Joseph Seconda
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Die Hoffmanns waren seit Generationen lutherische Pfarrer und Lehrer in Ostpreußen.
Am 26. Oktober 1767 vermählte sich der einunddreißigjährige Christoph Ludwig Hoffmann, Advokat beim Hofgericht in Königsberg mit seiner neunzehnjährigen Cousine Luise Albertine Doerffer, deren Vater ebenfalls Advokat, zugleich auch Konsistorialrat war und sich als Vertrauter der hervorragendsten preußischen Adelsfamilien eine bedeutende Stellung geschaffen hatte.
E.T.A. Hoffmanns Vater war der erste Jurist und Hofgerichtsadvokat in der Familie und somit eine angemessene Partie. Drei Söhne entstammten dieser Ehe: 1768 Johann Ludwig, 1773 Carl Wilhelm Philipp, der kurz nach seiner Geburt verstarb – und am 24. Januar 1776 Ernst Theodor Wilhelm, der später seinen dritten Vornamen aus Verehrung zu W. A. Mozart in Amadeus umwandelte. Zwei Jahre nach Hoffmanns Geburt trennten sich seine Eltern, ohne sich förmlich scheiden zu lassen. Infolge einer Neuordnung des preußischen Gerichtswesens verließ der Vater Hoffmanns mit seinem ältesten Sohn Königsberg und kam als Justizkommissar und Kriminalrat an das Hofgericht zu Insterburg, wo er 1797 starb.
Hoffmann lebte nun mit seiner Mutter im Hause der Großmutter, zusammen mit deren unverheirateten Kindern, seiner Tante Johanna Sophie Doerffer und seinem Onkel Otto Wilhelm Doerffer. Bereits 1796 starb Hoffmanns Mutter, der, vom Onkel abgesehen, nun in einem von Frauen dominierten Haushalt aufwuchs.
Tante Johanna Sophie Doerffer und Onkel Otto Wilhelm
Seine Tante Johanna Sophie Doerffer entwickelte sich zu einer engen Vertrauten – im Gegensatz zu seinem Onkel Otto Wilhelm, der für Hoffmann den Prototyp eines Spießers und Philisters verkörperte. Immerhin vermittelte der Onkel seinem Neffen
„die Gewöhnung an stetigem Fleiß“ (Schnapp, Aufzeichnungen, S. 17),
was Hoffmann nicht davon abhielt, den pensionierten Justizrat zu mystifizieren, er nannte ihn in, Anlehnung an Shakespeare, den dicken Sir Ott, Sir Ott oder auch nur den Oweh-Onkel, eine ironische Auflösung der Namensinitialen des Otto Wilhelm Doerffer. (SW I, S. 14)
Jörg Petzel hat nach langjäriger Arbeit als Buchhändler und Antiquar Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaften in Bamberg studiert. Er ist Vize-Präsident der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft und Mitherausgeber sämtlicher Werke E.T.A. Hoffmanns im Deutschen Klassiker Verlag; Arbeiten zu E.T.A. Hoffmann, Friedrich de la Motte-Fouqué, Arno Schmidt und Franz Fühmann (→ Forscherprofil).
Mehrfach las er die Werke Shakespeares, Sternes, Jean Pauls und Rousseaus Bekenntnisse, die deutliche Spuren in seinen folgenden Briefen und Werken hinterlassen sollten.
Hoffmann besuchte die reformierte Burgschule in Königsberg, wo er sich mit dem Neffen des Königsberger Stadtoberhauptes Theodor Gottlieb von Hippel anfreundete. Diese Schulfreundschaft endete erst mit Hoffmann Tod im Jahre 1822.
Königsberg war zu Hoffmanns Zeiten eine musikliebende Stadt, daher verwundert es nicht, daß der 18jährige Hoffmann um 1793 zum Musiklehrer avancierte, seine einzige Schülerin war Dora Hatt, die zehn Jahr ältere Tochter eines wohlhabenden Tuchhändlers, die mit ihrem ungeliebten Mann, einem Brauereiunternehmer, 1792 in das Doerffersche Haus eingezogen war.
