Julius Eduard Hitzig
1807-1809
〈20. April 1807.〉
Bald nachdem Sie abgereiset waren wurde ich wieder kränker und mußte die Stube hüten; am Ende fuhr mir der KrankheitsStoff überall heraus so daß ich Abends einen phosphorischen Glanz um mich verbreitete weshalb der Doktor anfing mit allerlei Mitteln mein Blut zu reinigen, womit er noch jetzt beschäftigt ist. Darüber hat sich der Bestand meiner Kasse so verringert, daß ich an eine Reise nicht denken kann, und um so mehr sitzen bleiben muß, als ich außer Stande bin hier Geld aufzutreiben unerachtet der J〈ustiz〉R〈at〉 Kausch der leider selbst kein bar Geld hat, sich erboten hat jeden Schuldschein von mir als Selbstschuldner zu unterschreiben — Hier haben Sie, mein teuerster Freund, in einem Atemzuge alle Odiosa , welche mich in W〈arschau〉 festhalten und ob ich demunerachtet alle Segel aufspannen soll um fort zu kommen, soll ganz von Ihrem freundschaftlichen Rat abhängen, da Sie jetzt Sich Selbst überzeugt haben werden, in wie fern es mir möglich sein dürfte jetzt in B〈erlin〉 den Anfang zu einem weitern Fortkommen zu machen; ganz vorzüglich aber, ob ich auf diese oder jene Art in B〈erlin〉 meinen notdürftigen Unterhalt finden würde; von Ihrer Freundschaft die sich so oft für mich geäußert hat, erwarte ich hierüber gütige genaue Auskunft um meine bestimmte Maßregeln darnach ergreifen zu können! —
Mit erneuter Kraft und mit einem Humor der mir selbst unbegreiflich ist, arbeite ich jetzt an einer Oper von der ich wünschte, sie wäre die erste , die von mir auf irgend einem großen Theater erschiene, denn ich fühle es zu sehr, daß sie alle meine übrigen Kompos〈itionen〉 weit hinter sich lassen wird! — Der Text ist kein anderer, als Calderons: die Schärpe und die Blume. — Der Himmel hat mich bis jetzt mit einer ganz unglaublichen Blindheit gestraft, daß ich die gebornen Arien, Duetts, Terzetts pp in dem herrlichen Stück nicht gesehen habe, in der Krankheit ist mir das Licht darüber aufgegangen. Mit ganz geringen Abänderungen, Abkürzungen und fast unbemerkbaren Einschiebseln hat sich das Schauspiel von selbst unt〈e〉r meinen Händen zur Oper geformt. —
Das Komische des Stoffs ist so höchst poetisch, daß die Musik dazu nur so gegriffen werden kann, wie in Mozarts Cosi fan tutte und Figaro und das ist mir denn nun gerade recht. Seit der Zeit daß ich komponiere, vergesse ich oft meine Sorgen — die ganze Welt, denn die Welt aus tausend Harmonien geformt auf meiner Stube, an meinem Klavier verträgt sich mit keiner andern außerhalb — in dieser andern außerhalb regnet es eben jetzt so ganz erschrecklich, daß wir in W〈arschau〉 bald auf Gondeln durch die Straßen fahren werden, welches der Protonot〈arius〉 Krause nie tun wird, nicht aus Furcht zu ersaufen, sondern aus angeborner Scheu etwas ungewöhnliches zu tun —
Wegen des Kanonikus v 〈 on 〉 Mayl 〈 and 〉 tun Sie nur kein〈e〉 weite〈re〉 Schritte, denn es würde nicht der Mühe verlohnen, und die Musik hat viele schwache Stellen.
Schreiben Sie mir ums Himmels willen, was ich tun soll, ich begebe mich ganz unter Ihre Kuratel , denn ich weiß, Ihr Rat ist besser, als alle meine Entschlüsse ins Blaue hinein.
Ihrer ganzen Familie empfehlen Sie mich auf das angelegentlichste —
Sydow reiset heute mit der Post ab — Loest wird auf der Reise nach Paris nächstens in Berlin eintreffen.
Adio!
Ihr
Freund
H
W〈arschau〉.
Den 20. April 1807.
〈Anlage:〉
Ein in die Form gebrachtes Quintett Lisida, Cloris, Nisa treten auf.
Wie so lieblich steht im Freien
Dieser Blumenhof des Lenzen,
Bunte Farben, frisches Glänzen
Sieht man schon die Hand des Maien
Allen Gegenständen leihen!
Ponlevi. Herr, fürwahr recht holde Damen.
Treten wir ein wenig näher!
Enrico. Durch die Schleier brennen Späher,
Die den Sinn gefangen nahmen. —
(näher tretend) Schöne Damen! —
Cloris. Weh mir! ah!
Ist das nicht Enrico? — ja!
Lisida. Augen, was ist’s das ihr seht?
Er ist’s, doch Eur Sehnen späht
Hoffnungslos: warum nicht ruhn
Laßt ihr mich? Mein Herz mag nun
Nur der blinde Gott entseelen.
Enrico. Augen, was ist’s, das ihr seh’t,
Ist sie’s hier von mir erspäht?
Liebe läßt mich nimmer ruhn,
Den verwirrten Sinn wird nun
Zweifel, Furcht und Hoffnung quälen.
Ponlevi. Liebe läßt ihn nimmer ruh’n,
Den verwirrten Sinn wird nun
Zweifel, Furcht und Hoffnung quälen.
Cloris. LiebesGlut, warum nicht ruhn
Läßt du mich? — mein Herz mag nun
Nur der blinde Gott entseelen.
Nisa. Gehn wir fort, um zu verhehlen,
〈28. April 1807.〉
Recht herzlichen Dank, mein teuerster Freund! für Ihren lieben Brief vom 17 t d〈es〉 M〈onats〉 der mir bewiesen hat, daß Ihre Freundschaft für mich fortdauert! — Gerade meinen Wünschen angemessen ist es, daß der Canonicus die Berl〈iner〉 Bühne nicht betreten hat; die Partitur kann bei Ihnen in deposito bleiben, nur lassen Sie Sich noch den Text, den ich von Rohrmann geschrieben beigelegt habe, herausgeben! —
Wahrscheinlich werden Sie jetzt meinen Brief den ich Ihnen einige Tage vor der Ankunft Ihres Briefes schrieb erhalten haben, und Sich mit mir wundern, daß Ihr Brief schon gewissermaßen eine Antwort auf meine dringende Anfrage wegen meiner Reise nach B〈erlin〉 enthält, ich bitte indessen, in Ihrem nächsten Briefe dies Thema noch etwas auszuführen. Ihre Äußerung wegen des Anerbietens eines Asyls hat mich mit freudigen Hoffnungen erfüllt, und ich begebe mich Rücksicht meines Anfanges gänzlich unter Ihre Kuratel .
Mein Werk rückt stark vor, und der Gedanke etwas sehr gutes zu liefern hebt mich hinweg über manche Bedrängnisse der Gegenwart. — Wie gern würde ich mit Ihnen und W〈erner〉 recht aussprechen über den herrlichen poetischen Stoff, über die Gemütlichkeit, die sich vorzüglich im ersten Akt bei dem Erscheinen der Damen über das Ganze verbreitet, indessen werde ich, wills das Schicksal, das alles künftig nachholen können und zwar mit der fertigen Partitur auf dem Klavier. Ganz herrlich ist es auch, daß ich keine gewöhnliche LiebhaberRolle im Stück habe, denn Enrico ist es durchaus nicht — Ottavio zu unbedeutend eingreifend — er ist nur da, um sich zu ärgern und sich mit Enrico zu schlagen. — Des Herzogs Sonett habe ich komponiert, Lisida’s Sonett hingegen ausgelassen, weil ein Wagstück selten zweimal gelingt —
Sagen Sie W〈erner〉, daß ich noch immer darauf rechne, daß er, wenn ich erst einigen Ruf haben werde, mir den Faust machen wird; wenn er es auch nicht tun will, so mag ich doch die LieblingsIdee nicht aufgeben, indem ich in mancher Stunde schon am Klavier für den Faust komponiere — Gewisse Fantasien werden nehmlich von einer gewissen unbekannten Stimme die ich sehr deutlich höre so rubriziert: für den Faust ! — Da habe ich Ihnen nun viel viel von meinem Werk und meiner Kunst geschrieben, indessen: wovon das Herz voll ist pp Jetzt setze ich noch hinzu, daß wir jetzt das schönste FrühlingsWetter haben, und daß ich darauf hoffe, daß es bald grün werden wird, damit ich wieder in der schönen Lazenker Allee auf neue Melodien sinnen kann! —
Wie es doch nur in Dresden, Leipzig, überhaupt in Sachsen aussehen mag, ob man wohlfeil lebt, ob man Aussichten hat etwas mit der Kunst zu machen u. s. w.?
Der Himmel gebe nur, daß ich W〈arschau〉 erst verlassen kann.
Schreiben Sie mir bald wieder und grüßen Sie recht herzlich ihre Familie und meine Freunde G〈roote〉 und W〈erner〉.
Meine Frau befindet sich wohl in P〈osen〉 und ist zuweilen stärker in der Hoffnung als ich, es freut mich auch über alle Maßen daß sie in starker und nicht in guter Hoffnung ist.
Nochmals Adio , mein Herzensfreund! und denken Sie an
W〈erner〉.
Den 28 April 1807.
Ihren
H
Einen Zettel von Preuße lege ich bei.
〈14. Mai 1807.〉
Ihr letzter Brief vom 30 t April, mein teuerster Freund! ist mir ein voller Beweis daß Sie Sich für mein Wohl und Weh ernstlich interessieren, was aber das sonderbare bei der Sache ist: wäre der Brief einige Tage später gekommen, so hätten Sie von mir einen Brief erhalten mit der dringenden Bitte um Adressen nach Wien, und so wäre zum zweiten mal Ihr Brief schon eine antizipierte Antwort auf meinen Brief gewesen. — Ohne das günstige des Lokals so zu kennen, wie Sie es mir nun geschildert haben, ging schon mein ganzes Sinnen und Trachten nach Wien; es war eine Art Inspiration, die mich wachend und träumend nur immer nach Wien versetzte und mich da meine KünstlerLaufbahn betreten ließ. Leider ist indessen noch eine HauptSchwürigkeit zu überwinden, die mir in manchen trüben Stunden unüberwindlich scheint und die mich am Ende im Schlamme festhalten wird bis ich darin ersticke! — Von meinen dürftigen Umständen und deren Veranlassung schrieb ich Ihnen gleich im ersten Briefe, ich müßte daher jetzt, so wie Sie es mir auch raten, wenigstens 500 rth, wenn auch größtenteils in Papieren, borgen um mich in mein Eden zu versetzen und das ist eine fast unausführbare Sache. — Kausch ist der einzige, der meine Königsb〈erger〉 Verhältnisse, über die ich übrigens kein Papier besitze, kennt, und dieser hat sich, da er selbst ohne Geld zum verleihen ist, erboten, jeden Schuldschein von mir als Selbstschuldner zu unterschreiben und doch gelang es mir vor etwa 4 Wochen nicht auch nur 200 rth bar Geld anzuleihen. — Es ist ein einziger Mann hier, dem ich es zutraue, daß er mir aus der Verlegenheit helfen würde, allein eine besondere Scheu und eine nicht ungegründete Furcht durch eine Bitte dergleichen Art in den ersten Wochen der Bekanntschaft wider die Delikatesse zu verstoßen, verschließen mir den Mund. Sie erraten leicht, daß dieser Mann der J〈ustiz〉R〈at〉 Küs. ist und daß irgend eine Mittelsperson, dergleichen der alte Loest ein vortrefflicher war, der Sache den Ausschlag geben würde; aber so sitze ich nun, und brüte und brüte — vergebens über meinen Plänen! — Nach K〈önigsberg〉 habe ich dreimal geschrieben aber keine Antwort erhalten, wahrscheinlich sind die Briefe gar nicht hingekommen. — Schon zum zweitenmal in meinem Leben geht es mir so, daß ich im Begriff einzutreten von der Türe abgewiesen werde, und es gehört wahrlich Mut dazu nicht für immer zu verzagen! Vielleicht ist es Ihnen, der Sie offenbar in dergleichen Sachen mir an Einsicht weit weit überlegen sind, möglich mir mit gutem Rat beizustehen und mir durchgreifende Maßregeln an die Hand zu geben. Bin ich nur erst in W〈ien,〉 so habe ich den guten Glauben, daß vorzüglich bei den so sehr kräftigen Empfehlungen es mir nicht fehlschlagen wird meinen KünstlerRuf zu begründen; sollte ich auch nur zum Anfange Sachen von kleinerem Umfange ins Publikum bringen. — Mit Ihrem Briefe und den Adressen habe ich mich wie ein Kind! — ich trage sie beständig bei mir — ziehe sie heraus, lese sie auf dem Wege nach Lazenki, im Kras〈inskischen〉 Garten pp — sie sind jetzt mein einziger Schatz, mein Heiligtum! — Ach Freund, wenn ich diesmal wieder im Käficht bleiben muß, so ist es um meine Kunst, um mich geschehen! —
Gäbe der Himmel, daß Ihre Pläne recht bald ausgeführt sein mögen, und ich freue mich herzlich, daß so gute Aussichten dazu da sind; wie glücklich werden Sie Sich fühlen endlich einmal das Relatio ex actis in S〈achen〉 pp ganz vergessen zu können. —
Meine Oper rückt vor, und es wäre herrlich, wenn ich sie vollendet nach W〈ien〉 mitnehmen könnte; indessen sind meine Ouverturen, meine Simphonie und meine Messe hinlänglich, mich bei der kompet〈enten〉 Behörde als Komponist auszuweisen. —
Von politischen Ereignissen schweige ich natürlicher Weise ganz still, sie affizieren mich auch nicht mehr sonderlich.
