Ifflands dramaturgisches und administratives Archiv
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Als 1786 der von der französischen Kultur geprägte König Friedrich II. starb und Friedrich Wilhelm II. die Regierung übernahm, wurde die konträre kulturelle Ausrichtung seines Nachfolgers mit der Gründung des Berliner Nationaltheaters am augenscheinlichsten. 1786 erhielt der Prinzipal Karl Theophil Döbbelin, der mit seiner Truppe bisher in der Behrenstraße residierte, die Erlaubnis, in das seit Jahren leerstehende, ehemalige Französische Komödienhaus auf dem Gendarmenmarkt zu ziehen.[1] Die Mitglieder der Gesellschaft durften sich fortan Königlich Preußische National-Schauspieler nennen. Ab Dezember 1786 hieß das Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt Königliches National-Theater,[2] war ein vom Hof beaufsichtigtes Unternehmen geworden und erhielt Zuwendungen aus der Privatschatulle des Königs. Das Königliche Berliner Nationaltheater war zum einen Hoftheater, diente repräsentativen Zwecken und wurde vom König geringfügig subventioniert; zum anderen orientierte es sich am Geschmack eines breiten zahlenden Publikums und musste seinen Etat, der sich 1802 auf über 100 000 Reichstaler[3] belief, im Wesentlichen selbst erwirtschaften. Da Döbbelin die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllte, wurde er schon bald entlassen. Ab 1787 unterstand das Königliche National-Theater einem Direktorium, dessen wichtigste Mitglieder der Schriftsteller und Philosoph Johann Jakob Engel, der Schriftsteller Karl Wilhelm Ramler und der Finanzbeamte Kammergerichtsrat Heinrich Ludwig von Warsing waren. Auch diesem Direktorium gelang es nicht, das Theater dauerhaft aus seiner finanziellen Schieflage zu befreien und notwendige Reformen durchzuführen.
Dr. Klaus Gerlach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er ist verantwortlich für die Edition und Erschließung von August Wilhelm Ifflands administrativem und dramaturgischem Archiv. Gerlach hat mehrere Arbeiten über das Berliner Nationaltheater verfasst und herausgegeben (→ Forscherprofil).
Im Dezember 1796 berief Friedrich Wilhelm II. August Wilhelm Iffland zum Direktor des Nationaltheaters. Iffland war zu dieser Zeit der bedeutendste Schauspieler deutscher Sprache. Er war in Mannheim, wo er 1782 bei der Uraufführung von Friedrich Schillers Schauspiel Die Räuber den Karl Moor spielte, zu einem weithin anerkannten Schauspieler geworden. Im April 1796 hatte er in Weimar an dem von Johann Wolfgang von Goethe geleiteten Hoftheater ein gefeiertes Gastspiel gegeben. Der Weimarer Gymnasialdirektor Karl August Böttiger veröffentlichte seine Beobachtungen dieses vorher nie gesehenen präzisen Spiels in einer Monografie mit dem Titel: Entwickelung des Ifflandischen Spiels in vierzehn Darstellungen auf dem Weimarer Hoftheater im Aprilmonath 1796.
Schon 1797 konnte Iffland König Friedrich Wilhelm III. davon überzeugen, einen Theaterneubau auf dem Gendarmenmarkt zu errichten. Karl Gotthard Langhans, der Erbauer des Brandenburger Tors, baute das seinerzeit modernste Theater Europas. Das mit Argand’schen Lampen beleuchtete und mit einem Konzertsaal ausgestattete Gebäude wurde im Januar 1802 eröffnet. Das Haus wurde schlagartig zum kulturellen Zentrum Berlins.
Ein aufschlussreiches Zeugnis von Ifflands Reform des Nationaltheaters, das gleichzeitig die Grundlage seiner effizienten Verwaltungstätigkeit bildete, ist sein dramaturgisches und administratives Archiv aus den Jahren 1796 bis 1814. Dieses Archiv besteht aus 34 Foliobänden, in denen Iffland alle Materialien wie Briefe, Protokolle oder Verzeichnisse, die in Beziehung zu seiner Tätigkeit standen, chronologisch und systematisch ablegte. Es enthält u. a. Briefe von Schauspielern, Sängern, Dramatikern, Theaterdirektoren, Kritikern, Zuschauern und Beamten sowie Arbeitsmaterialien zur Verwaltung und zu einzelnen Aufführungen.
1802 erließ Iffland Theatergesetze, die Regeln für Schauspieler festhielten[4] und einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten, dass die Schauspielkunst zu einer autonomen Kunst wurde. Ifflands Kostümreform verbannte vollends alles Dilettantische und Zufällige vom Theater.[5] Iffland bildete eine große Anzahl bedeutender Schauspieler aus und formte ein mustergültiges Ensemble. Herausragende Mitglieder des Ensembles waren der Schauspieler Johann Friedrich Ferdinand Fleck, die Schauspielerin Friederike Auguste Konradine Unzelmann und die Sängerin Margarete Luise Schick.
Ab 1802 finden sich in den beiden wichtigsten Berliner Zeitungen regelmäßige Besprechungen der Aufführungen; in der Haude- und Spenerschen Zeitung wurde daraus schnell eine regelmäßige Einrichtung, die Chronik des Nationaltheaters. In dieser Chronik wurden nicht nur die Premieren, sondern alle Aufführungen der Kritik unterzogen.[6] Auch in überregionalen Kulturzeitschriften, wie dem Journal des Luxus und der Moden, der Zeitung für die elegante Welt oder Der Freimüthige, wurden die Aufführungen des Königlichen Berliner Nationaltheaters regelmäßig besprochen, so dass Ifflands Bühne bald zum Maßstab für Schauspielkunst und Repertoire wurde.