Affäre Dora Hatt
Hoffmann verliebte sich während des Gesangs- und Klavierunterrichts in die attraktive, fünffache Mutter. Diese Konstellation – Erotik im Musikunterricht – sollte sich in Hoffmanns Leben noch einigemale wiederholen. Seine leidenschaftliche Beziehung eskalierte in den folgenden Jahren, die fast zum Duell mit einem Nebenbuhler führten. Daher beschloß seine Familie, daß Hoffmann 1796 zu seinem Patenonkel Johann Ludwig Doerffer nach Glogau umziehen sollte. Dort erfolgte der Bruch mit seiner Geliebten Dora Hatt, dem sich 1798 die Verlobung mit seiner Cousine Minna Doerffer anschloß.
1798 berichtet er seinem Jugendfreund Hippel in einem Brief:
„Mit meiner juristischen Laufbahn gehts sehr pianissimo. […] Der Onkel ist Geheimer OberTribunalsRat geworden, ich lass‘ mich daher natürlich ans KammerGericht versetzen, und hoffe dort etwas schneller zum Ziel zu gelangen, als es hier geschehen sein würde. Spätestens in 8 Wochen hoff ich in Berlin zu sein, und ein – Nest verlassen zu haben, dessen Einsamkeit mir vielleicht aber hin und her heilsam gewesen.“
SW I, S. 112
In Posen gelang es Hoffmann, sein Singspiel nach Goethes Scherz, List und Rache zur mehrmaligen Aufführung zu bringen.
In Berlin genoß er das hauptstädtische Kulturleben, besuchte Konzerte, Theater, Galerien. Zu seinen neuen Bekanntschaften gehörten der Direktor des königlichen Theaters Iffland und der Sänger und Schauspieler Franz von Holbein, mit dem er Jahre später in Bamberg zusammenarbeiten sollte. In der preußischen Hauptstadt vollendete Hoffmann sein erstes Bühnenstück Die Maske und übersandte es der Königin Luise von Preußen in der Hoffnung, sie werde eine öffentliche Aufführung in die Wege leiten, die sich aber zerschlug. Beim berühmten Kapellmeister und Schriftsteller Johann Friedrich Reichardt nahm Hoffmann Kompositionsunterricht, und scheinbar nebenbei bestand er im Jahre 1800 sein drittes juristisches Examen mit der Note „vorzüglich“.
Sein Wunsch, weiter in Berlin zu arbeiten, wurde nicht erfüllt, stattdessen erfolgte die Versetzung Hoffmanns als Assessor nach Posen, das wenige Jahre zuvor noch zum Königreich Polen gehörte.
Anfang des Jahres 1803 lernte Hoffmann die zwei Jahre jüngere Polin Michaelina Rorer- Trczinski kennen und lieben, die er am 26. Juli des gleichen Jahres heiratete; zuvor hatte Hoffmann, sehr zum Ärger seiner Familie, die Verlobung mit Minna Doerffer aufgelöst.
Verhängnisvolle Karikaturen
Mit dem Regierungsrat Johann Ludwig Schwarz und anderen Kollegen heckte Hoffmann einen Streich auf der Karnevalsredoute 1802 aus, der weitreichende Folgen zeitigen sollte. Man zeichnete Karikaturen auf die Spitzen der preußischen Verwaltung in Posen und Zielscheibe waren vorrangig die borniert wirkenden adligen Militärangehörigen. Die Wirkung jener Karikaturen waren von derart ätzender Natur, daß dieser Affront Hoffmanns Strafversetzung zur Folge hatte, und so mußte Hoffmann seine juristische Karriere in Płock, einem 3000-Seelen-Städtchen an der Weichsel, fortsetzen, das er als Exil empfand. Dort begann Hoffmann Tagebuch zu führen, das ihm die fehlende Gesellschaft und deren kulturelle Anregungen ersetzen sollte.