Antworten Sie mir sobald als möglich, mein einziger Herzensfreund, Ihre Briefe gewähren mir Trost und Aufheiterung! — meine Lage ist wirklich ganz verdammt — Empfehlen Sie mich auf das angelegentlichste Ihrer ganzen lieben Familie. — Ewig ewig
W〈arschau〉 Ihr aufrichtiger Freund und Bruder
den 14 t Mai 1807.
H
〈7. Juli 1807.〉
〈…〉 — Oetzel hat mich ebenfalls sehr freundlich empfangen und hat alles nur mögliche für mich getan, wiewohl leider vergebens. Schiavonetti fand die Sachen: tres jolies , meinte, daß sie durchaus gestochen werden müßten, wollte sich aber mit dem Verlage nicht befassen, weil man abwarten müsse: comme les circonstances se tournent ! Oetzel ging noch mit den Bildern zu Weiß, ich ging nicht mit hinein, ein böser Wind entführte mich, und ich sah‘ Oetzeln und meine Bilder nicht wieder — Oetzel ist ein ganz herrlicher Mensch, dem ich, folgte ich meiner Neigung, nur zu oft lästig fallen würde, da in seinem laboratorio sonderbare alte Neigungen in mir erwachten. — Sowohl die M〈adame〉 L〈evi〉 als vorzüglich Uhden dringen darauf daß ich mich mit dem hiesigen Theater in Korrespondenz setzen soll — Uhden ist nun wohl freilich der Mann, der viel bei I〈ffland〉 für mich tun könnte, indessen habe ich leider nichts vorrätig, und ich möchte fast, daß mir I〈ffland〉 selbst aus dem reichen Vorrat etwas von kleinem Umfange (1 Akt) vorschlüge um den Debut zu machen — Morgen werde ich bei M〈adame〉 L〈evi〉 Zelters Bekanntschaft machen! — Sie sehen, liebster Freund, daß ich auf gutem Wege bin mit meinen Werken hervorzutreten, indessen bin ich während dieser Präliminarien in einem etwas ängstlichen Zustande, — Warum soll ich es Ihnen nicht aufrichtig sagen, da Sie es doch raten würden — das wenige Geld, welches ich nach B〈erlin〉 brachte, geht zu Ende, und das Fehlschlagen jener Angelegenheit mit den Zeichnungen stürzt mich in eine nicht geringe nie gekannte Verlegenheit, indessen lasse ich den Mut nicht sinken, und arbeite nur daran mich gegen das Eindringen der ängstlichen Sorgen ums Brod zu waffnen, um nicht die innere Kraft des Geistes, von der mein Leben und Glück abhängt, töten zu lassen! —
Bartholdy empfing mich gestern in einem angenehm dekorierten Kabinett nach türkischer Art mit übereinander geschlagenen Beinen auf einem Sopha sitzend — er war recht herzlich und ich erlebte einen angenehmen Vormittag vor der Katastrophe mit den Zeichnungen, die N〈ach〉M〈ittags〉 einbrach. — Heute wird Armida gegeben, gewisser Umstände wegen, werde ich sie schwerlich hören — alles bleibt der künftigen Zeit aufbewahrt. — Grüßen Sie herzlich Ihre liebe Familie, die Künstlerin Mazinka und die interessante Julie. Bald erscheine ich Ihnen und umarme Sie körperlich, so wie jetzt im Geiste.
Ewig
Ihr treuer
H.
〈Wohl Mitte Juli 1807.〉
〈…〉 mit zu nennen!! — Gestern war ich von 7½ bis 8½ bei Mad. Levi, wo viele Leute Tee mit Rum tranken und vernünftige Gespräche führten, von 9 Uhr bis 11½ bei Win〈zer〉 eingeladenermaßen, wo wieder viele Leute Rum mit Tee tranken — ich lernte Bernhardi (hat ein hübsches Gesicht), Schleiermacher, vor allen Dingen aber den Komponisten Schneider kennen, der auf einem guten Wiener Piano gute Sachen spielte und mehrere Arietten von einer gewissen Madam Seebald absingen ließ — die ganze Gesellschaft trat ein paar mal als Chorus ein, zB. mit dem Refrain »Als hätt‘ sie Lieb im Leibe«! — Gern hätt ich gesehen oder gehört, wenn auch der Lebenslauf des PremierMinisters und Protektor der Akademie der schönen W〈issenschaften〉 u〈nd〉 K〈ünste〉 Hrn. Grafen von Floh singender Weise vorgetragen worden wäre, es geschah‘ aber nicht! — Zum Schluß eine Frage, deren ganz aufrichtige Beantwortung ich Ihrer Freundschaft zutraue — möglich ist es, daß ich etwas fürs hiesige Theater komponiere wiewohl unwahrscheinlich — Gesetzt, ich sollte nun aber rasch komponieren, würde es in Ihrem Hause Umstände machen, mich ganze lange 8 Tage hindurch dort zu sehen? — es wär mir nehmlich dann ein von Berlin entfernter Ort, der mir das gewährt, was ich in Ihrem Hause gefunden habe, höchst wünschenswert — Sagen Sie nur — Nein es geht nicht! — denn daran denken Sie doch nicht, was man so: übel nehmen nennt! — das ist nicht mein Casus.
Ihr
H.
Berlin den 22 Julius 1807.
Gestern Morgen komme ich zum alten Freunde Julius v. Voß und das erste, was mir ins Auge fällt, ist eine dicke Partitur »Die ungebetenen Gäste, eine komische Oper in einem Akt von J. v. V. in Musik gesetzt vom KammerMusikus Schneider«! — Sie raten daß dies eben mein Canonicus ist, den Voß auch zur Bearbeitung auswählte und Schneider komponierte — ich bin recht belehrt worden, wie man kleine leichte Sachen, deren Inhalt sich um einen lustigen Einfall dreht, behandeln muß — es fängt mit einem feierlichen Grave an, es kommt darin vor eine Kanonade, ein SchlachtGesang, Sturm und Drang u. s. w. — Nun weiter! Voß. erzählte mir, daß er lange vor dem Ausbruch des Krieges auf Schneid〈ers〉 Verlangen den Text arrangiert, S〈chneider〉 sodann die Oper komp〈oniert〉 und dem Theater zur Aufführung angeboten hätte ohne Namen des Dichters und des Komponisten zu nennen; Iffland hätte indessen des Inhaltes wegen, damals die Aufführung abgelehnt, und Schn〈eider〉 hätte ihn (den Voß) ersucht Partitur und Text zurück zu nehmen, welches denn auch geschehen sei. Eines Tages wäre S〈chneider〉 erzür〈nt〉 gekommen und habe ihm Vorwürfe gemacht, daß er die Partitur doch beim Theater gelassen habe, denn ein Canonicus solle einstudiert werden. V〈oß〉 sei zu Web〈er〉 hingelaufen und nun habe sich die Existenz eines zweiten Canonicus dargetan! — Die Ursache, warum meine Oper nicht aufs Theater kam, ist daher die unangenehme Kollision mit einem hiesigen beliebten Komp〈onisten〉 und nicht eine Kabale Webers, der, wie ich aus einigen Äußerungen von Voß schließe, meiner Musik, für die sich die Bethmann interessierte , den Vorzug gab. — Den Text der Oper Circe hat Hr. Levi〈n〉, Verfasser der Sylphen , arrangiert und W〈eber〉 ist fortgereiset um den Vorwürfen des Kabalierens zu entgehen. — Kommt er nun zurück, so setze ich alles in Bewegung wegen der Schärpe und Blume — ich denke, es wird gehen — vielleicht auch nicht — In wenigen Tagen wird Circe gegeben! — Mein lieber bester Freund, Werckmeister ist schon hier oder kommt in wenigen Tagen, Ihr Billett ist veraltet und durch die Reisen etwas unscheinbar geworden, würden Sie wohl gütigst ein dito EmpfehlungsSchreiben entwerfen und mir zusenden? wie viel mir daran liegt, können Sie leicht denken! — So bald ich nur ein wenig hier ins Reine gekommen bin, mache ich von der Güte Ihres Vaters, dem ich mich auf das angelegentlichste zu empfehlen bitte, Gebrauch und komme heraus um meine Oper zu vollenden, wozu es mir hier gänzlich an Ruhe fehlt. Ihrer lieben Frau und Schwestern bitte ich mich zum freundschaftlichen Andenken zu empfehlen — Adio für heute.
H.
〈22. August 1807.〉
Mein lieber teuerster Freund! Sie fanden mich bei Ihrem letzten Hiersein in einer etwas fatalen Stimmung — indessen müssen Sie diese dem äußersten Druck der Umstände zuschreiben — ich bin in einer Lage über die ich selbst erschrecke, und die heutigen Nachrichten aus Posen sind nicht von der Art mich zu trösten — Meine kleine Cecilia ist gestorben und meine Frau ist dem Tode nahe! — Aus einem dumpfen Hinbrüten bin ich denn nun wieder so weit erwacht, um daran denken zu können, was ich tun muß um nicht in bona pace zu verderben — am liebsten wünschte ich ein Unterkommen als MusikDirektor bei irgend einem Theater und da wäre es wohl auch ersprießlich mich im ReichsAnzeiger auszubieten — wo kommt der ReichsAnzeiger heraus, was muß man tun um das Einrücken zu bewirken? — Geben Sie mir, bester Freund, hierüber Auskunft und sagen Sie mir, ob die anliegende Anzeige genügt oder was noch mehr zu sagen oder wegzulassen sein würde! wie soll ich die Adresse bezeichnen? Darf ich Sie bald in P〈otsdam〉 besuchen? — wie wohltätig würde mir Ihre Gesellschaft jetzt sein — indessen müßte ich nicht lästig sein und das bin ich, solange Ihr Haus so besetzt ist wie jetzt. Tausend Empfehlungen an Ihre liebe Frau und Familie. — Baldige Antwort, bester Freund! — Bei Winzer bin ich gestern und vorgestern gewesen, habe ihn aber nicht getroffen. Auch will ich zu Werckmeister gehen um zu fragen ob er hier ist. —
Gestern Morgen glaubte K〈oreff〉, ich würde sterben, ich bin aber am Leben geblieben. Bleiben Sie der Freund
Ihres
H
B. D. 22 t August 1807.
〈Anlage:〉
Jemand, der in dem theoretischen und praktischen Teil der Musik vollkommen unterrichtet ist, selbst für das Theater bedeutende Kompositionen geliefert und einer bedeutenden Musikalischen Anstalt als Direktor mit Beifall vorgestanden hat, wünscht als Musikdirektor bei einem wo möglich stehenden Theater unterzukommen. Außer den genannten Kenntnissen ist er mit dem Theaterwesen und seinen Erfordernissen völlig vertraut, versteht sich auf die Anordnung der Dekorationen und des Costums und ist außer der deutschen, auch der französischen und italiänischen Sprache gewachsen. Sollte der Unternehmer irgend eines Theaters eines solchen Subjekts benötigt sein, so bittet man ihn sich in postfreien Briefen an … zu wenden, wo er die näheren Bedingungen, welche auf jeden Fall billig sein werden, erfahren kann.
Bamberg Den 1 Januar 1809
Zinkenwörth Distr. 1. No 56
bei dem Schönfärber Schneider.
