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Hauptsächlich für eigene Werke gestaltete Hoffmann hin und wieder Illustrationen und Bucheinbände.
Hoffmann hat unterschiedliche Arten von Buchillustrationen geschaffen. Es handelt sich um Bucheinbände, allegorische Titelkupfer und Bilder zu Texten. In den meisten Fällen ließ er nach seinen Vorgaben eigene Werke ausstatten. Darüber hinaus existieren Zeichnungen, die in Verbindung mit bestimmten Erzählungen oder Figuren seiner Schöpfungen stehen. Diese gelangten entweder nicht in die Öffentlichkeit oder waren gar nicht für diese gedacht.
Volkmar Rummel studierte 2004-2010 die Fächer Deutsch und Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Nach dem 1.Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien promovierte er in Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft über Erzählungen von E.T.A. Hoffmann, Jean Paul und Adalbert von Chamisso (→ Forscherprofil).
Fantasiestücke in Callots Manier
Die ersten beiden Bände der Fantasiestücke in Callots Manier erhielten Titelkupfer, die Hoffmann seinem Verleger Kunz ansatzweise erklärte. Es sind allegorische Motive, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Als Hoffmann für den dritten Band den Entwurf für das Titelkupfer zu spät einreichte, wurde gänzlich auf diesen Buchschmuck verzichtet. Hoffmann gestaltete nach der negativen Erfahrung keine Titelkupfer dieser Art mehr. Den ersten Band der Fantasiestücke eröffnet ein altdeutscher Troubadour, der auf einer Sphinx sitzt und Harfe spielt. Links unten sieht man die Sonne aufgehen. [1]
Aufgrund des Untertitels Blätter aus dem Tagebuch eines reisenden Enthusiasten könnte der unvoreingenommene Betrachter den Troubadour mit dem Enthusiasten gleichsetzen, der sich in den Erzählungen als großer Musikliebhaber und -kenner entpuppt. Die Sphinx gibt bekanntlich Rätsel auf und steht möglicherweise für die vieldeutigen nachfolgenden Texte.
Den zweiten Band der Fantasiestücke eröffnet ein Narrenzepter, der mit einer Peitsche in einer Dornenkrone ruht.[2] Laut Hoffmann schwingt der Humor den Jokusstab, „aber er krönt mit Dornen, und dem magnetisch [S]chlafenden drohen spitzen Dolche“.[3] Hier spielt Hoffmann auf die komische Seite seiner Texte an, die schon bei der Besprechung der Karikaturen oben angeklungen ist.
Kunstmärchen für Kinder
1816 brachte Georg Reimer in Berlin zwei Bände mit Kunstmärchen für Kinder aus der Feder verschiedener Autoren heraus, in denen Hoffmann gleich zweimal vertreten war.[4] Hoffmann gestaltete hier erstmals Buch-Einbände für den Druck. Vorder- und Rückseite schmücken Lithographien, die jeweils aus einem zentralen Feld mit Rahmung bestehen, das die Kunsthistoriker als Reserve bezeichnen.[5] Reserve und Rahmen werden von pflanzlichen Ranken-Ornamenten geschmückt, die im Kontext mit der Vorliebe für Arabesken und Grotesken in der Romantik zu sehen sind.[6]
In den beiden Bänden des Märchenbuchs bedachte Hoffmann jeden Text mit einer Titel- und einer Schlussvignette. Die Titelvignetten sind deutlich aufwändiger gestaltet als die Schlussvignetten, die sich aus grotesken Ornamenten nach antiken Vorbildern zusammensetzen. Eindeutigen Bezug auf den Inhalt der Märchen nehmen die Titelvignetten, mit deren Kolorierung durch fremde Hand Hoffmann nicht einverstanden war.[7] Er fertigte zumeist einfarbige Zeichnungen, da ihm seine Freunde früh signalisierten, dass seine „Palette“ zu dunkel sei.[8]
Nussknacker und Mausekönig
Das Titelbild zu Nussknacker und Mausekönig, das hier nun beispielhaft besprochen werden soll, ist in den Augen des Urhebers ein verschandelter Hoffmann.
