Bei Angela Carter und E.T.A. Hoffmann finden sich ähnliche Motive und Themen, unter anderem die Automaten, das Groteske, das Unterbewusste un der Konflikt zwischen Rationalität und Phantasmagorien.
Angela Carter
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „E.T.A. Hoffmann und Europa“, das das Team E.T.A. Hoffmann Portal im Sommersemester 2019 am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin angeboten hat. Insgesamt 16 Studierende hatten sich in diesem Seminar einerseits mit Autoren aus dem europäischen Ausland beschäftigt, die E.T.A. Hoffmanns Werk beeinflusst haben, und andererseits mit Zeitgenossen und späteren Autoren, die sich von E.T.A. Hoffmann inspirieren ließen. Die besten Arbeiten, die zum Teil von den Studierenden selbst webgerecht aufbereitet wurden, konnten im Portal veröffentlicht werden.
Zoe Grundies studiert im Bachelor Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft am Peter-Szondi-Institut an der Freien Universität Berlin.
(→ Forscherinnenprofil)
Beide beschreiben die Welt des Traumes, des verborgenen Unbewussten und der Tabus mit unsentimentaler Distanz.
Angela Carter führt Hoffmanns politische und künstlerische Ansätze weiter, indem sie das Romantische nicht mit einer unreflektierten Flucht in persönliche Begehren gleichsetzt, sondern nutzt, um reale Möglichkeiten für veränderte gesellschaftliche Verhältnisse zu imaginieren.
n aller Kürze
Die wichtigsten Fakten zur Rezeption E.T.A. Hoffmanns im Anglo-amerianischen Raum bezogen auf Angela Carter
Biografie
Mai 1940: Angela Carter (gebürtig Angela Olive Stalker) wird in Eastbourne, England geboren.
Nach der Schule: Arbeit als Journalistin für The Croydon Advertiser.
Ca. 1965: Carter studiert an der University of Bristol Englisch. Sie politisiert sich zur sozialistischen Feministin und entdeckt ihr Interesse an Surrealismus, Folklore und dem Unbewussten.
1966: Ihr Debütroman „Shadow Dance“ wird publiziert.
1969: Sie gewinnt den Somerset Maugham Award für „Several Perceptions“. Carter nutzt das Preisgeld um ihren Mann zu verlassen und zieht für 2 Jahre nach Tokyo. Weiterhin reist sie durch die USA, Asien und Europa. Später, Ende der 70er und in den 80er Jahren, unterrichtet sie an diversen Universitäten auf der ganzen Welt.
1972: Veröffentlichung des Romans „The Infernal Desire Machines of Doctor Hoffman“.
1979: Ihr bekanntester Roman „The Bloody Chamber“ erscheint.
Februar 1992: Angela Carter stirbt an Lungenkrebs, im Alter von 51 Jahren. Sie hinterlässt ihren Ehemann und ihren neunjährigen Sohn.
Anglo-amerikanisches Gothic
In ihren Werken benutzt Angela Carter laut Cornel Bonca [2] primitiv strukturierte Narrationsweisen – wie Märchen oder Pornographie -, um durch deren mythologische bzw. unsublimierte Kraft das Unbewusste zu evozieren. Hyperbeln, Ironie und eine vielschichtige Charakterentwicklung verleihen diesen, auf den ersten Blick eindeutigen Erzählungen, thematische Komplexität und Dichte. [3]
Bonca kontextualisiert ihr Werk historisch in die Nähe junger Schriftsteller_innen der 60er Jahre, die Genres der sog. highbrow– und lowbrow-Literatur vermischten und literarische Bilder aus der britischen Kultur entliehen. Sie teilten die Empörung der counterculture über die dichotome Machtverteilung des Kalten Krieges. [4]
highbrow
Literatur, die als künstlerisch und intellektuell anspruchsvoll gilt und Teil der „Hochkultur“ ist. Der Begriff leitet sich aus dem Gebiet der Phrenologie ab, die versuchte, durch äußerliche körperliche Merkmale (wie z.B. eine hohe Stirn) auf Charaktereigenschaften (wie z.B. Intelligenz) zurückzuschließen.
