Julius Eduard Hitzig
Hier finden Sie einen Beitrag zu dem Verleger Julius Eduard Hitzig.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Romantik im E.T.A. Hoffmann Portal – Texten fürs Web“, das das Team E.T.A. Hoffmann Portal im Wintersemester 2019/2020 gemeinsam mit Prof. Dr. Anne Fleig am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin angeboten hat. Neun Studierende hatten sich in diesem Seminar mit den Themen Hoffmanns Berliner Orte und Bekanntschaften, Hoffmanns Netzwerke und Zeitgenossen sowie Romantik und Wissenschaften beschäftigt. Die besten Arbeiten, die von den Studierenden selbst webgerecht aufbereitet wurden, konnten im Portal veröffentlicht werden.
Janine Seidel, geb. 1997, studiert seit Oktober 2015 Biologie und Deutsche Philologie auf Lehramt an der Freien Universität Berlin.
(→ Forscherinnenprofil)
27.08.1776: Georg Andreas Reimer wurde in Schwedisch-Vorpommern geboren[1].
Er durchlief bereits in jungen Jahren eine Lehre in der Greifswalder Filiale der Buchhandlung Lange.
1795: Reimer kam nach Berlin, um dort im Hauptgeschäft der Langeschen Buchhandlung zu arbeiten.
1800: Mit der Erbpachtung der „Realschulbuchhandlung“ im Jahr 1800 machte er sich schließlich als Buchhändler und Verleger selbstständig.
Über den Salon des Verlegers, Übersetzers und Musikers Johann Daniel Sander kam Georg Andreas Reimer in Kontakt mit Frühromantikern wie Schlegel, Tieck und Schleiermacher, dessen Schriften er innerhalb seines Verlages veröffentlichte. Er wird aus diesem Grund „üblicherweise als wichtigster Verleger der Romantiker bezeichnet“[2]. Insgesamt war „[s]ein Verlag […] eindeutig ein wissenschaftlicher, mit Schul- und Gesangsbüchern als Longsellern“[3].
26.04.1842: Georg Andreas Reimer verstarb in Berlin.
Finanzielle Schwierigkeiten Hoffmanns
Kontakt über Julius Eduard Hitzig
Nachdem E.T.A. Hoffmann 1814 in Berlin an das Kammergericht und damit in die juristische Laufbahn zurückgekehrt war, stellte sich ihm ein großes finanzielles Problem[4]: da er nach der Entlassung aus dem Dienst der Warschauer Regierung 1807 viele Jahre nicht als Jurist tätig gewesen war, verwehrte man ihm eingangs eine volle Bezahlung seiner Stelle. „Erst anderthalb Jahre später erhielt er das volle Jahresgehalt eines Kammergerichtsrats (eintausend Taler)“. Umso dringender erschien es, sich über „Honorare für sein literarisches Werk“ den Lebensunterhalt vorerst finanzieren zu können. Aus dieser Situation heraus ergab sich der Kontakt E.T.A. Hoffmanns zu Georg Andreas Reimer, welcher sehr wahrscheinlich über Hoffmanns Bekannten Julius Eduard Hitzig angeregt worden ist; dieser hatte sich bei Reimer zum Buchhändler ausbilden lassen und schließlich im Herbst 1808 eine trotz der schlechten Zeiten bald blühende Verlagsbuchhandlung eröffnet[5]. Eine erste Erwähnung fand Reimer bereits in einem Brief Hoffmanns an Hitzig aus dem Jahr 1809, in dem ersterer seinen Freund um eine Empfehlung an den Buchhändler und Verleger Reimer bat: „Dagegen empfehlen Sie mich sehr im Elterlichen Hause, d[er] Madame Levi, Hrn. Levi so wie Hrn. Reimer u. a.“[6].
Verlag in zwei Bänden 1816 und 1817
„Nußknacker und Mausekönig“
„Das fremde Kind“
Nachdem sein erster Verleger Carl Friedrich Kunz die Veröffentlichung der Erzählung „Revierjäger“ des späteren Sammelbandes „Nachtstücke“ abgelehnt hatte[7], schickte E.T.A. Hoffmann 1815 das Manuskript des „Sandmannes“, welcher ebenfalls in den „Nachtstücken“ erscheinen sollte, an Georg Andreas Reimer[8]. In der Folge verlegte dieser die „Nachtstücke“ in zwei Bänden, welche 1816 und 1817 erschienen. Bereits vor der Veröffentlichung beider Bände erhielt Hoffmann das Gesamthonorar für seine Werke in mehreren Raten als Vorschüsse von Reimer ausbezahlt, um seine nicht geringen alltäglichen Ausgaben decken zu können.
