- Illustrationen vor 1933
- Hugo Steiner-Prag
- Alfred Kubin
- Karl-Georg Hemmerich
- Hoffmann-Illustration ab 1960
- Illustrationen zum Roman Lebensansichten des Katers Murr
- Illustrationen zu Klein Zaches genannt Zinnober
- Illustrationen zum Goldenen Topf
- Collagen
- Das Künstlerbuch
- Comic-Adaptionen
- Neuere Hoffmann-Porträts
Einzelne Künstler
Illustrationen vor 1933
Enders Aquarell zur Fünften Vigilie des Goldenen Topfes von 1918 ist ein solch orientalischer, blau-violett getönter Bilderbogen zur hexenhaften Wahrsagerin, der alten Rauerin, in ihrer Stube. Wie der Text erinnert er an Hieronymus Bosch, ist aber nicht so unheimlich, dafür im Detail reicher und durch die dominanten Komplementärkontraste von Violett und Gelb sowie Blau und Orange bestechend ‚schön‘.
Laboccettas Aquarell von 1932 zum Nachtstück Das Majorat reflektiert in morbider Schönheit und großer künstlerischer Freiheit das Ende der düsteren Familiensaga von schuldhafter Verstrickung, den Untergang des Stammschlosses der Freiherrn von R…sitten. Es ist in Ruinen zusammengestürzt und man hatte einen großen Teil der Steine zu dem Leuchtturm benutzt … Noch immer ließen sich oft, zumal bei Vollmonde, grauenvolle Klagelaute in dem Gestein hören.[1]
Elke Riemer-Buddecke beforscht seit vielen Jahren Hoffmanns Illustrationsgeschichte. 1976 publizierte sie das inzwischen als Standardwerk geltende Buch E.T.A. Hoffmann und seine Illustratoren (Gerstenberg Verlag). Aktuell beschäftigt sich Riemer-Buddecke mit Hoffmann-Porträts. (→ Forscherprofil)
Hugo Steiner-Prag (1880–1945)
Selbst Hugo Steiner-Prag, über Jahrzehnte (von 1906–1945) ein wahrer Fanatiker der Hoffmann-Illustration – er hat bis zu seinem Tod fast alle Werke seines Lieblingsdichters E.T.A. Hoffmann illustriert und alle Grafiken gründlich durch Vorzeichnungen vorbereitet –, kann seine Herkunft vom Symbolismus und Jugendstil nicht leugnen. Aber er ging viel intensiver auf die dichterische Vorlage ein. Er hat sich existentiell bis zur Identifikation in die Welt Hoffmanns hineingelebt.[2] Seine großartige Radierung von 1906 zu dem Kapitel Die Rückkehr (Dritter Abschnitt) aus den Elixieren des Teufels zeigt das deutlich. Diese Radierung ist stilistisch, insbesondere durch ihre Nähe zu Aubrey Beardsley, dem Jugendstil zuzuordnen und inhaltlich als grauenvolle Phantasmagorie der Einsamkeit und des Verfalls[3] dem Symbolismus verpflichtet. Sie will Deutung sein. Medardus steht hier in langer schwarzer Mönchskutte wie zur Bildsäule erstarrt vor der Stätte seiner früheren Verbrechen und erscheint wie der eisgraue blinde Hausverwalter Reinhold, Inkarnation eines am Schicksal zerbrochenen Menschen, einem düsteren Schicksalsverhängnis ausgesetzt. Das landschaftliche Ambiente spiegelt dies symbolisch wider.
Steiner-Prags Erfindung ist der Zylinder, mit dem er den Dichter meist ausstattete, wie z.B. auf dem Bildnis von 1923. Ganz in Schwarz präsentiert er ihn. Der Zylinder ist bis zu den Augenbrauen hinab gezogen, lässt das schmale, markante Gesicht mit der großen Hakennase dunkel und geheimnisvoll erscheinen. Hoffmann als Magier blickt den Betrachter ironisch mit fast diabolischem Kichern an. Unter dem Brustbildnis finden sich einige seiner dichterischen Gestalten: Coppelius und Spalanzani aus dem Sandmann, Rat Krespel, Ritter Gluck, eine Szene aus Don Juan und das schmale Bamberger Wohnhaus, dem heutigen E.T.A. Hoffmann-Museum.
Alfred Kubin
Der bekannteste Hoffmann-Illustrator aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Alfred Kubin (1877–1959). Als geistiger Nachfahre von Bosch, Goya und Ensor und Visionär des Hintergründigen gestaltete er seinem 1908 geschriebenen phantastischen Roman Die andere Seite entsprechend die unheimliche und groteske Seite des Lebens. Als Wahlverwandter Hoffmanns war er dazu prädestiniert, dessen Werk zu illustrieren: 1913 illustrierte er die Nachtstücke, 1918 den Elementargeist, 1920 den Unheimlichen Gast, 1947 Hoffmanns Märchen und 1951 bereitete der die unvollendet gebliebene Illustration zu Signor Formica vor. Alle Illustrationen wurden zusammen mit Hoffmanns Werken veröffentlicht. Seine ganzseitige Federzeichnung von 1913 zu Ignaz Denner ist ein beklemmendes Blatt, das die erbarmungswürdige, ausgerenkte Gestalt des gefolterten Andres, der Zentralfigur der Erzählung, als Opfer einer undurchschaubaren Justiz und befremdlichen Welt zeigt. Kubins sparsam auf das Wesentliche konzentrierte Illustration gilt einer Textstelle aus Ignaz Denner, wo Hoffmann und Franz Kafka (Roman: Der Prozess) sich geistig treffen: Da ergriffen ihn die Knechte, banden ihn mit Stricken und marterten ihn, indem sie seine Glieder ausrenkten und Stachel einbohrten in das gedehnte Fleisch. Andres vermochte nicht die Qual zu ertragen.[4]
Die kongeniale Illustration: Karl-Georg Hemmerich (1892–1979)
Herausragend sind Karl Georg Hemmerich zwei Radierungsfolgen zu Hoffmanns Kreisleriana und den Fantasiestücken in Callots Manier aus den Jahren 1912–1920. Als Maler, Grafiker, Musiker, Komponist und Schriftsteller war Hemmerich ähnlich vielseitig begabt wie E.T.A. Hoffmann und fühlte sich ihm wahlverwandt. Er erkannte sehr früh das Unheil des heraufziehenden Nationalsozialismus und emigrierte 1928 mit seiner jüdischen Frau, einer Ärztin, in die Schweiz. Sein 1935 geschriebenes Buch Das ist der Mensch wurde sofort von der Gestapo beschlagnahmt und vernichtet. Von der gesamten Ausgabe blieben nur zwei Exemplare übrig, eines davon hat er vorsorglich vergraben. Da er seine Familie in der Schweiz als nur Geduldeter ohne Staatsbürgerschaft und auf die Hilfe von Freunden angewiesen nicht mehr mit künstlerischer Arbeit ernähren konnte, arbeitete der Sprachbegabte und kunstgeschichtlich Versierte als Übersetzer (Französisch) für den Skira-Kunstverlag und als Musiker – er spielte Klavier, Cello, Klarinette und Orgel, komponierte und leitete Chöre. All dies mag erklären, warum er als Künstler in Vergessenheit geriet, obwohl Freiherr von Gebsattel schon 1920 in einem Vorwort zu der bei Bruckmann in München veröffentlichten Kreisleriana- Mappe (75 Exemplare, 11 Radierungen) auf Hemmerichs Kongenialität zu E.T.A. Hoffmann verwiesen hat. Immer noch prophetisch klingt sein Resümee, dass diese elf Radierungen nicht nur die überraschende Ausdruckssicherheit des geborenen Meisters zeigten, sondern zum merkwürdigsten gehören, was deutsche Graphik hervorgebracht hat…“[5] 88 Jahre später wird Thomas Noll, Professor am kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Göttingen, Gebsattels Urteil bestätigen. Die beiden auf höchstem Niveau gestalteten grafischen Zyklen Hemmerichs könnten wegen ihrer künstlerischen Qualität, formal und inhaltlich, tatsächlich nur als kongeniale Schöpfungen zum Werk des Dichters bezeichnet werden.[6]
Hemmerichs Radierung C dur Akkord (fortissimo). Wie Kreisler seinen Doppelgänger tanzen lehrte, nach Noll eines der großartigsten Blätter des ganzen Zyklus, spielt mit der Figur des exaltiert in bizarren Verrenkungen zur Klaviermusik Tanzenden deutlich auf Hoffmanns Kreisler im Wahnsinn an. Beide Figuren, Kreisler und sein Doppelgänger, sind in dynamischer Konfrontation expressiv durch gelängte Gliedmaßen und riesige Schatten ins Dämonische übersteigert. Das Fortissimo des C-Dur-Akkords wird so als qualvoller seelischer Schauplatz inszeniert, als Ausdruck der Bedrohung durch den Wahnsinn. Der Raum ist nur durch eine diagonale Fluchtlinie und eine Waagerechte angedeutet, er ist wie bei Goya ein psychischer Innenraum. Die Parallelschraffuren der Wand und die plastisch modellierenden Binnenschraffuren bei den Körpern, die von der Hand eines Bildhauers sein könnten, verstärken die von beiden Figuren ausgehende innere Unruhe und Dynamik. Zum C dur Terz-Akkord (fortissimo) heißt es bei Hoffmann in dem Kapitel Kreislers musikalisch-poetischer Klub zwar: Aber in toller wilder Lust lasst uns über den offenen Gräbern tanzen. – Lasst uns jauchzen – die da unten hören es nicht. – Heisa – Heisa – Tanz und Jubel, der Teufel zieht ein mit Pauken und Trompeten! [7] und man könnte tatsächlich den riesigen Schatten des tanzenden Doppelgängers als teuflisch deuten. Dennoch passen hier Hoffmanns Phantasien zum Asmoll-Akkord (mezzo forte) eigentlich besser: …aber wie sie mich erfassen, erwacht der Schmerz und will aus der Brust entfliehen, indem er sie gewaltsam zerreißt.[8]
Hoffmann-Illustration ab 1960
Auffällig ist seit den 1960er Jahren die Tendenz zu anspruchsvollen freien grafischen Zyklen von namhaften Künstlern, teils wahren Hoffmann-Fans, die unentwegt neue Illustrationen liefern, sich mit Hoffmann als Wesensverwandte messen und durch ihre künstlerischen Werk-Interpretationen gleichwertige Dialogpartner und nicht dienende Illustratoren sein wollen. Der Begriff Illustration, der eigentlich nur einen Sachverhalt beschreibt, ist längst in Verruf geraten. Selbst neueste Techniken wie die Computergrafik oder die digitale Künstlergrafik haben sich in der Hoffmann-Illustration durchgesetzt (Johannes Häfner von 1998–2009: Der Sandmann, Meister Floh, Seltsame Leiden eines Theaterdirektors, diverse Hoffmann-Porträts; Karin Innerling 2014: Der goldene Topf) oder die Comic-Adaption, wie z.B. durch Dino di Battaglia zu Der Sandmann. Das öde Haus, 1990 in Deutschland veröffentlicht, aber wohl schon 1970 in Italien entstanden, durch Alexandra Kardinar zu Das Fräulein von Scuderi aus dem Jahr 2011 und durch Andrea Grosso Ciponte zu Der Sandmann, als Dust Novel (Tradition der Gothic Novel) herausgegeben und 2014 entstanden. Interessante Beiträge zur Hoffmann-Illustration gibt es seit den 1960er Jahren. Die Auswahl einzelner Arbeiten für eine kurze exemplarische Vorstellung ist gerade deswegen schwierig und sollte nicht als Auslese verstanden werden.
Fritz Fischer (1911–1968)
Faszinierend sind z.B. Fritz Fischers Federzeichnungen von 1958–60 zum Goldenen Topf, die 1973 mit dem Text von der Frankfurter Büchergilde Gutenberg veröffentlicht wurden.[9] Das Reizvolle dieser Ausgabe, die als Künstlerbuch im erweiterten Sinn verstanden werden kann,[10] ist, dass das Originalskizzenbuch Fischers vollständig faksimiliert dem Text vorangestellt wurde und man so einen authentischen Eindruck von der Arbeit und Vorgehensweise dieses Meisters der Feder, der Konzentration auf Wesentliches und der Kunst des Weglassens erhält. Zudem wird deutlich, dass es nicht immer der technisch ausgefeilten Grafik wie der Radierung, der Lithografie oder des Holzstichs bedarf, um E.T.A. Hoffmann so weitgehend gerecht zu werden. Locker, scheinbar leichthändig, mit treffsicherem, teils karikierendem Strich fixiert Fischer (1911–1968) simultan mehrere Bewegungsabläufe und psychische Zustände der Figuren, ihre wechselnde Mimik, Gestik, Körpersprache und Haltung. Handschriftliche Textblöcke sind raffiniert eingefügt: handschriftliche Abschriften der passenden Textpassagen, eine individuelle Form der Textaneignung. Zwischendurch kann auch der Magier Hoffmann, umrahmt von seinen literarischen Gestalten, höchst persönlich erscheinen (Die Abenteuer der Silvesternacht oder zur Zwölften Vigilie des Goldenen Topfes), treffend in Fischers Manier porträtiert. Fischer geht gewissenhaft auf manche Textstellen ein, andere bereichert er in großer künstlerischer Freiheit durch eigene Ideen oder bringt sich als Interpret psychischer Vorgänge ein.
Harald Metzkes (*1929)
Expressiv wie die von Käthe Kollwitz, durch Verfremdung der figürlichen Proportionen eher ‚schwergewichtig‘ wirken die Holzschnitte, Radierungen und Lithografien von Harald Metzkes zu Hoffmanns Klein Zaches genannt Zinnober, den Lebensansichten des Katers Murr und Ritter Gluck von 1968, 1971, 1973 und 1979. Metzkes gilt als wichtigster Vertreter der Berliner Schule vom Prenzlauer Berg. Der Kunsthistoriker Lothar Lang charakterisiert seinen Stil als sensuellen Realismus und meint damit vielleicht Metzkes sinnliche, bildhauerische Figürlichkeit, die an Goya erinnert. Die Aquatinta-Radierung Am Flügel von 1973 zeigt Ritter Gluck am Flügel, bedroht von zwei überdimensional großen, gewalttätigen Geistergestalten auf dem Flügel, der eine mit gezücktem Degen, der andere mit Federbarett auf dem Kopf. Der geheimnisvolle Musiker und Sonderling, der sich als den längst verstorbenen vorklassischen Komponisten Christoph Willibald Ritter von Gluck (1714–1787) ausgibt, spielt hier vor dem Ich-Erzähler am Klavier aus leeren Noten die Ouvertüre der Oper Armida. Metzkes hält den Moment der äußersten seelischen Anspannung fest: … und nun spielte er herrlich und meisterhaft … sein Gesicht glühte; bald zogen sich die Augenbrauen zusammen und ein lang verhaltener Zorn wollte gewaltsam losbrechen…Die Ouvertüre war geendet, und er fiel erschöpft mit geschlossenen Augen in den Lehnstuhl zurück.[11] Die bedrohlichen Geistergestalten auf dem Klavier, das sie fast zertreten, sind wohl die imaginierten Unheiligen, an die er das Heilige, das Geheimnis Gluckscher Kunst, verraten haben will. Seitdem ist der möglicherweise schizophrene Musiker oder Revenant ein Verfluchter wie der ewige Jude[12], nach eigenen Worten verdammt unter Unheiligen zu wandeln. Metzkes Radierung will Interpretation sein, sie resümiert die zentrale Motivik dieser frühen, Hoffmanns spätere Kernproblematik bereits spiegelnden Erzählung: das schwierige Verhältnis (oder auch Missverhältnis) von Kunst und Kunstrezipient.