Mein Lieber teurer HerzensFreund! Was werden Sie von mir und von meinem Stillschweigen denken! Keine Entschuldigungen; am NeujahrsTage erkenne und bereue ich alle meine Sünden und was noch gut zu machen ist, das geschieht augenblicklich. Von Ihrer Freundschaft innig überzeugt weiß ich daß meine Schicksale Sie recht sehr interessieren und ich erzähle Ihnen daher alles wie es hier hergegangen ist rein und offen! — Mein Eintreten in B〈amberg〉 war von manchen höchst unangenehmen Ereignissen begleitet, das unangenehmste war aber, daß ich die Verhältnisse bei dem Theater ganz anders fand als ich es nach den Briefen des Gr〈afen〉 v. Soden erwarten konnte. — Soden hatte nicht allein die Regie, sondern die ganze Entreprise einem gewissen Heinrich Cuno abgetreten und sich nach Würzburg zurückgezogen. Dieser H. C. ist ein unwissender eingebildeter Windbeutel, der bei der Organisation des Theaters so übereilt zu Werke ging, daß in diesem Augenblick das Ganze seiner Auflösung nahe ist, indem das Publikum nun nicht mehr dem abscheuligen Unfug, der hier auf dem Theater getrieben wird, ruhig zusehen will. Wie schlecht ich mit meinem Enthusiasmus für die wahre Kunst und mit meinen Vorschlägen und Plänen das Ganze nur zu irgend einem Grad von Vollkommenheit zu erheben angekommen bin, können Sie sich bei jenen Umständen wohl denken; dies hat denn auch zur Folge gehabt daß ich bereits seit zwei Monaten mein MusikDirektorat gänzlich aufgegeben und mich nur dazu verstanden habe die etwa vorkommenden GelegenheitsStücke z. B. Märsche und Chöre in Schauspielen u. dgl. zu komponieren, wofür ich monatlich 30 fl erhalten soll aber nicht erhalte, weil die TheaterKasse bei der grenzenlosen Unordnung des Direktors fortwährend in den erbärmlichsten Umständen ist. Um so unangenehmer sind mir jene Theaterverhältnisse, als es hier ein Publikum gibt, wie es sich nur ein SchauspielDirektor, der wahre Ausbildung mit Geschmack und Talent verbindet, wünschen kann. ZB. die lustigen Musikanten gut gegeben würden hier recht sehr gefallen, doch davon nachher ein mehreres! — Das war das schlechte — nun zu angenehmern Dingen. — Ich stand, da Soden in Würzburg ist und der einzige, an den ich sonst empfohlen war, der Pr〈äsident〉 Graf v. Seckendorf, sich gar nicht um mich bekümmert hat, ganz allein hier; indessen ein glücklicher Zufall wollte es, daß ich schon im zweiten Monate dem besten Teil des Publikums bekannt wurde. An der Spitze dieses Publikums steht der General-Kommissar Freiherr v. Stengel, ein äußerst humaner und in der Kunst ganz ausgebildeter Mann; Sie können denken, wie ich erstaunte, als er bei der ersten Visite, die ich ihm machte, so tief in die Theorie der Musik hinein geriet, daß ich glaubte mit einem tüchtigen Kapellmeister zu sprechen; nun gelang es mir bald meine musik〈alischen〉 Kenntnisse geltend zu machen und ich erhielt in den ersten Häusern als Singemeister Zutritt, so daß meine Existenz wenigstens gesichert ist, indem ich überall gut und prompt bezahlt werde. — Recht erfreulich ist es mir gewesen hier im südlichen Teutschland so viel Empfänglichkeit für das wahre Schöne zu finden. Überall wo ich hinkomme, ist Tiek ein gefeierter Name, auch unser Freund Werner hat hier sein Publikum; im gräflich Rothenhanschen Hause wo ich fünf! Komtessen im Gesange unterrichte, habe ich (mit welchen sonderbaren Empfindungen können Sie sich denken) den Attila gesehen, und als ich meiner Verhältnisse mit Wernern erwähnte, mußte ich erzählen was ich nur wußte aus seinem frühern Leben und von dem Gange, den seine Ausbildung genommen hat. Den andern Tag rollte ich sein CrayonBild aus einander und sagte: so sieht er aus. Das Bild wurde gleich in Beschlag genommen und eben jetzt kopiert es Gräfin Gabriele, ein recht liebenswürdiges sechszehnjähriges Mädchen. — Hört das Theater nun hier ganz auf, so erwerbe ich doch durch Unterricht und Kompon〈ieren〉 mein notdürftiges Brod und werde das schöne Bamberg nicht verlassen, bis ich etwa ein fixiertes Unterkommen bei einer fürstlichen oder königl. Kapelle finde, wozu sich vielleicht nach den Versicherungen meiner hiesigen Gönner eine Aussicht öffnen könnte. Unter andern (lachen Sie mich tüchtig aus, liebster Freund!) habe ich auch fürs hiesige Theater Verse gemacht. Es hatte mit ihnen folgende Bewandtnis. Die Tochter des hier residierenden Herzogs von Bayern, Prinzessin von Neufchatel, deren Gemahl bekanntlich in Spanien ist, ist hier. Hr. Cuno beschloß ihren Namenstag im Theater zu feiern und übertrug mir die Ausarbeitung eines Prologs. Ich warf so ein recht gemein sentimentales Ding zusammen, komponierte ebensolche empfindsame Musik dazu — es wurde gegeben — Lichter — Hörner — Echos — Berge — Flüsse — Brücken — Bäume — eingeschnittene Namen — Blumen — Kränze nicht gespart, es gefiel ungemein und ich erhielt mit sehr gnädigen Ausdrücken von der Prinzessin Mutter für die verschaffte Rührung 30 Carolin, die gerade hinreichten mich hier so ziemlich auf reinen Fuß zu setzen. — Bei einer gewissen Stelle im Prolog »Ich ging — ich flog — ich stürzt‘ in ihre Arme!« (ein ungemein schöner Klimax) umarmten sich in der herzoglichen Loge weinend Mutter und Tochter, wobei das Publ〈ikum〉 ziemlich ironisch klatschte; nun hatte der Prolog auch dem Publik〈um〉 gefallen und wurde für den andern Tag begehrt; die herzogl〈ichen〉 Personen erschienen in der Loge und umarmten sich richtig, weinend wieder bei jener Stelle, worüber das Publikum viel in die Hände klatschend seine Zufriedenheit äußerte. Mir schien es als ob dadurch sich das Ganze, Theater und Publikum, auf eine höchst vortreffliche Weise zu einer Aktion verband und so das fatale Verhältnis zwischen darstellen und zusehen ganz aufgehoben wurde; mir lachte das Herz im Leibe und ich hatte noch nicht einmal die 30 Carolin sondern nur etwelche gnädige Blicke ins Orchester hinab erhalten. — Nun bin ich auch auf gewisse Weise bei dem Hofe introduziert, singe im HofKonzert und werde die Gemahlin des Herzogs Pius, sobald sie den Katharr verloren hat, welches, wie der HofMarschall versichert, sich Mitte März zu ereignen pflegt, wo Sie (die Durchl〈aucht〉) auf der Terrasse etwas weniges Sonnenschein gnädigst einzunehmen pflegen, im Gesange unterrichten —
Nun mein lieber HerzensFreund! — noch ein paar Angelegenheiten! — Nach meinem Kontrakt habe ich noch ein Benifiz und muß dazu eine Oper komponieren; den Trank der Unsterblichkeit kann ich hier nicht aufs Theater bringen, da die Stücke von Soden höchst verhaßt sind, ich muß daher etwas andres wählen; Sie sagten mir einmal von einer neuen Edition des Tieckschen Ungeheuers ; wo ist die Oper zu erhalten? — Können Sie sie mir schicken, oder aus welchem Verlage kann ich sie bekommen? — Hier sind 2 elende Buchhandlungen und niemand weiß etwas davon; recht eilig möcht‘ ich komponieren, denn sonst, fürcht ich, ist es mit dem Theater vorbei, ehe ich meine gewiß gute Einnahme erhalte.
Alsdann habe ich alles Erinnerns unerachtet von meinem Geschäftsträger Krahmer nicht die mindeste Nachricht; sollte das mir noch gebührende Geld von Tettau nicht gezahlt sein, ich kann mirs nicht denken! Hätten Sie wohl die Gefälligkeit einliegenden Brief Krahmern zu schicken und Sich gütigst nach dem Fortgange des Geschäfts erkundigen zu lassen. Ist das Geld gezahlt und könnten Sie mir das neue Ungeheuer schicken, so könnte Krahmer außer der kleinen Post die ich Ihnen noch restiere, auch die Auslage für das Ungeheuer auszahlen. — Das noch zu erhaltende Geld ist mir, da meine Einnahme sehr geringe ist und ich darauf gerechnet habe, äußerst nötig, und es ist unrecht von Krahmer, mir davon wie es steht nicht einmal Nachricht zu geben. — Sehen Sie etwa den Hrn. v. Herr oder andere von meinen Bekannten derselben Art, so bitte ich Sie inständigst ihm gar nichts von mir, oder allenfalls daß ich Bamberg verlassen hätte, zu sagen, damit man gar nichts von mir spricht. — Dagegen empfehlen Sie mich sehr im Elterlichen Hause, d〈er〉 Madame Levi, Hrn. Levi so wie Hrn. Reimer u. a.
Ich hoffe daß Ihre liebe Frau, der ich mich sehr empfehle, und Ihre kleine Familie gesund und wohl ist. Meine Frau, die mit unserer etwas beschränkten aber ruhigen harmlosen Lage sehr zufrieden ist, grüßt Sie und Ihre liebe Frau herzlich. Vergelten Sie nicht gleiches mit gleichem sondern schreiben Sie bald, ich gelobe feierlich Besserung. Ewig unverändert.
Ihr
Hff.
In diesem Augenblick erhalte ich einen Brief von Krahmer mit Gelde; ich behalte daher den Brief an ihn zurück; wollten Sie mir das Ungeheuer dennoch schicken, so würde ich mit dem größten Vergnügen und dem innigsten Danke Ihnen die Auslage zusenden; oder bestimmen Sie wie es mit der kleinen Post zu halten ist.
NB. der Attila von Study ist ein kurioser Mann mit einer Nase die immer krummer wird; was soll am Ende daraus werden! auch haben mir unterschiedliche Schuppens nicht gefallen.