Ebenfalls bei Georg Andreas Reimer erschienen die „Kinder-Mährchen“ in zwei Bänden 1816 und 1817, die E.T.A. Hoffmann gemeinsam mit Friedrich de la Motte-Fouqué sowie Karl Wilhelm Salice-Contessa veröffentlichte. Hoffmanns Beitrag zum ersten Band dieses Gemeinschaftswerkes war das Märchen „Nußknacker und Mausekönig“, in welchem er zwei der Kinder seines Freundes Hitzig als literarische Figuren auftreten ließ. Für den zweiten Band schrieb er die Erzählung „Das fremde Kind“. Ursprünglich sollten die „Kinder-Mährchen“ im Verlag von Karl Friedrich Wilhelm Duncker erscheinen, wobei wohl v.a. das von Duncker angestrebte Erscheinungsdatum nicht Hoffmanns Vorstellungen entsprach.
Hier finden Sie einen Beitrag zu dem Verleger Carl Friedrich Kunz.
Hier finden Sie einen Beitrag zu dem Verleger Karl Friedrich Wilhelm Duncker.
Inspiration durch Reimer
Die Entstehung der Erzählsammlung „Die Serapionsbrüder“ ist wesentlich auf das Mitwirken sowie die Inspiration von Georg Andreas Reimer zurückzuführen. Er selbst äußerte sich dazu in einem Brief an Julius Eduard Hitzig wie folgt:
„Zu den Serapionsbrüdern gab ich Hofmann die Idee an, indem ich ihn zur Sammlung der zerstreuten Erzählungen aufforderte und die beiden mir bereits angehörenden theuer bezahlten Erzählungen aus den Märchen noch einmal honorirte und ihm überdies auch aus freien Stücken eine Nachzahlung auf die Serapionsbrüder leistete“[9].
Gespräche der Serapionsbrüder als Rahmenhandlung
Obwohl Reimer kurz zuvor mit Tiecks Sammelband „Phantasus“ einen eher wenig zufriedenstellenden Absatz erreicht hatte, schlug er Hoffmann die Sammlung seiner Erzeugnisse sowie eine Verbindung dieser über eine Rahmenhandlung vor[10]. Für letztere nahm E.T.A. Hoffmann schließlich die von ihm protokollierten Gespräche innerhalb der Künstlervereinigung der Serapionsbrüder als Vorlage. So wurden die einzelnen Erzählungen über Diskurse der Mitglieder, „wie sie sich einander die Schöpfungen ihres Geistes mitteilen und ihr Urteil darüber aussprechen“[11], verbunden. Hoffmann seinerseits brachte Georg Andreas Reimer zu diesem Zeitpunkt bereits viel Vertrauen entgegen, wenn er ihm die grundsätzliche Gestaltung des Sammelbandes weitestgehend überließ:
„Erlauben Sie indessen die eine Frage deren Entscheidung ich Ihnen gänzlich überlasse so wie Sie glauben, daß das Buch besser geht: Ist es gerathener die Sachen unter dem simplen Titel Erzählungen gehn zu lassen oder eine Einkleidung zu wählen […]?[12]“
Der Anstoß Reimers zur Erstellung und Veröffentlichung des Sammelbandes wurde von Hoffmann in der Vorrede zu den „Serapionsbrüdern“ erwähnt und damit gewürdigt:
„Die Aufforderung des Herrn Verlegers, daß der Herausgeber seine in Journalen und Taschenbüchern verstreuten Erzählungen und Märchen sammeln und Neues hinzufügen möge […] veranlaßte[] dies Buch, und die Form in der es erscheint.[13]“
Veröffentlichung der „Serapionsbrüder“ ab 1818
Alle vier Bände der „Serapionsbrüder“ erschienen schließlich ab 1818 bei Georg Andreas Reimer, wobei Hoffmann auch für diese Erzeugnisse das abgesprochene Honorar als Vorschusszahlungen erhielt[14].