Es ist eine Kampfszene zu sehen, in der sich der Mausekönig und der von Maries Phantasie belebte Nussknacker am Weihnachtsabend zur Geisterstunde bekämpfen. Der Tradition entsprechend greift von links die böse Figur an: der dreiköpfige Mäusekönig richtet sich auf den Hinterbeinen auf, um den Nussknacker zu parieren. Es ist ein ungleicher Kampf, denn die als Soldat gestaltete Holzfigur verfügt über einen Säbel – und holt zum finalen Schlag aus. Der Nussknacker ist in der Figur nur noch entfernt zu erkennen, v.a. am weiten, aufgerissenen Mund fürs Knacken von Nüssen. Der wehende Mantel könnte dann als abstehender Hebel angesehen werden. Der groteske Mausekönig hat einerseits siamesische Zwillinge von Menschen und Tieren zum Vorbild, die in Naturalienkabinetten des Barocks gesammelt wurden, zum anderen die sogenannten Rattenkönige.[9]
Klein Zaches
Der Einband von Hoffmanns Klein Zaches besitzt sowohl eine gestaltete Vorderseite, als auch eine Rückseite, nebst Buchrücken.[10] Auf der Vorderseite sieht man die Fee Rosabelverde den Geheimen Spezialrat Zinnober kämmen; auf der Rückseite ist der Zauberer Prosper Alphanus dargestellt, wie er mit seiner Riesenlibelle als Reittier auf einer Wolke zwischengelandet ist. Der Rahmen um das Motiv der Reserve ist ziemlich neutral gestaltet. Bei den nächsten Bucheinbänden wird Hoffmann „Titelbilder“ in die Reserven setzen – und die Rahmen mit Grotesken und Arabesken ausfüllen. Ästhetisch lehnt sich diese Gestaltungsweise deutlich ein Philipp Otto Runges Tageszeiten an, vereinfacht aber das Ornament.[11] Fortan werden auch die Bucheinbände als kompliziert anzufertigende Aquatinta-Radierungen in warmen Sepia-Farbtönen ausgeführt.[12]
Kater-Murr
Die beiden Kater-Murr-Bände besitzen Einbände in dem beschrieben Design.[13] Zum Verständnis der Illustration muss kurz auf Inhalt und Konzept des Romans eingegangen werden. Der titelgebende Kater Murr ist ein intelligentes Tier, das sich schriftlich auszudrücken weiß. Er verfasst eine Autobiographie – und benutzt dazu die Seiten einer zerfledderten Biographie des Kapellmeister Kreislers als Löschpapier für die Tinte. Beide Manuskripte geraten auf diese Art und Weise durcheinander, so dass sie zusammen als der vorliegende Roman gedruckt werden. So die Fiktion. Verbunden werden die disparaten Geschichten dadurch, dass der Kater bei einem Freund des Kapellmeisters Kreisler wohnt – und einige Ereignisse aus tierischer und menschlicher Perspektive geschildert werden.
Die gerahmten Bilder auf der Vor- und Rückseite des Buches zeigen also die beiden Hauptprotagonisten: den Kater Murr als Autor und den Kapellmeister Kreisler als Magier. Kater Murr macht sich über den Dächern der Stadt bei Mondschein an einem Schreibpult zu Schaffen. Ein Stoffüberhang und eine Schreibfeder in der Pfote lassen ihn menschlich erscheinen, während eine bereitstehende Schüssel mit kleinen Fischen seiner Katzennatur geschuldet ist. Unterhalb seines Arbeitsplatzes erkennt man eine Kirchturmspitze.
Der Kapellmeister Johannes Kreisler befindet sich vor den Toren der Stadt in einem dunklen Hain. In ein Buch versenkt, steht er inmitten eines Zauberkreises mit magischen Zeichen. Statt eines Zauberstabs hält er in seiner Rechten ein Narrenzepter.