lowbrow
Gegenteil von highbrow, abwertender Begriff für Unterhaltungsliteratur, die massentauglich und wenig anspruchsvoll ist; auch Trivialliteratur genannt, die „durch leichte Lesbarkeit, eingehende Handlung und Happy-End dem unbedarften Leser eine heile, unproblematisch-eskapistische Wunschtraumwelt von Glück, Liebe und Reichtum als Kontrastwelt zum Alltag vorgaukel[t].“ [5]
counterculture
Counterculture ist eine Gegenkultur, die die Werte und Normen der Mehrheitsgesellschaft infragestellt – beispielsweise die Hippie-Bewegung, die 68er und die Punk-Bewegung.
„I’m a great admirer of folklore. Truly, I think the degree to which the bourgeoisie has appropriated the culture of the poor is very interesting […]. Fairy tales are part of the oral tradition of Europe. They were simply the fiction of the poor, the fiction of the illiterate. […]
If you mention folklore in Britain, people’s eyes glaze over with boredom[…]. It is associated with the embarrassing, with the quaint. Therefore people are genuinely shocked when they look at Grimms’ stories, which the Grimm brothers collected from the German peasants, to see them full of the most ghastly events. […] The imagery is perpetually enchanting because [it] is the imagery of the unconscious; beautiful and refreshing [..]. But the circumstances of the stories are simply transformed accounts of ordinary people’s lives. It’s something to do with Western Europe that these stories have gone into the bourgeois nursery and have been dissociated from the mainstream of culture.“ [6]
Interview for Marxism Today. „Left alive“
In den USA geringe Beachtung ihrer Werke
Angela Carter veröffentlichte knapp zwei Duzend Romane, doch trotz mehreren Preisauszeichnungen blieb sie vom britischen literarischen Establishment ausgeschlossen. In den USA verkauften sich ihre Werke schlecht. [7]
Bonca kritisiert, dass ihre Werke, wenn sie denn überhaupt beachtet wurden, in einem engen ideologischen Rahmen gelesen wurden (Feminismus, Post-Modernismus). [8]
Postmoderne
„Der seit den 1970er-Jahren zunächst in der Architektur gebräuchliche Begriff wurde bald auf all jene geistigen und kulturellen Tendenzen ausgedehnt, die sich von den gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen seit Beginn des 20. Jh.s abgrenzen. Mit einer neuen Hinwendung zur Natur ist gleichzeitig eine klar distanzierte Haltung zu Technisierung, Industrialisierung und Bürokratisierung verbunden. Diese Frontstellung der Postmoderne zu den Errungenschaften der Moderne schließt auch eine Abwendung von deren literarischen Leitfiguren ein. […] Mit solcher Distanzierung von avantgardistischen und experimentellen Ansätzen ging bei vielen Autoren ein eigenes gesteigertes Formbewusstsein einher, das sich (in der Epik) in einer traditionellen Erzählweise dokumentiert. Weitere, zentrale Merkmale postmoderner Literatur sind die Rückgriffe auf Geschichte […] und Mythos [..]. Gedankenschwere Dichtung, in deren Mittelpunkt beispielsweise die Identitätssuche des Helden steht, wird zugunsten einer Literatur aufgegeben, die ihre Handlung schnörkellos erzählt und mit dieser Geschichte Unterhaltung bieten und Vergnügen bereiten will.“ [9]
„The Infernal Desire Machines of Doctor Hoffman“
Leidenschaft gegen Rationalität
Apollinisch-dionysisch
Der Konflikt, den Angela Carter laut Bonca in diesem Werk thematisiert, basiert auf bekannten Mythen: Dionysus gegen Apollo, Eros gegen Zivilisation, Leidenschaft gegen Rationalität. [10] Dieser Konflikt wird in ihrem Roman „Die infernalischen Traummaschinen des Doktor Hoffman“ anhand von zwei Charakteren dargestellt: Doktor Hoffman einserseits und der Minister der Vernunft, unterstützt durch seinen Assistenten Desiderio, andererseits.