Dass E.T.A. Hoffmann Besucher des Iffland-Theaters war und während seines Aufenthaltes 1807/1808 in Berlin mehrere Vorstellungen besucht haben muss, belegen einige von ihm gezeichnete Rollenbilder von Schauspielern. Aus dem Jahre 1808 stammt z. B. das Bildnis des Schauspielers Gottfried Christian Kaselitz als Direktor Bartolo in Mozarts Die Hochzeit des Figaro. Unter der Direktion des Grafen Brühl wurde 1816 ETA Hoffmans Oper Undine uraufgeführt.
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Das Berliner Nationaltheater wurde um 1800 zu einem Ort, der die Kämpfe zwischen Aufklärung und Romantik wie ein Katalysator befeuerte. Das Berliner Theater wurde zum Ort der sogenannten ästhetischen Prügeley.[7] Tatsächlich war diese ästhetische Prügelei nichts mehr und nichts weniger als ein Kampf um die Deutungshoheit des kulturellen Leitmediums Theater. Der Rückzug der Höfe aus den Theatern ging einher mit der Vereinnahmung durch die wohlhabenden und gebildeten Bürger. Das Vergnügungstheater, bei dem die szenische Darstellung einen zentralen Platz einnahm, wurde vom Bildungstheater, in dem der Text eine immer größere Bedeutung erlangt, bedrängt. Das elitäre Publikum versuchte, das Massenpublikum aus dem Theater, das zum Kunsttempel wurde, zu verdrängen. Dieser Wandel ist am 1802 neu eröffneten Berliner Theater deutlich zu beobachten. Zum Ausdruck kommt das insbesondere in der vielfältigen und sehr konträren Theaterkritik.[8]
1811 wurden im Zusammenhang der preußischen Reformen das Nationaltheater auf dem Gendarmenmarkt und die Hofoper Unter den Linden unter eine Verwaltung gestellt. Iffland war jetzt Generalintendant beider Bühnen. Das Königliche National-Theater wurde ab 7. Juli 1811 auf den Theaterzetteln Königliches- Schauspiel genannt.
Bis zu Ifflands Tod im Jahre 1814 war das Berliner Nationaltheater die führende deutsche Bühne im protestantischen Raum. Mit ihren Experimenten mit der Antike, der Rezeption der französischen Klassik, der Durchsetzung der Shakespeareübersetzungen August Wilhelm Schlegels und der Versdramen der deutschen Klassik, den Aufführungen der Opern von Wolfgang Amadeus Mozart und Christoph Willibald Gluck sowie mit ihrem ausgewogenen Repertoire, in dem sich Unterhaltungs- und Bildungstheater die Balance hielten, erfüllte sie auch für das unter Goethes Direktion stehende Weimarsche Hoftheater eine Modellfunktion.
Nach Ifflands Tod wurde Carl Friedrich Moritz Paul Graf Brühl 1815 Generalintendant. 1817 brannte das von Langhans erbaute Theater bis auf die Grundmauern ab. Allein die Säulen des Portikus überdauerten den Brand und wurden in den Portikus des neuen von Karl Friedrich Schinkel an gleicher Stelle erbauten Theaters wiederverwendet. Graf Brühl setzte im Wesentlichen den von Iffland eingeschlagenen Weg fort. Wurden z. B. unter Iffland Carl Maria von Webers Opern Silvana (1812) und Abu-Hassan (1813) aufgeführt, so verhalf Brühl der Oper Der Freischütz 1821 zum Erfolg. Ebenso setzte Brühl die Aufführung von Goethes Werken fort, die auch von Iffland begonnen und gepflegt worden war.
Dass E.T.A. Hoffmann Besucher des Iffland-Theaters war und während seines Aufenthaltes 1807/1808 in Berlin mehrere Vorstellungen besucht haben muss, belegen einige von ihm gezeichnete Rollenbilder von Schauspielern. Aus dem Jahre 1808 stammt z. B. das Bildnis des Schauspielers Gottfried Christian Kaselitz als Direktor Bartolo in Mozarts Die Hochzeit des Figaro. Unter der Direktion des Grafen Brühl wurde 1816 ETA Hoffmans Oper Undine uraufgeführt.
[1] Gerhard Wahnrau: Berlin, Stadt der Theater, Berlin 1957, S. 167-172.
[2] „Dienstags wird zum erstenmal bey Eröffnung des königl. Nationaltheaters auf den Gensd’armes-Platz der Direktor eine feyerliche Einweihungsrede halten. (Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, 5. Dezember 1786).
[3] Vgl. Klaus Gerlach: Ifflands Berliner Bühne. “Theatralische Kunstführung und Oekonomie“, Berlin 2015, S. 205.
[4] Paul S. Ulrich: Die Gesetze und Anordnungen für das Königliche National-Theater zu Berlin (1802). Ein Schlüssel zu Betriebspraxis und zum Repertoire in Berlin. In: Klaus Gerlach (Hg.): Der gesellschaftliche Wandel um 1800 und das Berliner Nationaltheater, Hannover 2009, S. 85-105.
[5] Vgl. dazu Klaus Gerlach (Hg.): Das Berliner Theaterkostüm der Ära Iffland. August Wilhelm Iffland als Theaterdirektor, Schauspieler und Bühnenreformer, Berlin, 2009
[6] Vgl. Klaus Gerlach (Hg.): Eine Experimentalpoetik. Texte zum Berliner Nationaltheater, Hannover 2007
[7] Vgl. Rainer Schmitz (Hg.): Die ästhetische Prügeley. Streitschriften der antiromantischen Bewegung, Göttingen 1992.
[8] Vgl. Gerlach: Ifflands Berliner Bühne (wie Anm. 3), besonders das Kapitel „Ästhetische Wertebildung in der zeitgenössischen Theaterkritik“, S. 99-111.