Die Gestaltung der Rahmen auf Vorder- und Rückseite ist identisch. Oben sitzt ein dicker Mann mit winzigen Flügeln und einer zackigen Diadem auf einem Tuch, das zwei Jünglinge halten, die aus Blattkelchen eines Rankenornaments wachsen. Dieses hängt seitlich herab bis zum unteren Bildfeld des Rahmens. In diesem posiert eine geflügelte Sphinx – möglicherweise in Anspielung auf die Titelvignette des ersten Bandes der Fantasiestücke in Callots Manier.[14] Hinter ihr blicken sich zwei Ziegenböcke (Ziege, lat.: capra) an, die auf Ranken stehen, welche aus den Flügeln der Sphinx wachsen. Ich sehe darin eine Anspielung auf Capriccios.[15] Der Begriff bezeichnet in erster Linie, spielerische, launige, spontane Musikstücke, die lust- und phantasievoll gegen alle Regel verstoßen. Mit der Prinzessin Brambilla. Ein Capriccio übertrug Hoffmann die Kunstform in die Literatur. In Gestalt der Ziegenböcke sitzt die Schalkheit der tiefgründigen Sphinx im Nacken. Sie drücken wohl dasselbe wie das Narrenzepter im zweiten Band der Fantasiestücke aus. Sind es aber Ziegenböcke? Helmut Göbel bezeichnet die gehörnten Tiere eigenartigerweise als Steinböcke, ohne damit eine Interpretation zu verbinden.[16] Sollten es wirklich Steinböcke sein, könnte man sie als eine Anspielung auf Hoffmanns Sternzeichen (Steinbock) ansehen. Er hat am 23.Januar Geburtstag.[17]
Der zweite Band des Romans variiert die beschriebene Gestaltung nur noch leicht. Wieder sind Kater Murr und der Kapellmeister Kreisler zu sehen. Ersterer ist in Gemeinschaft mit seiner großen Liebe, der Katze Miesmies zu sehen; letzterer als Mönch vor einer Kapelle, die Bibel lesend. Die Rahmen sind nur noch mit Rankenornamenten verziert. Hat man auch diesmal wieder die Bedeutung der Grotesken im Rahmen nicht verstanden?
Für den nicht mehr von Hoffmann in Angriff genommenen dritten Band haben sich einige Studien zum wahnsinnigen Kapellmeister Kreisler erhalten, der einen Veitstanz ausführt und dabei Pfeife raucht.[18]
Kapellmeister Kreisler
Aus der Bamberger Zeit existiert auch schon ein farbiges Aquarell des Kapellmeisters Kreisler, den sich Hoffmann als Alten Ego in den Kreisleriana der Fantasiestücke erschuf. [19] Hier ist er ebenfalls Pfeife rauchend zu sehen, wie er neben einem Spinett steht, auf dem die Noten zu Hoffmanns Oper Undine aufgeschlagen liegen. Spaßeshalber ist das Blatt mit Erasmus Spikher signiert, einer Figur aus den Abenteuern der Silvesternacht. Vorstellungen bestimmter Figuren und einige Bildfindungen wie z.B. die Sphinx und das grobe Layout von Bucheinbänden lassen Kontinuitäten bei der Illustration seiner Werke erkennen. So schmücken Ranken-Rahmen auch die Vorder- und Rückseite der beiden Meister-Floh-Bände. Der Umschlag präsentiert den Floh als nacktes Tier auf der einen Seite und als bekleideter „Mensch“ auf der anderen.
Sandmann
Nicht unterschlagen werden darf hier eine weit verbreitete Zeichnung der Hoffmann-Publizistik. Als Hoffmann Hitzig den Inhalt vom Sandmann erzählte, malte er spontan beim Sprechen eine Schlüsselszene des Werks auf Aktenkarton.[20]
In der Mitte sieht man Coppelius und Nathanaels Vater sich gestenreich begrüßen. Sie führen gemeinsam alchimistische Experimente im Geheimen durch. Aus seinem Versteck hinter dem Vorrang lugt der neugierige, 10jährige Nathanael. Rechts steigt über einem Herd in einer Wandnische kräftig Rauch auf. Die Explosion des Labors steht bevor. Sie wird Nathanaels Vater das Leben kosten, da er näher an der Feuerstelle steht.