Eigene Klavierkompositionen versuchte Hoffmann zunächst vergeblich beim Zürcher Musikalienverleger Naegeli zu veröffentlichen. Seine einzige kulturelle Verbindung zur Außenwelt war die Zeitschrift Der Freimüthige, die der berühmte Dramatiker August von Kotzebue herausgab und die am 9. September 1803 erstmals einen Text von E.T.A.Hoffmann unter der Namenschiffre G.D. abdruckte – Das Schreiben eines Klostergeistlichen an seinen Freund in der Hauptstadt. Erfreut notierte Hoffmann am 26.Oktober 1803 in seinem Tagebuch:
„Mich zum ersten mal gedruckt gesehen im Freimüthigen – habe das Blatt zwanzigmal mit süßen liebevollen Blicken der Vaterfreude angekuckt – – frohe Aspekten zur literarischen Laufbahn!- Jetzt muß was sehr witziges gemacht werden!“
SW I, S. 356
Im Herbst 1803 begann Hoffmann mit der Komposition der Messe d moll für Soli, Chor, Orchester und Orgel, die er aber erst im Sommer 1805 vollenden sollte. Am 10. März 1804 erhielt Hoffmann endlich die ersehnte Versetzungs-Urkunde, die ihn als Regierungsrat an die Südpreußische Regierung nach Warschau delegierte.
Dort befreundete sich Hoffmann mit dem jungen Assessor Julius Eduard Itzig (seit 1809 Hitzig), der ihn mit der zeitgenössischen romantischen Literatur vertraut machte. In Warschau komponierte er das Singspiel Die lustigen Musikanten, dessen Text von Clemens Brentano stammte; auf dem Titelblatt der Partitur erschien erstmalig der Name E.T.A.Hoffmann. Es entstanden weitere Klaviersonaten und vor allem seine Sinfonie in Es dur, die Hoffmann in Warschau persönlich dirigierte, er leitete ein von Dilettanten gebildetes Orchester, das unter Hoffmanns Leitung sogar Sinfonien von Beethoven aufführte.
Im Juli 1805 gebar Michaelina Hoffmann eine Tochter, die der stolze Vater nach der Schutzheiligen der Musik Caecilia taufen ließ,, die aber zum Leid der Eltern schon zwei Jahre später sterben sollte, es blieb das einzige Kind der Hoffmanns.
Die Warschauer Kunst-Idylle endete am 28.November 1806, als napoleonische Truppen Warschau besetzten und die preußischen Behörden aufgelöst wurden. Hoffmann war damit stellungslos, weil er, wie die Mehrzahl seiner Kollegen, den Eid auf die neue französische Regierung verweigerte. Doch er blieb zunächst in Warschau, während seine Frau mit der Tochter nach Posen reiste.
Kurz vor seiner Abreise nach Berlin komponierte Hoffmann die ersten Takte seiner neuen Oper Liebe und Eifersucht nach Calderon, deren Libretto der berühmte Shakespeare-Übersetzer August Wilhelm Schlegel verfaßte.
Am 18.Juni 1807 traf Hoffmann in Berlin ein und versuchte vergeblich bei den preußischen Behörden um Unterstützung und Hilfe nach; es sollte die bitterste Zeit seines Lebens werden. Ohne Erfolg versuchte er eigene Handzeichnungen und auch Kompositionen zu verkaufen, daher mußte der preußische Beamte Hoffmann hungernd unter dem Existenzminimum leben.
Vom Direktor des Bamberger Theaters Graf von Soden erhielt Hoffmann überraschend das Angebot, als neuer Musikdirektor in Bamberg zu arbeiten, doch sollte er zuvor als Talentprobe ein Opern-Libretto Sodens vertonen, worauf der notleidende Arbeitslose klaglos einging. Nebenbei skizzierte Hoffmann sein erstes geniales Prosastück, den Ritter Gluck.