Bamberg Zinkenwörth No 50 den 25 t Mai 1809
Mein Innigst geliebter Freund! Zürnen Sie ja nicht über mein langes Stillschweigen, denn nächst einer gewissen Brieffaulheit, die mir, wie ich es denn wohl zugestehen muß, von jeher angeklebt hat, lebe ich auch in solcher Geschäftigkeit daß mir die Zeit wie im Fluge vorübereilt und ich wenig Muße behalte um mit meinen Freunden so lange und so viel als ich es wohl wünschte zu sprechen. — Der leidige Krieg hat mir aufs neue viel Schaden getan und einen großen Teil meiner Pläne und Hoffnungen zerstört. Als noch Franzosen und Österreicher hier herum standen, geriet alles in Furcht und Schrecken so daß mehrere der ersten hiesigen Familien mit dem herzoglichen Hause den Ort verließen und noch nicht zurückgekehrt sind. So ist nicht allein mein SingeInstitut nicht zu Stunde gekommen sondern ich habe auch mehrere meiner Scolaren verloren; nehmen Sie noch dazu daß mein TheaterGehalt ausblieb, so können Sie denken, wie es mir schwer wurde mich durchzufristen indessen — es muß gehen und geht auch, da ich nun und nimmermehr: Relatio ex Actis u.s.w. schreiben darf und so die eigentliche Quelle alles Übels versiegt ist. Jetzt ist hier alles ruhig, wir leben wie im tiefsten Frieden, und dies läßt mich auch die Verbesserung meiner Lage hoffen, wozu nicht viel gehört, da man wirklich hier so wohlfeil lebt als ich es mir nicht gedacht hatte. Überhaupt bin ich mit dem Orte meines Aufenthaltes sehr zufrieden, da er sich ganz dazu eignet ein ruhiges Künstlerleben zu führen, welches mir meine gänzliche Entfernung von dem Theater jetzt verstattet und wozu mir die Eröffnung einer gewissen litterarisch künstlerischen Laufbahn eine nicht unangenehme Aussicht darbietet. — Über beides einige Worte! — Was zuerst das Theater betrifft, so ist es dabei dem ZeitGeiste getreu ganz revolutionär zugegangen und mit einer Schnelle sonder gleichen hat es die verschiedensten Perioden durchlaufen. — Schon im Febr: erklärte Hr. Cuno mit einem male der ganzen Gesellschaft, daß er insolvent sei und das Theater aufgeben müsse; den Regisseur des Schauspiels Hrn. Opel an der Spitze movierte sich die Gesellsch〈aft〉 gegen dies Verfahren und es kam zu gerichtlichen Verhandlungen, die den saubern Herrn Direktor nötigten die Vorstellungen fortzusetzen und die Admin〈istration〉 der Kasse einem aus der Gesellschaft gewählten Komitee zu überlassen — Daß hiebei auch nicht viel gescheutes herauskam können Sie Sich denken, das ganze kam wieder seiner völligen Auflösung ganz nahe, und nun traten die drei HauptGläubiger des Hrn. C〈uno〉 auf und sprachen also: Wir müssen, koste was es wolle, Hrn. C. und sein Theater erhalten, denn nur auf diese Weise können wir noch zu unserm Gelde kommen, wir übernehmen daher die Direktion und garantieren die Gagen den Sommer über mit 30 p〈er〉 C〈entum〉 Abzug. Die armen Schauspieler und Ihr Freund der Mus〈ik〉Dir〈ektor〉 in dieser unglücklichen Zeit, wo die großen Opern mit obligaten Kanonen alles übertäuben, sagten ja und das Ding ging aufs neue los. Die neuen Direktoren zeigten sich indessen bald dem ganz getreu was sie sind — knauserten und knickten, machten tolle Streiche, wurden grob, so daß, wer noch auf eine andere Art ein Stück Brod erwerben konnte, das Theater ganz verließ, wie ich es denn auch tat, so daß mein Kontrakt, in dem glücklicher Weise 6wöchentliche Aufkündigung bedungen war, vorigen Montag sein Ende erreicht hat und ich nichts weiter von mein〈er〉 Karr〈iere〉 übrig behalte als den Titel Mus〈ik〉Dir〈ektor〉, den ich für künftige Fälle konservieren will. Die neue Direk〈tion〉 besteht aus einem Zuckerbäcker, einem Likörsieder und einem jüdischen Seidenhändler!! und damit Sie einen Begriff von dem Geiste des neu organ〈isierten〉 Theaters bekommen, lege ich Ihnen ein Stück KomödienZettel bei mit der Szenerie der Teufelsmühle. — Was nun meine artistisch litterarische Laufbahn betrifft, so ist darin ein nicht unbedeutender Schritt dadurch geschehen, daß ich von der Redaktion der Musik〈alischen〉 Zeitung in Leipzig als MitArbeiter feierlich auf und angenommen worden bin, welches übrigens natürlicherweise ganz unter uns bleibt. Sie können meinen Debut in No 20 ( ni fallor ) Februar sub titulo Ritter Gluck lesen; ein Aufsatz der Ihnen in mancher Hinsicht merkwürdig sein wird, dem Sie es aber auch anmerken werden daß R〈ochlitz〉 hin und wieder nach seiner Art gefeilt hat, welches ich geschehen lassen mußte, unerachtet es mir nicht lieb war. Das übrige von mir sind Rezensionen praktischer Werke die Sie nicht interessieren, finden Sie aber künftig zufällig einen Aufsatz über OpernTexte, so würdigen Sie ihn Ihrer Aufmerksamkeit. Was meine praktische Arbeiten betrifft d.h. Kompositionen, so soll das Wesen jetzt erst recht angehen denn bis dahin habe ich fürs Theater nicht komponieren sondern Musik schmieren müssen zB. Alleg〈orische〉 Ballette pp welches mir Zeit und Laune geraubt hat. —
Daß Ihre Geschäfte, mein teuerster Freund! so gut von statten gehen, daß Sie Ihren Grundsätzen getreu bleiben und sich um das bessere in der schönen Lit〈eratur〉 so hochverdient machen, das freut mich recht innig. Ihren Katalog habe ich Abschriftsweise verteilt und glaube dadurch manche Nachfrage bei Goebhardt veranlaßt zu haben. Wie schmerzhaft ist es mir zur Zeit nichts auf die Reorganis〈ation〉 meiner kleinen Bibliothek wenden zu können, indessen den Gozzi muß ich haben; vielleicht bekommt ihn Goebhardt, wo nicht, so könnte ich ihn vielleicht von Ihnen zugeschickt erhalten und das Geld dafür an Goebh〈ardt〉 zahlen; schreiben Sie mir darüber das nötige. Den zweiten Teil des Spanischen Theaters habe ich hier schon gesehen und durchblättert — Nach dem ersten Blick interessiert mich die Brücke von Mantible ganz vorzüglich —
Werner hat wie ich in den öffentlichen Blättern gelesen habe eine Pension von 1000 rth vom Fürsten Primas erhalten — nun ist ja seine Existenz für immer gesichert, und sein Genius könnte frei sich erheben, ob er aber jemals mehr werden wird als er ist, daran zweifle ich! — Sein kleinliches Verfahren gegen Sie, dem er doch sein Aufkommen recht eigentlich zu verdanken hat, hat mich recht sehr indigniert, wie er sich gegen mich benahm, mag ich gar nicht rügen. — Winzers Schicksal hat mich erschreckt, mich aber auch über die sonderbare Verstimmung, die ich immer an ihm bemerkte, aufgeklärt. —
Man debutiert hier seit einiger Zeit über den Zustand von Berlin und die dortigen Ereignisse seit dem romanesken Schillschen Ausmarsch die seltsamsten Gerüchte, so daß ich die innere Sicherheit für gefährdet glauben muß, können Sie mir darüber etwas näheres schreiben so tun Sie es, denn leicht können Sie glauben, wie sehr mich die neueren Tatsachen und Vorgänge in B〈erlin〉 interessieren. —
Tun Sie mir die Freundschaft beiliegende kleine Anzeige, die für die gute Wirkung hier am Orte sehr berechnet ist, so schnell als möglich in die eleg〈ante〉 Zeit〈ung〉 oder ins Morgenblatt rücken zu lassen, bei Ihren Verbindungen kann es Ihnen nicht schwer fallen meine dringende Bitte darum zu erfüllen.
Meine Frau, die sich hier recht wohlgefällt und mit meinen wenn auch zur Zeit eingeschränkten Verhältnissen um so zufriedner ist, als ich mehr als jemals mit ihr und für sie leben kann, grüßt Sie und Ihre Frau, der ich mich ebenfalls sehr empfehle, herzlich. Leben Sie so glücklich und zufrieden als ich es wünsche. Ewig
der Ihrige mit ganzer Seele.
Hff
Beiliegendes Briefchen haben Sie wohl die Güte abgeben zu lassen. Sollte die Nummer des Hauses nicht eintreffen, so ist es doch gleich daneben oder etwa 86.
〈Anlage〉
Verwandlung.
1ter Akt. 1. Szene Herberge an der Straße des Wienerbergs. 9. Sz〈ene〉. Gemach auf Staufenburg, zuletzt sieht man einen schwarzen hellbeleuchteten Saal, mitten liegt auf einen Baradebett Agnes von Boodsheim tot; über sie schwebt ein toten Genius.
2ter Akt. 1. Szene. Zimmer im Wirtshause am Wienerberge. 8. Sz. Gemach auf der Feste Staufenburg. 13. Sz. Wald. Nacht. Mondschein. 15. Sz. das innere der Teufelsmühle, wo sich alle Geister in der 12ten Stunde versammeln, der Tisch, worauf Käsperle sitzt verwandelt sich in einen Mülleresel.
Kasperle reitet unter schrecklichen Gepolter durchs Fenster.
3ter Akt. 1. Szene. Herberge am Wienerwald. 10. Sz. Gemach in der Herberge. 14. Sz. Burgverlies in der Mitte hängt eine brennende Lampe. Verwandelt sich dann im Kampfplatz wo Otto bleibt.
4ter Akt. 1. Szene. Herberg wie oben. 4. Sz. Gemach auf der Staufenburg. 6. Sz. Herberge. 8. Sz. Wald mit Einsiedlerhütte. 10. Sz. Unterirdische Höhle. 13. Sz. Ländliche Gegend mit Haus und Brunnen, der Blitz zerschlägt den Müller der Brunnen stürzt mit ihm ein. Zum Schluß verwandelt sich die Bühne in ein Wolkentheater. Ein Regenbogen im Hintergrund in einer Schleierwolke Iriel, aller versammelt
1812-1814
Bamberg Den 28 April 1812
Mein teuerster Freund! Unsere Korrespondenz ist seit geraumer Zeit ins Stocken geraten, und unsere beiderseitigen Geschäfte die uns gewiß nur zu den notwendigsten Briefen Muße lassen, mögen wohl allein daran Schuld sein. — Jetzt benutze ich eine bequeme Gelegenheit mir aufs neue die Fortdauer Ihrer Freundschaft und Ihres Andenkens zu erbitten. — Ich habe hier beinahe seit dem ersten ViertelJahr als ich hergekommen war in der Person des Weinhändlers Kunz einen sehr angenehmen interessanten Freund der, wie man es in dieser Klasse von Kaufleuten gewiß selten findet, ästhetisch und litterarisch ausgebildet ist, weshalb sein Umgang sich auch nur auf hiesige Gelehrte (Direktor Marcus, Prof. Klein pp) und Künstler erstreckt. Schon seit mehreren Jahren sammelt er eine herrliche Bibliothek die schon jetzt fünf bis sechstehalb tausend Bände und darunter sehr seltene alte Werke so wie das beste der neuern und neuesten Litteratur und Poesie enthält. Diese Bibliothek gab die Veranlassung, daß er von seinen Freunden sowohl als von der öffentlichen Behörde aufgefordert wurde eine Leihbibliothek zu errichten die ganz abweichend von der Tendenz der gewöhnlichen Leihbibliotheken nur das wahrhaft Gute der ästhetischen Litteratur und wissenschaftliche Werke enthalten sollte, wozu er sich denn auch hat bereit finden lassen. Um die neuesten Meßprodukte sogleich zu erhalten, hat er sich mit den mehrsten Buchhändlern in Leipzig (Hinrichs, Leo pp) Rücksichts ihrer VerlagsArtikel in Verbindung gesetzt und ihnen, da er schon längst Wein nach Sachsen sandte, DrogatGeschäfte mit Wein gegen Bücher angeboten, welches sie alle auf das bereitwilligste akzeptiert haben. Ein gleiches Anerbieten macht er Ihnen, mein lieber Freund! in der Anlage und ich kann die Versicherung aus mannigfacher eigner Erfahrung hinzufügen, daß er in den Weinen eben so wie in seiner Bibliothek nur das wahrhaft gute geistvolle aufnimmt und hegt. Wie ich mich erinnere, trinken Sie gern starken feurigen Burgunder, und da kann ich Ihnen den Chambertin als wahren poetischen Wein empfehlen, der bei mir schon oft in Sinfonien und Arien verdunstet ist. Eben so gut sind die Rheinweine, die wie ich weiß von je her in Berlin viel getrunken wurden. Schon die mehrsten Ihrer VerlagsArtikel besitzt Hr. K〈unz〉; sollte daher die Bestellung nicht so viel betragen, als eine des Sendens werte Partie Wein beträgt, so könnten Sie vielleicht eine Verbindung mit andern Buchhändlern in Berlin in eben der Art anknüpfen. —
Daß ich noch hier bin, muß Ihnen schon beweisen, daß es mir so ziemlich gut geht, und nur das einzige ist mir nicht recht gewesen, daß mir bis jetzt die ganz überhäuften TheaterGeschäfte alle Zeit raubten eigentlich für mich das heißt für das Bekanntwerden zu arbeiten. Als das Theater durch Holbein neu organisiert wurde, fiel mir die ganze Last der ökonomischen und ein großer Teil der ästhet〈ischen〉 Einrichtung zu, und bald darauf wurde ich nächstdem, daß ich fürs Theater fortkomponieren mußte, noch TheaterArchitekt und Dekorateur, indem der recht geschickte Maschinist Holbein mich bald in die Geheimnisse der Maschinerie praktisch einweihte und so die Theorie, die ich aus allen Büchern, die ich nur erhalten konnte, eingeschlungen hatte, ergänzte. — So haben wir denn die einstürzende Burg zum Kätchen von Heilbronn, das auffliegende Kreuz in der Andacht pp, die Fantasmagorien in dem standhaften Prinzen und vorzüglich die Brücke von Mantible gebaut. Von letzterer werden Sie künftig eine genaue Zeichnung nebst Beschreibung von mir im Journal des Luxus und der Moden finden. — Jetzt ist Holbein in Würzburg und ich bin hier geblieben um einmal den Sommer hindurch mit Muße für mich selbst arbeiten zu können. Eine Oper von mir, Text von Holbein, kommt jetzt in Würzburg aufs Theater und wandert dann nach Wien zu Lobkowitz. Gefällt sie, so bin ich als Komponist durch. — Hier habe ich das Glück, daß meine Komposit〈ionen〉 Sensation machen. — Dann beschäftigt mich ein sonderbares musikalisches Werk, in welchem ich meine Ansichten der Musik und vorzüglich der innern Struktur der Tonstücke aussprechen will. Um jeder anscheinenden Exzentrizität Platz und Raum zu gönnen sind es Aufsätze von einem wahnsinnigen Musiker in lichten Stunden geschrieben; ich behalte mir vor Ihnen künftig darüber mehr zu sagen und vorzuschlagen. — Nun habe ich recht viel von mir gesprochen, bloß um Ihnen, mein teuerster Freund zu beweisen daß ich wirklich noch lebe ! Denken Sie denn noch an Warschau? — an die PunschAbende — den roten Ungarwein bei Ihrem Wirt — den Waidewuthis — den BaffometusKopf pp? Werner soll ja, wie ich von dem vorigen Sommer hier nach Italien durchreisenden Maler Raab hörte, nach Palaestina gezogen sein. Das wäre nun ganz im Styl und in der Ordnung, nur möcht ich wissen, wo er den Mut hergenommen hat sich zu den Türken und Arabern zu begeben und ob er nicht das bekannte große Goldstück in zwanzig Papieren eingewickelt auf der bloßen Brust trägt. — Chamiseau ist also bei der Stael und Varnhagen noch in Berlin? — Unser Heinrich Loest (»löst die Bande«, erinnern Sie Sich noch?) hat also ein Trauerspiel ediert, Namens: Clorinde, welches gewiß nichts anders ist, als die Oper Tancred mit Variationen, die er in Warschau machte und die ich nicht komponieren mochte weil sie schlecht war. — Sie können denken wie mich das Kätchen begeistert hat; nur drei Stücke haben auf mich einen gleichen tiefen Eindruck gemacht — das Kätchen — die Andacht z〈um〉K〈reuze〉 und Romeo und Julie — sie versetzten mich in eine Art poetischen Somnambulismus in dem ich das Wesen der Romantik in mancherlei herrlichen leuchtenden Gestaltungen deutlich wahrzunehmen und zu erkennen glaubte! — Das Kätchen ist hier nur Teilweise gut, die Andacht zum Kreuz aber durch ein glückliches Zusammentreffen günstiger Umstände beinahe vollendet gegeben worden. Die Andacht hat jedesmal wahre Andacht erweckt und das katholische von jeder Überbildung freie Publikum faßte die Erzählung Eusebios von des Kreuzes sonderbaren Wundern mit tiefem Sinne auf. — Noch einmal komme ich auf den herrlichen Kleist zurück um Sie zu bitten mir einiges über seinen heroischen Untergang zu sagen; das dumme Geschwätz in öffentlichen Blättern von Leuten, die vor einem Strahl von Kleists Genius in die erbärmliche Nußschale, die sie für einen Pallast mit sieben Türmen ansehn, sich verkrochen hätten, dieses dumme Geschwätz hat mich überaus angeekelt; und schon damals wollte ich mich an Sie mein lieber Freund! wenden um etwas Rechtes vom Rechten zu hören, doch es unterblieb wie vieles. — Der Herr von Herr ist wohl noch immer der H. v. H. — wenn Sie ihn zufällig sehn sollten, bitte ich ihn von mir nicht zu grüßen, ein gleiches tun Sie gütigst mit Eimbeck und Beelitz. —
Meine Frau ist ganz munter und hält zuweilen pohlnische Monologe um die Sprache nicht zu vergessen, jedoch hat sie neulich mit vielem Vergnügen einen ganzen Pulk pohlnische Lanzenträger, die sie ihre Landleute (nicht Landsleute) nannte, gesehn. Sehr empfiehlt sie sich Ihnen und Ihrer Frau, die ich auch um freundschaftliches Andenken herzlich bitte. Recht bald hoffe ich von Ihnen viel viel gutes und angenehmes zu hören; Ihr tätiges Wirken in der litterarischen Welt (gleichsam Ihren litterarischen Lebenslauf) habe ich mir aus den MeßKatalogen konstruiert und viel Zufriedenheit empfunden. — Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Hrn. Reimer und Freunde die sich noch meiner erinnern und behalten Sie mich lieb
Unverändert Ihr innig ergebener
Hoffmann
Bamberg Den 1 t Julius 1812.