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Abschließend sei angemerkt, dass Hoffmann deutlich weniger Bilder zu seinen Werken schuf, als die nachfolgenden Generationen von Künstlern.[21] Hoffmann ist einer der am häufigsten illustrierten deutschsprachigen Autoren, da seine Erzählungen darauf angelegt sind, die Phantasie aller Rezipienten anzuregen.
[1] Vgl. Ponert 2012 (Text), 211ff.
[2] Vgl. ders., 214f.
[3] Hoffmann, E.T.A.: Brief an C.F. Kunz (Dresden, den 12.August 1813), zitiert nach: Ponert 2012 (Text), 213.
[4] Dazu vgl. Ponert 2012 (Text), 294ff.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. Oesterle, Günter: Arabeske/Groteske/Karikatur. In: Christine Lubkoll, Harald Neumeyer (Hgg.): E.T.A. Hoffmann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2015, 339-345.
[7] Vgl. Langer 1980, 418.
[8] Aus diesem Grund dürfte die Papiertapete mit dem Historiengemälde, das er für die Bamberger Altenburg anfertigte auch in Grautönen gehalten worden sein. Vgl. Lee, Hyun-Sook: Die Bedeutung von Zeichnen und Malerei für die Erzählkunst E.T.A. Hoffmanns (Würzburger Hochschulschriften zur neueren deutschen Literaturgeschichte 7). Frankfurt am Main , Bern, New York 1985, 14 und 37.
[9] Im Naturkundemuseum Altenburg (Thüringen) kann man die Mumie eines bei Abrissarbeiten entdeckten Rattenkönigs besichtigen; Museen in Göttingen, Hamburg und Stuttgart besitzen sogar Alkoholpräparate. Es handelt sich jeweils um Rattennester, bei denen die Individuen ringförmig, mit nach außen gerichteten Köpfen, an ihren „verknoteten“ Schwänzen in der Mitte zusammengewachsen sind. Diese wohl ursprünglich ranghohen Tiere in der Hackordnung sind von ihren Artgenossen gepflegt und versorgt worden. Sie dürften zu keinem Kampf fähig gewesen sein. Dazu vgl.: http://www.mauritianum.de/web/ausstellung/dauerausstellung/ (11.08.2016)
[10] Dazu vgl. Ponert 2012 (Text), 324ff.
[11] Vgl. Göbel 1992, 149-166, hier 163 und Scholl, Christian: Die Zeiten 1802-1807. In: Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt und Andreas Stolzenburg (Hgg.): Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. München 2010, 138-154.
[12] Außer den beiden im Folgenden beschriebenen Kater-Murr-Bänden besitzen die beiden Teile des Meisters Floh Aquatinta-Einbände. Vgl. Langer 1980, 419.
[13] Vgl. Ponert 2012 (Text), 335ff.
[14] Vgl. Göbel 1992, 149-166, hier164.
[15] Dazu vgl. Oesterle, Günter: Das Capriccio in der Literatur. In: Ekkehard Mai (Hg.): Das Capriccio als Kunstprinzip. Zur Vorgeschichte der Moderne von Arcimboldo und Callot bis Tiepolo und Goya. Malerei – Zeichnung – Graphik. Mailand 1996, 187 und Grimm, Reinhold: Die Formbezeichnung „Capriccio“ in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. In: Heinz Otto Burger (Hg.): Studien zur Trivialliteratur. Frankfurt am Main 21976, 101-116, hier 102 und Steigerwald, Jörn: Die fantastische Bildlichkeit der Stadt. Zur Begründung der literarischen Fantastik im Werk E.T.A. Hoffmanns. Würzburg 2001, 168ff.
[16] Vgl. Göbel 1992, 149-166, hier 164.
[17] Vgl. Braun, Peter: E.T.A. Hoffmann in Bamberg. Erinnerung an ein zerrissenes Leben. Bamberg 2008, 9.
[18] Vgl. Ponert 2012 (Text), 365ff.
[19] Dazu vgl. Ponert 2012 (Text), 272ff.
[20] Dazu vgl. ders., 284ff.
[21] Vgl. Hampel, Anna: Rezeption in der Bildenden Kunst. In: Christine Lubkoll, Harald Neumeyer (Hgg.): E.T.A. Hoffmann Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2015, 427-428.