Bühnendekorationen
Alle von Hoffmann überlieferten Bühnenbildentwürfe stammen aus seiner Zeit am Bamberger Theater. Dort kümmerte er sich um die Ausstattung von Theaterstücken und Opern, sowie deren special effects.
Die Beteiligung an etwa einem Dutzend Ausstattungen belegen Schrift- und Bildquellen.[1] Fünf Bühnenbildentwürfe und ein Blatt mit Bühnenbild-Details sind erhalten. Bedenkt man, dass viele der inszenierten Stücke zahlreiche Wechsel von Schauplätzen aufweisen und damals das Spielen in Einheitsbühnenbildern eher die Ausnahme war, müssen die Verluste immens sein – selbst wenn man von der kostengünstigen Wiederverwenden gängiger Schauplätze wie Wald, Schenke oder Marktplatz in den Produktionen ausgeht. In Bamberg spielte man selten mehr als zwei Wiederholungen.[2] Ein gerechtes Urteil über die von Hoffmann entworfenen Dekorationen ist nicht möglich. Den einfarbigen Reproduktionen (!) der Entwürfe sieht man zudem nicht ihre endgültige Gestaltung und Wirkung auf der künstlich beleuchteten Bühne an. Ein Bühnenbild gibt ohnehin Rätsel hinsichtlich der Zuordnung zu einem Stück auf.[3]
Hoffmann bewährte sich als Bühnenbildner, obwohl er als Quereinsteiger gelten muss: [4]
Volkmar Rummel studierte 2004-2010 die Fächer Deutsch und Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Nach dem 1.Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien promovierte er in Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft über Erzählungen von E.T.A. Hoffmann, Jean Paul und Adalbert von Chamisso (→ Forscherprofil).
Als das Theater durch Holbein neu organisiert wurde, fiel mir die ganze Last der ökonomischen und ein großer Teil der ästhet‹ischen› Einrichtung zu, und bald darauf wurde ich nächstdem, daß ich fürs Theater fortkomponieren mußte, noch TheaterArchitekt und Dekorateur, indem der recht geschickte Maschinist Holbein mich bald in die Geheimnisse der Maschinerie praktisch einweihte und so die Theorie, die ich aus allen Büchern, die ich nur erhalten konnte, eingeschlungen hatte, ergänzte.[5]
Als Hoffmanns eindrucksvollster, erhaltener Bühnenbildentwurf darf das brennende Schloss Thurneck in Kleists Käthchen von Heilbronn (September 1811).[6] Es handelt sich um einen gotischen Bau mit Elementen der Sakralarchitektur, eine ideale Mittelalter-Phantasie, wie sie die Nazarener in der Malerei kultivierten.[7] Hoffmann kam es hier weniger auf Stilreinheit und Rekonstruktion einer vergangenen Architektur, als auf prunkvolle Wirkung an. Es ist bekannt, dass er für die etwa zeitgleiche Ausmalung von Räumen der Bamberger Altenburg intensiv die Architektur und plastischen Ornamente des Bamberger Doms studierte, um dann eine Synthese aus gotischen und romanischen Formen zu bilden.[8] Die in heutigen Augen „realistisch“ erscheinenden Bühnenbilder stehen grundsätzlich in keinen Widerspruch zur Ästhetik in Hoffmanns literarischem Werk. Rauchwolken auf der Skizze des brennenden Schlosses verstärken die Dramatik.[9] Ein illuminiertes, farbiges Bühnenbildmodell im Bamberger E.T.A. Hoffmann-Haus lässt die Bühnenwirksamkeit mit etwas Phantasie erahnen.[10]
Das brennende Schloss in Käthchen von Heilbronn machte wahrscheinlich auch deutlich mehr Effekt als die lavierte Zeichnung erahnen lässt.
Weitere Ausstattungen von Hoffmann
Hoffmann stattete sowohl Sprechtheater-Stücke, als auch Opern aus. Außer einer alttestamentarischen Joseph-Oper von Etienne Nicolas Méhul, den Wasserträgern von Luigi Cherubini kam Hoffmanns Lieblingskomponist Mozart mit der Hochzeit des Figaro auf die Bühne.[11]
Im Sprechtheater produzierte Hoffmann außer dem Käthchen von Heilbronn einige Stücke heute vergessener Dichter, zwei Dramen von August Klingemann, den die Germanistik heute als Verfasser der Nachtwachen des Bonaventura identifiziert hat – und gleich drei Schauspiele des Spaniers Calderón de la Barca.[12] Für die romantischen Dichter hatte er bekanntlich den weltliterarischen Rang eines Shakespeares; Friedrich Wilhelm Schlegel übersetzte etliche Calderón-Dramen ins Deutsche.[13] Hoffmann komponierte selbst eine Komödie von Calderón als Singspiel.