Ernst Arnold Bauer (*1949)
Der Österreicher Ernst Arnold Bauer wurde in Linz an der Kunsthochschule für Malerei und Grafik ausgebildet und lebt heute in Eichstätt. Seine eigenwilligen, schwer deutbaren Bleistiftzeichnungen im Querformat zu Hoffmanns Erzählungen Ritter Gluck, Rat Krespel und Don Juan[13] von 2004 sind durch weiche Graustufen und rhythmische Strukturen geprägt, die sich zu einem bewegten reliefartigen Ganzen fügen. Bei genauerem Hinsehen ist zu erkennen, dass Bauer zahlreiche Akte bildhauerisch modelliert hat, um sie senkrecht, diagonal oder waagerecht liegend gleichsam zu stapeln. Winfried Schleyer überschrieb seine Rezension von 2005 zu Bauers Zeichnungen deshalb nicht zu Unrecht mit: „Ein Fantasiegebirge aus nackten Frauen“. Kein anderer Künstler hat den Dichter so erotisch gedeutet. Das Erotische charakterisiere wie ein roter Faden Bauers Hoffmann-Illustrationen, so Schleyer. Das sei aber bei E.T.A. Hoffmann naheliegend: Selbst dort, wo es nicht, wie im Don Juan … zu erwarten ist.[14] Gerade in der Zeichnung zu Don Juan gibt es aber auch einen männlichen Akt im Fantasiegebirge, für Schleyer den Wüstling Don Juan.[15]
Wie auch immer, Eros ist in vielen Erzählungen Hoffmanns präsent und die Ursache für vieles. Bauer beabsichtigte wahrscheinlich eine über den Text hinausgehende tiefenpsychologische Deutung, die auch die Persönlichkeit des Dichters einbezieht. In Hoffmanns gleichnamiger Novelle ist Don Juan zwar traditionsgemäß der dämonische Wüstling, der das Leben von Frauen und damit auch das von Donna Annas zerstört. Donna Anna verfällt ihm sexuell, obwohl sie ihn kraft ihrer besonderen Persönlichkeit, so der reisende Enthusiast, eigentlich hätte erlösen können. Hoffmann hat jedoch Don Juan und Donna Anna umgedeutet und zu tragischen Figuren werden lassen. Don Juan ist in der Sicht des reisenden Enthusiasten, aus dessen Erlebnisperspektive das Geschehen erzählt wird, ein faustischer Sucher nach Unendlichkeit und der vollkommenen Liebe, nach Hoffmann also die Präfiguration eines romantischen Künstlers. Seine Sehnsucht bleibt unerfüllt, er wird aus Frust zum Zyniker und sexbesessenen Dämonen, der sich selbstzerstörerisch in erotische Abenteuer flüchtet. Die Hölle wird ihn am Schluss holen, nachdem er Donna Annas Vater umgebracht und den Toten frevelnd zum anschließenden Gastmahl eingeladen hat.
Das ist Donna Annas Rache. Aber sie hat ihren Preis. Donna Anna wird sterben und mit ihr, das ist die geheimnisvolle Pointe von Hoffmanns Erzählung, auch die Darstellerin der Donna Anna, die den reisenden Enthusiasten in seiner Fremdenloge besucht, ihn ins dramatische Geschehen einbezogen und nach Ansicht trivialer Philister sich zu sehr mit ihrer Rolle identifiziert hat. Das eigentliche Zentrum der Erzählung ist damit das aus der Perspektive des reisenden Enthusiasten geschilderte Erleben der Oper Mozarts: Don Giovanni, des vollkommenen Meisterwerks und der Oper aller Opern.[16] Ernst Arnold Bauers bildnerische Deutung zielt, das mag die kurze Analyse des Don Juans von Hoffmann gezeigt haben, auf ihren Kern. Sie erscheint nur etwas einseitig. Aber es ist das Recht eines Künstlers, dem dichterischen Werk eine eigene Sicht entgegenzusetzen.
Uwe Bremer (*1940)
Uwe Bremer[17] gilt als einer der profiliertesten deutschen Grafiker und als Vertreter des phantastischen Realismus. Seine Mappe mit sieben Radierungen von 1973 zu Hoffmanns Klein Zaches genannt Zinnober ist, so die Widmung auf der Titelseite, nach einer Anregung des Bankiers und Kunstmäzens Klaus Pinkus (1895–1977), einem mit Robert Musil befreundeten Förderer von Kunst und Künstler, entstanden. Die skurril-phantastischen, dem Verfremdungsprinzip konsequent unterworfenen Radierungen wären schwer deutbar, hätte der Künstler nicht durch Beschriftungen, die Teil seiner Kompositionen sind, dem Betrachter geholfen und die Zuordnung erleichtert. Auch hier bestimmt das Erotische die Darstellung – und dies ziemlich direkt, fast obszön. Der weibliche Körper ist ein aggressives Lustobjekt mit übergroßen Brüsten, gefährlichen Brustwarzen, dicken Schenkeln und aufdringlicher Scham, eine Sexmaschine wie bei dem amerikanischen Pop-Künstler Richard Lindner und in den Proportionen ähnlich verkürzt wie die Figuren von Horst Antes. Klein Zaches ist ein deformiertes Monstrum mit Wolfszähnen und dem Innenleben einer Maschine. Schon im aufgeschlitzten Mutterleib zeigt sich die Missgeburt[18], der abscheuliche Wechselbalg[19] mit blitzenden Adleraugen, Wolfsrachen und unförmigem Kugelkörper (Radierung: Die Geburt des Klein Zaches). Seine Mutter, eigentlich ein armes, zerlumptes Bauernweib … vom Hunger gequält, vor Durst lechzend…[20], ist ihm erschreckend ähnlich. Fee Rosabelverde oder auch das Fräulein von Rosenschön genannt, die mit ihren Zauberkräften zur Hilfe eilt, bei anderen Illustratoren eine zarte Fee, bei Hoffmann von großer Gestalt, edlem majestätischem Wuchs und vollendet schön[21], kommt als brünstige apollinische Rosselenkerin vom Himmel. Ihre Rosse sind allerdings – wie auch in einer anderen, ihr geltenden Radierung – fauchende Katzen, getreu der Schilderung Hoffmanns, dass Klein Zaches knurrt und miaut, anstatt zu reden, wie eine Katze.[22]
Bremers bizarre Darstellungen sehen die Welt, in der eine solche imbezille Missgeburt wie Klein Zaches sich die Talente anderer aneignet und sogar zum Minister, dem göttlichen Zinnober, aufsteigen kann und den Menschen den Kopf verdreht, wie durch ein Prisma als grausam verkehrte an. So nimmt es nicht wunder, dass Symbole des Nationalsozialismus in seinen Radierungen auftauchen und Klein Zaches heimliche Verwandtschaft mit Adolf Hitler hat. Bremer scheint sich vor allem für das Bedrohliche unserer Welt, das Hoffmanns Erzählung Klein Zaches genannt Zinnober trotz der märchenhaften Züge ohne Frage spiegelt, interessiert zu haben. Es ist sowieso erstaunlich, welche Sensibilität manche Illustratoren für solche verdeckten und in Anbetracht künftiger Zeiten prophetischen politischen Botschaften E.T.A. Hoffmanns entwickelt haben. Bremers Radierungen sind wahrlich keine leichte Kost.
[17] Maler, Zeichner, Grafiker und Schriftsteller, stammt aus Bischleben/Thüringen. Nach dem Diplom an der Hamburger Kunstschule Alsterdamm siedelte er sich 1963 in Berlin als freischaffender Künstler an und gründete dort mit Albert Schindehütte, Johannes Vennekamp und Arno Waldschmidt die Werkstatt Rixdorfer Drucke. Seit 1971 lebt er in Wendland und ist seit 1983 Leiter der Radierklassen an der Sommer-Akademie in Salzburg. Er war mit Günter Grass und ist mit Gerhard Schröder befreundet, gilt in der Kunstszene mit seinen phantastischen Curiosa – so der Titel einer großen Uwe-Bremer-Retrospektive-Ausstellung von 2003 in Auerstedt (mit einem Grußwort von Gerhard Schröder) – als Geheimtipp und außerordentliches grafisches Talent, im Rang Horst Janssen vergleichbar.
Hans-Günter Ludwig (*1963)
Beziehungsreich, aber überprüfbar textnah durch Begleittext gestaltete der Bamberger Künstler Hans-Günter Ludwig 2011–2013 zwölf Scherenschnitte zu Meister Floh, einer zwischen Fantasie und Wirklichkeit oszillierenden Erzählung mit provokantem politischen Hintergrund, der Knarrpanti-Episode. Denn hier verarbeitete Hoffmann seine bedrückenden Erfahrungen als Kammergerichtsrat am Berliner Kammergericht und als Mitglied der Immediat-Untersuchungskommission zur Ermittlung hochverrätischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe, die nach seiner Rechtsauffassung willkürliche, menschenverachtende, rechtswidrige Gesinnungsschnüffelei betrieb. Dafür verantwortlich war vor allem der preußische Polizeiminister Karl Albert von Kamptz, den Hoffmann als Knarrpanti im Meister Floh karikierte. Da dies ruchbar wurde und Kamptz sich längst zu Hoffmanns Todfeind entwickelt hatte, drohte dem todkranken Dichter noch auf dem Sterbebett ein Amtsenthebungsprozess. Den zu erwartenden schlimmen Ausgang erlebte Hoffmann nicht mehr[23]. Die Erzählung durfte jahrzehntelang nur ohne die Knarrpanti-Episode veröffentlicht werden.
Die Erzählung ist gerade wegen ihres ständigen Wechsels von Phantastischem und Realem bei den Illustratoren sehr beliebt und ist von 35 Künstlern illustriert worden, oft in kostbaren bibliophilen Ausgaben oder grafischen Zyklen. Besonders sehenswert ist Knobels im Bamberger E.T.A. Hoffmann-Museum ausgestellter Zyklus Gedankenmikroscope von 1995 (?), der sich auf das Motiv des Mikroskops bezieht, mit dessen Hilfe der kindlich-reine Tor und Träumer Peregrinus Tyß, Zentralgestalt des Meister Floh, die Gedanken der Menschen lesen und so den Unterschied zwischen dem, was sie sprechen und was sie denken, erkennen kann. Von Ludwig gibt es hierzu auch einen Scherenschnitt.
Ludwig hat außerdem für das Bamberger E.T.A. Hoffmann-Museum die Installation Hoffmann enlighted geschaffen. Die Installation besteht aus von innen erleuchteten Kuben mit Motiven aus E.T.A. Hoffmanns Werk im Silhouettenschnitt, die wie seine Illustrationen zu Meister Floh Reales, Abstraktes und Phantastisches verbinden.[24] Alle Arbeiten sind von Ludwig selbst erläutert worden. Ludwig ist es offenbar wichtig, dass sein bildkünstlerischer Transfer als Resultat einer gründlichen Auseinandersetzung mit Hoffmanns Werk verstanden wird. Seinem Meister-Floh-Zyklus fügte er sogar eine eigene Deutung des Werkes an. Am 12.11.2016 hat er seinen neuesten Illustrationszyklus zum Fremden Kind mit einem eigenen Vortrag zum Gestaltungsprozess im E.T.A. Hoffmann-Haus vorgestellt.
Ludwigs Scherenschnitte – er nennt sie Silhouettenschnitte – zu Meister Floh haben zwei Ebenen: den eigentlichen Scherenschnitt, den Ludwig meisterhaft beherrscht, im Vordergrund und dazu den kolorierten (aquarellierten) Hintergrund. Dieser Kontrast verlebendigt die Komposition. Die erste Ebene, so Ludwig selbst, gebe den Handlungsablauf der Erzählung wieder und lasse „schräge Typen“ wie den Protagonisten Peregrinus Tyß von einem sozial isolierten und kindlich jungen Mann hin zu einer seelisch gereiften Figur wachsen.[25] Die zweite Ebene lasse einen zusätzlich kreativen Spielraum zu, indem er weitere Gedankenspiele Hoffmanns oder auch das Umfeld des Geschehens farbig abstrahiert wiedergegeben habe.[26] Ludwig will auf diese Weise den Betrachter an den Empfindungen und Handlungen der zentralen Figuren teilhaben lassen.
Ludwigs Illustration zur Knarrpanti-Affäre von 2013 zeigt den im Gefängnis sitzenden Peregrinus. Vor ihm hat sich der Geheime Hofrat Knarrpanti wie ein monströser Popanz aufgebaut. Zur Selbsterhöhung hat er sich noch auf einen Schemel gestellt. Er verdächtigt Peregrinus, so der dichterische Text, die Prinzessin Gamaheh alias Dörtje Elwerdink entführt zu haben, und quält Peregrinus mit einem Verhör, mit Kreuz- und Querfragen.[27] Zudem hat er das Tagebuch des Peregrinus beschlagnahmt, in dem es nur private, meist poetische Eintragungen gibt, die er aber als Beweis für eine demagogische Gesinnung und die Entführung der Prinzessin wertet. Eine Prinzessin wird jedoch nicht vermisst und Knarrpanti glaubt in Wahrheit auch nicht daran, dass Peregrinus Tyß schuldig ist, da die Prinzessin schon vor mehreren Jahren mit einem Landstreicher und Komödianten verschwunden ist. Er braucht aber für seinen eigenen Ruhm einen Tatverdächtigen. Da Peregrinus mithilfe des ins Auge zu setzenden Gedankenmikroskops, das Meister Floh ihm schenkte, fremde Gedanken lesen kann, erkennt er die wahren Gedanken des Polizeiministers und kann sich erfolgreich wehren. Knarrpanti wird zum Gespött der Frankfurter. Die zweite Ebene zeigt außer dem gemalten Himmel noch die schwebende, fast auf dem Kopf stehende Gestalt der Justitia, was wohl heißen soll, dass hier das Recht Kopf steht, verletzt worden ist. Die Illustration ist amüsant, mit viel Witz im Detail gestaltet. Knarrpanti ist die Karikatur eines aufgeblähten Machtmenschen. Die Spannung zwischen der kleinen Gestalt des souverän wirkenden Peregrinus und dem aufgeblähten Polizeiminister ist besonders komisch. Erstaunlich, dass mit dem eigentlich eher biedermeierlichen Scherenschnitt solche Wirkung erzielt werden kann.
Illustrationen zum Roman Lebensansichten des Katers Murr
Michael Mathias Prechtl (1926–2003)
Mit seiner aquarellierten Federzeichnung von 1973: [Hoffmanns] Spaziergang in Bamberg von 1973 erweist sich Michael Mathias Prechtl als ein Meister der Technik in Dürers Manier sowie der raffinierten Verfremdung. Mit subtiler Ironie macht er Verborgenes oder sogar Abgründe sichtbar. Natürlich ist der sonntägliche Spaziergang für Hoffmann alles andere als angenehm. An seinem Arm hängt die als obszöne Balletteuse aufgedonnerte Olimpia mit leeren Automatenaugen (Der Sandmann). Berganza begleitet ihn, seine Augen sprühen höllisches Feuer (Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza), dahinter buckelt Kater Murr (?). Ein Engel mit Schmetterlingsflügeln, möglicherweise auch Amor, begleitet das seltsame Paar. Die Engelsgestalt gleicht Christian Daniel Rauchs klassizistischem Marmorengel, einer Allegorie der Hoffnung.[28] Dass sich der mit Zylinder (Anspielung auf Steiner-Prag) und Frack Bekleidete unbehaglich und dem Spott der Bamberger ausgesetzt fühlt wie beim Spießrutenlauf, ist unschwer zu erkennen. Prechtl thematisiert so das schwierige Verhältnis zwischen E.T.A. Hoffmann und den Bambergern[29], zwischen Künstler und (Klein)Bürger.
Als Glanzstück der aktuellen Buchkunst bezeichnete Curt Visel die Ausgabe der Büchergilde Gutenberg von 1997 zu Hoffmanns Lebensansichten des Katers Murr, zu der Prechtl Aquarelle eine Galerie berühmter Katzen aus Literatur und Malerei und Federzeichnungen, die der Kreisler-Biografie gelten, beisteuerte.[30] In der Tat zeigt sich hier nicht nur Prechtls Meisterschaft, sondern auch, wie nah er diesem schwierigen, vielschichtigen Werk mit dessen ins Extrem getriebenen polyphonen Intertextualität (Detlef Kremer) gekommen ist.[31] Denn Murrs intertextueller Verschleiß der Literaturgeschichte korrespondiert in diesem Roman mit dem nicht minder anspielungsreichen Text der Kreisler-Biografie. Zu einfach die Lösung, dass hier Künstler- und Philister-Biografie in einer Parodie des Bildungsromans konfrontiert werden. Das trifft zwar auch zu, aber beider Biografien sind darüber hinaus so raffiniert aufeinander in fragmentarischer Montagetechnik bezogen, dass sie sich gegenseitig relativieren. Beide sind auf ihre Weise Künstler und als solche fragwürdig. Lösungen im Sinne von Gesellschaftsutopien wie in Goethes Wilhelm Meister werden nicht angeboten. Das alles lässt diesen Roman heute als modern und zur hohen Weltliteratur gehörig erscheinen.