Mein lieber teuerster Freund! Vor der Hand nur so viel, daß mir Ihr ausführlicher Brief die lebhafteste Freude gemacht und mich ganz in unsern jovialen Zirkel in W〈arschau,〉 wo denn doch manches recht gescheute Wort gesprochen wurde, versetzt hat. Uns fehlte damals nichts als etwas mehr Freiheit von Geschäften die uns eigentlich nicht behagten, diese Freiheit gab uns die plötzliche Katastrophe mit einem Ruck und daß wir uns per tot discrimina rerum beide nun wohl befinden ist ein Beweis, daß das Schicksal zwar etwas tumultarisch mit uns verfahren, uns doch aber auf die rechte Stelle gesetzt hat. — Ich arbeite jetzt recht fleißig und habe um recht mit Muße zu leben 14 Tage auf der herrlichen Altenburg, wo ein alter gotischer verfallner Turm nach meiner Angabe vorigen Sommer restauriert und dekoriert wurde, eben in diesem Turm mit meiner Frau gewohnt, bloß das anhaltend böse Wetter trieb mich wieder herab. Der Sturm, der Regen, das in Strömen herabschießende Wasser erinnerte mich beständig an den Oheim Kühleborn, den ich oft mit lauter Stimme durch mein gotisches Fenster ermahnte ruhig zu sein, und da er so unartig war nichts nach mir zu fragen habe ich mir vorgenommen ihn mit den geheimnisvollen Charakteren die man Noten nennt, fest zu bannen! — Mit andern Worten: die Undine soll mir einen herrlichen Stoff zu einer Oper geben! — Sind Sie nicht meiner Meinung? — Für die Musen schicke ich Ihnen bestimmt nächstens einen Aufsatz, der Nachrichten über unser Theater, vorzüglich aber die genaueste Rechenschaft von der so oft bezweifelten dramatischen Wirkung der Calderonschen Stücke und von den Erfordernissen bei ihrer Aufführung geben soll. Dies dürfte allerdings nicht zu spät kommen, da es nicht als Novität, daß die Calderonschen Stücke wirklich gegeben wurden, behandelt wird. — Nächstens mehr, viel mehr! Meine Frau grüßt Sie und die Ihrige, deren Andenken ich mich herzlich empfehle, auf das beste. Behalten Sie lieb
Ihren innig ergebenen
Hoffmann
Herzlichen Dank für die höchst interessanten Abendblätter — Sehr sticht hervor der Aufsatz über das MarionettenTheater — Kleists Erzählungen kenne ich wohl; sie sind seiner würdig.
A propos! Sollten Sie eine Büchersendung an Hrn. K〈unz〉 veranstalten, so bitte ich mir die Jahreszeiten beizulegen und zu sagen ob ich vielleicht an Goebhardt zahlen, oder wie ich die Zahlung besorgen soll.
Bamberg Den 15 t Julius 1812
Mein lieber teuerster Freund! Anliegend erhalten Sie nach Ihrem Wunsche einen Aufsatz über die hiesige Aufführung der Calderonschen Schauspiele, dessen ganze Tendenz dahin geht zu zeigen, unter welchen Umständen jene Schauspiele auch dann ihren großen Effekt nicht verfehlen können, wenn auch der Bühne keine große Kraft Rücksichts eminenter Schauspieler oder kostspieliger Szenerie zu Gebote steht. Vielleicht dient dies zur allgemeineren Verbreitung jener göttlichen Schauspiele und dann wäre viel gewonnen. Holbein ist jetzt in Würzburg und unser Theater wird schon wieder reorganisiert; kommt es leidlich zu Stande so bringe ich es bestimmt dahin, daß Shakespearsche noch nicht gegebene Stücke (vorzüglich seine Lustspiele) auf die Bühne kommen. Goethes Bearbeitung von Romeo und Julie kenne ich nur aus den darüber in öffentlichen Blättern mitgeteilten Nachrichten und schon nach diesen — ich muß es frei gestehen — mißfällt sie mir. Der herrliche Schluß, die Versöhnung der Familien, nachdem ihre schönsten Zweige als Opfer ihres Hasses gefallen, Lorenzos rührende Rede, fällt wie ich höre ganz weg — ich möchte wirklich das Original ganz getreu auf die Bühne bringen. — Blättern Sie einmal im 13 ten Jahrgang der Musik〈alischen〉 Zeit〈ung〉, so werden Sie auf meinen Aufsatz stoßen: Musikalische Leiden des Kapellmeisters Johannes Kreisler; so wie in dem jetzigen Jahrgang künftig: Des Kapellmeister Johannes Kreisler Gedanken über den hohen Wert der Musik; beide Aufsätze sind von mir und Sie werden, wie ich mit Recht vermuten kann, recht herzlich lachen. — Aber nun komme ich mit einer recht großen Bitte angestiegen, die mein lieber teurer Freund mir nicht abschlagen muß! — Sie wissen, daß mir das Versifizieren gar nicht geläufig ist und wie schwer würde es mir daher werden aus der Undine eine Oper zu machen. Sollte sich dann unter Ihren gemütvollen poetischen Freunden nicht einer finden der zu überreden wäre die Bearbeitung der Undine für mich zu übernehmen? — Meine Ideen würde ich schriftlich in extenso mitteilen ohne den Dichter im mindesten zu genieren, aber ich mußte nicht gar zu lange auf den Text warten dürfen; die Erfüllung meiner Bitte wäre das angenehmste Ereignis für mich. Haben Sie die Güte und Freundschaft mir recht bald darüber zu schreiben. — Ist Werners Kunegunde , von der eine Szene im deutschen Museum steht, schon gedruckt, oder erst unter der Presse und bei wem? Das wäre ein Stück für Bamberg, wo bekanntlich der fromme Heinrich mit seiner Kunegunde lebte und die PflugscharenProbe vorfiel. Noch jetzt existiert die Türe, die der Teufel einst der frommen Kaiserin vor der Nase zuschlug und die sie durch bloße Berührung mit dem Finger wieder öffnete. — Sie sehen wie ich ein Theaterspekulant geworden bin — In Gedanken komponiere ich jetzt nichts wie die Undine — der kräftige wunderbare warnende Oheim Kühleborn ist keine üble Baßpartie, so wie der alte Fischer sich bei der Exposition in einer ganz gemütlichen Romanze vernehmen läßt — Sie kennen mich wie sehr mich eine Idee ergreifen und begeistern kann!
— Adio mio carissimo amico!
Der Ihrigste
Bamberg Den 15 t August 1812.
Mein teuerster Freund! Ihr letzter Brief, Ihre Nachrichten von Fouqué und Undine haben mir eine wahrhaft kindische Freude verursacht — Zu allen meinen Freunden bin ich gelaufen mit Ihrem Briefe in der Tasche und in dem edelsten Rheinwein hat Hr. Kunz mir die Vereinigung mit Fouqué zu einem Kunstprodukt zugetrunken. — Mach‘ ich keine gescheute Komposition, so bin ich ein Esel und es soll forthin nicht mehr von mir die Rede sein unter gemütlichen Menschen und Freunden. — Wie sehr, wie gar sehr habe ich Ihnen, mein lieber teuerster Freund! für Ihre Bemühungen zu danken, ich fühle es ganz, welch‘ seltnes Glück mir dadurch beschieden, daß ein Dichter wie Fouqué für meine Noten arbeitet! — Ich schicke Ihnen den offnen Brief an ihn nebst Opernplan. Haben Sie die Güte ihm (dem p Fouqué nehmlich, nicht dem Opernplan) zu insinuieren, daß vorzüglich gedrängte Kürze bei Opernsujets nötig sei, ich habe nichts sagen mögen um nicht anmaßend zu scheinen. Seine Verse sind übrigens so musikalisch daß ich nicht die mindeste Sorge fürs komponierbare trage; hat er Bedenken Rücksichts der Einrichtung der Terzette, Quartette pp, so ist jedes Schikanedersche Opernbuch zum Orientieren am besten, weil gerade dieser homuncio das für den Komponisten vorteilhafte in der Form am besten weg hat. — Alle Bücher von denen Sie mir schreiben habe ich bereits von Kunz gehabt und gelesen. — Der Zauberring ist über alle Maßen herrlich und ergreifend. — Aus Isabella v. Egipten ist mir die Bekanntschaft des Generals Cornelius Nepos höchst schätzbar und ich habe ihn bereits bildlich dargestellt.
Nächstens mehr, heute drängt mich die Post — Viel Grüße von meiner Frau an Sie und die Ihrigen! — Allen meinen Freunden recht herzlichen Gruß Adio mio carissimo amico
Ganz der Ihrigste
Hff
Bamberg Den 4 t Oktober 1812.
Teuerster Freund! Erst vor wenigen Tagen erhielt ich Ihren letzten Brief vom 17br: nebst den höchst interessanten, erfreulichen Beilagen; man hatte auf der Post Hamburg Statt Bamberg gelesen, das fr〈anco〉: Leipzig durchstrichen und den Brief erst dorthin geschickt, bis er per varios casus an mich gelangte. Höchst unangenehm ist mir die dadurch entstandene Verspätung meiner Antwort, da dies vielleicht einen Aufenthalt der mit Fouqué unternommenen Dichtung herbeiführen kann, indessen glaube ich aus seinem herzlichen gemütvollen Briefe schließen zu können, daß er mit der ferneren Ausarbeitung nicht gesäumt haben wird. — Daß er meinem Plan entgegen mit einem Terzett anfängt, ist mir darum ganz recht, weil es so kurz und so rund gehalten ist, daß es der größeren musikalischen Masse die sich mit dem Anfangen des Unwetters bildet, keinen Abbruch tut, dagegen ist es mir, wie Sie wohl denken können, auf eine überraschende Art angenehm gewesen Fouqués Verse so ganz zur Komposition geeignet, so ganz sich in die Formen der Musik schmiegend zu finden — So wie ich das Terzett las habe ich es gesungen und gesetzt. —
Sind die Umrisse zu Fouqués Zauberring zu haben und wo?