Trotz Angela Carters offenkundig mangelnder Sympathie für soziale Kontrolle und Repression [11], lässt sie dennoch schlussendlich die Vernunft siegen, indem Desiderio auf die Liebe verzichtet und Doktor Hoffman und dessen Tochter Albertina tötet. Diese Entscheidung scheint schwer nachvollziehbar, zumal Desiderio, inzwischen ein alter Mann, von der Erinnerung an Albertina nicht ablassen kann.
Obwohl Carter den Charakter des Ministers der Vernunft als langweiligen Bürokraten darstellt, stellt Doktor Hoffman keineswegs das positivere Pendant dar: sein Plan ist genauso faschistisch, er verlangt „absolute Autorität, um ein Regime der totalen Befreiung zu etablieren“ [12]. Die Befreiung der Fantasie und Leidenschaft kreiert ein Machtvakuum, das von autoritären Kräften gefüllt wird. Nicht nur die Vernunft kann demnach repressiv wirken. Der Roman eröffnet keinen Mittelweg zwischen Apollo und Dionysus, was Bonca ebenfalls als typisch apokalyptisches Motiv der frühen 70er Jahre bezeichnet. [13]
Handlung
Die infernalischen Traummaschinen des Dr. Hoffman
Der Roman spielt zu einer unbekannten Zeit in einem nicht-näher bezeichneten Lateinamerikanischen Land, in dem ein genial-verrückter Wissenschaftler, Doktor Hoffman, mithilfe seiner Leidenschaftsgeneratoren irrationale Traumbilder per Satellit in die Welt sendet, die real werden und die herrschende Ordnung zu zerstören drohen. Der Minister der Vernunft schickt seinen Assistenten Desiderio, um Doktor Hoffmann aufzuhalten. Desiderio durchreist das Land und erlebt dabei Abenteuer voller grotesker und gewalttätiger sexueller Begegnungen: er begegnet einem Peep-Show-Betreiber, einem Karnevalszug von Akrobaten, die mit ihren eigenen Körperteilen jonglieren und ihn vergewaltigen; Kannibalen, Zentauren, einem sadistischen Grafen und schließlich Albertina, Doktor Hoffmans Tochter, in die er sich verliebt. Mit ihr findet er zum Schloss von Doktor Hoffman, wo Desiderio sich entscheiden muss, ob er auf sich auf die Seite Doktor Hoffmans und der ungezügelten Leidenschaft schlägt oder dem Minister der Vernunft loyal bleibt. Er entschließt sich für letzteres und tötet Albertina und Dr. Hoffman.
Bezug zu E.T.A. Hoffmann
Angela Carters Schreibstil ähnelt laut Peter Christensen [14] Hoffmanns und Edgar Allan Poes, indem sie mit einer empirischen Exaktheit das Feld des Unbewussten, Verborgenen, Tabuisierten beschreibt. Sie äußerte auch selbst ihre Bewunderung für diese beiden Autoren. Gleichzeitig wehrte sie sich aber gegen eine Mystifizierung von Alltagserlebnissen. [15]
Dass E.T.A. Hoffmann ein Einfluss auf Angela Carter hatte wird schon am Titel ersichtlich. Zusätzlich heißt einer der Charaktere im Roman „Drosselmeier“, welche eine Figur aus „Nussknacker und Mausekönig“ ist. [16]
Verteidigung der Vernunft gegenüber der Irrationalität
Ähnlich wie E.T.A. Hoffmann verteidigt Carter die Vernunft gegenüber der Irrationalität und schreibt auch mit einer politischen Motivation. Laut Jack Zipes unterstützten deutsche Märchenerzählungen der Romantik die progressiven Ideale der Französischen Revolution und die individuelle kreative Freiheit, während sie sich gegen eine wachsende Mechanisierung des Lebens durch den Kapitalismus wenden. Zipes analysiert diese romantischen Märchenerzählung als revolutionär und utopisch und beklagt, dass die soziopolitischen Impulse bisher vernachlässigt wurden zugunsten von psychoanalytischen Interpretationen. [17]
Christensen bennennt vier Hauptthemen, die sowohl bei Carter als auch bei Hoffmann zu finden sind: Freiheitsverlust, der Kampf zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, das Begehren und die Regression. Diese werden insbesondere anhand der parallelen zwischen Carters Roman und der Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ ersichtlich. [18]
„Nussknacker und Mausekönig“
Namensgebung
Umkehrung des klassischen Ästethikverständnis
Verhältnis von Traum und Realität
Erläuterung zum Werk
„Man weiß, daß Hoffmann in vertrautem Umgang mit der Familie Hitzig stand und den Kindern Friedrich und Marie einmal sogar das Modell der Burg Ringstetten aus Fouqués >Undine< (1811 geschrieben, zwischen 1812 und 1816 von Hoffmann vertont) gebastelt hat. Dieses freundschaftliche Verhältnis, die Basteleien des >Onkels< und sogar die Namen der Kinder kehren wieder in dem Märchen >Nußknacker und Mausekönig< [...]." [19]
Interessanterweise besteht hier eine Parallele zwischen dem Autor E.T.A. Hoffmann un seiner Figur des Paten Drosselmeier. Ob diese Angela Carter bekannt war und zu ihrer Entscheidung der Namensgebung für ihren Roman beigetragen hat lässt sich allerdings nicht sagen.