Leider haben sich nur Wortbeschreibungen zu den folgenden Stücken erhalten: Die Andacht zum Kreuze, Der standhafte Prinz und Die Brücke zu Mantible. Sie ereignen sich zum Teil an exotischen Schauplätzen und verlangen Visualisierungen von Träumen, Visionen und Katastrophen. Beleuchtungseffekte, möglicherweise Projektionen, Nebelmaschinen, Versenkungen, Flaschenzüge und Zahnradkonstruktionen müssen zum Einsatz gekommen sein.
In der Andacht zum Kreuze schwebt in der finalen Verklärungsszene die vor dem Kreuz knieende Julia mit diesem Richtung Himmel, die Wolken durchbrechend.[14] Don Fernando erlebt in im Standhaften Prinzen eine Marienerscheinung auf dem Krankenlager. Als Toter erscheint er als transparenter Geist, der geräuschlos und ungehemmt durch Mauern gehen kann, behauptet eine Beschreibung der Inszenierung.[15] Die Illusion muss perfekt gewesen sein. Eine opulente Apotheose bildete den Abschluss der Handlung, die zur Zeit der Reconquista spielt:
Sobald der heilige] Bruder den Sarg öffnet, schwebt [… der] Prinz […] Fernando [als …] Luftgestalt […] empor.[16] [Gleich] darauf röthet sich der Himmel, und man sieht [… auf den] Wolken […] Christus [thronen], vor dem Ferdinando [anbetend] knieet. [… Hinter der Escheinung wurde] man die Gegenstände hinter ihr (Mauern, Thürme ec. von Tanger) wie im Nebel, gewahr […], und so schien das Ganze nur der Reflex eines himmlischen Schauspiels, daß die Mohren zu Boden schlug, von den Christen aber in knieender Anbetung betrachtet wurde.[17]
Für die damaligen Sehgewohnheiten atemberaubende Action muss die Brücke zu Mantible geboten haben. Eine Theaterdekoration, die deutlich eine eigenwillige Bildfindung Hoffmanns erkennen lässt, wird zum Schein völlig zerstört:
Die Brücke von Mantible besteht aus zwei Thürmen an den Ufern, und einem kolossalen bronzenen Zwerg, der mitten im Fluß steht, und eine Art von Castell Cariatydenförmig auf dem Haupte trägt. Zwei bronzene Löwen halten kolossale Ketten, in welchen das ungeheure Maschinenwerk zu gehen scheint. Die Thürme senken sich, indem sie sich auf bronzenen Balken ruhende Galerien verwandeln, und öffnen und bilden, indem sie das Castell mit beiden Ufern verbinden, die Brücke, welche so groß ist, daß sie den ganzen Hintergrund füllt.
Um das Weitere anzubringen, sagt der Kaiser, daß alles untergraben sey, und auf einen Wink wird der ganze Bau durch eine Explosion in Trümmern in die Luft gesprengt, so daß, außer dem das ganze Theater bedeckenden Schutt, keine Spur mehr übrig bleibt.[18]
Ausstattung für Hoffmanns Undine
Nach der Bamberger Zeit stattete Hoffmann keine Theaterproduktionen mehr aus. Aufgrund seiner erworbenen Kompetenz wird er bei der Ausstattung seiner Oper Undine in Berlin ein Wort mitgeredet haben.[19] Der „Star-Architekt“ Schinkel, der sich als Bühnenbildner für Mozarts Zauberflöte einen Namen gemacht hatte, ließ einen Zauberwald, einen Wasserpalast, einen Markt mit gotischem Brunnen und eine Ritterburg entstehen. Der Uraufführung war ein großer Erfolg beschieden, aber den Durchbruch Hoffmanns als Komponisten vereitelte nach wenigen Aufführungen ein Brand des Berliner Schauspielhauses (am 29.7.1817) am Gendarmenmarkt.[20]
Diese sehr persönliche Katastrophe versuchte er offenbar mit Humor zu bewältigen. Einem Brief an Adolph Wagner am 25.11.1817 legte er eine Zeichnung bei,[21] in der man auch eine Bühnenskizze mit Erklärungen sehen könnte. Schaulustige Menschenmassen, besorgte Finanzräte, Bankiers und Minister betrachten das brennende und rauchende Gebäude. Aus einem Dachfenster im Vordergrund schießt ein Gardejäger auf eine Perücke, die aufgrund des Brandes durch die Luft fliegt. Der Logenplatz des Betrachters dürfte übrigens das Eckfenster von Hoffmanns Wohnung sein.