Doris Reimer beschreibt in ihrer Monographie zu Georg Andreas Reimer das berufliche Verhältnis zwischen Hoffmann als Schriftsteller sowie Reimer als dessen Verleger folgendermaßen:
„Die Verlagsbeziehung zwischen beiden war intern ungetrübt bis zu Hoffmanns Tod;[…]; Hoffmann verhielt sich seinem Verleger gegenüber solidarisch, und Reimer umgekehrt hatte Verständnis für Hoffmanns Bedürfnis nach Vorschüssen.“[15]
Finanzielle Nöte Hoffmanns
Trotz seines guten Gehaltes als Jurist sowie zusätzlichen Einkünften aus schriftstellerischen Tätigkeiten lebte E.T.A. Hoffmann über seine Verhältnisse. In mehreren Briefen bat er aus diesem Grund seinen Verleger Reimer um Vorschüsse; so hieß es beispielsweise in einem Schreiben an Georg Andreas Reimer aus dem Jahr 1820:
„Dabey nehme ich aber mir Ihre mir so oft thätig bewiesene Freundschafft und Güte in Anspruch, und bitte mir so bald es seyn kan neues Oel auf die trokne SchriftstellerLampe zu gießen. d. h. mir gütigst 20 Frdor die ich gar nöthig brauche zu senden. Gewiß werden Sie meine Bitte nicht abschlagen“[16].
Gewinnbringende Zusammenarbeit
Das Eingehen Reimers auf Hoffmanns wiederholte Bitten sicherte ihm die Zusammenarbeit mit dem nicht immer einfach zu händelnden Schriftsteller. Auch E.T.A. Hoffmann sah jedoch in der Zusammenarbeit mit Reimer als Verleger vermutlich einen deutlichen Gewinn, sowohl ökonomischer als auch intellektueller Art: insbesondere an der Entstehung des Sammelbandes „Die Serapionsbrüder“ wird Reimers aktive sowie kreative Art deutlich. Der intensivere Kontakt beider Männer bestand so von 1815 fast bis zu Hoffmanns Tod durchgängig. Mit den Sammelbänden „Nachtstücke“ sowie „Die Serapionsbrüder“ erschienen in Reimers Verlag darüber hinaus einige der bekanntesten und erfolgreichsten Schriften Hoffmanns.
[1] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Reimer, Doris: Passion & Kalkül. Der Verleger Georg Andreas Reimer (1776-1842). Berlin u.a.: de Gruyter 1999., S.41,42 u. 48
[2] Reimer, Doris: Methoden der Verlagsgeschichtsschreibung. Der biographische Ansatz am Beispiel des Berliner Verlegers Georg Andreas Reimer (1776-1842). In: Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 22 (1997). S.59
[3] Ebd., S.61
[4] Für diesen und die folgenden Sätze vgl. Reimer 1999, S.267
[5] Vgl. Reimer 1999, S.264
[6] Schnapp, Friedrich (Hg.): E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel. Gesammelt und erläutert von Hans von Müller und Friedrich Schnapp. Erster Band, Königsberg bis Leipzig 1794-1814. München: 1967 Winkler. S. 255-258, hier S. 258
[7] Schnapp, E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel, Bd. 2 (1968), hier: Nach dem Tagebuch und nach Kunzens Angabe 1839, vgl. S. 38, Anm. 2
[8] Für diesen und den folgenden Absatz vgl. Reimer 1999, S.268-271
[9] Müller, Hans von (Hg.): E.T.A. Hoffmann im persönlichen und brieflichen Verkehr. Sein Briefwechsel und die Erinnerungen seiner Bekannten. Gesammelt und erläutert von Hans von Müller. Zweiter Band. Drittes Heft. Berlin: 1912 Gebrüder Paetel. S.573
[10] Reimer 1999, S. 274
[11] Hitzig 1986. S.331
[12] Hoffmann an Reimer in Berlin, 1818, in: Schnapp, E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel, Bd. 2 (1968), S. 156
[13] Hoffmann, E.T.A.: Die Serapionsbrüder. Herausgegeben von Wulf Segebrecht unter Mitarbeit von Ursula Segebrecht. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag 2015. S. 11
[14] Reimer 1999, S.275
[15] Reimer 1999, S.267
[16] Schnapp, E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel, Bd. 2 (1968), S. 269f., hier S. 270