Freiheitsverlust
Wie bereits erwähnt, kommt auch in Carters Roman eine Figur namens „Drosselmeier“ vor, was den Bezug zur Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ herstellt. In der Erzählung aus der Sammlung „Die Serapionsbrüder“ ist es statt Doktor Hoffman der Pate Drosselmeier, der gefährliche Fantastik kreiert. Drosselmeier möchte, genau wie Doktor Hoffman, absolute Kontrolle und Macht. Beide sind sadistische Puppenspieler, die ihre Jünger für ihre Ziele missbrauchen und in der Lage sind, an mehreren Orten als unterschiedliche Inkarnationen gleichzeitig zu existieren. [20] So erscheint der Pate Drosselmeier z.B. während des Kampfes zwischen Mäusen und dem Nussknacker in Form eines Vogels über der Uhr, und dämpft dessen Läuten, um die Mäuse nicht zu verschrecken. [21]
Begehren
Doktor Hoffmans Schloss, in dem die infernalen Traummaschinen durch die Körperflüssigkeiten von ewig miteinander verkehrenden Paaren angetrieben werden, scheint auf den ersten Blick zwar schön, bei genauerem Anblick hingegen zeigen sich aber die sadistisch-pornographischen Machenschaften im Inneren. Carter bricht dabei mit dem klassischen Ästhetikverständnis, in dem die Eigenschaften „schön“ und „gut“ gleichzusetzen sind, und welches in Märchen oft verwendet wird. Stattdessen versteckt sich in ihrem Roman hinter dem vermeintlich Schönen häufig Böses, was aber dennoch eine Anziehungskraft ausübt, wie beispielsweise anhand der makaberen Peep-Show erkenntlich wird. Bei E.T.A. Hoffmann wird Leidenschaft dagegen weniger unter einem erotischen Aspekt betrachtet, sondern durch den Überfluss von Süßigkeiten in der Lebkuchenstadt symbolisiert [22]. Auch Hoffmann zeigt, dass äußerliche Schönheit und Tugend nicht zwingend zusammen gehören, da der Nussknacker „nicht eben zum besten gewachsen und sein Gesicht nicht eben schön zu nennen ist“ [23]. Um seine ursprüngliche Wohlgestalt wieder zu erlangen, muss er trotz seiner Hässlichkeit geliebt werden, was Marie auch tut.