Diese Aussicht auf den Gendarmenmarkt, inklusive Wochenmarkt, inspirierte Hoffmann zu seiner Erzählung Des Vetters Eckfenster[22] und dem sogenannten Kunzschen Riss, einer Art Landkarte, die an einer anderer Stelle des Portals als interaktives Online-Medium erkundet werden kann. Man sieht, dass etliche Zeichnungen Hoffmanns sich in die aufgemachten, groben „Schubladen“ nicht so einfach stecken lassen.
Anmerkungen
[1] Vgl. Auswertung von Ponert 2012 (Text), 177ff.
[2] Vgl. die tabellarische Rekonstruktion des Spielplans von Köppler, Rudolf: E.T.A. Hoffmann am Bamberger Theater. Ein Beitrag zur Kenntnis seiner Persönlichkeit, seiner Werke und der Theatergeschichte Bambergs (Bericht des „Historischen Verein[s] für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums zu Bamberg“ 81). Bamberg 1929, 93ff.
[3] Es handelt sich um eine Brücke, die man dem Käthchen von Heilbronn zuordnet und definitiv nicht zur ebenfalls inszenierten Brücke von Mantible Calderóns de la Barca sein kann. Vgl. Ponert 2012 (Text), 184f.
[4] 1789 hatte er Hoffmann schon erste Erfahrungen als Bühnendekorateur bei einem Festspiel zur Genesung des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen gesammelt. Vgl. Lee 1985, 37.
[5] E.T.A. Hoffmann an Julius Eduard Hitzig, 28.4.1812. In: ders.: Frühe Prosa, Briefe, Tagebücher, Libretti, Juristische Schrift. Werke 1794-1813, Bd.1. Hg. v. Gerhard Allroggen, Friedhelm Auhuber, Hartmut Mangold, Jörg Petzel u. Hartmut Steinecke. Frankfurt a. M. 2003, 241-245, hier 243.
[6] Vgl. Ponert 2012 (Text), 182ff.
[7] Hoffmann begegnete der Malerei der Nazarener mit Sympathie. Vgl. Bromhoff, Katrin: Bildende Kunst und Dichtung. Die Selbstinterpretation E.T.A. Hoffmanns in der Kunst Jacques Callots und Salvator Rosas (Rombach Wissenschaften – Reihe Cultura 6). Freiburg im Breisgau 1999, 190 und 260.
[8] Langer 1980, 369f.
[9] Vgl. Ponert 2012 (Text), 183.
[10] Vgl. Schemmel, Bernhard: In Hoffmanno! E.T.A. Hoffmann. Haus. Gesellschaft. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte. Bamberg 2013, 245.
[11] Vgl. Ponert 2012 (Text), 177ff.
[12] Vgl. ebd.
[13] Vgl. z.B. Calderón de la Barca, Pedro: Schauspiele von Don Pedro Calderon de la Barca, Bd. 1. Übersetzung August Wilhelm Schlegel. Berlin 1803.
[14] Vgl. Hoffmann, E.T.A.: Über die Aufführung der Schauspiele des Calderon de la Barca auf dem Theater in Bamberg. Die Musen (Juli 1812). Nach Ponert 2012 (Text), 178.
[15] Vgl. Anonymus: III. Theater und Musik. 2. Über die Aufführung Calderonischer Stücke auf dem Theater in Bamberg (aus Briefen). In: Journal des Luxus und der Moden 27 (Januar 1812), 27-29, hier 28.
[16] Ebd.
[17] Hoffmann, E.T.A.: Über die Aufführung der Schauspiele des Calderon de la Barca auf dem Theater in Bamberg: in: ders.: Frühe Prosa, Briefe, Tagebücher, Libretti, Juristische Schrift. Werke 1794-1813, Bd.1. Hg. v. Gerhard Allroggen, Friedhelm Auhuber, Hartmut Mangold, Jörg Petzel u. Hartmut Steinecke. Frankfurt a. M. 2003, 625-630, hier 629.
[18] Anonymus 1812, 27-29, hier 28f.
[19] Vgl. Dams, Saskia: Karl Friedrich Schinkels Bühnenbilder zu E. T. A. Hoffmanns romantischer Oper „Undine“. Heidelberg 2005.
[20] Vgl. Langer 1980, 242f.
[21] Vgl. ebd.
[22] Vgl. Liebrand, Claudia: Des Vetters Eckfenster (1822). In: Christine Lubkoll, Harald Neumeyer (Hgg.): E.T.A. Hoffmann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2015, 191-193.