Ich lebe jetzt mehr als jemals in litteris — Außerdem, daß ich fleißiger als je an der Musik〈alischen〉 Z〈eitung〉 arbeite und mehr Abhandlungen als Rezens〈ionen〉 liefere, hat mir die Haertelsche Handlung die schwürige Übersetzung einer neuen französischen Violinschule übertragen, die neben vielem guten, vieles widersinnige enthält! — So wie die Undine kommt werfe ich aber alles bei Seite indem es mir vorkommt, daß ein solches Werk durch keine untergeordnete NebenArbeiten profaniert werden muß — Sagen Sie doch gelegentlich dem F〈ouqué〉 daß die Knappen Rolands bereits von dem Holbein bearbeitet, von einem Wiener Komponisten gesetzt und in Wien auf die Bühne gebracht worden sind; es ist nur der Notiz wegen, denn wenn F〈ouqué〉 noch einmal jene Oper dichten will, so ist natürlich das vorhergegangene als nicht existierend anzunehmen.
Zur Vermehrung Ihrer Familie durch einen neuen Sprößling des jugendlichen Stammes mein und meiner Frau herzlichster Glückwunsch! — Grüßen Sie meine Freunde und den guten Erzdorff den ich hier in dem an genialen, herzvollen Leuten so armen Bamberg noch immer sehr vermisse; ich lege für ihn ein Briefchen vom Doktor Speyer, einem seiner vertrautesten Freunde, bei, das sie wohl gelegentlich weiter besorgen; eben so erfolgt ein Briefchen an Fouqué so wie sein Schreiben an Sie, für dessen Mitteilung ich Ihnen herzlich danke, da es F〈ouqués〉 herrliches Gemüt so sehr beurkundet. Leben Sie wohl, behalten Sie mich lieb, empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau, die die meinige um die Fortdauer Ihres Andenkens bittet
Der Ihrigste
Hoffm
Bamberg d. 30 November 1812
Mein lieber teuerster Freund! Bei meiner Zurückkunft von einer kleinen Exkursion nach Würzburg finde ich Ihren lieben Brief und die herrliche Undine; ich falle darüber her um gleich alles in succum et sanguinem aufzufassen und ganz in der mir aufgeschlossenen poetischen Welt, wo alles lieblich tönt und klingt, lebend vergesse ich Ihren dringenden Wunsch wegen augenblicklicher Nachricht über den richtigen Empfang des Manuskripts zu erfüllen. — Schelten Sie daher nicht über meine Säumnis und den späten Empfang dieses Briefes!
— Zuerst vom Geschäft! — Sie kennen mich zu gut, mein teuerster Freund! um mir nicht zu glauben, wenn ich versichere, daß ich bereit bin dem herrlichen Dichter alle nur mögliche merkantilische Vorteile für seine Dichtung zu verschaffen wie es nur in meinen Kräften steht, indessen muß er mir erlauben die Oper, wenn ich sie vollendet habe, zuerst, sollte das Honorar auch sehr kärglich ausfallen, auf die Würzburger Bühne zu bringen. Diese steht mir offen und die Aufführung ist gewiß; eben so glaube ich die günstige Aufnahme verbürgen zu können; ist dieses geschehen, so wird es leicht sein in Frankfurt, Manheim, Darmstadt pp Wien und ich denke wohl auch in Berlin die Oper auf die Bühne zu bringen und bedeutendere Honorare zu erhaschen, die ich mit dem Dichter, nachdem zuvor die Kosten der Abschrift von dem Ganzen abgezogen, gewissenhaft teilen will, wiewohl sonst in der Regel der Komponist den Operntext durch Honorierung des Dichters an sich bringt; mir scheint aber bei diesem ersten Zusammentreten die Teilung der Vorteile zweckmäßiger und besser. — So sehr ich es bedarf, so sehr ich eigentlich bloß von der Ausbeute meiner musik〈alischen〉 und liter〈arischen〉 Arbeiten lebe, so kann ich doch gewissenhaft versichern, daß bei der festen Überzeugung für die Komposition der Undine nie etwas zu erhalten, ich mit der Liebe und dem Feuer, das mir das ganz unübertrefflich herrliche Gedicht einflößt, komponieren und alles andere, sollte mir Geld und Gut dafür versprochen sein, mit wahrer Verachtung hegen lassen würde. Daß Fouqué das Ganze herrlich auffassen und bearbeiten würde, davon war ich überzeugt, daß aber die Verse, die Strucktur der Gesangstücke so ganz im innigsten Charakter für die musikalische Kompos〈ition〉 geeignet ausfallen würden, hätte ich, ehrlich gesagt, nicht geglaubt, da Fouqué selbst gestand, nicht damit recht Bescheid zu wissen. — Da haben die Leute immer gefaselt, wie schwer es sei für die Kompos〈ition〉 zu dichten, und wie selbst vorzügliche Dichter an der Oper scheiterten, und nun sehe ich recht, wie nur der wahre tiefe Genius, der alle Formen, in denen die Poesie sich ausspricht, erkennt und in sich trägt, immer gefehlt hat, wenn der Komponist das Gedicht als unkomponierbar verwerfen mußte, videatur Collin u. a. Ich finde durchaus im Texte nichts zu ändern und nur der gemeinen Bretter und des gemeinen neidischen ärgerlichen Volks wegen, was sich gewöhnlich darauf bewegt, werde ich vielleicht noch eine Arie für die Berthalda wünschen müssen. Doch hat es damit noch Zeit — noch habe ich keine Note aufgeschrieben, die Oper ist aber doch beinahe fertig. —
Ein kleiner Abriß meiner jetzigen Lebensweise, den ich Ihnen bei dieser Gelegenheit gebe, wird Sie vielleicht belustigen — Ich habe die Unart, nicht früh aufstehen zu können — ist es endlich geschehen, so geht der Vormittag beinahe mit den Lehrstunden hin, die ich einigen Damen der hiesigen höhern Welt erteile — dann zwinge ich mich zu einer mir von Breitkopf übertragenen Übersetzung einer französischen Violinschule — endlich bin ich frei und nun eile ich (7 Uhr Abends) mit der Undine in der Tasche in ein mir nahe gelegenes mit dem Theater verbundenes Kaffeehaus, wo ich in einem einsamen Winkelchen eine Pfeife Tabak rauche, Tee trinke und — komponiere. Um 9 Uhr kommen mehrere Freunde aus dem Theater oder sonst her — wir verzehren ein frugales Abendbrod und trennen uns gewöhnlich um halb 11 Uhr — nun setze ich mich an mein Klavier — die aufgeschlagene Undine vor mir und nun geht erst das rechte begeisterte Komponieren los — So kommt es denn, daß ich, bin ich ganz fertig, sehr rasch und ohne eine Note ändern zu müssen die ganze Komp〈osition〉 aufschreibe — Dem, seitdem Holbein die Direktion dem Nürnberger Direkt〈or〉 Reuter überlassen, ganz in die vorige Gemeinheit zurückgesunkenen Theater habe ich mich ganz entschlagen und meine dadurch entstandene Muße gefällt mir so wohl, daß ich mich nicht entschließen kann nach Holbeins Wunsche in Würzburg wieder das mühevolle Geschäft der Leitung des mechanischen und ästhetischen Teils der Aufführung zu übernehmen. — Ist aber die Undine fertig, so gehe ich nach Würzb〈urg〉, um alles selbst nach meiner Idee anzugeben und zu bereiten. —
Haben Sie die Güte, Fouqué zu versichern, wie ich nun, nachdem ich das Gedicht erhalten, erst recht erkenne, daß mir, wie ich schon im ersten Briefe an ihn geäußert, ein besonderer Glücksstern als Komponist aufgegangen, und daß mir ein zweiter teutscher Operntext von diesem Gehalt gänzlich unbekannt sei. Das so sinnvoll aus der Erzählung beinahe ganz beibehaltene: Morgen so hell pp glaube ich recht glücklich komponiert zu haben — sagen Sie mir ob jemand im Fouquéschen Hause musikalisch ist — singt und Guitarre oder Klavier spielt? — ist es der Fall, so schicke ich Ihnen einmal jene Romanze fürs Klavier oder Guitarre arrangiert — Ganz herrlich ist es, daß Kühleborn gar nicht spricht sondern bloß singt, und äußerst Charakteristisch und zur eigensten musikalischen Darstellung des wunderlichen die Menschen verachtenden WasserGeistes passend sind die Worte: Menschenvolk närrisches, Trügrisches herrisches Tolles Geschlecht! — Freust Dich wohl recht! —
Sie werden erfahren, teuerster Freund, daß meine Komposition mir gelingen wird, ich fühle so etwas davon im voraus, und gehe mit einem mir sonst nicht sehr eignen innern Zutrauen an das Werk —
Grüßen Sie Ihre liebe Frau herzlich, so auch die Freunde! — Meine Frau, die sich gar gut in mein einfaches Künstlerleben schickt, und eine gar wirtschaftliche fleißige Hausfrau worden, grüßt Sie und Ihre Frau sehr.
Der Ihrigste
Hoffmann.
Ich lege Ihnen einen Brief an Erzdorff von einem äußerst gemütlichen jungen Kurländer (v. Holst) mit dem ich viel lebe, bei, und frankiere den Brief nicht, weil wie ich zufällig erfahren, die frank〈ierten〉 Briefe eine Ewigkeit hier liegen bleiben. Tun Sie ein gleiches, sollten Sie aber ein doppeltes Porto wegen der Einlage haben zahlen müssen, so könnten wir es allenfalls durch Kunz zur Restit〈ution〉 bringen.
Dresden den 1 t Dezbr: 1813.
Teuerster Freund! Es ist wohl eine geraume Zeit daß mich die politischen Ereignisse und die dadurch herbeigeführte gänzliche Sperrung des Postenlaufs verhindert haben Ihnen Nachricht von der Änderung meiner Lage zu geben. — So gemütlich mir auch in mancher Hinsicht der Aufenthalt in Bamberg war, so sehr sich meine dortigen Freunde bemühten mich dort auf diese oder jene Art zu fixieren als die Holbeinsche Entreprise ein Ende nahm, so fühlte ich doch lebhaft, daß es der eigentlichen KünstlerKarriere, die ich begonnen, dort immer an dem gehörigen Schwunge fehlen würde; als daher schon am 27 Febr: d. J. ganz unerwartet mir Joseph Seconda auf Empfehlung des H〈of〉R〈ats〉 Rochlitz die MusikdirektorStelle bei seiner Gesellschaft mit einem auskömmlichen Gehalt antrug, säumte ich nicht den Antrag anzunehmen; es gelang mir später, unerachtet bis Plauen schon russische und pr〈eußische〉 Truppen standen, dennoch von den bayerschen Behörden Pässe zu erhalten und ich kam dem geschlossenen Kontrakte gemäß ohne Hindernis den 25 t April in Dresden an, traf aber weder Hrn. Seconda noch seine Gesellschaft, die der kriegerischen Ereignisse wegen in Leipzig geblieben waren. Dagegen war es mir höchst erfreulich meinen alten Schul und akademischen Freund den Staatsrat v. Hippel so wie den St〈aats〉R〈at〉 Staegemann meinen Landsmann so wie Bartholdy und andere Berl〈iner〉 Freunde zu finden mit denen ich bis zum 5 t Mai manche frohe Stunde verlebte. Dann aber kam der unglückliche 8 t Mai an dem die verhaßten Fr〈anzosen〉 wieder Dresden besetzten und wo es so wie auch noch am 9 t Mai Kugeln hinüber und herüber regnete. Seconda gab es endlich auf nach D〈resden〉 zu kommen und beschied mich nach Leipzig, und ich reiste mit meiner Frau am 20 t Mai in der frohsten Stimmung nach Leipzig mit der Postkutsche ab nicht ahndend daß das schrecklichste Ereignis meines Lebens mir drohte. Auf der ersten Station nur zweihundert Schritte vor Meißen, als Postillion und Schirrmeister abgestiegen waren und hinter dem Wagen hergingen, wurde ein wildes junges Pferd das vorne angespannt scheu, lenkte nach dem Graben und riß den mit Geldtonnen, KaufmannsGütern und 12 Passagieren schwer beladenen Wagen herum, daß er mit der größten Gewalt umstürzte. Ich wurde über meine Frau weggeschleudert und mit einer leichten Quetschung davongekommen hatte ich Besinnung und Kraft meine Frau aus den Kisten und Kasten herauszureißen — aber welch ein Anblick! sie war leblos und das Blut strömte aus dem Kopfe, so daß man nichts vom Gesicht sah — ich trug sie fort auf einen Rasen und hatte noch Geistesgegenwart genug ein Fläschchen Eau de Cologne, das glücklicher Weise sich in dem Körbchen das ihr noch am Arme hing ganz befand, in mein Tuch zu gießen und das Gesicht zu reinigen — der Kopf ist zerschmettert, mußt ich denken, aber zu meiner Freude sah ich gleich, daß es nur eine wiewohl äußerst bedeutende Stirnwunde von 2 bis 2½ Zoll Länge war, meine arme Frau erholte sich aus der Ohnmacht, und ich konnte sie bis zu einem ganz nahe vor der Stadt gelegenen Hause bringen, wo wir äußerst gutmütige Leute fanden, die uns mit etwas Wein erquickten; endlich kam die bestellte PorteChaise aus Meißen und meine Frau wurde unter dem Zulauf des Volks in den Gasthof gebracht, wo ein recht geschickter Chirurgus gleich den ersten Verband unternahm. Mit uns in der Diligence saß der Appellat〈ionsgerichts〉Rat Graf Fritsche aus Dr〈esden〉 mit seiner jungen liebenswürdigen Frau (höchstens 23 Jahr), die er erst vor wenigen Monaten geheiratet; sie wollten nur bis Meißen und dann auf ihr Gut Siebeneichen fahren — diese wurde tot auf die erbärmlichste Weise zugerichtet unter dem Wagen hervorgezogen. Erst den zweiten Tag erklärten Arzt und Chirurg meine Frau außer LebensGefahr, indem keine edle Teile verletzt, und erlaubten am 4 t Tage die behutsame Weiterreise, so daß wir endlich in Leipzig ankamen und der geschickte Dr. Etzmann meine Frau herstellte, die nur mit einer tüchtigen Narbe davongekommen, wiewohl ihr noch jede Veränderung des Wetters die unangenehmsten Empfindungen am Kopfe verursacht. In Leipzig fehlte es gar nicht an widrigen Ereignissen die der böse Krieg verursachte, und die Entrepr〈ise〉 des Seconda fing an zu schwanken, er bekam indessen die Erlaubnis auf dem hiesigen Hoftheater zu spielen und wir trafen den 25 Jun: wieder in Dresden ein. Von dieser Zeit an bin ich nun hier und verwalte mein Amt als Musikdirektor. Selbst in der trübsten Zeit wurde das Th〈eater〉 ziemlich besucht und Sec〈ondas〉 Entrepr〈ise〉 ist aufs neue gesichert.
