Meister Floh
Seinen öffentlichkeitswirksamen Niederschlag fand Hoffmanns Abscheu gegen Spitzeltum und juristische bemäntelte staatliche Willkür in seiner Erzählung „Meister Floh“. In dieser Erzählung wird der junge Held, Peregrinus Tyss, von einem intriganten Hofrat namens Knarrpanti – ein Anagramm für Narr Kamptz (Albert von Kamptz war Hoffmanns Gegner im Innenministerium) – beschuldigt, eine junge Frau entführt zu haben. Diese Entführung hat gar nicht statt gefunden, aber der Hofrat verspricht sich einen Schub für seine Karriere, wenn er nicht nur eine Tat erfindet, sondern auch noch einen Täter dazu liefert. Und nach einem denkwürdigen Verhör legt er dem Rat der Stadt Frankfurt „Beweismittel vor: Die Briefe des Peregrinus, in denen er scheinbar verdächtige Passagen – wie das Wort „mordfaul“ rot unterstrichen hat und ein gesondertes Blatt, auf dem sie noch einmal alle zusammen gefasst sind.
Dieser fragwürdige methodische Ermittlungsansatz war aber keine Satire, sondern ein Zitat Hoffmanns aus dem Verfahren gegen den Studenten Roediger, wo tatsächlich genau solche willkürliche Unterstreichungen in Rot den Hochverrat beweisen sollten.
Doch während in Hoffmanns Erzählung die Vernunft und die Gerechtigkeit siegen – der lächerliche Hofrat wird vom Rat der Stadt Frankfurt als intriganter Betrüger entlarvt und davon gejagt, kommt es in der Realität des preußischen Obrigkeitsstaates für Hoffmann ganz anders:
Hartmut Mangold ist Rechtswissenschaftler und Germanist. Derzeit arbeitet er als Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Veröffentlichungen zu E.T.A. Hoffmann allgemein sowie zu E.T.A. Hoffmann als Jurist (→ Forscherprofil).
Disziplinarverfahren gegen Hoffmann
Von Kamptz erfährt von der geplanten Veröffentlichung des Buches bei dem Verleger Wilmans in Frankfurt und ermittelt. Hoffmann erfährt von den Ermittlungen und schreibt seinem Verleger, er möge die inkriminierenden Passagen streichen. Der verängstigte Verleger liefert diesen Brief an die preußische Polizei, die Veröffentlichung der Passagen wird verboten und Hoffmann mit einem Disziplinarverfahren wegen “Verstoßes gegen die Amtsverschwiegenheit“ und „öffentlicher grobe Verleumdung eines Staatsbeamten wegen Ausübung seines Amtes“ überzogen.
In einer grandios formulierten Verteidigungsschrift wehrt sich Hoffmann gegen den Vorwurf mit einem Plädoyer für die poetische Freiheit – ob es geholfen hätte, bleibt offen, denn Hoffmann stirbt im Sommer 1822, bevor das Disziplinarverfahren zu Ende gebracht werden konnte.