Wie kann ein ‚Illustrator‘ solch literarischer Artistik gerecht werden? Künstler wie Alphonse Woelfle (1884–1951), Josef Hegenbarth und Axl Leskoschek (1889–1976) versuchten es noch mit Feder- oder Tuschzeichnungen – Woelfle 1922, Hegenbarth, zeichnerisch souverän, 1941 und 1962, Leskoschek 1958 –, die relativ leicht einer Textvorlage zuzuordnen sind. Prechtls Aquarelle und Federzeichnungen fügen dagegen eine eigene Interpretation hinzu, was er mit eigenen Bildlegenden zu jedem ganzseitigen Aquarell und dem Anhang: Die Kater Murr & Johannes Kreisler Bibliothek unterstreicht. So muss der Betrachter kombinieren. Dass Albert Einstein[32] Meister Abraham Liskov auf dem Aquarell: Murr in Abrahams Schoß verkörpert, ist ein Überraschungscoup. Was verbindet den genialen, übrigens glänzend porträtierten Physiker des 20. Jahrhunderts[33] mit Abraham Liskov? Historisch natürlich nichts. Sie sind aber beide Sonderlinge mit überragender Intelligenz und Freude an Spott und Parodie. Meister Abraham Liskov ist Kreislers Mentor und Alter Ego, der Maître de Pläsir am Hof des Fürsten Irenäus und allmächtige Magier des Romans, der alle Fäden wie Prospero in Shakespeares Sturm in der Hand hält und als Drahtzieher Kreislers Geschicke bestimmt.[34] Ferner zieht er Kater Murr auf und erzieht ihn, indem er ihm ‚Bildung‘ zuteilwerden lässt. Das könnte als Parallele gemeint sein. Prechtl hat bereits durch die Bildlegende festgelegt, dass der Dargestellte Abraham Liskov ist. Murr hat es sich im Schoß des schrulligen Alten mit der doppelten Identität bequem gemacht: Er ist ein wohlgenährter, riesiger Kater mit intelligentem Blick. Es fehlt nur die Brille des Gelehrten. Die trägt der Kater selbstverständlich auf dem Umschlagsbild, auf dem zu sehen ist, wie er seine Lebensansichten auf zufälligen Makulaturblättern niederschreibt. Eine solche Brille trägt Murr übrigens auf etlichen Grafiken Prechtls. Schwerer zu deuten ist Prechtls Legendenschluss, die Anspielung auf das Ende von Goethes Briefroman: Die Leiden des jungen Werthers: Kein Lektor, kein Herausgeber hat den Text begleitet. Prechtl zitiert und parodiert eben wie Hoffmann. Möglicherweise spielt er hiermit auf die Einsamkeit des schon todkranken Dichters während der Niederschrift der Lebensansichten des Katers Murr an und dass dieser wegen seines frühen Todes den geplanten dritten Band, der bis zu Kreislers Wahnsinn führen sollte, nicht mehr schreiben konnte. Vielleicht auch darauf, dass dieser außerordentliche Roman erst im 20. Jahrhundert wertgeschätzt werden konnte.
Stephan Klenner-Otto (*1958)
Stephan Klenner-Otto lässt den Betrachter ebenfalls rätseln. Hoch oben auf dem Dach heult Kater Murr den Mann im Mond an, der unschwer als E.T.A. Hoffmann zu identifizieren ist. Die Aquatinta-Radierung bezieht sich auf das Kapitel: Lebenserfahrungen des Jünglings. Auch ich war in Arkadien, dem letzten Kapitel des ersten Bandes. Murr ist nachts bei Mondschein und klarem Himmel oben aufs Dach geklettert, um seiner geliebten Miesmies zu begegnen. Seine Seufzer wurden laute Liebesklagen.[1] Der grotesken Grundstruktur des Romans zu entsprechen, die sich vor allem aus dem zentralen Motiv der Inversion von Tier und Mensch ergibt[2], scheint hier Klenner-Ottos Absicht gewesen zu sein. Klenner-Otto gestaltet oft Zweideutiges, das Identitätsfragen aufwirft. So hat er z.B. mehrere raffinierte Hoffmann-Porträts geschaffen, die ihm selbst sehr ähnlich sind. Damit unterstreicht er seine besondere Affinität zu Hoffmann, freilich nicht frei von Selbstironie.
Steffen Faust (*1957)
Steffen Faust zeigt sich in seinen Feder-und Bleistiftzeichnungen von 2013–2015 zu den Lebensansichten des Katers Murr [37] wie Prechtl als ein Virtuose der Verfremdung. Nur eben in Fausts Manier und textbezogener. Wie Prechtl ist er ein exzellenter Tierzeichner. Seine Katzenbilder zu dem Roman sind umwerfend komisch und wie bei Prechtl nirgendwo peinlich, obwohl sie im Ausdruck vermenschlicht sind. Ihm gelingt damit die bildliche Analogie zum Roman, zu dessen grotesker Inversion von Tier und Mensch. Die Gefahr von Kitschnähe, bei anderen Illustrationen zu Kater Murr durchaus vorhanden (z.B. Leskoschek und René Mar), ist bei ihm nirgendwo gegeben. Großartig sind auch seine parodistischen Zeichnungen zur Kreisleriana.[38]
Michail Gawritschkow (*1963)
109 Radierungen hat der in St. Petersburg geborene Michail Gawritschkow 2007 zu den Lebensansichten des Katers Murr im Auftrag des St. Petersburger Verlages Vita Nova geschaffen. Das Buch erschien 2008 mit den ganzseitigen Radierungen. Es sind Strukturbilder und Dokumente des Phantastischen Realismus, reich an suggestiver Bildsymbolik und rätselhaft im üppig wuchernden Detail. Eine Radierung zeigt, wie Julia Benzon und Prinzessin Hewiga im Schlosspark des Fürsten Irenäus wandeln. Irenäus, eine eher lächerliche Figur infolge permanenter Selbstüberschätzung, ist ein Fürst ohne Land. Ihm gehören nur das Schloss, der Schlosspark und die Stadt Sieghartsweiler. Der Park ist unheimlich und voll bedrohlicher und grotesker Gestalten, erscheint auf anderen Radierungen des Künstlers auch als manieristischer Irrgarten und hier mit Höllenrachen und geheimnisvollen Skulpturen. Bei genauerem Hinsehen erkennt man statt des Höllenrachens den Kopf Kater Murrs, ferner den Pudel Ponto, beide überdimensional groß, und dazu wohl die Gesichter des Fürsten Irenäus und der Rätin Benzon, seiner ehemalige Geliebten. Im Hintergrund erhebt sich das Schloss des Fürsten. Die dazugehörige Textstelle stammt aus dem Kapitel: Gefühle des Daseins. Die Monate der Jugend vom ersten Band des Romans. Nur ist Gawritschkows Park kein anmutiger Park zu Sieghartshof[39], sondern ein bedrohliches Labyrinth. Die Radierung will zusammenfassende Deutung sein: mehrere Motive aus der Murr- und Kreisler-Biografie sind wie einem Suchbild kombiniert. Der Künstler macht so deutlich, wie intensiv er sich mit dem Roman beschäftigt hat. Der unheimliche Irrgarten symbolisiert die fragwürdigen, grotesken Verhältnisse am Duodezhof zu Sieghartsweiler, an denen auch Kreisler zerbricht.
Tatjana Petrowa von Kuguschew (1940–1995)
Eine ähnlich kritische Sicht auf die karnevalesken Verkehrtheiten der Welt um Fürst Irenäus zeigt sich in den surrealen Federzeichnungen der russischen Künstlerin Tatjana Petrowa von Kuguschew, die sich wie Gawritschkow intensiv mit E.T.A. Hoffmann auseinandersetzte und viele seiner Werke auftragsunabhängig illustrierte. Mit ihrer Zeichnung von 1971 zu den Lebensansichten des Katers Murr präsentiert sie den ‚Ignatius-Clan‘ in einem pyramidal aufgebauten Gruppenporträt mit dem Fürsten an der Spitze als Mummenschanz, als wahres Gruselkabinett. Zwischen den Figuren gibt es keinen Raum, der ihnen Bewegungsfreiheit ließe. Sie sind wie Laokoon mit seinen Söhnen zu einem Knäul verflochten und voneinander abhängig, wie es auch der krause Zeichenstil unterstreicht. Die Zeichnung ist eine sehr freie Deutung und scheint nicht auf eine bestimmte Textstelle bezogen zu sein, es sei denn auf das misslungene Festende und das Malheur des Theater-Maschinisten am Romananfang, als den Fürsten heiße Tropfen von fallenden Wachskerzen treffen und die Feuerlilie direkt auf ihn fällt, sodass seine große Sippe mit den Laokoontischen Gesichtern zersprengt wird, jeder im Dunkeln umherirrt. Das Ganze erweist sich dann als Inszenierung Abrahams. Die Tasse in der Luft ist schwer zu deuten, ebenso das von der Decke hängende geöffnete Medaillon, das möglicherweise ein Ahnenbild enthält. Russische Hoffmann-Illustration hat oft politische Implikationen, die aber Hoffmann entsprechen. Sehr verhalten und verdeckt treten sie auf, aber sie sind unverkennbar, ist der Blick erst einmal sensibilisiert.
Illustrationen zu Klein Zaches genannt Zinnober
In der nicht bibliophilen Buchillustration zu Hoffmann hat sich seit den 1960er Jahren ebenfalls viel getan. Selbst in Taschenbüchern des Insel- oder Rowohlt-Verlags finden sich Illustrationen von beachtlicher Qualität, wie z.B. die von Christa Jahr, Sergej Alimow, Renate Sendler-Peters, Klaus Ensikat und Ernst Kößlinger zu Klein Zaches genannt Zinnober.
Christa Jahr (*1941)
Christa Jahr studierte von 1968–1973 an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, unter anderem bei Karl-Georg Hirsch. Ihre Holzstiche von 1978 zu Klein Zaches genannt Zinnober, im Leipziger Insel-Verlag erschienen (Insel-Bücherei Nr. 618) sind deutlich von Hirsch geprägt, der 1970 die Leitung der Werkstatt für Holzschnitt und Holzstich übernommen hatte und selbst 1991 Hoffmanns Nachtstück Das öde Haus illustriert hat. Beide Künstler gehörten bis zum Zusammenbruch der DDR dem Verband Bildender Künstler der DDR an. Jahrs expressive, technisch perfekte Holzstiche zu Klein Zaches genannt Zinnober betonen durch Verfremdung der figürlichen Proportionen und besondere Nahsicht das Komische und Absurde der satirischen Erzählung vom Aufstieg und Fall eines minderbemittelten Wechselbalgs, der kraft einer Feengabe sogar zum Minister aufsteigen und eine sich für aufgeklärt haltende Gesellschaft heillos verblenden kann. Fast alle Holzschnitte haben wie bei Karl-Georg Hirsch einen schwarzen Rahmen, an den die lebensprallen Figuren so stoßen, als wollten sie ihn sprengen. Zudem wird er nicht selten durch groteske Gestalten aus der Tierwelt erweitert. Der hier abgebildete Holzstich illustriert Zaches‘ Entlarvung und sein Karriereende aus dem Achten Kapitel. Als die Studenten Balthasar und Fabian Zaches die roten Zauberhaare, das Geschenk der Fee Rosabelverde, ausgerissen haben, erwacht die Gesellschaft des kleinen Fürstentums wie aus einem schweren Traum und erkennt in Minister Zinnober das, was er wirklich ist: eine abscheuliche Missgeburt. Die Männer heben den immerfort tobenden und mit den Füßen stampfenden Däumling Zaches vom Boden auf und werfen sich ihn zu wie einen Fangball unter tollem Gelächter.[40] Genau das hat Christa Jahr dargestellt. Dabei verliert Zaches alle Orden und es bleibt ihm schließlich nur die Flucht, 1983 glänzend dargestellt von dem russischen Künstler Sergej Alimow (geb. 1938).
Renate Sendler-Peters (*1941)
Renate Sendler-Peters hat in einer Radierung von 1984 zur Ausgabe des Insel-Verlages (Insel-Taschenbuch 777, Frankfurt/Main) dieselbe Szene wie Christa Jahr dargestellt. Ihre Darstellung ist relativ minimalistisch, lässt viel weg und somit viel Raum zwischen Zaches und den Männern, die ihn wie einen Ball in die Luft werfen. Von ihnen sind nur am Rand die Hände und Köpfe zu sehen. So wirkt das In-die-Luft-Werfen ausgeprägt und die Ängste, die Zaches dabei aussteht, werden spürbar. Da dasselbe Motiv für den Buchumschlag gewählt wurde, nur in einer etwas anderen Version, weil hier nur die Hände der Menschen, die Zachen wie einen Spielball in die Luft werfen, erscheinen, muss der Künstlerin dieses Motiv besonders wichtig gewesen sein. So, wie sie es verbildlicht hat, symbolisiert es die Willkürlichkeit des Aufstiegs und Falls in der Gesellschaft, selbst wenn der Fall des unverdientermaßen zum Minister erkorenen Schmarotzers verdient erscheint. Dass er so weit aufsteigen konnte, lässt ihn zum Zerrbild einer Gesellschaft werden, die nichts anderes verdient hat. Dass ihm am Ende durch das begütigende Wirken ein ehrenvolles Begräbnis zuteilwird und sich somit die Verklärung der Missgeburt wiederholt, ist ein ironischer Märchenschluss. Die meisten Illustratoren arbeiteten deshalb die satirischen Züge der Erzählung heraus. In Sendler-Peters‘ Radierungen ist jedoch Empathie mit dieser armseligen Kreatur zu spüren. Ihre Besonderheit ist zudem, dass sie alle Figuren fast unbekleidet lässt und nur mit wenigen plastischen Linien andeutet, während die Hände und Köpfe überproportional groß und durchgearbeitet erscheinen. Das ist ein expressives Mittel ihrer durch den Schwarz-Weiß-Kontrast bestimmten Kompositionen und dient der Charakteristik der Figuren. Folgerichtig müsste selbst Zaches eine Persönlichkeit zugesprochen werden.
Klaus Ensikat (*1938)
Der Berliner Grafiker Klaus Ensikat, dessen illustrierte Bücher als schönste Bücher des Jahres vielfach prämiert wurden und der zweimal den Goldenen Apfel der Biennale Bratislava bekam, hat in seinen detailreichen Federzeichnungen von 1994 ebenfalls den satirischen Kern der Erzählung Klein Zaches genannt Zinnober bloßgelegt. Er zeichnete mit einer harten britischen Stahlfeder und ist ein Meister der minutiösen, präzisen Sachzeichnung in der Tradition des DDR-Realismus und naturalistischer stofflicher Richtigkeit, deutlich sichtbar bei den Figuren, ihrer Kleidung, ihrer Haartracht und dem architektonischen Ambiente. Bezeichnend ist für ihn zudem die Spannung innerhalb seiner Figurengruppen, das Spiel der Blicke.[41] Das Interessante an seinen Federzeichnungen ist, dass sie eben nicht rückwärtsgewandt traditionalistisch erscheinen, sondern durchaus zeitgemäß, weil sie zwischen Realismus und Phantastik changieren und den Blick auf Absurdes lenken. Tatsächlich ist es für Balthasar, der soeben sein Gedicht den Damen im Haus Mosch Terpins, des Professors für Ästhetik, vorgetragen hat, unerträglich absurd, dass Zaches dafür die Lorbeeren erntet, selbstgefällig auf dem Sofa sitzt und von den Damen sowie Mosch Terpin als göttlicher Zinnober angehimmelt wird.
Xago (Rolf Xago Schröder, *1942)
Extrem minimalistisch und doch treffgenau sind die Aquarelle[42] des Berliners Xago von etwa 2002, die sich in einer Mappe im Besitz der Berliner Staatsbibliothek[43] befinden und als gedrucktes Aquarellbuch vorliegen. Michael Duske konnte Xago schon 1995 für die bibliophile Ausgabe der Erzählung E.T.A. Hoffmanns: Aus dem Leben eines bekannten Mannes in seinem Verlag Serapion vom See gewinnen und hielt dies damals für einen Glücksfall. Xago habe nicht nur die E.T.A. Hoffmann-Gesamtausgabe des Berliner Aufbau Verlages erfolgreich mitgestaltet, sondern auch durch sein Werk, das Phantasie und Ironie kennzeichneten, ein besonderes Verhältnis zu E.T.A. Hoffmann.[44] Das 6. Blatt: Klein Zaches wird beäugt – die Bildlegenden stammen alle von Xago selbst und sind handschriftlich unten am Rand hinzugefügt – zeigt nicht nur in der Mitte die verwachsene Missgestalt des Klein Zaches mit ihren überlangen Spinnenbeinen und knallrotem Kugelbauch (für alle Zaches-Figuren von Xago typisch), sondern auch in einer zeichenhaft abstrakten Sprache die neugierigen Menschen aus dem bornierten, sich für fortschrittlich und aufgeklärt haltenden Duodezstaat Barsanuph. Einige tragen eine Brille und sind größer als die anderen, weil sie sich wohl für gelehrter halten. Diese Figuren sind Tieren ähnlich und nur schemenhaft angedeutet, aber deutlich genug als Karikaturen zu erkennen, ähnlich aufgebläht wie Zaches. Sie beäugen neugierig das fremdartige Wesen, das ihnen doch so ähnlich ist. So suggeriert es Xago. Er illustriert das Werk nicht, er deutet es. Seine Aquarelle sind deshalb nicht auf konkrete Textpassagen zu beziehen.
Zinnober ist nur eine Kreatur der Fee Rosabelverde. Solange er von der Fee gekämmt wird, was regelmäßig geschehen muss, und die roten Haare der Fee erhalten bleiben, kann er die Welt betrügen, von seiner wahren Gestalt ablenken und die Talente anderer Menschen für sich buchen. Er ist ein Nichts, dem Gespött der Umwelt preisgegeben und verachtet, als der Kamm der Fee zerbricht und ihm die roten Haare ausgerissen werden. Aber mit seiner Entlarvung geht auch die Entlarvung der Bürger des Kleinstaates einher. Hoffmanns schließt dieses ‚Märchen‘ zwar mit einem märchenhaften Ende ab, aber es ist im Kern trotz aller Phantastik vor allem eines: eine Satire.[45] Sein Reiz liegt in seinem hohen Satirepotential.[46] Dass Balthasar schließlich seine Candida heiraten wird, die Tochter des Naturkunde-Professors Mosch Terpin, eines Scharlatans wie so viele im Duodezstaat, ist nach Hoffmanns eigener Sicht eher bedenklich. Ein guter Dichter kann er so nicht werden.
