verlage publizierten ihre Arbeiten Jahre später zusammen mit Hoffmanns Werk (Steiner-Prag, Fischer, Hegenbarth).
[20] Diese bibliophilen Ausgaben mit Originalgrafiken erzielen noch immer hohe Preise, werden also wertgeschätzt.
[21] Nach Auskunft von Alexander Fingrut, einem in Pforzheim lebenden russischen Sammler von Illustrationen zu E.T.A. Hoffmanns Werk.
[22] Divéckis Schwarz-Weiß-Federzeichnungen erinnern im Stil an den englischen Grafiker und Illustrator Aubrey Beardsley.