Am 1. September 1808 traf das Ehepaar Hoffmann in Bamberg ein, wo der neue Musikdirektor mit großen Hoffnungen seine Stelle antrat. Doch E.T.A. Hoffmanns Erwartungen wurden gleich zu Beginn enttäuscht. Graf Soden hatte inzwischen die Leitung des Bamberger Theaters niedergelegt und einem gewissen Cuno überlassen, der in Hoffmanns Augen nur ein „unwissender eingebildeter Windbeutel“ war (SW I, S. 198).
Hoffmann hatte es sich seit Warschau angewöhnt, sitzend vom Piano aus zu dirigieren, was für damalige Verhältnisse modern und ungewöhnlich war; die behäbigen Bamberger Musiker legten dies als Unfähigkeit Hoffmanns aus, der aus diesem Streit als Verlierer schied und seine Stelle aufgeben mußte. Den Titel Musikdirektor durfte er behalten und versuchte von da ab seinen Unterhalt als Musiklehrer und vom Verkauf seiner Kompositionen zu bestreiten. Hoffmann fand leicht Zugang zu vornehmen und reichen Familien in Bamberg und bekam sogar einen Kompositionsauftrag von der in Bamberg residierenden Herzogin von Bayern. Zu dieser Zeit arbeitete er an seinem anspruchvollsten Kirchenmusikwerk, dem Miserere in b moll und vollendete das geniale Fantasiestück Ritter Gluck.
Kontakt zur Allgemeinen Musikalischen Zeitung
Noch während seines Warschauer Aufenthalts hatte Hoffmann den wichtigen Kontakt zum Redakteur der Allgemeinen Musikalischen Zeitung in Leipzig, Friedrich Rochlitz geknüpft, den er nun aus Bamberg wieder aktivierte, in dem er Rochlitz am 12.Januar 1809 den Ritter Gluck zum Abdruck in der AMZ zuschickte. Dieser ging auf Hoffmanns Angebot ein und so begann für den freien Künstler E.T.A.Hoffmann eine äußerst produktive Zeit als Musikschriftsteller und Rezensent. Der Großteil seiner Beiträge für die AMZ, darunter Hoffmanns bahnbrechende Rezension zu Beethovens 5. Sinfonie und die Kreisleriana, erschien 1814 in den Fantasiestücken in Callots Manier.
Am 15. Februar 1809 erschien der Ritter Gluck in der AMZ Nr. 20, und Hoffmann notierte in seinem Tagebuch: „Den Ritter Gluk gedruckt gelesen!- es ist sonderbar, daß sich die Sachen gedruckt anders ausnehmen als geschrieben.“ (SW I, S. 360)
Bamberger Bekanntschaften
Zu seinen wichtigsten neuen Bekanntschaften in Bamberg gehörten die Mediziner Marcus und Speyer. Adalbert Friedrich Marcus war der Leibarzt des Fürstbischofs und Direktor der Medizinal- und Krankenanstalten in den fränkischen Fürstentümern, einer der fortschrittlichsten Mediziner in Deutschland. Ein von Hoffmann gemaltes Ölbild zeigt Marcus zusammen mit Hoffmann in antiker Pose. Durch Marcus und Speyer wurde Hoffmann mit der Problematik von Geisteskrankheiten und deren Heilmethoden bekannt gemacht. Zusammen mit Marcus besuchte er in der Bamberger Irrenanstalt St.Getreu Geisteskranke und Somnambule, studierte danach auch die ihm empfohlenen Fachwerke von Reil, Schubert, Kluge, Pinel und Mesmer. Die Traum-, Spuk-, Wahnsinns- und Gespensterdarstellungen in Hoffmanns folgenden Erzählungen beruhen auf genauester theoretischer und praktischer Kenntnis der entsprechenden Phänomene, was sich auch auf seine späteren juristischen Gutachten auswirken sollte.