Ernst Kößlinger (*1926)
Der Münchener Grafiker und Radierungsspezialist Ernst Kößlinger illustrierte 1990 Hoffmanns Klein Zaches genannt Zinnober mit Radierungen, die dem satirischen Kern entsprechen. Seine Radierung: „…und blieb festgezaubert stehen, denn ihm entgegen kam der Professor Mosch Terpin, der seine Tochter Candida am Arme führte“ (unter der Radierung im Buch zu lesen) zeigt durch satirische Überzeichnung deutlich, was von Mosch Terpin und seiner Tochter Candida zu halten ist.
Franz Fühmann hat in seinem Essay, der der Ausgabe des Klein Zaches… mit Kößlingers Radierungen angehängt wurde, darauf hingewiesen, dass sich Balthasar und Klein Zaches, wie für Märchen typisch, in ihrer Gegensätzlichkeit entsprächen, ihr Aufstieg und ihr Fall sei immer gegenläufig. Interessant ist Fühmanns auch mit Hoffmanns Biographie begründete und wohl bei vielen auf Ablehnung stoßende Ansicht, dass der Dichter, der sich selbst als missgestaltet empfand, sich in der Gestalt des Klein Zaches wie in einem Zerrspiegel selbst porträtierte und damit nicht hätten wollen können, dass in Zaches nur das Scheusal gesehen werde.[47] So ist der Empathie mit dieser unglückseligen Kreatur, wie sie aus manchen Illustrationen deutlich wird, kein abwegiger Interpretationsansatz. In der Regel gilt sie vor allem Frau Liese, der Mutter von Klein Zaches.
Jutta Mirtschin (*1949)
Jutta Mirtschin hat 2008 sehr sensible Farbbilder zu dieser Erzählung geschaffen, die stilistisch und inhaltlich deutlich von anderen Illustrationen abweichen und, da sie bislang noch nicht veröffentlicht wurden, an sich nicht zur Buchillustration gehören. Sie werden aber an dieser Stelle vorgestellt, weil sie jene Empathie mit der Gestalt des Klein Zaches spiegeln, von der eben die Rede war. Die Originale, ein Konvolut von 10 Ölgrafiken und 11 Skizzen, befinden sich wie die von 2011 zu Des Vetters Eckfenster im Westhafenspeicher der Berliner Staatsbibliothek. Mirtschin malte in Mischtechnik (Öl, Aquarell, Wachskreide) auf einer farbigen Blumentapete. Der Hintergrund wirkt dadurch irreal und bestimmt die Atmosphäre. Das Bild zum Ersten Kapitel: Dringende Gefahr einer Pfarrernase zeigt, wie Klein Zaches, da er das Gleichgewicht verloren hat, aus dem großen Holzkorb der Mutter dem Pfarrer vor die Füße gerollt ist. Dass die Bäuerin Liese mit Zaches im Holzkorb schwer zu tragen hat, ihr Leben aus Mühe und Arbeit besteht und freudlos ist, macht ihr gekrümmter Rücken deutlich. Wie arm sie ist, zeigen die nackten Füße in den Pantoffeln und das schmucklose Kleid mit Schürze. Zaches ist missgestaltet, wie im Text beschrieben: zu seinem halslosen kugelförmigen Leib gehören haselgertdünne Beine und Arme und eine lange Mähne. Vom Gesicht ist außer einer langen, spitzen Nase nicht viel zu erkennen. Der Pfarrer beugt sich liebevoll zu Zaches herab, der dicken roten Kugel vor seinen Füßen, und will ihn aufrichten. Er wird, so der Gang der Erzählung, Frau Liese anbieten, ihr Zaches abzunehmen und ihn großzuziehen. Beglückt über solch eine Wendung ihres schweren Schicksals gibt Liese sofort ihren Sohn ab, die schwerste Last ihres freudlosen Lebens. Der Pfarrer ist, wie in Mirtschin Darstellung deutlich erkennbar, in Klein Zaches vernarrt. Eigentlich müsste er neben sich seinen bildhübschen dreijährigen Sohn haben, den er aber vor lauter Liebe zu Zaches übersieht. Er hat nur noch einen Blick für die bezaubernde Missgestalt vor seinen Füßen. So hat Jutta Mirtschin die Szene, die Übergabe des Zaches an den Pfarrer, dargestellt: sehr sparsam, nur auf die drei Hauptpersonen konzentriert. Der kleine Sohn des Pfarrers ist nicht im Bild, die Haustür erscheint nur angedeutet; ein Ambiente gibt es nicht. Deshalb spricht Carola Pohlmann im Lexikon der Illustration davon, dass Jutta Mirtschin die Kunst des Weglassens beherrsche. Sie konzentriere sich auf das Wesentliche. Und das Wesentliche ist hier der Übergabevorgang, dass der armen Liese eine schwere Last genommen wird und der Pfarrer, wie es seine Augen spiegeln, das auch noch gern tut und nicht nur aus Mitleid, überzeugt davon, dass es sich lohnt, Zaches großzuziehen. Eine Darstellung voller Empathie! Sehr schlicht, mit einfachsten bildnerischen Mitten gestaltet und aussagekräftig.
Friedrich Hechelmann (*1948) – Highlight der Klein Zaches-Illustration
Faszinierend, eigentlich das Highlight in der Illustration zu Klein Zaches genannt Zinnober, sind die Aquarelle, die Friedrich Hechelmann (1948) 1978 für die Ausgabe des Werkes im Kunstverlag Weingarten schuf und die in Originalgröße perfekt reproduziert wurden. Der Allgäuer Hechelmann ist an der Wiener Akademie der Bildenden Künste als Meisterschüler von Rudolf Hausner (1914–1995) ausgebildet worden und dem Phantastischen Realismus der Wiener Schule verpflichtet. Dass der Stil des Phantastischen Realismus E.T.A. Hoffmann weitgehend entsprechen würde, war eigentlich zu erwarten und Hechelmanns Aquarelle bestätigen dies in hohem Maße. Jede seiner Kompositionen zu Klein Zaches genannt Zinnober spiegelt kompromisslos seinen eigenen Stil, der nahtlos Phantastisches und Wirkliches ineinander übergehen lässt. Hechelmann ist höchst kreativ, wiederholt sich nicht und möchte Hoffmanns Erzählkunst als Gleichberechtigter gegenüberstehen. Vorstellbar ist zwar, dass ein Hoffmannkenner die Dominanz der Bilder kritisiert, aber beim Aufschlagen des Bildbandes ist es kaum möglich, sich der Suggestivkraft der malerisch und farblich delikaten Sfumato-Bilder Hechelmanns und ihrer tiefenräumlichen Sog-Wirkung zu entziehen. Seine Kompositionskunst ist meisterhaft, auch das Layout, d.h. die Art, wie er Textblöcke integriert, zwischen ganz- oder doppelseitigen sowie den Text integrierenden Bildern variiert und die Missgestalt Zaches zwischen den Seiten turnen lässt.
Ihm Verstöße gegen den Originaltext nachzuweisen dürfte schwerfallen. Er trifft mit hoher Sensibilität die Atmosphäre und Ironie der Erzählung vom Aufstieg und Fall dieser Missgeburt. Er nimmt Hoffmann beim Wort, wenn es z. B. im 6. Kapitel (Wie das Fräulein von Rosenschön sich mit Kaffee begoss und Prosper Alpanus ihr seine Freundschaft versicherte) heißt: Und damit breitete sich ihr seidenes Kleid aus, und sie schwebte als der schönste Trauermantel auf zur Decke des Zimmers. Doch sogleich sauste und brauste auch Prosper Alpanus ihr nach als tüchtiger Hirschkäfer.[48] Hechelmann entspricht fast wörtlich dem surrealen dichterischen Bild, auch atmosphärisch durch das Sfumato in grünblauer Farbgebung. Darüber hinaus fügte er noch ein geheimnisvolles Ambiente hinzu, einen hohen klassizistischen Saal mit zwei verschlossenen Türen und einer Pendeluhr. Grandios, tief ironisch wie die dichterische Vorlage ist das Schlussbild zum 9. Kapitel, zum Leichenbegräbnis des Ministers Zinnober … eins der prächtigsten, das man jemals in Kerepes gesehen. [49]
Ulrich Helmke kann nur zugestimmt werden, wenn er in seiner Rezension Geglückte Verführung 1979 davon spricht, dass der Kenner sich solche eigenwilligen, zugleich historisierenden und modernen, dabei dem Hoffmannschen Geist doch so verwandten, faszinierenden Bilddeutungen zu ‚Klein Zaches genannt Zinnober‘ … bislang nur erträumt (von Borutscheff abgesehen) habe. Immer schon war die Ahnung vorhanden, daß ein Vertreter des Wiener phantastischen Realismus ein kongenialer Hoffmann-Illustrator sein müßte. Sie hat sich erfüllt.[50] Friedrich Hechelmann hat 1998 noch für den Verlag Das Beste GmbH in Stuttgart E.T.A. Hoffmanns Das Fräulein von Scuderi und andere Erzählungen[51] illustriert. Die Ausgabe ist für ein breites Publikum gedacht und kann deshalb trotz der qualitätsvollen ganzseitigen Aquarelle nicht so beeindrucken wie die Edition des Kunstverlags Weingarten von 1978. Das Layout spielt eben eine entscheidende Rolle.
Illustrationen zum Goldenen Topf
Jindra Čapek (*1953)
Der Tscheche Jindra Čapek ist wie Hechelmann ein Vertreter des Phantastischen Realismus. Seine Künstlerbücher, Gemälde und Zeichnungen wurden in Madrid, Venedig, New York, Boston und anderen Städten des In-und Auslands ausgestellt und mehrfach ausgezeichnet. Sie haben ihn international bekannt gemacht. 1995 illustrierte er Hoffmanns Goldenen Topf einerseits mit weich modellierenden, in den Text eingestreuten Grafitzeichnungen und andererseits mit recht dominanten großformatigen Farbbildern von großer Intensität (Gouache oder Acryl), die zwischen märchenhafter Phantastik und magischem Realismus wie in der Pittura metafisica changieren und künstlerisch wie die Hechelmanns faszinieren, obwohl sie trotz ähnlicher Sfumato-Technik gänzlich anders sind und Čapek ebenfalls einen sehr eigenen ‚gotischen‘ Stil entwickelt hat. Die Landschaft wirkt wie durch einen Zerrspiegel gotisch in die Länge gezogen, die Figuren erscheinen in gotischer Manier spitz und lang, vor allem ihre Gesichter, Beine, Arme und Hände. Dadurch wirken sie befremdlich, geheimnisvoll, unnahbar.[52] Jeder ist ein Gefangener seiner selbst, dem anderen fremd. Das passt zu Hoffmanns Erzählung, zur Symbolik des gläsernen Gefängnisses aus der Zehnten Vigilie: Die Leiden des Studenten in der gläsernen Flasche, zu dem Čapek eine passende Illustration lieferte. Selbst die Landschaft ist ‚gotisiert‘. Raffiniert wie der Wechsel zwischen Nah- und Fernsicht ist auch die märchenhafte Farbigkeit mit ihrer monochromen Modulation eines Grundtons, der aber von innen heraus leuchtet. Das farbige Bild zu Anselmus‘ abendlicher Gondelfahrt auf der Elbe mit einem Schiffer, mit Konrektor Paulmann, seinen beiden Töchtern und Registrator Heerbrand aus der Zweiten Vigilie ist typisch und zugleich ein Beispiel dafür, wie nah Čapek mit seiner Technik und bildnerischen Erfindung der dichterischen Vorlage kommt: Anselmus meint in den Fluten die goldenen Schlänglein wiedererkannt zu haben und will sich mit sehnsuchtsvollem Verlangen selbstmörderisch in die Elbe stürzen. Der Schiffer kann ihn noch gerade zurückhalten: „Ist der Herr des Teufels?“ rief der Schiffer und erwischt ihn beim Rockschoß. Die Mädchen, welche bei ihm gesessen, schrien im Schreck auf und flüchteten auf die andere Seite der Gondel …[53] Das seltsame Gebaren des Studenten erschreckt die in der Gondel Mitfahrenden zutiefst. Anselmus ist ihnen unheimlich, passt nicht in ihre bürgerliche Welt. Er agiert nach Čapeks Darstellung wie ein mondsüchtiger Mensch, der nicht bei Sinnen ist (Paulmann: „Dergleichen Anfälle – noch nicht bemerkt?“… Dem Studenten Anselmus vergingen beinahe die Sinne). Auch die Atmosphäre ist unheimlich durch die gelblich phosphoreszierenden Spiegelungen des Feuerwerks vom anderen Elbufer im Wasser (…als er nun aber den Wiederschein der in der Luft herumsprühenden und knisternden Funken und Flammen im Wasser sah, da war es ihm, als zögen die goldnen Schlänglein wieder durch die Flur.)[54] Čapek ist ein Könner, fraglos. Und sein Geschenk-Bilderbuch, wie diese Edition des Goldenen Topfes im Klappentext genannt wird, gibt in der Tat Träumen Raum.
Tatjana Nikitina (*1961)
Die Moskauer Kunstgrafikerin Tatjana Nikitina, Oberlektorin am Illustrationslehrstuhl der Moskauer Staatlichen Universität, hat sich inzwischen im In-und Ausland einen Namen gemacht hat und war mit ihren Büchern 2003 auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Sie hat 2007 sowohl den Goldenen Topf als auch das Kindermärchen Nussknacker und Mausekönig illustriert.[55] Die in Moskau beim Verlag Pan Press erschienene bibliophile Ausgabe des Goldenen Topfes wirkt kostbar durch ein raffiniertes Layout und großformatige, ganzseitige, mit Randzeichnungen gerahmte Farbbilder. Sie lädt wie die von Čapek illustrierte Ausgabe zum Träumen ein. Zum Vergleich sei hier dieselbe Szene, die auch Čapek zu Illustration wählte, vorgestellt. Nikitina konzentrierte sich allein auf Anselmus in der Gondel, der sich gerade in die Elbe stürzen will, verführt von den goldenen Schlänglein, die er in den Fluten der Elbe zu erkennen meint. Ausgelöst wird diese Erscheinung durch die tausend knisternden Strahlen und Flammen und die prasselnd und zischend … in die Höhe fahrenden Raketen des am gegenüberliegenden Ufer in Dresden abgebrannten Feuerwerks.[56] Der übergroße Kopf einer goldenen Schlange symbolisiert die verführerische Wirkung auf Anselmus. Die Strahlen des Feuerwerks treffen auf beide: auf Anselmus‘ Gesicht und die Schlange in der Elbe, womit das Imaginäre des Vorgangs erkennbar wird, aber auch Anselmus‘ suizidale Gefährdung. Obwohl auch hier durch die Farbwahl und Perspektive Stilmittel des Phantastischen eingesetzt wurden, wirkt Nikitinas Darstellung gänzlich anders als die Čapeks. Letztere ist unheimlicher, die Menschen, allen voran Anselmus, erscheinen wie Marionetten, ihres Willens beraubt. Unterstrichen wird diese Wirkung durch die Dominanz des Wassers mit seiner phosphoreszierenden Farbgebung, der Mischung aus Grün, Blau und Gelb. Nikitinas Bilder sind, wie für die Russen typisch, farbkräftiger. Russische Künstler scheuen die Farbe nicht, sie haben ein ungestörtes Verhältnis zu ihr. Das scheint eine nationale Besonderheit zu sein und fällt bei vielen russischen Hoffmann-Illustrationen auf.
Anwar Bagautdinow (*1962)
Zwei weitere Arbeiten zum Goldenen Topf, dem Märchen aus der neuen Zeit, dem berühmtesten und neben Nussknacker und Mausekönig meistillustrierten Werk Hoffmanns, mögen zeigen, wie unterschiedlich Illustrationen zu derselben literarischen Vorlage ausfallen können. Zum einen die 1986 entstandenen Arbeiten (Buchillustration) des sächsischen, aus Meißen stammenden Grafikers Lutz Hirschmanns und die auftragsunabhängigen Pastellzeichnungen von 2002 des Russen Anwar Bagautdinow, der in Archangelsk geboren und in St. Petersburg an der Muchina-Kunsthochschule ausgebildet wurde. Beide Künstler haben sich intensiv mit E.T.A. Hoffmann auseinandergesetzt. Bagautdinow beschäftigt sich seit seiner Diplomarbeit über E.T.A. Hoffmann vornehmlich mit dessen Werken. Er ist, so Tatjana Jakob, zu einem bedeutenden Bildhauer und Grafiker der Gegenwart geworden. Seine Art, die Werke von Hoffmann zu interpretieren … sei einzigartig und phantasievoll. Fast alle seine Werke zu E.T.A. Hoffmann hätten Preise erhalten.[57] Die Grafiken und Skulpturen Bagautdinows sind zusammen mit Steffen Fausts Grafiken zu Hoffmann im Auftrag der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft im Mai 2002 in Bamberg ausgestellt worden.