Kampf zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein
Der Kampf zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein wird in „Nussknacker und Mausekönig“ anhand des Nussknackers und den Spielzeugsoldaten gegen die Mäuse dargestellt, und bei Carter, wie bereits erwähnt, anhand des Ministers gegen Doktor Hoffman. [24]
Dabei besteht allerdings immer eine Ungewissheit darüber, was erträumt und was real ist: So ist Marie z.B. zwar überzeugt, dass sie dem Kampf zwischen Mäuseheer und zum leben erwachten Puppen und Soldaten beigewohnt hat, allerdings wacht sie am nächsten Tag verwundet auf und sowohl ihre Mutter als auch der Pate Drosselmeier reden ihr ein, sie habe sich dies, ermüdet durch das lange Spielen, eingebildet. [25]
Regression
Beide Erzählungen enden mit einem unvollständigen Sieg über die Regression und das Unbewusste und zeigen die destruktive Gefahr auf, sich in seinen Fantasien zu verlieren. [26]
Der Schluss der Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ deutet an, nicht real zu sein: „[…] Marie soll noch zur Stunde Königin eines Landes sein, in dem man überall funkelnde Weihnachtswälder, durchsichtige Marzipanschlösser, kurz, die allerherrlichsten, wunderbarsten Dinge erblicken kann, wenn man nur darnach Augen hat.“ [27]. Dies kann unterschiedlich interpretiert werden, sowohl als Trugbild, dass nur von Wahnsinnigen gesehen werden kann, als auch als Perspektivwechsel auf reales Geschehen.
In Angela Carters Roman wiedersteht Desiderio zwar dem Verlangen nach gefährlichen Phantasmagorien, allerdings bedauert er bis ins hohe Alter in einer trostlosen, grauen Welt ohne seine geliebte Albertina zu leben [28].
Handlung
„Nussknacker und Mausekönig“
Die Geschwister Marie und Fritz feiern Heilig Abend mit ihren Eltern und ihrem Paten, dem Obergerichtsrat und Uhrmacher Droßelmeier. Sie bekommen neben anderen Geschenken einenNussknacker, der allerdings durch Fritzchens Übermut beschädigt wird. Marie, die eine besondere Zuneigung zu dem Nussknacker entwickelt, bleibt länger wach um ihn zu verarzten. Alleine in dem dunklen Zimmer sieht sie, wie ein Heer Mäuse hervorkriecht, angeführt vom siebenköpfigen Mausekönig. Es bricht ein Kampf zwischen den Mäusen und Fritzchens Spielzeugsoldaten, angeführt vom Nussknacker, aus. Mit Maries Hilfe kann der Mausekönig vertrieben werden. Am nächsten Tag besucht der Pate Droßelmeier die verwundete Marie, und erzählt ihr die Geschichte der Feindschaft zwischen Mausekönig und Nussknacker. Der Nussknacker war einst ein Jüngling, der Neffe eines am Hofe lebenden Uhrmachers, der ebenfalls Droßelmeier heisst. Dort lebt ebenfalls Prinzessin Pirlipat, die von Frau Mauserinks, der Mutter des siebenköpfigen Mausekönigs, zu erschreckender Hässlichkeit verflucht wurde. Nur eine magische, unknackbare Nuss kann ihr ihre Schönheit zurückgeben. Der König verspricht demjenigen, der die Nuss zu knacken vermag, die Hand seiner Tochter. Dem Jüngling Droßelmeier gelingt dies, doch dabei tritt er versehentlich auf Frau Mauserinks, die ihn im Sterben zum Nussknacker verwandelt. Die nun entzauberte Pirlipat weigert sich den unansehnlichen Nussknacker zu heiraten, und dieser wird verdammt. Seine Missgestalt kann nur dann verschwinden, wenn der Mausekönig durch seine Hand verstirbt und eine Dame ihn trotz seiner Hässlichkeit liebgewinnt. Marie besorgt mit Fritzchens Hilfe einen Säbel für den Nussknacker, mit dem er den Mausekönig besiegt, woraufhin der Nussknacker und Marie durch den Schrank ins Puppenreich gehen, eine magische Welt in der alles aus Süßigkeiten, wie Kandis und Mandeln, besteht. Doch als sie ihm Marzipanschloss angelangt und die Geschichte des Kampfes erzählen, wacht Marie aus einem Traum auf und befindet sich wieder in ihrem Zimmer. Obwohl ihr niemand glaubt, beharrt sie darauf, der Nussknacker sei Pate Droßelmeiers Neffe und offenbart ihm ihre Liebe und Treue, woraufhin der Fluch gebrochen wird und der Nussknacker seine menschliche Gestalt wieder erlangt. Sie heiraten und Marie wird Königin des Puppenreichs.