Im Jahre 1810 wurde Hoffmanns alter Bekannter aus Berlin, Franz von Holbein, zum neuen Theaterdirektor in Bamberg ernannt; während seiner zweijährigen Intendanz gewann er Hoffmann als Mitarbeiter ohne Amt. Der Musikdirektor E.T.A. Hoffmann agierte nun kongenial als Kapellmeister, Komponist, Theatermaler und Bühnenarchitekt. Holbeins Spielplan mit den Dramen Shakespeares, Kleists und vor allem Calderons wurde auch von Hoffmann beeinflußt, der über die Calderon-Inszenierungen in Bamberg einen anschaulichen Aufsatz in den Musen publizierte. Seine enge Bekanntschaft mit dem seit 1807 in Bamberg ansässigen Wein- und Buchhändler Carl Friedrich Kunz sollte für den langsam reüssierenden Schriftsteller E.T.A.Hoffmann produktive Folgen haben. Kunz gründete in Bamberg ein Lese-Institut, das sich zur größten kommerziellen Leih-Bibliothek Bayerns entwickelte; am ersten Katalog arbeitete auch Hoffmann mit, er betreute u.a. die italienische Abteilung, da er diese Sprache fließend sprach. Kunz wurde Hoffmanns erster Verleger mit den 1814-15 erschienenen Fantasiestücken in Callots Manier und der antinapoleonischen Flugschrift Die Vision auf dem Schlachtfeld bei Dresden, wobei die vierbändigen Fantasiestücke Hoffmanns Ruhm als Schriftsteller begründeten, die kein geringerer als der schon berühmte Jean Paul mit einem Vorwort einleitete.
Affäre Julia Mark
Die erotische Leidenschaft für seine junge Gesangschülerin Julia Mark wurde Hoffmann in Bamberg fast zum Verhängnis. In seinen offherzigen Tagebuch-Notizen hat Hoffmann diese amour fou anschaulich dokumentiert. Für Julia Mark verwendete Hoffmann in seinen Tagebüchern den Decknamen Käthchen, nach seinem Lieblingsstück Das Käthchen von Heilbronn von Heinrich von Kleist:
„exotische Streiche im Übermaß – Ktch-Ktch-Ktch!!! Exaltiert bis zum Wahnsinn (SW I, S. 385) „Es bleibt noch von der gestrigen höchst exotischen Stimmung vielzu bemerken Ktch-Ktch-Ktch – O Satanas – Ich glaube daß irgendetwas Hochpoetisches hinter diesem Dämon spukt, und insofern wäre Ktch nur als Maske anzusehen.“ (SW I, S. 393).
Die über Jahre schwelende Affäre kulminierte anläßlich der Verlobungsfeier Julia Marks in Pommersfelden; ihr weitaus älterer Bräutigam wurde von Hoffmann rüde beleidigt, beide stark alkoholisiert. Da Hoffmann auch noch die Brautmutter beschimpfte, verbot diese dem Musiklehrer ihrer Tochter das Haus.
Obwohl der Musikdirektor E.T.A.Hoffmann in Bamberg zahlreichen Tätigkeiten nachging, er handelte auch mit Musikalien des Verlages Breitkopf&Härtel, mußte er zeitweise, wie zuvor schon in Berlin hungern, da seine schmalen Einnahmen nie lange vorhielten. Für einige Wochen zog er auf die Altenburg, malte dort einige Gewölbe aus und begann mit der Komposition seiner Zauberoper Undine, die er erst in Berlin vollenden sollte. Jahre später bezeichnete Hoffmann seine Bamberger Zeit als seine „Lehr-und Marterjahre“. (Z. Funck, Aus dem Leben, S. 132)
Schauspiel-und Opern-Impresario Joseph Seconda