Die Pastellzeichnung (eher Wachskreide) von 2002: Das Apfelweib wurde von der Staatsbibliothek Bamberg erworben. Wie für Bagautdinow typisch ist es ein düsteres und bedrohliches Bild, Produkt seiner speziellen Ritz-und Kratztechnik, die nur auf dunklem Untergrund durch dick aufgetragene Wachskreide möglich ist. Mit dem Ritz- oder Schabestift werden die figürlichen und gegenständlichen Motive in Parallelschraffuren herausgeschält. Besondere Helligkeit bzw. beabsichtigtes Leuchten entsteht entweder durch Aussparen von Flächen bei der Grundierung, durch das Auftragen unterschiedlicher Farbschichten oder durch Übermalung mit leuchtend hellen Kreiden. Diese Technik lässt eigentlich nur dunkle Bilder zu.
Bagautdinows Zeichnung gilt dem Anfang des Kunstmärchen: Anselmus rennt in Dresden durch das schwarze Tor und geradezu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes häßliches Weib feilbot, so daß alles, was der Quetschung glücklich entgangen, hinausgeschleudert wurde… [58] An sich passiert Anselmus dies um drei Uhr nachmittags am Himmelfahrtstag. So müsste eigentlich heller Tag sein. Hoffmann beginnt sein Kunstmärchen, sein Märchen aus der neuen Zeit mit genauen zeitlichen und örtlichen Angaben. Bagautdinow lässt es dagegen Nacht sein, düstere Wolken sind aufgezogen, den Vollmond umkreist ein schwarzer Vogel (Rabe oder Krähe) und auf das korpulente Apfelweib mit dem riesigen Apfelkorb im Zentrum des Bildes fällt grelles Licht, das die hässliche Alte und vor allem ihren Blick unheimlich erscheinen lässt. Bagautdinow konzentrierte sich ausschließlich auf sie und hatte vor allem die von ihr ausgehende Bedrohung im Blick, denn schließlich verflucht sie Anselmus mit gellender, krächzender Stimme… die etwas entsetzliches hatte…[59] und wünscht ihm, dem angeblichen Satanskind, den Fall ins Krystall. Anselmus versteht zwar den Sinn ihrer Worte nicht, wird aber von einem unwillkürlichen Grauen ergriffen.[60] Bagautdinwos drastische Darstellung, deren Stil sich als eine Mischung aus Phantastik und Realismus in russischer Tradition präsentiert, will somit Deutung und mehr als die bildliche Übertragung einer Augenblicksszene sein: Schließlich ist das Apfelweib eine Hexe, die als feindliches Prinzip und Verkörperung des Bösen Anselmus‘ Leben noch in verschiedener Gestalt gefährden wird. Anselmus‘ Zusammenprall mit ihr deutet darauf hin, dass ihn noch manches zutiefst gefährden wird, ehe er zu sich selbst findet und seine Bestimmung zum Künstler bzw. Dichter erkennt und auf ein bürgerliches Leben verzichtet.
Lutz Hirschmann (*1949)
Hirschmanns kubistische, von Pablo Picasso, Marcel Duchamp und Fernand Léger beeinflusste, teils auch comicartige Grafitzeichnungen zum Goldenen Topf von 1986 gehören zu den eigenartigsten Arbeiten der Hoffmann-Illustration. Sie fallen durch ihren hohen Abstraktionsgrad sowie durch ihren in grafischer Hinsicht kontrastreichen, karikaturistischen und aggressiven Stil aus dem Rahmen und sind gewöhnungsbedürftig, scheinen nicht zu Hoffmann zu passen. Erst auf den zweiten Blick werden sie interessant. Auch der erste Eindruck, Parallelen zum Text ließen sich nur schwerlich finden angesichts solch gewagter Interpretationen, erweist sich bei genauerem Abgleich von Bild und Text als falsch. Hirschmann illustriert ausgesprochen wortgerecht. So zeigt seine Grafitzeichnung zur Zehnten Vigilie: Die Schlacht im Bibliothekszimmer des Archivarius Lindhorst den Kampf Lindhorsts mit der Hexe um den goldenen Topf, in Hirschmanns Zeichnung der einzige Farbfleck: In dem Augenblick kam die Alte ins Zimmer gesprungen, den goldenen Topf auf dem Arm tragend und mit gräßlicher Gebärde wild durch die Lüfte schreiend … da richteten sich die schwarzen Haare der Alten wie Borsten empor, ihre glutroten Augen erglänzten von höllischem Feuer und die spitzigen Zähne des weiten Rachens zusammenbeißend zischte sie: frisch – frisch’raus – zisch aus, zisch aus, und lachte und meckerte höhnend und spottend und drückte den goldenen Topf fest an sich und warf daraus Fäuste voll glänzender Erde auf den Archivarius …[61] Jedes Detail der bildhaften Schilderung Hoffmanns ist in Hirschmanns Zeichnung vorhanden und in ebensolcher krassen Deutlichkeit. Ganz direkt und doch verfremdet durch den kubistischen Stil, für den das doppelte, gleichsam in die Fläche geklappte Profil und die Zerlegung des Figürlichen in kubische Grundformen typisch ist. Picasso hat so gearbeitet. Das beidseitige Profil der alten Hexe erinnert stark an Picassos Frauenbilder aus seiner kubistischen Phase, könnte sogar als Kunstzitat aufgefasst werden. Die simultane Bewegungsrhythmik des Futurismus wie etwa bei Marcel Duchamp ist in der Darstellung der Hexe ebenfalls gegeben.[62] Hirschmann gelingt es sogar, Hoffmanns Ironie zu entsprechen. Denn der dramatische Kampf zwischen der alten Hexe und dem Archivarius Lindhorst um den Goldenen Topf ist bei beiden durch Übertreibung des Grauens vor allem eines: komisch. Dass eine Illustration zu dieser bei Illustratoren sehr beliebten Textstelle völlig anderes aussehen kann, beweist Nika Goltz‘ Mischtechnik-Grafik von 2007. Die Schlacht im Bibliothekszimmer des Archivarius Lindhorst (Zehnte Vigilie) ist bei ihr höchst dramatisch und phantastisch zugleich, allein durch die Größenverhältnisse und die irreale Farbgebung und die parallel zu ihren Besitzern kämpfenden Tiere. Alles ist in Aufruhr, wird durcheinandergewirbelt wie in einem Sog. Nika Goltz ist eine der bekanntesten und bedeutendsten Illustratoren Russlands und hat sich über Jahrzehnte hinweg mit E.T.A. Hoffmann beschäftigt und viele seiner Werke illustriert. Sie ist eigentlich die russische Hoffmann-Illustratorin.
Collagen
Meister der Collage sowie ausgezeichnete Hoffmann-Kenner waren der allzu früh verstorbene Karlheinz Bauer und Wolfgang Held. Karlheinz Bauer war zudem Fotograf sowie leidenschaftlicher Sammler von Dokumenten und Illustrationen zu E.T.A. Hoffmann und Wolfgang Held, vielseitig begabt wie E.T.A. Hoffmann, promovierter Literaturwissenschaftler, Pianist, Übersetzer und Schriftsteller[63], schrieb 1986 das in Bamberg am E.T.A. Hoffmann-Theater uraufgeführte Schauspiel Hoffmanns Verbrennung, zu dem er 25 Collagen schuf, die wahrscheinlich um 2004 entstanden und dem Bamberger Kunstverein gehören. Dort wurden sie 2013 ausgestellt. Heute sind sie ein Magnet im E.T.A. Hoffmann-Museum.[64]
Karlheinz Bauer (1925–1976)
Karlheinz Bauers an Max Ernst geschulte elf surrealistische Collagen[65] von 1967 zu Hoffmanns Der Sandmann, Die Abenteuer der Silvesternacht, Vampirismus, Die Automate faszinieren. Sie sind von hoher technischer Perfektion und sensibler Seriosität[66]. Sie nehmen Hoffmann beim Wort und sind im Detail nachweisbar auf den Text bezogen, überflügeln ihn jedoch durch eigene Phantasien, die dem Betrachter infolge durchgehender Verfremdung, durch das Verkleben von nicht zusammengehörigen Versatzstücken wie Zeitungsausschnitten, Fotos und Ähnlichem auf gemaltem, landschaftliche Weite suggerierendem Untergrund einiges an deutender Assoziation abverlangen. Ein Verfahren, das der Vieldeutigkeit und oft surrealen, anspielungsreichen Struktur Hoffmann‘scher Texte und ihrem Spiel mit dem individuellen Rezipienten durchaus entspricht.
Seine Collage zum Sandmann fasst zentrale Motive und Ereignisse des Nachtstücks kompositionell zusammen und ist vergleichbar makaber: Verwinkelte Stufen führen zu einem in Nebel- oder Feuerschwaden gehüllten brennenden Turm, von dessen Spitze sich Nathanael (?) stürzt. Zu Füßen der von zwei Pfeilern flankierten Treppen befinden sich neben Nathanael mit Augenklappe noch die beiden Frauen, die in seinem Leben eine entscheidende Rolle spielen: links unten liegt die ‚Puppe‘ Olimpia und rechts daneben sitzt Clara, im Profil dargestellt. Unter Nathanael und dem rechten Pfeiler mit Sonnenuhr führt ein unterirdischer Gang in ein Labor, an dessen Ende eine Brille zu sehen ist. Das Automaten- und Augenmotiv wird so mit Nathanaels im Unterbewusstsein verankertem Kindheitstrauma, dem Tod des Vaters bei dessen nächtlichen alchimistischen Experimenten mit dem Advokaten/Sandmann Coppelius, kombiniert. Die Brille und die Augenbinde (Scheuklappen) sind Anspielungen auf Nathanaels Angst vor dem Verlust der Augen und seine durch Coppelius‘ Brillen veränderte Sicht auf die Welt.
Wolfgang Held (1933–2016)
Wolfgang Helds Collagen haben trotz vergleichbarer Technik eine gänzlich andere Wirkung. Statt eines gemalten landschaftlichen Hintergrunds gibt es nur eine schlichte graue Fläche, dafür aber expressive Übermalungen mit reiner Farbe, die durch ihren flächigen Farbauftrag zur Plastizität des Collagierten kontrastieren. Bei den Augen der Figuren, besonders den adaptierten Hoffmann-Porträts[67], sind die Pupillen geschwärzt und wirken wie Löcher.[68] Entscheidend für die Wirkung ist jedoch die szenische Dramatik der Darstellung, denn die Collagen sind nach Helds eigenen Angaben bewusst auf bestimmte Textstellen seines Schauspiels zugeschnitten, sollen Bühnenbildner und Kostümbildner inspirieren und ebenfalls evozieren sowie durch Anspielungen provozieren. Trotz aller verfremdenden Deformation ist unschwer zu erkennen, dass die dramatisch agierenden Figuren zum Leben erweckte Gestalten aus Hoffmanns Biografie und Dichtung sind: Julia und Franziska Mark, Johanna Eunike, Mischa Hoffmann, Theodor Gottlieb von Hippel, Julius Eduard Hitzig und Tochter Marie, Karl Albert von Kamptz, Johann Koreff, Chiara aus Kater Murr und, besonders präsent und als Gegenspieler aktiv, der Doppelgänger aus dem Roman Die Elixiere des Teufels. Held zitiert Hoffmann vielfach…wörtlich oder nahezu wörtlich, so Schemmel 2016.[69] Viele Bildelemente sind den künstlerischen Visionen der Hoffmannzeit entnommen. Die bizarre Zerrissenheit, angesengte Surrealität der Figuration verweise, so Held, … auf die gefährdete Welt der Fantasie… auch … im neudeutschen Kulturbetrieb.[70]
Eindrucksvoll ist die Collage XII: Ja, es ist besser, dass du gehst, hier ist kein Auskommen für uns drei (Szene 10 des 1. Aktes – Mischa, Cäcilia, Hoffmann), die im Gegensatz zu den anderen sehr detailreich und dynamisch komponierten Collagen eher durch ihre ‚sparsame‘ Konzeption besticht: mit der kleinen Cäcilie am Rockzipfel, in eine dynamische Diagonale eingeschrieben, dominiert die Gestalt Mischas die Komposition. Sie verlässt Hoffmann gerade. Ein familiäres Drama spielt sich ab, das nur noch einen flüchtigen Blick zurück erlaubt. Hoffmann muss sie gehen lassen, sein Blick verdeutlicht die aussichtslose Situation: Er kann nicht mehr für beide aufkommen. Mischa hofft zwar, und so kann ihr Blick zurück auch gedeutet werden, dass der Abschied nur für kurze Zeit sei, da ihr Gatte sicher wieder in Berlin am Gericht unterkommen werde. Aber Hoffmann, so Helds Drama, macht ihr deutlich, dass er nicht mehr über Menschen richten, sein neues Atlantis nicht über Folterknechten bauen wolle.[71] Er ist links unten am Rand in dem für ihn typischen braunen Frack mit aufgeschlagenem Reverskragen und weißem Spitzenjabot dargestellt. Als Vorlage für dieses Brustbildnis en face diente die Lithografie von Michael Mathias Prechtl aus dem Jahr 1967, Frack und Reverskragen entsprechen jedoch dem Hoffmann-Bildnis in Öl aus dem Berliner Nationalmuseum, das lange Zeit fälschlicherweise für ein Selbstporträt Hoffmanns gehalten wurde.
Das Künstlerbuch
Eigentlich ist ein Künstlerbuch oder Malerbuch ein Unikat und Kunstobjekt und nicht zu multiplizieren. In diesem engen Sinne gibt es in der Hoffmann-Illustration, soweit bekannt, nur die Malerbücher von Christoph Meyer (*1954) aus den Jahren 2008–2015. Ein Malerbuch im Querformat gilt E.T.A. Hoffmanns Don Juan. Der dichterische Text ist handschriftlich wiedergegeben und jede Seite ist anders, aber immer vom Künstler mit rotem Wachskreidestift signiert. Es ist wie das Malerbuch von 2012 E.T.A. Hoffmann gewidmet: Malerbuch für E.T.A. Hoffmann und ist als eine besondere Form individueller Aneignung des dichterischen Textes zu verstehen. Fritz Fischer hat dies vorgemacht, z.B. mit seinen handschriftlichen Abschriften von Hoffmanns Goldenem Topf, die er als Textblöcke mit seinen Federzeichnungen verband. Bei ihm sind Text und Bild jedoch gleichwertig, die jeweiligen Textpassagen sind trotz der handschriftlichen Wiedergabe in Blockschrift gut lesbar und die Zeichnungen sind wirklich auf sie bezogen. Das gilt so nicht für Meyers Malerbücher. Er übermalte teilweise selbst seine handschriftlichen Abschriften. Bei dem Malerbuch von 2012 hat Meyer den Inselband Nr. 112: Musikalische Novellen und Aufsätze von E.T.A. Hoffmann schlichtweg übermalt. So verliert der kaum noch leserliche dichterische Text seine Bedeutung und wird nur zur Hintergrundfolie, obwohl sich assoziativ eine Beziehung zwischen Text und Bild herstellen lässt – wenn auch mit einiger Mühe. Dass dennoch E.T.A. Hoffmann gemeint ist, macht nicht nur die Widmung: Für E.T.A. Hoffmann mit Überzeichnung von Christoph Meyer deutlich, sondern auch das Porträt E.T.A. Hoffmanns auf der Rückseite des Buchumschlags. Beide Malerbücher befinden sich in Berliner Staatsbibliothek.[72]
Günther Stiller (*1927)
Renate Raeke bezeichnete 2009 Günter Stiller als eine der sperrigsten Figuren unter den Buchkünstlern des 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er sei experimentierfreudig, ausdruckstark und eigenwillig, sei als Einzelgänger immer den Weg als unangepasstes enfant terrible gegangen.[73] Selbst Ulrich Helmke, ein wohlmeinender, vorsichtiger Rezensent von Hoffmann-Illustrationen, leitete seine Rezension 1979 mit der Bemerkung ein, dass Günther Stillers Illustrationen [von 1977] zum „Sandmann“… die eigenartigsten seien, die dem Rezensenten seit langem vorgelegen hätten.[74] Die Ausgabe von 1978 mit Stillers Illustrationen zu E.T.A. Hoffmanns Sandmann, Jahresgabe der Hamburger Maximilians-Gesellschaft für das Jahr 1977, ist als Künstlerbuch einzuordnen. Stillers 44 zweifarbige, eigenhändig von ihm auf die Druckplatten lithografierten Federzeichnungen sind absolut dominant und gleichen im Stil Comiczeichnungen. Sie wirken aufdringlich erotisch bis obszön, fast schon sadistisch, und sind grell wie die unterlegte, gespritzte Farbe, die über Seiten hinweg erst grün, dann blau, violett, rot und schließlich wieder grün ist. Die Figuren sind nicht selten entblößt. Die begehrlich herausgestreckte Zunge ist ihr Markenzeichen. Sie erscheinen überdimensional groß, sprengen die ohnehin großen Buchseiten (4°), in jedem Fall den gezeichneten Rand. Der dichterische Text ist in vergleichsweise kleinen Schriftblöcken rechts oder links oben zu lesen. Wer traditionelle Illustrationen gewohnt ist und sich auf den dichterischen Text konzentrieren möchte, legt dieses Künstlerbuch erst einmal erschrocken zur Seite. Auf den zweiten Blick beginnt jedoch das Interesse zu wachsen. Beim Abgleich mit dem Text des Sandmanns werden Analogien und Parallelen sichtbar, auch wenn Stiller dieses Nachstück relativ einseitig tiefenpsychologisch im Sinne Freuds interpretiert hat: als die Geschichte eines ödipalen Kastrationskomplexes und schizophrener Ichspaltung, als Ausdruck gestörter Sexualität und Kommunikationsfähigkeit.