Fazit
Christensen schlussfolgert, dass Angela Carters Roman eine Kritik unreflektierter Romantik darstellt, die psychische Störungen glorifiziert. In diesem Sinne führt sie Hoffmanns politisches Projekt weiter – er setzte sich zwar für eine andere Realität ein, diese ist aber keine Welt der freien Flucht in persönliche Begehren, sondern eine Welt, in der reale Möglichkeiten für veränderte menschliche und Produktionsverhältnisse imaginiert werden können. Hoffmann warnt ebenfalls vor der Automatisierung von Menschen und davor, Maschinen einen unangebrachten Wert zuzuschreiben. So sind es nicht nur ähnliche Thematiken (Puppen, Augen, Groteske) die Carter und Hoffmann verbinden, sondern auch der gleiche kritische literarische Ansatz. [29]
Zu den Forschern
Cornel Bonca ist Professor für Literatur an der California State University, Fullerton und hat sich auf amerikanische Literatur, die 1960er Jahre, moderne kritische Theorie und die Postmoderne spezialisiert. [30]
Peter Christensen ist ein kanadischer Schriftsteller und Dichter, sowie Herausgeber des literarischen Magazins „Canada Goose“ in Alberta. [31]
Anmerkungen
[1] Artikel: „Angela Carter’s Feminist Mythology – A new biography shows how the British author made fairy tales psychological and sexy“ von Joan Acocella in „The New Yorker“ am 5. März 2017 erschienen, https://www.newyorker.com/magazine/2017/03/13/angela-carters-feminist-mythology (Zugriff am 5. Juli 2019)
[2] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[3] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[4] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[5] Sachwörterbuch der Literatur / Gero von Wilpert, 8., verb. und erw. Aufl., 2001, S. 851
[6] Interview mit Angela Carter für „Marxism Today“, https://www.angelacarter.co.uk/interview-for-marxism-todays-left-alive/ (Zugriff am 5. Juli 2019)
[7] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[8] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[9] Literaturlexikon : Daten, Fakten und Zusammenhänge / Wieland Zirbs (Hrsg.), Berlin : Cornelsen Scriptor, 1998, S. 292-293
[10] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[11] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[12] Carter, Angela: The Infernal Desire Machines of Doctor Hoffman (1972), © Hrsg. Penguin Books, Neuauflage mit Einführung durch Ali Smith, 2010, S. 25
[13] Bonca, Cornel: In despair of the old Adams. Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Park/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 56-62.
[14] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[15] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[16] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[17] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[18] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[19] „E.T.A. Hoffmann Werke, Zweiter Band“, S. 569, © Insel Verlag Frankfurt am Main, 1967
[20] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[21] „E.T.A. Hoffmann Werke, Zweiter Band“, S. 315, © Insel Verlag Frankfurt am Main, 1967
[22] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[23] „E.T.A. Hoffmann Werke, Zweiter Band“, S. 316, © Insel Verlag Frankfurt am Main, 1967
[24] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[25] „E.T.A. Hoffmann Werke, Zweiter Band“, S. 313-314, © Insel Verlag Frankfurt am Main, 1967
[26] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[27] „E.T.A. Hoffmann Werke, Zweiter Band“, S. 351, © Insel Verlag Frankfurt am Main, 1967
[28] Carter, Angela: The Infernal Desire Machines of Doctor Hoffman (1972), © Hrsg. Penguin Books, Neuauflage mit Einführung durch Ali Smith, 2010, S. 7
[29] Christensen, Peter: The Hoffman connection. Demystification in Angela Carter’s „The infernal desire machines of Dr. Hoffman“. In: The review of contemporary fiction, (Elmwood Oark/Ill.), 14 (1994), H. 3, S. 63-70.
[30] Mitarbeiterporträt der California State University, Fullerton: http://english.fullerton.edu/faculty/profile/c_bonca.aspx (Zugriff am 5. Juli 2019)
[31] Thistledown Press Autorenporträt: https://www.thistledownpress.com/html/search/Authors/Peter_Christensen/index.cfm (Zugriff am 5. Juli 2019)