Hier habe ich nun alles erlebt, was man in der nächsten Nähe des Krieges erleben kann — ich habe Scharmützel — eine bedeutende Schlacht (am 26 Aug:) deutlich angesehen, habe das Schlachtfeld besucht, kurz, meine Erfahrungen sind in dieser Art nur zu sehr bereichert worden — Hungers-Not und eine Art Pest (die zum Teil noch herrscht und nur noch vorige Woche 280 Personen bürgerl〈ichen〉 St〈andes〉 weggerafft hat) mußte ich auch ausstehen, aber unerachtet aller in der Tat entsetzlichen Ereignisse, von denen Sie wahrscheinlich schon durch die öffentlichen Blätter unterrichtet sein werden, habe ich nie den Mut verloren, ja als die Kanonen rings um Dresden donnerten, so daß die Erde bebte und die Fenster zitterten, ist mir ein besonderes vorahndendes Gefühl gekommen, daß der so lange ersehnte Augenblick der wieder erlangten Freiheit nicht mehr fern sein könne! — Schon am 11 t Oktober hatte ich die Freude mit eignen Augen ziemlich nahe (ich konnte es nicht lassen hinaus zu laufen und mich auf einen Hügel zu stellen) zu sehen, wie die Franz〈osen〉 aus ihrem verschanzten Lager dicht vor den äußern Schanzen von D〈resden〉 herausgetrieben wurden, ihre Baracken anzündeten, und mit einer Schnelligkeit davon liefen, die ich der Nation immer zutraute. Ein gleiches Schauspiel erfreute mich am 13 8br — 16 8br und später am 6 t Novbr., wo ich mittelst eines sehr guten Glases vom Turm der Kreuzkirche sah, wie der Hr. Graf von der Lobau, der sich mit 12 bis 15 000 Mann nach Torgau durchschlagen wollte, von den Boksdorfer Höhen herabgetrieben und bis unter die Kanonen von Dresden getrieben wurde. — Die Anstalten waren übrigens seit dem 4 Novbr. von der Art, daß man hätte glauben sollen, die Fr〈anzosen〉 würden jede Straße verteidigen und sich bis auf den letzten Mann wehren. Denn nachdem sie die äußern Schanzen verlassen müssen, sperrten sie die Schläge und Tore und verschanzten die Hauptstraßen der Vorstädte hauptsächlich mittelst mit Sand gefüllter Kisten und Tonnen. — Um so drückender war uns Einwohnern das alles, weil wir trotz aller Vorsicht der fr〈anzösischen〉 Behörden von den glorreichen herrlichen Siegen bei Leipzig und Erfurt sehr gut unterrichtet waren. Schon am 10 t erfuhren wir den Abschluß der Kapitulat〈ion〉 und mein Gefühl war wirklich unbeschreiblich, als ich die stolzen übermütigen Franzosen schmachvoll ohne Waffen abziehen sah! — Wie die Spitzbuben das herrliche Dresden auf wirklich sinnreiche Weise verwüstet und ruiniert haben, davon haben Sie keine Idee — beinahe alle Lustörter (der große Garten, der Mosczynskische Garten, das Feldschlößchen u. s. w.) sind bis auf den Grund verwüstet und zwar meistens ohne Not — die herrlichen Alleen meistens umgehauen u. s. w. — Jetzt, teurer Freund, atmet man wieder frei, und ich denke, die bessere Zeit liegt uns ganz nahe! — Nächst der Komposition und meinem Treiben in der Musik, bewege ich mich auch fleißig in litteris , das heißt: es ist so ein Stück Autor aus mir geworden; es ist nehmlich zum Anfange ein kleines Werk von mir sub titulo : Fantasiestücke in Callot’s Manier, wozu Jean Paul Fr〈iedrich〉 Richter eine Vorrede geschrieben, von Kunz verlegt worden; bekommen Sie es zur Hand, so bin ich auf Ihr Urteil begierig. Nächst manchen schon in der M〈usikalischen〉 Z〈eitung〉 abgedruckten enthält es zwei Aufsätze die vielleicht Ihr Interesse erwecken werden, nehmlich: Nachrichten von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza und der Magnetiseur. Bis zur Ostermesse sollen noch zwei Bändchen erscheinen. — Undine ist vollendet und ich warte nur den günstigen Augenblick ab sie würdig auf die Bühne zu bringen; ich tue mir auf die Musik etwas zu Gute und glaube vorzüglich in der Undine selbst und dem prächtigen Kühleborn den Sinn des herrlichen Dichters getroffen zu haben. Mein lieber Freund eine recht herzliche Bitte, nehmlich: Antworten Sie mir so bald als möglich, und schreiben Sie mir umständlich, was Fouqué macht und wo er sich jetzt befindet, auch wenn Sie es erfahren können, wo sich jetzt der Staatsrat von Hippel, der im Bureau des Hardenberg arbeitete, aufhält; nächstdem erbitte ich m〈ir rech〉t sehr die Novitäten von Berlin, so weit sie mich interessieren. — Der bekannte Schriftsteller Schulz (Fr. Laun), ein sehr gemütlicher Mann, mit dem ich sehr viel lebte, liegt auch am Nervenfieber darnieder — er hatte eben ein dramatisches Märchen in Gozzis Manier vollendet, das ich im Manuskript zu lesen erhalten sollte, darüber ist er aber erkrankt. — Ist denn Werner noch in Rom? —
Wir gehen in Kurzem nach Leipzig, adressieren Sie gefälligst den Brief dahin mit dem Zusatze: zu erfragen in der Breitkopf und Haertelschen Handl 〈 ung 〉.
Grüßen Sie Ihre liebe Frau, der sich so wie Ihnen die
meinige sehr empfiehlt, recht herzlich von mir. Ewig unverändert
Der Ihrigste
Hff:
Kommen Sie nicht vielleicht zur NeujahrsMesse nach Leipzig, da die MichaelisMesse nicht gehalten worden? Ei das wäre herrlich!
Leipzig den 8 t Junius 1814.
Teuerster Freund! Es hat mir in der Tat recht leid getan daß meine Hoffnung Sie nach so langer Trennung in der vergangenen Messe wieder zu sehen unerfüllt blieb. — Warum Sie nicht kamen, kann ich mir wohl jetzt erklären; Sie wurden gewiß schon zu der Zeit von dem empfindlichen tief ins Leben greifenden Verlust bedroht, den Sie, wie mir Adolph Wagner sagte, leider jetzt erlitten. Sein Sie überzeugt, Freund!, daß ich sowohl als meine Frau Ihren gerechten Schmerz tief mitfühlen —
Vor Ablauf des Winters bin ich an einer Brustentzündung und gichtischen Anfällen, den Folgen einer enormen Erkältung im Theater, hart erkrankt, so daß es beinahe um mich geschehen gewesen wäre, Dies, so wie ein unangenehmer Vorfall, der mich über meine subordinierte Verhältnisse ganz aufklärte, gab die Veranlassung mich von Seconda zu trennen und seit der Zeit sehe ich auch nun wieder einem besseren Schicksal entgegen, das aber wohl nicht ausbleiben wird; wenigstens habe ich nie mehr gehofft als eben jetzt. — Während der Krankheit entwarf ich allerlei lustige Zeichnungen, die in gewisser Art mich gegen den Schmerz, den ich zu erdulden hatte, im Gleichgewicht erhielten und noch überdem, da sie sämtlich in Baumgaertner den Verleger fanden, mich aus der Verlegenheit zogen. Nächst dem ging mir zu der selben Zeit ein Roman besonderer Art auf, dessen ersten Teil ich unlängst ins Reine gebracht, mit dem es bei der Indolenz der hiesigen Buchhändler, so bald es Verlagsartikel gilt, mir aber bis jetzt hier so gegangen ist wie mit Fouqués Galgenmännlein indem er mir immer wieder in die Tasche kam. — Rechnen Sie es, teurer Freund, nur dem unbegränzten Zutrauen, das ich in Ihre wie ich weiß unwandelbare Freundschaft setze, wenn ich Ihnen das Manuskript mit der Bitte beilege: ob Sie, bei Ihrer Verbindung mit so vielen Buchhändlern in B〈erlin,〉 mir nicht für das Werkchen einen Verleger verschaffen könnten? — Über das Werk selbst mag ich nichts sagen, nur Rücksichts des Verlags: 1) Ich bin mit jedem Honorar zufrieden 2) Der zweite Teil kann erforderlichen Falls in 5 Wochen nachgeliefert werden, da er nur aus dem Konzept ins Reine zu bringen ist.
Sein Sie nicht böse, teurer Freund, daß ich Sie mit dieser Angelegenheit behellige. Sie können wohl denken, daß bis auf bessere Zeiten mich die litteraria durchhelfen müssen, und das würde freilich schwer gehen, wenn ich nicht jetzt an drei Zeitschriften mitarbeitete, nehmlich an der Mus〈ikalischen〉 Zeit〈ung〉, der Zeit〈ung〉 für die Eleg〈ante〉 W〈elt〉 und am Morgenblatt. Zum letztern hat mich Cotta bei seinem Hiersein artiger Weise aufgefordert und ich glaube, daß ich das den Fantas〈ie-〉St〈ücken〉 in Callotts Manier verdanke, von denen die beiden letzten besseren Bändchen schon im Manuskript an Hrn. Kunz versendet sind und zu Michaelis im Druck erscheinen. — Die Komposition des herrlichen Operngedichts Undine habe ich längst vollendet und ich glaube, daß mir das Werk besonders gelungen. Wegen der Aufführung habe ich noch nicht einen einzigen Schritt getan und das mit gutem Vorbedacht. — Hätte die Holbeinsche Entreprise in B〈amberg〉 noch einige Zeit fortgedauert, so würde die Oper dort ganz im Sinn des Dichters und des Komp〈onisten〉 auf die Bühne gekommen sein. Bei dem ganz plebejen Seconda und der mit jedem Tage sinkenden Truppe, die nun im Linkschen Bade in Dresd〈en〉 spielt und Pantomimen gibt zB. Napoleons Stolz und Sturz! ( sic !) war das unmöglich, denn außer dem Direktor, dem alles ästhetischer Unsinn (nach seinem wörtl〈ichen〉 Ausdruck) schien was über die gewöhnliche Opernschmiererei hinausging, wußte auch keiner der übrig gebliebenen das Ding nur auf irgend eine Weise zu ergreifen. — Sagen Sie mir nun, teurer Freund! ob und wie es vielleicht möglich sein sollte die Oper in Berlin auf die Bühne zu bringen, oder ob es geraten sein dürfte noch einige Zeit damit zu warten? — Sollte eine Aussicht vorhanden sein die Oper wirklich auf die Bühne zu bringen, so würde ich Ihnen eine saubere Abschrift der Partitur und des Gedichts senden. Ich denke mir die Wirkung der aufgest: musikalischen Massen sehr ergreifend. Es ist doch ein gar herrliches Gedicht des prächtigen Fouqué und ich wüßte in der Tat kein einziges Operngedicht, das ich der Undine an die Seite setzen könnte. Wagner’n hat die Oper noch mehr wie die Erzählung angesprochen. —
Nochmals, liebster teuerster Freund! Verzeihung, daß ich Sie in Ihren gewiß verstrickten Geschäften mit meinen Angelegenheiten belästige, aber Sie sind auch der Einzige, bei dem ich so etwas wohl getrost wagen kann. Erfreuen Sie mich baldigst nur mit ein paar Zeilen, die mir sagen, wie Sie meinen Wunsch aufgenommen und was Sie dafür tun können.