Die rot (blutrot) unterlegte Zeichnung zu der Szene, die zu Nathanaels erstem Wahnsinnsausbruch führt, zeigt den über Phiolen, Retorten, Flaschen, gläserne Zylinder taumelnd zu Boden gestürzten Nathanael. Er ist nackt, mit einer rechten Hand bedeckt er seine Genitalien, die Zunge ist herausgestreckt, die Augen rollen im Wahnsinn, die Linke versucht noch Olimpia zu fassen, die des Gesichtes beraubt wurde. Unten auf dem Boden liegen ihre blutenden Augen. Coppola hat sie über die Schulter geworfen und trägt sie gerade fort: Glasscherben hatten ihm Kopf, Brust und Arm zerschnitten, wie aus Springquellen strömte das Blut empor. Aber er raffte seine Kräfte zusammen. – Ihm nach – ihm nach, was zauderst du?… Nun sah Nathanael, wie ein paar blutige Augen auf dem Boden liegend ihn anstarrten … Da packte ihn der Wahnsinn mit glühenden Krallen.[75] Hoffmann malte hier mit Worten ein ähnlich grelles Bild des Wahnsinns. Stiller hat tatsächlich Hoffmann beim Wort genommen.
Künstlerbuch und Computergrafik: Johannes Häfner (*1961)
Wie sehr Hoffmanns Handzeichnungen und vor allem seine Skizze zum Sandmann spätere Künstler anregte, soll an den Sandmann-Illustrationen des Nürnberger Malers und Grafikers Johannes Häfner gezeigt werden. Häfner beschäftigt sich seit mehr als zwanzig Jahren mit Hoffmann, weil er, so Selbstzeugnisse, ähnlich vielseitig begabt ist und auch als Komponist und Schriftsteller arbeitet. Er wies selbst auf seine besondere Beziehung zu E.T.A. Hoffmann hin:
Die Tatsache, daß Hoffmann wie ich mehrere Begabungen hatte, machte mich neugierig, und ich entschloß mich zunächst einen Clavierzyklus zu komponieren. Ich versuchte dabei, die gefühlsmäßigen Schwankungen, die Hoffmann durchlebte, auf mich zu übertragen und in meine Musik zu transformieren. Schon während der Arbeit kam mir die Idee, mehr über Hoffmann zu machen, etwas, wo er sichtbar ist und/oder ich sichtbar bin. Und so entstand eine Bildergeschichte in Buchform mit eingescannten Zeichnungen von ihm, die ich mit meinen Zeichnungen verband. Der Dialog verschmolz zu einer polyphonen, visuellen Poesie.[76]
Häfner scannte viele Handzeichnungen und Karikaturen Hoffmanns ein und veränderte sie digital, um sie mit seinen eigenen Zeichnungen zu verbinden. Durch solche Montage oder auch Collage, seit dem Dadaismus eine gängige Technik, bei Häfner jetzt ausgereifte Computergrafik mit vielen neuen Möglichkeiten der Verschmelzung, sind zwar Hoffmanns Originale sofort erkennbar, aber sie erscheinen gleichzeitig transformiert in ein anderes Medium und damit ins späte 20. Jahrhundert versetzt. Häfner reflektiere und thematisiere durch seine Künstlerbücher zu E.T.A. Hoffmann, so Jörg Petzel, mit der bibliophilen Ausstattung [seiner Bücher] … die heutige Distanz einer computertechnischen Reproduzierbarkeit unserer Tage zur alten Buchkultur.[77]
Johannes Häfner hat das Nachtstück Der Sandmann mehrfach illustriert: in bibliophiler Form und infolge der Faksimile-Ausgabe der Erzählung nicht unbescheiden als Gesamtkunstwerk deklariert: 1998, 2003 und 2009. Nach Jörg Petzel ist er der einzige [ihm] bekannte bildende Künstler, der Hoffmann nicht illustriert, sondern sich mit dessen zeichnerischem Werk produktiv auseinandersetzt.[78] So nimmt es nicht wunder, dass Hoffmanns Zeichnung zum Sandmann mehrfach auftaucht: in Details oder als Ganzes, quasi als ‚wörtliches Zitat‘. Dennoch wird durch die Montage der Computergrafik, bei der ein Faksimile des Originalmanuskripts von Hoffmann den Hintergrund bildet, auch die Vorlage entscheidend verändert. 1998 beherrschte das Automatenmotiv Häfners Leporello: Auf den Körpern der tanzenden schwarzen Figuren sitzen keine Köpfe, sondern Fernsehmonitore. So wird unmissverständlich die Automatenmotivik ins späte 20. Jahrhundert verlagert, als hätten sich Hoffmanns visionäre Ängste inzwischen bewahrheitet. Die bizarren, an HAP Grieshaber erinnernden Figurinen sind Verkörperungen der Olimpia in immer neuen Variationen, kubistisch, flächig und abstrahiert. Sie bestehen nur aus Blech, Schrauben, Muttern usw. und sind somit keine lebendigen ganzheitlichen Wesen, sondern deformierte Splitter-Roboter.
In Häfners Grafik von 2003 bleibt zwar Hoffmanns Zeichnung weitgehend erhalten, erscheint jedoch, teils wiederholt, in einer anderen Version. Sie wird von überdimensionalen Roboterfrauen mit Monitoren-Köpfen und dicken Brüsten fast erdrückt. Den Hintergrund bildet das Faksimile der Sandmann-Urschrift. So ist Hoffmann zweimal präsent und als das eigentlich Lebendige gegenwärtig: in charakteristischer Handschrift und durch die authentischer Zeichnung. Das andere ist die Welt der Massenmedien und Automaten, offensichtlich dominant.
2009 geht Johannes Häfner deutlich anders vor, indem er verschiedene Ebenen digital montiert. Dabei bezieht er Hoffmanns Sandmann-Zeichnung zwar reduziert, aber fast unverändert ein. Er kontrastiert diesmal Hoffmanns individuellen, spontanen, auf ganzheitliche Figurenerfassung ausgerichteten ‚realistischen‘ Strich mit einem tiefenräumlich gestaffelten Museumsgang (Berlin, Staatliche Museen, Alte Nationalgalerie, Skulpturenabteilung?). Zielpunkt des Ganges ist, quasi als Gag, überdimensional das berühmte Hoffmann-Selbstbildnis, das Ludwig Buchhorn nach einer lebensgroßen, inzwischen verschollenen Zeichnung Hoffmanns in Kupfer stach und das so unendlich vielen Künstlern zum Vorbild für eigene Hoffmann-Porträts diente. Die digitale Vergrößerung des Porträts und der Zeichnung zum Sandmann sind bereits Verfremdungen. Der museale Gang durch die klassizistische Porträt-Galerie, gestaltet wie in der Pittura metafisica, lässt Hoffmanns Physiognomie und Zeichnung als das eigentlich Lebendige erscheinen angesichts der repräsentativen Porträtbüsten bedeutender Zeitgenossen. Die Message: Hoffmann war eine lebendige Persönlichkeit, nicht idealisch schön, und selbst in seinen Zeichnungen der Wirklichkeit um so vieles näher als der Klassizismus.
2009 integrierte er nochmals Hoffmanns Handzeichnungen in seine digitalen Künstlergrafiken zum Sandmann in drei Bänden in einer Auflage von 28 Exemplaren.[79] Das Interesse an der zentralen Figur Nathanael und deren potentieller Schizophrenie ist deutlich gewachsen. Nathanael, dessen Perspektive die Darstelllung bestimmt, taucht mehrmals wie in einem Sog auf, der ihn mal nach oben, mal nach unten, mal zur Seite zieht, ihm also die Selbstbestimmtheit und das Standbein in der Wirklichkeit raubt. Beteiligt an dem Sog ist die langgezogene Gestalt der Olimpia links am Rand, deren Kopf eine Hand vom Rumpf zu trennen scheint. Selbst das klassizistische Gebäude mit den langgestreckten, wohl über mehrere Geschosse gehenden korinthischen Säulen biegt sich. Übergroß erscheinen wie in den Sprechblasen eines Comics die drei Worte JA duuUUU mein… Nathanael schreit also seine unerfüllbare Sehnsucht, in Olimpia endlich die Geliebte gefunden zu haben, die ihn wirklich versteht, in den Himmel.
Auffällig ist die stilistische Wandlungsfähigkeit Häfners. In der Ausgabe von 2009 ist die digitale Bearbeitung raffiniert und vielschichtig. Große politische Themen wie die Weltkriege, die atomare, globale und ideologische Weltbedrohung werden integriert, bisweilen äußerst grell in Szene gesetzt, wohl mit der Absicht, den wesensverwandten, an der Realität leidenden Dichter E.T.A. Hoffmann wie im Sciencefiction auf eine Zeitreise mitzunehmen, um ihm zu verdeutlichen, in welch hohem Maße auch heutige Künstler wie Johannes Häfner an der Realität leiden. So könnte das Motto Häfners: ICH-ETA verstanden werden.
Comic-Adaptionen
Als einseitige Deutungen zwar kritisiert, aber als interessante Sonderfälle immerhin gewürdigt werden die Comic-Adaptionen (Graphic Novel) zu Hoffmanns Sandmann und dem Öden Haus von Dino Battaglia aus dem Jahr 1970[80], von Alexandra Kardinar und Volker Schlecht[81] zu Das Fräulein von Scuderi (2011) und von Andrea Grosso Ciponte zum Sandmann (Dust Novel, 2014). Das besondere universitäre Interesse an ihnen beweisen veröffentlichte Studienarbeiten.[82]
Selbstverständlich verändert ein Comic-Zeichner die literarische Vorlage entscheidend, da der dichterische Text wegen der Dominanz des Bildes auf Wesentliches reduziert werden muss. Comics sind Bild-Erzählungen. Ihre Bildfolgen und Dialoge entsprechen meist einer filmischen Gliederung. Der Text ist nur in Sprechblasen des jeweiligen Panels oder in Bildlegenden präsent. Das allein ist bereits Interpretation. Adaptiert wird im Grunde nur der Plot. Die Bilder müssen durch Mimik und Gestik der Personen, durch das atmosphärische Ambiente und Bildausschnitte verdeutlichen, wie der Zeichner die literarische Vorlage gelesen und interpretiert hat. Das kann nur auf Einseitigkeit der Sicht hinauslaufen und Weglassen liegt in der Natur des Comics. Der lesende Betrachter muss sich, will er die Erzählhandlung verstehen, auf vieles einlassen und ist dabei ziemlich allein gelassen. Das gilt für alle drei vorliegenden Comic-Adaptionen. Ohne Textkenntnis ist er verloren. Kardinar und Schlecht haben wohlweislich den Originaltext in einem zweiten Teil hinzugefügt. Die farbige deutsche Ausgabe des Battaglia-Comics hat im Anhang auch den Originaltext, während bei der französischen Ausgabe darauf verzichtet wurde.[83]
Dino Battaglia (1923–1983)
Für sich genommen sind diese teils dunklen Graphic Novels[84] interessant, nicht zuletzt infolge ihrer zeichnerischen und kompositorischen Qualität. Es ist einfach die Frage, welchen literarischen Maßstab man anlegt. Der Italiener Dino Battaglia ist als Comic-Zeichner ein Meister seines Fachs. Unbestritten, wie auch Dominik Troger in seiner Rezension von 1994 zugibt[85]. Dass Battaglia sich bei der Erzählung Der Sandmann und ihrem heterogenen formalen Konzept einseitig auf die Liebesgeschichte zwischen Nathanael und Olimpia und damit das Automatenmotiv fixiert habe, stört ihn jedoch. So zeige Battaglia sich der vielschichtigen Erzählung nicht gewachsen. Auch Jennifer Vogt stellt in ihrer Studienarbeit über Die Darstellung von Olimpia bei E.T.A. Hoffmann und Dino Battaglia von 2009 fest, dass Dino Battaglias Comic-Adaption des Sandmanns … nur die Geschichte um Olimpia erzählt und dass damit eine grundsätzliche Problemverkürzung einhergehe.[86] Dafür kann sich Troger aber für Battaglias Comic-Adaption vom Öden Haus erwärmen. Hier sei es trotz starker inhaltlicher und formaler Einschränkungen gelungen, auf den wenigen Comic-Seiten den Rhythmus der Erzählung einzufangen.[87] Nur vermisst er Hoffmanns Ironie.
Dass Battaglia sich bewusst auf die Beziehung zwischen Nathanael und Olimpia konzentriert hat, wird schon aus dem Titel: Olimpia deutlich. Die Darstellung von Nathanaels traumatischen Kindheitserlebnissen fehlt deshalb. Trotzdem gelingt es ihm, auf acht 4°-Seiten zentrale Motive der Erzählung sichtbar zu machen, auch mit Ironie, die Troger bei ihm so vermisst: das Automatenmotiv (Olimpia), das Augenmotiv (Coppelius), das Motiv des Wahnsinns bzw. der Schizophrenie (Nathanael) und das Motiv skrupelloser Wissenschaft (Spalanzani/Coppola alias Coppelius). Immer da, wo Battaglia den gefährdeten Außenseiter mit der Gesellschaft konfrontiert, z.B. in den Tanzszenen oder im Schlussbild, entspricht er Hoffmanns kritisch-ironischem, teils auch bösem Blick auf die bürgerliche Gesellschaft. Franz Loquai macht in seinem Nachwort zur deutschen, 1990 erschienenen Ausgabe mit Battaglias Zeichnungen zu Recht darauf aufmerksam, dass es bei Battaglia offen bleibe, was entsetzlicher sei: Nathanaels kreiselnder Wahnsinn oder die schemenhaften Fratzen des maskierten Publikums …Was Battaglia mit seiner Kunst entlarvt, spiegelt die Nachtseite des bürgerlichen Alltags: Es ist das Grauen, das mitten unter uns lauert.[88] Erst durch näheres Hinsehen sind solche Feinheiten zu entdecken. Nathanael als Schreiber von Briefen an Clara ist ebenfalls präsent. Battaglias zeichnerische Realisation ist also weniger einseitig als behauptet. Sie ist zwar auf wenige Seiten konzentriert, aber es ist erstaunlich, wie viele Einzelmotive dennoch erfasst wurden.
Andrea Grosso Ciponte (*1977)
Gänzlich anders, düster und komisch zugleich, schaurig-schön, nicht frei von überzogener Pathetik[89], ist die Adaption von Hoffmanns Sandmann durch Andrea Grosso Ciponte aus dem Jahr 2014 der Edition Faust.[90] Sie gehört in die Reihe der Dust Novels (Gothic Novels) und zur Computergrafik. Die künstlerische Gestaltung durch Ciponte, den kalabrischen Maler, Filmemacher und Kunstprofessor für Computergrafik an der Akademie der Bildenden Künste in Cantanzaro, erinnert mit ihren filmischen Sequenzen an einen Schauerfilm. Hoffmanns düsterem Nachtstück, für Freud Ausdruck des Unheimlichen, wird sehr gründlich durch viel Textübernahme in den Sprechblasen und Zwischenblenden bzw. Blöcken entsprochen. Dasselbe gilt für die Atmosphäre, das Dämonische und die tiefenpsychologisch bestimmte Charakteristik der Personen. Auch der Verschachtelung der Handlungsstränge und dem Wechsel der Erzählerperspektive wird Rechnung getragen. Das alles zeigt, wie intensiv sich Ciponte mit Hoffmanns Erzählung auseinandergesetzt hat. Möglicherweise gründlicher als Battaglia, der dafür stilsicherer ist. Manche Bildideen und Kompositionen sind faszinierend, aber mehrheitlich überwiegt ein leicht unbehagliches Gruseln, weil das Dämonische so überzogen erscheint. Dazu gehört auch, dass der Comic durchgehend schwarz ist, Schwarz den Hintergrund für alle Panels und Schriftzüge bildet – mit Ausnahme der Sprechblasen und Zwischenblenden (schwarze Schrift auf Weiß). Zudem sind alle Farben von Schwarz ‚getränkt‘. Selten gibt es einmal ein reines Ocker oder Ockergelb wie etwa bei den auf Clara bezogenen Panels, womit wohl ihrer Persönlichkeit entsprochen werden sollte.