Februar 1813 bekam E.T.A. Hoffmann völlig unerwartet ein Stellenangebot vom Schauspiel-und Opern-Impresario Joseph Seconda in Leipzig und Dresden und im April 1813 verließ er mit seiner Frau Bamberg, um nach Dresden zu reisen, wo er aber wegen der napoleonischen Kriegswirren seinen neuen Arbeitgeber Seconda nicht antraf. Stattdessen lief er überraschend seinen alten Freund Hippel in die Arme, der als Staatsrat im Gefolge des preußischen Staatskanzlers von Hardenberg in Dresden weilte, aber kurz danach die Stadt vor Napoleons Einmarsch wieder verließ. Hoffmann lebte nun mit seiner Frau mitten im Kriegsgeschehen, das er später in seinen Erzählungen verarbeiten sollte. In diesem Kriegsgetümmel arbeitete Hoffmann weiter an seiner Erzählung Der Magnetiseur. Während des Zeitraums seines Engagements bei Seconda dirigierte Hoffmann eine große Anzahl von zeitgenössischen Opern, darunter Mozarts Die Zauberflöte und Die Entführung aus dem Serail. Doch kam es zu unangenehmen Zusammenstößen zwischen Hoffmann und Seconda, der seinem Musikdirektor die Schuld am schlechten Zustand des Orchesters gab. Neben dem Dirigieren schrieb Hoffmann weiterhin seine bahnbrechenden Musikrezensionen für die AMZ und konzipierte in Dresden sein, in eigener Einschätzung, bedeutenstes Werk, Der goldene Topf. Im Februar 1814 kündigte Seconda seinem Musikdirektor die Stelle, der später ein neues Arbeitsangebot folgte, das Hoffmann jedoch ablehnte. Trotz der unerfreulichen Erfahrungen waren die Dresdener und Leipziger Jahre für den Künstler E.T.A. Hoffmann äußerst produktiv, denn dort entstanden u.a. Der goldene Topf, Der Magnetiseur, Die Automate und der erste Teil der Elixiere des Teufels, vor allem aber arbeitete Hoffmann kontinuierlich an der Zauberoper Undine, seinem musikalischen chef d’œuvre.
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Der erneut stellungslose Musikdirektor E.T.A. Hoffmann lebte weiterhin von Zeitungsbeiträgen, verkauften Karikaturen und vom Übersetzen; nebenbei begann er mit der Konzeption seines Romans Die Elixiere des Teufels. Erneut kam es zu einem Treffen mit seinem Freund Hippel, und nun entschloß sich Hoffmann mit Hippels Hilfe wieder als Jurist in den Staatsdienst zurückzukehren, denn Hippel besaß inzwischen die Gunst des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., für den Hoffmanns bester Freund den berühmten Aufruf An mein Volk verfasste. Dank dieser Konnexionen gelang es Hoffmann, wieder beim Berliner Kammergericht unterzukommen, wobei das erste halbe Jahr ohne Gehalt abzuleisten war.
Am 26.September 1814 trafen Hoffmann und seine Frau Mischa in Berlin ein, wo er von nun ab wieder als Jurist im preußischen Staatsdienst arbeitete. Im Unterschied zu seinen früheren Berliner Aufenthalten war der Künstler E.T.A. Hoffmann nun kein Unbekannter mehr, denn die ersten beiden Bände seiner Fantasiestücke in Callots Manier sorgten für Furore, dank der Reklame seines Warschauer Freundes Hitzig. Während eines Romantiker-Diners lernte Hoffmann bereits einen Tag nach seiner Ankunft in Berlin die Dichter Fouqué, Chamisso, Ludwig Tieck und den Maler Philipp Veit kennen. In lockerer Folge kam es immer wieder zu derartigen Künstlertreffen, bei denen Hoffmann auch Eichendorff und Contessa kennenlernte und diese Eindrücke später in den Gesprächen seiner Serapions-Brüder künstlerisch verwertete.
Ende Oktober 1814 erschien der dritte Band der Fantasiestücke mit dem Märchen Der goldene Topf und Hoffmann bekam immer häufiger Angebote, als Autor für die zahlreichen Taschenbücher und Almanache jener Zeit zu schreiben; nur wenige Jahre später gehörte er zu den höchstbezahlten Almanach-Autoren im gesamten deutschen Sprachraum. Nicht wenige dieser Erzählung nahm Hoffmann später in sein vierbändiges Werk Die Serapions-Brüder auf.
Nachbar Ludwig Devrient
Zu seinen engsten Freunden und Trinkkumpanen in Berlin gehörte sein Nachbar, der geniale Schauspieler Ludwig Devrient, der vor allem in Shakespeare-Rollen brillierte und dem Hoffmann im Frühjahr 1817 folgende Einladung zukommen ließ:
„Das es jetzt beinahe 11 Uhr ist vermuthe ich mit Recht, daß die Katzenschwangere MorgenNebel sich verzogen haben werden, so daß ich Dir mit meinen Worten und Bitten deutlich erscheine.- […] Das Pücklerscher Salat ein gutes Essen und Portwein ein gutes Getränk für Magenschwache Menschen als wir beide sind (ich kacke seit gestern beträchtlich und kann nicht ausgehen) ist, so hoffe ich mit Recht, daß wir neben geistiger Nahrung auch mit körperlicher uns leidlich stärken könnten. Also! Ziehe o Bester! Stiefeln an und eile zu Deinem treuen Geheimen Archivarius Lindhorst“ (SW VI, S. 115) .
Vorbereitung und Aufführung
Langwierig zogen sich die Vorbereitungen zur Uraufführung von Hoffmanns Zauberoper Undine hin, doch konnte Hoffmann als Bühnenbildner den Oberbaurat Karl Friedrich Schinkel gewinnen. Dessen grandiose Bühnenentwürfe trugen erheblich zum großen Publikumserfolg der Undine bei.
Am 3. August 1816, dem Geburtstag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., wurde E.T.A. Hoffmanns Zauberoper Undine im Königlichen Schauspielhaus am Gensd’armen Markt erfolgreich uraufgeführt.
Im März 1817 schrieb Carl Maria von Weber, dessen Freischütz, wenig später zu einem Riesenerfolg werden sollte, eine lobende Kritik über Hoffmanns Undine in der AMZ.
Vierzehnmal wurde die Undine aufgeführt, dann brannte das Schauspielhaus mit dem unersetzbaren Schinkelschen Kulissen ab, und damit war tragischerweise das Schicksal von Hoffmanns Oper besiegelt, denn es gab keine Wiederaufnahme mehr zu seinen Lebenszeiten.
Jedes Jahr erschienen nun neue Bücher von E.T.A.Hoffmann wie Die Elixiere des Teufels, Die Nachtstücke, Seltsame Leiden eines Theaterdirektors, Klein Zaches, Die Serapions-Brüder, Lebensansichten des Katers Murr, Prinzessin Brambilla und zuletzt der Meister Floh.
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Durch ein Reskript des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wurde Hoffmann am 22. April 1816 zum Kammergerichtsrat ernannt. Sein stattliches Gehalt betrug nun jährlich 1000 Reichstaler; schon einen Monat später wurde er wirkliches Mitglied des Kriminalsenats am Berliner Kammergericht, und der preußische Justizminister Trützschler lobte den Kammergerichtsrat Hoffmann im anfallenden Jahresbericht 1819 wie folgt:
„Sein hervorstechendes Talent, sein Scharfsinn und die Präcision seiner Arbeiten […] und das angenehme Gewand, worin er auch die abstraktesten Sachen zu kleiden weiß. Seine schriftstellerischen Arbeiten […] thun seinem Fleiße keinen Eintrag und die üppige zum Komischen sich hinneigende Phantasie die in demselben vorherrschend ist, kontrastirt auf eine merkwürdige Art mit der kalten Ruhe und mit dem Ernst, womit er als Richter an die Arbeit geht“.
(Schnapp, Aufzeichnungen, S. 459)
Hoffmanns Gehalt wurde auf 1300 Rth. erhöht, und am 1.Oktober 1819 ernannte man ihm zum Mitglied einer neuen, vom preußischen König eingesetzten, Immediat-Untersuchungs-Kommision zur Ermittlung hochverrätherischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe.