Alexandra Kardinar und Volker Schlecht
Weniger düster, sehr anspruchsvoll und abwechslungsreich gestalteten Alexandra Kardinar und Volker Schlecht ihre Comic-Adaption von Hoffmanns Kriminalerzählung Das Fräulein von Scuderi. Die beiden unter dem Namen Drusba Pankow (= Freundschaft) seit über 15 Jahren zusammenarbeitenden Künstler haben aus historischem Interesse umfangreich recherchiert und viele historische Fakten zu Ludwig XIV. und seiner Zeit, zur Giftaffäre zwischen 1975–1982 und zur Chambre Ardente (Polizei), zur Architektur, zur damaligen Kleidung und Haartracht, zu Essensgewohnheiten in eigenen Textblöcken hinzugefügt – sogar zu E.T.A. Hoffmann selbst. Anfangs ist ihre Graphic Novel durch viel Textübernahme und Filmsequenzen ähnlichen Bildfolgen sehr nah an der dichterischen Vorlage[91]. Am Schluss wird die Handlung deutlich gerafft, sodass die im zweiten Teil der Erzählung bedeutsam werdende Advokatenrolle der Scuderi und des Sonnenkönigs kaum sichtbar wird. Kardinar und Schlecht sprechen selbst in ihrem Nachwort davon, dass dem Zeichner beim eigenen Lesegenuss natürlich das Herz blute, da er wisse, dass er für den Comic den Text kürzen und – vermeintlich – verstümmeln müsse. Dann aber ergreife ihn die Lust und der Ehrgeiz, das Merkwürdige und Eigene des Textes und der geschriebenen Sprache in eine autonome Bildsprache zu übersetzen – ohne den Text sklavisch nachzuahmen, dem Geist und der Stimmung aber doch gerecht zu werden.[92]
Die aus dem Zeitalter Ludwig des Vierzehnten – so der Untertitel – stammende Erzählung war schon zu Hoffmanns Lebzeiten sehr erfolgreich und sie gehört nach wie vor zu seinen im In- und Ausland berühmtesten Werken. Nicht nur deswegen, weil Hoffmann hiermit eine der ersten Kriminalnovellen der Weltliteratur geschaffen hat, sondern auch, weil ihm dabei die Kombination zentraler Motive seines dichterischen Schaffens, wie z.B. das Motiv der Künstlerproblematik, der Bürgerkritik, der individuellen Schuld- und Schicksalsfrage, des Problems der Wahrheitsfindung, der Fragwürdigkeit des Justizsystems und der gesellschaftlichen sowie politischen Verhältnisse, mit einer spannenden Kriminal-, Advokaten- und Detektivgeschichte auf geschichtlichem Grund [93] gelang.
Kardinar und Schlecht haben mit großer Sorgfalt alle Zentralmotive der Kriminalerzählung Hoffmanns aufgegriffen. Dennoch scheint es, als hätten sie vor allem die historische Kriminalgeschichte und die zeitlichen Umstände, die Persönlichkeit der Scuderi und des Königs sowie die Liebesgeschichte zwischen dem Goldschmiedegesellen Olivier und Cardillacs Tochter Madelon im Auge gehabt. In der Bildfolge zu Cardillacs Leben: La Confession de René Cardillac und in manch anderer Darstellung Cardillacs in den anderen Panels wird zwar die Dämonie des Künstlers Cardillacs zum Ausdruck gebracht, aber nicht in der Radikalität, in der Hoffmann hier das Künstlerproblem zugespitzt hat. Auch das Problem von Schuld und Sühne, das nicht nur auf den Goldschmied Cardillac, der als Künstler den von ihm gefertigten Schmuck nicht hergeben kann und deswegen seine Kunden in der Nacht überfällt oder sogar ermordet, sondern auch auf das Fräulein von Scuderi mit ihrem leichtsinnigen Urteil: Un amant qui craint les voleurs n’est pas digne d’amour zu beziehen ist, wird nicht deutlich. Der Vielschichtigkeit des Werkes wird so nicht entsprochen, wie Dannhauer anmerkt, es bleibt jedoch zu fragen, ob Comics so weitgehende Textentsprechung überhaupt leisten können.
Die künstlerische Gestaltung dieser Comic-Adaption ist jedenfalls spannend, abwechslungsreich und in der Formensprache eine raffinierte Mischung aus Tradition und Moderne. Mit künstlerischer Freiheit gegenüber dem Originaltext wird für Überraschungen gesorgt und viele Anspielungen bzw. bildkünstlerische Zitate stellen Betrachter- und Lesegewohnheiten in Frage. Der Betrachter wird ins Geschehen hineingezogen, wird zum Augenzeugen, z.B. durch die zeichentrickartige Reihung verschiedener Bewegungs-oder auch Wachstumsabläufe. Unterschiedliche Zeichenstile und Stilbrüche werden gezielt verwendet, die Seitenlayouts wirken verschachtelt und tragen ebenfalls zum Verwirrspiel bei. Panels mit leuchtenden, fast grellen Farben, schrägen Figuren, simultaner Bewegungsrhythmik bei den Figuren oder Verfremdungen durch Collagetechnik wechseln sich mit eher statisch gereihten Bildtafeln ab, die entweder eine symbolische Zeichensprache oder filmähnlich gereihte Bildsequenzen zeigen. Die Rückblenden zur Lebensgeschichte Oliviers (l’histoire d’Olivier) und zur Lebensbeichte René Cardillacs (La confession de René Cardillac) erscheinen in einer kleinteiligen, statisch wirkenden Bildfolge und sind farblich betont blass. Ihr Stil ist komplett anders und gleicht Kinderzeichnungen.
Der Text erscheint in Sprechblasen oder teils sehr großen Textblöcken. Dennoch muss der Betrachter ständig Bilderrätsel lösen und wegen des fortlaufenden Stil- und Medienwechsels sich wie auf Suchbildern den Inhalt der Handlung zusammenreimen. Man sollte also tunlichst das im zweiten Teil angehängte Original, zu dem es auch noch Fußnoten und Unterstreichungen gibt, vorher gelesen haben. Angesichts dieses Sachverhalts würde Wulf Segebrecht wahrscheinlich argumentieren, dass E.T.A. Hoffmanns Werk gut auf solche Illustration verzichten könnte, sie jedenfalls keinesfalls brauche[94]. Es ist aber etwas sehr Eigenes entstanden, ein durchaus faszinierendes zusätzliches Angebot, sich mit dieser Erzählung auseinanderzusetzen.
Neuere Hoffmann-Porträts
Vier neuere Hoffmann-Bildnisse, eigenwillige Zeugnisse einer unterschiedlichen Sicht auf den Dichter, sollen hier vorgestellt werden. Die Auswahl fällt schwer, weil es unter den über 150 Bildnissen viele bemerkenswerte gibt. Künstler wie Eberhardt Brucks, Horst Janssen, Michael Knobel, Rainer Ehrt, Steffen Faust, Stephan Klenner-Otto haben zahlreiche Hoffmann-Porträts geschaffen und sich damit als wahre Monomanen der Hoffmann-Darstellung erwiesen.
Horst Janssen (1929–1995)
Horst Janssen, international bekannt und als genialer Ausnahmekünstler gefeiert, verewigte E.T.A. Hoffmann mehrfach: 1966 mit Doppelgänger (Diabolo) im Genick[95], 1972 en face[96], 1974 Doppelbildnis mit Doppelgänger[97] und 1992 sowie 1993 in höchst expressiven Radierungen, als er bereits durch einen schweren Sturz vom Balkon seines Hauses und einen Schlaganfall gezeichnet war. Letztere haben vor allem den Alkoholiker Hoffmann im Blick, der Alkohol wie Janssen selbst als Lebenselixier brauchte.[98] Kein Wunder also, dass Janssen, der sich zigfach selbst porträtierte und auch Alkoholprobleme hatte, sich den Dichter aneignete, indem er ihn immer ähnlicher mit sich selbst werden ließ. Die rötliche Aquatintaradierung: Das Elexier (statt Elixier nach den Elixieren des Teufels) von 1992 ist von einer einzigartigen, aber bedrückenden Intensität. Lebensüberdruss, Ruhelosigkeit, Verzweiflung, Angst, Einsamkeit und ein schonungsloser Blick auf alles spiegeln sich in diesem von Alkoholsucht zerstörten Gesicht. Die Haare stehen wirr zu Berge, über ihnen erscheint zweifach handschriftlich der Titel: das Elexier. Natürlich ist der Doppelgänger wieder präsent. Er befindet sich auf gleicher Höhe und in gleicher Größe links neben Hoffmann. Seine krallenartige linke Hand verdeckt eine Hälfte des Gesichts. Die andere ist deutlich diabolisch: ein Spötter oder besser noch: ein Zyniker par excellence ist dieser Doppelgänger, in allem ein verzerrtes Alter Ego Hoffmanns. Und das Bildnis ist Zeugnis einer tief empfundenen Wesensverwandtschaft mit E.T.A. Hoffmann.
Rainer Ehrt (*1960)
Gänzlich anders, aber nicht minder intensiv und ebenfalls auf Lebenselixiere bezogen ist Rainer Ehrts Farblithografie von 2008: Die Elixiere des E.T.A. Hoffmann. Sie ziert als Titelbild den Katalog zur Bamberger Ausstellung von 2008: E.T.A. Hoffmann in der Karikatur, wohl ein Zeichen dafür, wie hoch sie von den für die Ausstellung Verantwortlichen eingeschätzt wurde. Sie zeigt E.T.A. Hoffmann als Alchemisten und Apotheker, der sich aus verschiedenen Gläsern, in denen seine dichterischen Gestalten hausen, gerade einen Lebenselixier-Punsch gemischt hat, um ihn zu trinken. Ihm zur Seite befindet sich Kater Murr (weiß, müsste eigentlich grau getigert sein) mit zwei verschiedenen Augen, leicht buckelnd und mit unruhig wedelndem Schwanz, deutlich in Alarmbereitschaft versetzt. Besonderer Witz der Darstellung: der Kater ist ein Wesensverwandter, denn Hoffmanns Haare stehen ähnlich zu Berge und seine Augen sind ebenso unterschiedlich: eines ist blau, das andere braun. Beider Blick ist zweideutig: diabolisch und spöttisch und doch hilfesuchend, von erfahrener Lebensunbill geprägt. Fazit: Hoffmann braucht, um zu überleben, sein Lebenselixier. Sein schöpferischer Geist, der all diese phantastischen, ihn bedrängenden Gestalten schuf, ist ohne Aufputschmittel nicht lebensfähig. Sein Blick verrät, dass er sich seiner alchimistischen Existenz sehr wohl bewusst ist. Dass dieses raffinierte Hoffmann-Bildnis, das Ludwig Buchhorns Kupferstich von 1823 nach Hoffmanns eigenem, ursprünglich lebensgroßem Selbstbildnis zur Vorlage hat, mehr als nur eine Karikatur ist, dürfte den Bambergern auch klar gewesen sein.
Michael Knobel (*1952)
Eher spielerisch, aber ebenso anspielungsreich gestaltete Michael Knobel in seiner Farbstiftzeichnung von 1999: Virtuoses Spiel sein Hoffmann-Porträt, eines von vielen aus seiner Werkstatt. Der Dichter ist hier ein virtuoser Spieler, der mit seinen erfundenen Gestalten wie mit Schachbrettfiguren auf dem Schachbrett jongliert. Er taucht im Hintergrund auf, ist aber der eigentliche Mittelpunkt und Deus ex Machina. Seine Haare flattern, sein Kopf und ein Auge (das innere Auge?) sprühen Funken, Symbole seiner schöpferischen Phantasie, die all die lebhaft agierenden Figuren auf dem Schachbrett hervorgebracht hat. Seine Mimik ist die eines Spötters und Regisseurs, der „die Puppen tanzen lässt“. Zu erkennen sind Anselmus aus dem Goldenen Topf, Meister Floh, Medardus aus den Elixieren des Teufels, Daucus Carota aus der Königsbraut, Klein Zaches genannt Zinnober, Giglio aus Prinzessin Brambilla, Fürst Irenäus aus den Lebensansichten des Katers Murr. Knobel ist ein meisterhafter Zeichner, der poetisch verfremdet, Reales und Irreales spielerisch vermischt, Farben symbolisch einsetzt und sich gründlich mit den Werken E.T.A. Hoffmanns, die er illustrierte, auseinandergesetzt hat.[99]
Reiner Schwarz (*1940)
Von dem Berliner Grafiker Reiner Schwarz, unter dem deutschen Surrealisten Mac Zimmermann an der Staatlichen Hochschule für Bildende Kunst in Berlin ausgebildet, stammt die brillante Lithografie: Die Sitzung mit E.T.A. Hoffmann aus dem Jahr 1970. Rechts ist E.T.A. Hoffmann mit Hund (Berganza) und Katze (Kater Murr?) zu sehen, Mit der Linken hält er ein Weinglas, in dem eine Spitzmaus die letzten Reste Wein ausschlürft. Eine Anspielung nicht nur auf Hoffmanns Kindermärchen Nussknacker und Mausekönig, sondern auch auf Hoffmanns Alkoholabhängigkeit. Links hat sich Reiner Schwarz wohl titelentsprechend selbst dargestellt. Mit der Rechten hält er sich die Nase zu, als ginge von der Maus im Glas oder von Hoffmanns tierischen Begleitern ein unappetitlicher Geruch aus. Nur Teile des Doppelbildnisses, das als imaginäre Begegnung auf Augenhöhe gedeutet werden könnte, sind genauer im Stil des fotografischen Realismus ausgeführt und farbig. Der Rest ist durch Linien angedeutet. Das macht den besonderen Reiz dieser Komposition aus. Das Vorbild für Hoffmanns Porträt ist schon allein wegen des Fracks deutlich als das Porträt aus der Berliner Nationalgalerie zu identifizieren, das lange Zeit als Selbstbildnis Hoffmanns galt. Dennoch ist ein ganz eigenes Porträt des Dichters entstanden, das sich deutlich von anderen unterscheidet.
Sitzung mit E.T.A. Hoffmann meint möglicherweise auch, dass der Künstler Reiner Schwarz den Menschen E.T.A. Hoffmann, der Tieren wie Hund, Katze und Maus literarisches Leben einhauchte, zu verstehen versucht. Jedenfalls ist sein Blick forschend wie der eines Psychoanalytikers auf den Dichter gerichtet, in dessen Antlitz sich eine introvertierte, verletzliche, durch die Härten der Lebenswirklichkeit zutiefst verletzte Persönlichkeit spiegelt. Die auch erkennbare Spottlust ist der Panzer gegen die Unbill der Welt. Die Inschrift über Hoffmanns Kopf: Alles ist Literatur könnte als Warnung Hoffmanns verstanden werden, Fiktion und Wirklichkeit zu verwechseln, seine literarischen Gestalten mit ihm gleichzusetzen.
Anmerkungen
[1] HSW, Nachtstücke, S. 284.
[2] 1943 schrieb Steiner-Prag in einem Prolog zu der New Yorker Ausgabe der Tales of Hoffmann sogar davon, dass er und Hoffmann sich begegnet sein müssten.
[3] Riemer, S. 35.
[4] HSW, Nachtstücke, S. 85.
[5]Text ergänzen
[6]Text ergänzen
[7] E.T.A. Hoffmann: Kreisleriana, in: Fantasie- und Nachtstücke, HSW, S. 373
[8] Ebd., S. 372. Vielleicht ein Grund, warum die Verfasserin 1973 die Radierung versehentlich dieser Textstelle zuordnete.
[9] Fischer hat den Gold(e)nen Topf 1938 zum ersten Mal illustriert. Der Leipziger Reclam-Verlag hat seine Zeichnungen insgesamt viermal mit dem Goldenen Topf veröffentlicht: 1938 und dreimal 1950. Ausgabe von 1973 der Büchergilde Gutenberg: s. Riemer, S. 244, Kat. Nr. 110 . Bei der Angabe zu den Illustratoren zu jedem dichterischem Werk Hoffmanns wurden Fischers Illustrationen zum Goldenen Topf aus Versehen vergessen. Soviel zu Anm. 20 von Karl Arndt: Beim Dichter und bei sich selbst. Fritz Fischer illustriert E.T.A. Hoffmanns ‚Der Goldne Topf‘, in: Buchillustration als Kunstform, hrsg. v. Reinhard Heinritz, Peter Lang Verlag, Frankfurt/Main, 1999, S. 47.
[10] Eng gefasst bedeutet Künstlerbuch, dass es als Unikat vorliegt und das Buch als solches ein eigenständiges Kunstobjekt ist. Fasst man den Begriff nicht so eng, bedeutet Künstlerbuch allgemein, dass das Buch zum Gegenstand eines künstlerischen Konzepts gemacht worden ist. Dann kann man selbst dann noch vom Künstlerbuch sprechen, wenn es eine begrenzte, autorisierte Auflage gibt. Darüber hinaus ist sogar eine höhere Auflage möglich, wenn, wie bei Fischer, die Verbindung von Text und Bild durch die Dominanz des künstlerischen Konzepts ein neues Kunstwerk entstanden ist.
[11] HSW, Fantasiestücke, S. 30.
[12] Vgl. Arno Meteling: Ritter Gluck. Eine Erinnerung aus dem Hare 1809, in Detlef Kremer (Hrsg.): E.T.A. Hoffmann. Leben – Werk – Wirkung, Berlin 2012, S. 84.