In diesem Rahmen geriet der Kammergerichtsrat Hoffmann in Konflikt mit dem Polizeidirektor und späteren Innenminister von Kamptz, dem Hoffmann ohne Scheu unrechtmäßige Eingriffe in einen Untersuchungsvorgang vorwarf. Kamptz sollte Hoffmann diesen Affront nie vergessen und den stets Rückgrat zeigenden Kammergerichtsrat Hoffmann bis zu dessem Tode verfolgen. Schon in seinem genialen Doppel-Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr hatte Hoffmann Kamptz als Hofhund Achilles karikiert, der die demagogischen Kater verfolgt. Angeblich plauderte Hoffmann im Weinhaus über sein Märchen Meister Floh, in dem er die gesamte preußische Demagogenverfolgung verspottet wurde. Diese Gerüchte erfuhr auch Kamptz, der Hoffmanns Manuskript beschlagnahmen ließ, worauf das Buch 1822 ohne die beanstandeten Passagen zensiert erschien:
Immediatskommission
Mit dieser Kommission verwirklichte Preußen die Karlsbader Beschlüsse von 1819 und verfolgte zusammen mit Österreich unter dem Kanzler Metternich repressiv die von ihnen selbst herbeigeredete, angebliche gesamtdeutsche revolutionäre Verschwörung, unter denen sie die Aktivitäten der liberalen Verfassungsbewegungen, vor allem die Studentenbünde zu erkennen glaubte. Diese angeblich terroristische Opposition klagte aber nur die während der Befreiungskriege von Preußen und anderen Staaten zugesagten, aber nicht eingehaltenen Bürgerrechte ein. Doch der im März 1819 von dem Studenten Karl Ludwig Sand ausgeübte Mord an den Dichter und Staatsrat August von Kotzebue, mit dem ja auch Hoffmann korrespondiert hatte, verschärfte den Konflikt zwischen dem Staat und den angeblich terroristischen Demagogen. Die Immediatskommission (IUK), in der Hoffmann nun als Richter tätig war, hatte die Funktion eines Untersuchung- und Haftrichters. Hoffmann und seine Kollegen „waren schon zu Beginn ihrer Tätigkeit – die ersten Verhaftungen der sogenannten ‚Demagogen‘ hatten ja bereits im Juli 1819 begonnen – weitgehend desillusioniert […] Sie sollten den politisch motivierten Repressionsmaßnahmen ein juristisches Deckmäntelchen liefern. Diesem Ansinnen verweigerte sich Hoffmann ebenso wie seine Richterkollegen konsequent“. (Mangold, „Heillose Willkür“, S. 174) Das belegen die überlieferten Gutachten Hoffmanns innerhalb der Untersuchung gegen Follen, Roediger, Mühlenfels und vor allem gegen den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, den Hoffmann „Hüpf- Spring- und Schwungmeister“ (SW III, S. 915) persönlich nicht ausstehen konnte, dessen Freilassung er aber bravourös erkämpfte.
„der würdige Knarrpanti mußte zu seinem nicht geringen Verdruß bemerken, daß die Leute sich mit allen Zeichen des Ekels und Abscheus die Nasen zuhielten wenn er vorüberging und ihre Plätze verließen, wenn er sich an die Wirtstafel setzen wollte. […] So mußte aber Knarrpanti das Feld mit Schimpf und Schande räumen“.
(SW VI, S. 398)
Erst 1908 erschien eine unzensierte Ausgabe.
Unschwer erkannte sich Kamptz in dem Anagramm Knarrpanti – lies: „Narr Kamptz“ – wieder.
Angeblich hatte Hoffmann, verbotenerweise, wörtlich aus den Strafakten zitiert, und daher sollte ihm der Prozeß gemacht werden, der eine erneute Strafversetzung zur Folge gehabt hätte. Aber Hoffmanns Tod am 25. Juni 1822 verhinderte diesen peinlichen Ausgang.
E.T.A.Hoffmann starb an einer Rückenmarkslähmung; in den letzten Monaten seines so kurzen Lebens diktierte er, völlig gelähmt, seine letzten Erzählungen u.a. Des Vetters Eckfenster und Der Feind.
Seinem Begräbnis wohnten zahlreiche Freunde und Bekannte bei.
Quellen
weiterführende Literatur