[13] Für das Plakat zur Ausstellung 2004 in der Galerie Pennarz in Pfaffenhofen wurde eine Zeichnung zu Ritter Gluck als Lithografie in einer Auflage von 22 gedruckt.
[14] Zuerst veröffentlicht in: Fränkischer Tag, 18. Juni 2005/G. Abgedruckt in: Jahrbuch der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft, Bd. 13, 2005, S. 154 f.
[15] Vgl. Schleyer, S. 154.
[16] Vgl. HSW, 2. Bd., Fantasiestücke, S. 86 u. 90. Das ist die Sicht des reisenden Enthusiasten und wohl auch die Hoffmanns.
[18] HSW, Nachtstücke, Werke 1818, Werke 1819-1820, Klein Zaches genannt Zinnober, S. 533.
[19] Ebd., S. 534.
[20] Ebd., S. 533.
[21] Ebd., S. 539.
[22] Ebd. S.534.
[23] Hartmut Steinecke: Hoffmanns Leben, in: E.T.A. Hoffmann. Leben. Werk. Wirkung, hg. v. Detlef Kremer, Berlin, 2. Auflage 2010, S. 13.
[24] Vgl. Homepage der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft
[25] Hans Günter Ludwig, Begleittext zu seiner Mappe mit 12 Silhouettenschnitten zu E.T.A. Hoffmanns Meister Floh im Postkartenformat, Bamberg 2013.
[26] Ebd.
[27] HWW, Meister Floh, Späte Werke, S. 755.
[28] 1850 entstanden, aufgestellt in der Bad Arolser Stadtkirche mit den Engel-Allegorien des Glaubens und der Liebe. Ironisches Kunstzitat – Prechtl ahmt Hoffmann und dessen fortwährende Anspielungen auf Künstler und Schriftsteller nach. Nichtunbedingt parodistisch, eher mit vergleichbarer Freude, den Rezipienten auf Entdeckungsreise zu schicken.
[29] S. Hoffmanns Bamberg-Aufenthalt von 1808-1813.
[30] Curt Visel: Tendenzen der Romantik-Illustration nach 1945, in: Buchillustration als Kunstform, Frankfurt/Main, 1999, S. 114 f.
[31] Detlef Kremer S. 338.
[32] Auf Seite 98 hat Prechtl nochmals Einstein porträtiert – Vorbild ist hier das berühmte Einstein-Bildnis mit herausgestreckter Zunge. Textbezug ist hier Kreislers Charakteristik Abraham Liskovs als Sonderling mit tollen Grillen und ausgelassenen Einfällen, der immer zu phantastischen Streichen aufgelegt sei. Zweiter Abschnitt: Lebenserfahrungen des Jünglings. Auch ich war in Arkadien.
[33] Stil des Photorealismus.
[34] Vgl. Kremer, S. 351.
[35] HWW, Lebensansichten des Katers Murr, S. 454.
[36] Vgl. Detlef Kremer, S. 351.
[37] Originale in der Kinder- und Jugendbuchabteilung Westhafen der Berliner Staatsbibliothek
[38] Interessante Variation bei Faust bei der Illustration des Romans: Die Zeichnungen zur Murr-Biografie sind Bleistift- und Rötelzeichnungen, die zur Kreisler-Biografie Federzeichnungen. Fausts Illustrationen zu Klein Zaches genannt Zinnober (1989, 1999, 2000 u. 2002), zu Meister Floh (2000/1), den Elixieren des Teufels (2000/1 ) zur Königsbraut, zum Goldenen Topf (2001), zur Brautwahl (2000), zum Sandmann (2000 und 2006), zu Das Fräulein von Scuderi (2006), zu den Kreisleriana (2013-15) und zu Kater Murr (2003, 2013-15) zeigen ihn als Künstler mit vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten. Trotz erkennbaren eigenen Stils wiederholt er sich nirgendwo. Jörg Petzel sieht in ihm nicht zu Unrecht einen kongenialen Hoffmann-Illustrator.
[39] HWW, Lebensansichten des Katers Murr; S. 336.
[40] HSW, Nachtstücke …Klein Zaches genannt Zinnober, S. 627.
[41] Vgl. Gundel Mattenklott, Lexikon der Illustration, Bd. 9, 2009, Ensikat, S. 8. Ensikats Vorzeichnungen zu Klein Zaches genannt Zinnober befinden sich in der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek Berlin, Westhafen.
[42] Aquarellierte Feder-Tuschzeichnungen auf Ingrespapier.
[43] Westhafenspeicher, Kinder- und Jugendbuchabteilung.
[44] Michael Duske, Nachwort zu der Ausgabe: E.T.A. Hoffmann. Aus dem Leben eines bekannten Mannes, Nach einer alten märkischen Chronik. Mit drei Original-Radierungen und einem Aquarell von Xago, Serapion vom See. Berlin 1995, S. 19.
[45] E.T.A. Hoffmann bezeichnete 1818 diese Erzählung selbst als das Humoristischste, was er geschrieben habe.
[46] Vgl. Klaus Kanzog: Reflexe der Werke E.T.A. Hoffmanns im Fernsehen.3. Im Zeichen der Satire – Dreimal Klein Zaches, E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch, Bd. 20, 2012, S. 148.
[47] Vgl. Franz Fühmann: Klein Zaches genannt Zinnober, in: E.T.A,. Hoffmann: Klein Zaches genannt Zinnober, Mitt Bildern von Ernst Kößlinger, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, 1990, S. 155 – 177. Geschrieben 1983.
[48] HSW, Nachtstücke… Klein Zaches…, S.607
[49] Ebd. S. 644.
[50] Ulrich Helmke: Geglückte Verführung. E.T.A. Hoffmann: Klein Zaches genannt Zinnober. Mit Illustrationen von Friedrich Hechelmann. Weingarten: Kunstverlag Weingarten 1978, in: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft, 25. Heft 1979, S. 62 f.
[51] Nachwort von Eckhart Kleßmann und Anmerkungen von Fabian Bergmann.
[52] Reinhard Heinritz spricht in seiner Rezension: E.T.A. Hoffmann: ‚Der Goldene Topf‘, gemalt von Jindra Čapek, Stuttgart, Wien: Weitbrecht 1995, deswegen von der Starrheit der Figuren. Sie erschienen ihm gelegentlich etwas flächig und attrappenhaft. Rezension in: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch, Bd. 5, 1997, S. 131. Nach Ansicht der Verfasserin ist die scheinbare Starrheit beabsichtigt und Teil der besonderen Atmosphäre (der Fremdheit und Stille) gerade der ins Phantastische oder auch Spukhafte gehenden Bilder. Nach Heinritz sind Čapeks Farbbilder dramatisch zugespitzt (nein, eher die Ausnahme!) und enthielten zu viel Irreales und Spukhaftes. Es gibt auch Tableaus mit stärkerem Realitätsbezug wie etwa die landschaftliche Darstellung, die Anselmus am Elbufer mit Blick aus Dresden zeigt, oder die Darstellung der bürgerlichen Punschgesellschaft (9. Vigilie), die vor allem komisch ist, auch wenn sich in den Gesichtern von Konrektor Paulmann, Registrator Heerbrand und Anselmus Entsetzen spiegelt und die Szene aus einem Tollhaus zu stammen scheint. Genau das entspricht dem dichterischen Text.
[53] HSW, Fantasiestücke, S. 238.
[54] Ebd.
[55] Die Illustrationen zu Nussknacker und Mausekönig befinden sich im Besitz des in Pforzheim lebenden russischen Sammlers von Hoffmann-Illustrationen, Alexander Fingrut. Sie liegen in einer Mappe vor und sind noch nicht veröffentlicht worden.
[56] HWW, Fantasiestücke, S. 238.
[57] Tatjana Jakob: Hoffmannsche Inspirationen in der Welt Bagautdinows. In: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch Bd. 10, 2002, S. 146 f (Aus der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft).
[58] HWW, Fantasiestücke, S. 229.
[59] Ebd.
[60] Ebd.
[61] HSW, Fantasiestücke, S. 307.
[62] Erinnert sei an Marcel Duchamps berühmtes Bild, das Schlüsselwerk der Moderne: Nu descendant un escalier (Akt, eine Treppe herabsteigend) aus dem Jahr 1912.
[63] Verfasser von Romanen, Erzählungen, Essays und Biografien, erhielt 1883 den Literaturpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie sowie 1992 den Berganza-Preis des Kunstvereins der Stadt Bamberg, hat 1986 auch ein Buch über Julius Eduard Hitzig: E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlass herausgegeben.
[64] Wie die Collagen von Held zu Franz Kafka. Diese Gegenüberstellung im E.T.A. Hoffmann-Museum verdeutlicht einmal mehr die Nähe von Hoffmann und Franz Kafka, die lange Zeit übersehen wurde. Inzwischen ist sie allseits bekannt.
[65] Karlheinz Bauer kannte Max Ernst persönlich, ist von ihm zu surrealistischen Collagen angeregt worden und hat ihn auch fotografiert (s.Karlheinz Bauer. Zwischen Traum und Realität. 1925-1976. Zeichnungen, Aquarelle, Ölmalerei, Collagen, Photos. Ausstellungskatalog der Stadtgalerie Bamberg Villa Dessauer, 1996, S. 15).
[66] Erich Pfeifer-Belli, Süddeutsche Zeitung 1965, in: Lothar Henning: Zwischen Traum und Realität. Karlheinz Bauer – Monteur eines phantastischen hintergründigen Spiels, Ausstellungskatalog 1996, s.o., S. 17.
[67] Viele bekannte Hoffmann-Porträts, fotokopiert oder per Computer bearbeitet und ausgedruckt, tauchen in Helds Collagen auf: die Selbstbildnisse und Karikaturen Hoffmanns, Hensels und Buchhorns Bildnis, die Gemälde aus der Berliner Nationalgalerie, die lange Zeit irrtümlich für Selbstbildnisse Hoffmanns gehalten wurden, und vor allem das lithografierte Hoffmann-Porträt Prechtls von 1967.
[68] Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass die Dargestellten tot sind.
[69] Bernhard Schemmel: Phantasie als Weltverwandlung. „Hoffmanns Verbrennung“ von Wolfgang Held, veröffentlicht und ins Französische übersetzt in der französischen Zeitschrift: Otrante. Art et littérature fantastiques. Hoffmann ccntemporain: réceptions & réécritures aux XXe & XXIe siècle. Centre National du Livre, Paris 2017, hg. v. Victoire Feuillebois, S. 43-59.
[70] Wolfgang Held, Vorwort zum Katalog der Ausstellung des Bamberger Kunstvereins im E.T.A. Hoffmann-Theater Bamberg, 2013.
[71] Wolfgang Held: Hoffmanns Verbrennung, Schauspiel, 1.Akt, Szene 10, S. 28, hg. v. Bernhard Schemmel, Bamberg 2015.
[72] Rara-Lesesaal
[73] Renate Raeke, Lexikon der Illustration, 9/09, Günther Stiller, S. 2.
[74] Ulrich Helmke: Sandmanns dunkler Widerschein, in: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft e.V., 25. Heft 1979, S. 64.
[75] HSW, Nachtstücke, S. 45.
[76] Johannes Häfner: ICH-ETA-Hoffmann-Mappe. Nürnberg: ICH–Verlag 1995/96 und Johannes Häfner: ICH ETA. Phantasiebilder in E.T.A. Hoffmanns Manier. Bildgeschichte mit 53 Grafiken. Nürnberg: Ellipse 1996. 111 S., nach: Jörg Petzel, Besprechungen, E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 1997, S. 148.
[77] Jörg Petzel, ebd., S. 149.
[78] Jörg Petzel, Jahrbuch der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft 1999, S. 134 (Besprechungen). Dieses Urteil ist einseitig und übersieht, dass sich z.B. Rainer Ehrt, Steffen Faust und Stephan Klenner-Otto ebenfalls mit Hoffmanns bildkünstlerischen Arbeiten produktiv auseinandergesetzt haben. Bei den Kaliningrader Künstlern gibt es ebenfalls Arbeiten, die sich auf Hoffmanns Zeichnungen und Bilder beziehen,.
[79] Erschienen in drei Bänden in einer Auflage von 28 Exemplaren. Wohl für einen elitären Kreis gedacht, für Kunstsammler und Hoffmann-Enthusiasten, z.B. mit Interesse am avantgardistischen Experiment.
[80] Als deutsche Ausgabe 1990 bei Altamira in Berlin erschienen und in Frankreich in St. Egrève bei Mosquito 2003.
[81] Alexandra Kardinar und Volker Schlecht treten als Zeichnergespann unter dem Namen Drushbar Pankow auf – ein merkwürdiges Verwirrspiel. Sie sind wohl zugleich auch ein Autorengespann, da sie den dichterischen Text natürlich den Erfordernissen eines Comics angepasst und damit grundlegend verändert haben.
[82] Jennifer Vogt: Die Darstellung von Olimpia bei E.T.A. Hoffmann und Dino Battaglia, Grin Verlag, Norderstedt 2009 und Susann Dannhauer: Alexandra Kardinars und Volker Sprechts Graphic Novel „Das Fräulein von Scuderi“ – Adaption oder Interpretation eines Klassikers?, Grin-Verlag, Norderstedt 2012.
[83] Sie ist nur in Schwarz-Weiß gehalten und enthält auch noch Battaglias Comiczeichnungen zu Büchners Woyzeck.
[84] Bei Ciponte sollte besser von Dust Novels gesprochen werden.
[85] E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch Bd. 2, 1994; S. 129 f.
[86] Jennifer Vogt, S. 5.
[87] Dominik Troger: E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann. Das öde Haus. Gezeichnet von Dino Battaglia. Nachwort von Franz Loquai, Berlin: Altamira 1990, 96 S.. In: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch Bd. 2, 1994, S. 130.
[88] Franz Loquai, Nachwort in: Der Sandmann. Das öde Haus von E.T.A. Hoffmann. Gezeichnet von Dino Battaglia, Altamira Literaturcomic, Verlagshaus Fromm, Osnabrück 1990, S. 91.
[89] Killy hätte hier Merkmale des Kitsches aufzeigen können, obwohl der Begriff Kitsch in der Kunstwissenschaft inzwischen umstritten ist.
[90] Frankfurt /Main, aus dem Italienischen übersetzt von Myriam Alfano. Zuständig für die Textauswahl: Dacia Palmerino.
[91] Susann Dannhauer spricht sogar davon, dass der Comic anfangs beinahe sklavisch dem Aufbau des Originals folge und zu wenig Mut zeige, die Bilder sprechen zu lassen. Vgl. Susann Dannhauer: Alexandra Kardinars und Volker Schlechts Graphic Novel „Das Fräulein von Scuderi“ – Adaption oder Interpretation eines Klassikers?, Essay, Grin-Verlag, Norderstedt 2012, S. 8.
[92] Alexandra Kardinar und Volker Schlecht, Nachwort zu ihrer Comic-Adaption, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, Wien und Zürich, 2011, S. 154.
[93] Die Serapionsbrüder billigen deshalb Sylvesters Erzählung als wahrhaft serapiontisch, HSW, Bd. IV, Die Serapions-Brüder, S. 853.
[94] Vgl. Wulf Segebrecht, Vortrag von 1999, gehalten auf dem Symposium in Berlin zum Illustrator Fritz Fischer: Illustrationen sind deshalb aus der Sicht des Lesers höchst problematische Zutaten zum Text… Illustrationen sind prinzipiell als ein schwerwiegender Eingriff in den Text zu verstehen. Sie verändern ihn substantiell…
[95]Lithografie. Vorlage: Karikatur Hoffmanns mit überaus ähnlichem Selbstbildnis: Hoffmann zeichnet sich selbst, als der Bamberger Arzt Dr. Christian Pfeufer die Zungenspitze von Carl Friedrich Kunz untersucht, s. Dietmar Ponert, E.T.A. Hoffmann. Das bildkünstlerische Werk, Bamberg 2012, Abb. 65, Kat. 102.
[96] Radierung. Nach Ludwig Buchhorns Kupferstich von 1823 nach einem verschollenen Selbstbildnis E.T.A. Hoffmanns, s. Ponert, Abb. 105, Kat. 155. Schon hier sieht Hoffmanns Doppelgänger Janssen ähnlich.
[97] Radierung. Nach Johann Passinis Kupferstich von 1821.
[98] Die Radierung von 1993 ist mit Alkohol betitelt; eine Flasche mit dem Etikett Elexier (sic!) ergießt sich in Hoffmanns Hirn.
[99] Dies beweisen seine grafischen Zyklen zur Prinzessin Brambilla (1993 u. 1995), zu KleinZaches genannt Zinnober (1995), zu Meister Floh (1993 u. 2014), Signor Formica (1993), zu den Elixieren des Teufels (1993), zu den Bergwerken zu Falun (1997), zu der Königsbraut (2002-04), zum Goldenen Topf (2004)zu den Lebensansichten des Katers Murr (2014), die Gedankenmikroskope (2014 – Meister Floh?), die zahlreichen Hoffmann-Porträts etc. Er gehört wie Faust, Ehrt und Klenner-Otto zu den wichtigsten Hoffmann-Illustratoren der letzten Jahrzehnte.