Meine Frau grüßt herzlich. — Grüßen Sie doch den lieben Fouqué der mich so oft erfreut — Leben Sie wohl
Der Ihrigste
Hoffmann.
(Sollten die Elixiere zum Druck kommen, so würde ich noch einige Worte vorsetzen.)
Leipzig den 2 t Septbr: 1814.
Teuerster Freund! Herzlichen Dank für Ihr liebes Brieflein das ich so eben durch Hrn. Fleischer mit der gemessenen Weisung erhalte sogleich zu antworten! — Es trifft mich gerade bei einer verdrießlichen Arbeit, die durchaus geendigt werden muß — nehmlich bei ein〈er〉 Rezens〈ion;〉 daher entschuldigen Sie meine Kürze! —
Der Staatsrat (jetzt Präsident) Hippel wollte mich durchaus beim Ministerio des Innern anstellen, weil der Dienst leicht gewesen und mei〈ner〉 Neigung entsprochen hätte, das ist, wie er es sich gar nicht dachte, fehlgeschlagen, jetzt habe ich Hoffnung durch des Geh: Rat Diederichs Vermittlung im Bureau des Großkanzlers angestellt zu werden und habe mich auf Hippels Veranlassung an den JustizMinist〈er〉 so wie an Diederichs schriftlich gewendet aber noch keine Antwort erhalten. — Sprechen Sie vielleicht Diederichs so können Sie vielleicht schon jetzt mehr über mein Schicksal erfahren als ich selbst weiß. —
Ihr Entschluß ist mir schon durch Wollank, der mich leider erst wenige Stunden vor seiner Abreise auf einige Minuten besuchte, bekannt geworden! — Wie wird uns die liebe Justiz munden? — Ich denke noch immer, das ist nicht mein letztes und Goethes Wahlspruch: Was man in der Jugend gewünscht hat man im Alter vollauf! leuchtet mir vor — Nach einer besondern Meinung, die ich weiß nicht wie sich im Innern erzeugt, und die zuweilen mein innerer Poet ordentlich in allerlei besonde〈rn〉 Tönen und Melodien Kantatenmäßig absingt (zuweil〈en〉 mit Trompeten und Pauken wie auch Posaunen) soll all mein Lebensglück so wie auch mein rechter Verstand erst nach meinem vierzigsten Jahre anheben! —
Wie freut es mich, daß Fouqué u. s. w. was auf die Fantasiestücke halten! — Den Roman hat er wohl noch nicht gelesen? — Da ich ihn in besondere〈r〉 Stimmung und mitunter auch unter physischen Leiden geschrieben, bin ich selbst darüber ganz zweifelhaft ob er was taugt oder nicht! — Freilich sollte sich die eigentliche Tendenz erst im 2 t T〈eil〉 entwickeln. —
Könnte ich nur erst nach B〈erlin;〉 mir will es hier gar nicht mehr gefallen, und mei〈ne〉 Subsistenz wird mir sauer genug — unerachtet ich hier noch nie im mindesten Mangel gelitten —
Mei〈ne〉 musik〈alischen〉 Kreuz und QuerZüge, mein TheaterLeben soll uns noch oft Stoff zur lustige〈n〉 Unterhaltung geben. Mei〈ne〉 Frau grüßt sehr — Tausend herzliche Grüße an die Freunde —
Der Ihrigste
Hff
Hören Sie was bestimmtes von Diederichs üb〈er〉 mein Schicksal so bitte ich herzlich nur um ein Paar Worte darüber Te〈uer〉st〈er〉 Freu〈n〉d!
1821/22
〈8. Januar 1821.〉
Gestern Abend war Koreff bei mir und hatte die Güte mir auf mein Bitten noch ganz spät den Astrolog zu schicken, den ich nächstens lesen werde, da ich ihn in diesem Augenblick — verschlinge! Ein ganz treffliches — treffliches Buch, in der größten Einfachheit reges lebendiges Leben und kräftige Wahrheit! — Aber! — fern von mir liegt dieser Geist und ich würde sehr übel tun eine Ruhe erkünsteln zu wollen, die mir wenigstens zur Zeit noch durchaus gar nicht gegeben ist. Was ich jetzt bin und sein kann wird pro primo der Kater dann aber wills Gott auf andere Weise noch der Jacobus Schnellpfeffer der vielleicht erst Ostern 1822 erscheinen dürfte, zeigen. —
Schon wieder ein sehr sonderbares Anliegen! — Ich möchte gern orientiert sein was für Stellungen die preußische Armee nach dem zweiten Frieden 1815 bezogen und das glaub‘ ich ersieht man am besten aus den Zeitungen, die das K〈ammer〉G〈ericht〉 in Bänden sammelt. Könnten Sie, teuerster Freund! sich wohl in meinem Namen die Jahrgänge 1815 – 16 geben lassen und mir gütigst durch den Aktenmann senden?
Mein wirklich vorige Nacht und heute Morgen sehr übler Zustand hat sich merklich gebessert aus Gründen die Sie leicht erraten. Der letzte — Gang brachte in der Tat einige Freudigkeit mit sich und lieferte m〈it〉 Resp〈ekt〉 z〈u〉 m〈elden〉 namhafte Piecen, mithin ein ordentliches Werk da
sonst nur pièces fugitives — Taschenbuch-JournalZeug vorgekommen!
Vale faveque
Hff
d. 8. Jan: 1821.
〈30. November 1821.〉
In der Nacht vom 29 t bis zum 30 t Novbr. d〈es〉 J〈ahres〉 entschlief nach kurzem aber schweren Leiden, zu einem bessern Dasein mein geliebter Zögling der Kater Murr im vierten Jahr seines hoffnungsvollen Alters, welches ich teilnehmenden Gönnern und Freunden ganz ergebenst anzuzeigen nicht ermangle. Wer den verewigten Jüngling kannte, wird meinen tiefen Schmerz gerecht finden und ihn — durch Schweigen ehren.
Berlin d. 30 Novbr 1821.
Hoffmann
〈8. Januar 1822.〉
Anbei, teuerster Freund! das Rheinische Taschenbuch mit der Bitte, um baldige Rückgabe weil ich es der Johanna E〈unike〉 verehren will. — Ich kenne Ihr Leiden und weiß die Standhaftigkeit und Frömmigkeit zu würdigen mit der Sie es tragen! — Kein Wort weiter, denn alles ist damit gesagt! —
Erhalten Sie Ihre Freundschaft
Ihrem innigst ergebenen
Hoffmann
B. D. 8 Jan: 1822.
〈18. Januar 1822.〉.
Mein geliebtester Freund! Gespriesen sei die ewige Macht die endlich die namenlose Erdenqual des frömmsten Kindes geendet hat! — Mit tiefer Rührung habe ich den mir mitgeteilten Aufsatz gelesen und über den unglücklichen Organismus des armen Kindes, an dem alle menschliche Wissenschaft scheitern und der einen
frühen Tod herbeiführen mußte, manchen Aufschluß erhalten.
Seltsam — jetzt kann ich es wohl sagen — seltsam ist es wohl, daß es mir mit dem Kinde immer etwas eignes schien, und daß ich in manchem Augenblick, wenn sie in ernstes Sinnen versunken schien, in ihrem Antlitz (vorzüglich in den, dann starr werdenden Pupillen) — den frühen Tod deutlich las. — Sie wissen, daß von des Kindes früherer Kränklichkeit, vorzüglich von dem schwachen Zustande nach der Geburt, nicht das mindeste mir bekannt war. — Sie war für ein höheres Leben bestimmt und dem ist sie zugeeilt! —
Wie herzlich freue ich mich darauf, Sie, mein teuerster Freund 〈zu sprechen〉! — Sie finden mich diese Tage hindurch stets zu Hause, da ich an rheumatischen Zufällen leide und das Zimmer hüten muß.
Meine Frau, meine Gefühle teilend, grüßt Sie und die Ihrigen herzlich
B.
d. 18 Januar 1822.
Ihr treuster
Hoffmann
〈30. Januar 1822.〉
Mit der schmerzlichsten Sehnsucht habe ich gestern auf Sie, teuerster Freund gewartet! — Mehr als jemals bedarf ich Ihres gütigen Rates in Ansehung der vermaledeiten FlohGeschichte, die mich in die größte Unruhe und dabei noch auf andere Weise in Verlegenheit setzt.
Kommen Sie doch heute, wenn es Ihnen nur irgend möglich ist, Sie tun mir den größten FreundschaftsDienst!
Ihr innigst ergebenster
Hff
30 Jan: 1822.
〈1. März 1822.〉
Ich habe gestern den völligen Schluß des Märchens diktiert, und korrigiere denselben heute Vormittag nach dem Bade. B. will bis Morgen Mittag die ganze Reinschrift des M〈a〉n〈u〉skr〈i〉pts schaffen so daß dieselbe noch Morgen Abends mit der reitenden Post nach Frankfurth geschickt werden könnte.
Aber nun ist mir HimmelAngst, daß man dem Schluß doch vielleicht die Schwäche des kranken Autors anmerken möchte, und geratener wär es in diesem Fall denn doch das Ganze liegen zu lassen; dann übersteigt aber auch die genaue Durchsicht des Mundi durchaus meine Kräfte. Sie bester Freund sind der einzige, zu dem ich meine Zuflucht nehmen kann. Schenken Sie mir morgen Nachmittags ein Stündchen Ihrer freilich kostbaren Zeit um die Reinschrift in jener doppelten Hinsicht durchzusehen. — Verlassen Sie mich diesmal nicht in arger Schwulität —
Noch immer bin ich matt und elend. — Noch einmal, verlassen Sie mich nicht
D. 1 März 1822
Hff
〈2. März 1822.〉
B. wird leider heute nicht fertig sondern erst Montag früh, welches mir nicht geringen Kummer und Verdruß macht; ich bin überhaupt mit ihm nicht sonderlich zufrieden gewesen. — Zum Durchsehen des M〈a〉n〈u〉skr〈i〉pt〈s〉 werden Sie aber auch das Brouillon brauchen, das B. Ihnen geben muß. Ich schicke Ihnen das was er mir davon zurückgegeben hat.
Ganz vorzüglich ist mir daran gelegen, daß Sie , liebster Freund mit der DienstagsPost das Mnskrpt an W〈ilmans〉 senden; Gütigst kommen Sie also wohl Montags oder Dienstags zu mir um das nötige zu verabreden! —
Gestern früh hatt‘ ich drei Ohnmachten hinter〈ein〉ander. Nicht 5 Minuten kann ich außer dem Bett sein
Vale faveque
Hff
〈4. März 1822.〉
Anbei, teuerster Freund! die Reinschrift nebst Brouillons zur gütigen genauen Beurteilung und Durchsicht in doppelter Hinsicht. Sehr lieb würde es mir sein, wenn ich die Brouillons Morgen früh zurück erhalten könnte, da dieselbe〈n〉 durch v. H〈ippel〉, gleichsam unter der Hand dem v〈on〉 Kampz mitgeteilt werden sollen um jeden noch möglichen Aufenthalt in F〈rankfurt〉 zu vermeiden —
Morgen Nachmittags schenken Sie mir wohl ein Stündchen — Es übersteigt durchaus meine Kräfte an W〈ilmans〉 zu schreiben, da ich ihm doch so manches sagen muß, also
nehme ich zu Ihnen, mein teuerster Freund! meine Zuflucht
— So wie ich aus dem Bette komme, werd‘ ich ohnmächtig!
— Ich erwarte Sie Morgen mit der gespanntesten Sehnsucht
Vale faveque
D 4 März 22
Hoffmnn 〈Nachschrift am oberen Rande:〉 Schon bei flüchtiger Ansicht der Reinschrift finde ich garstige Fehler! — O Jemine!
〈Wahrscheinlich 7. März 1822.〉
Schon wieder angenehme Nachrichten aus F〈rankfurt〉 nehmlich etwas Geld und ich darf den guten D〈ümmler〉 nicht belästigen. Aber mein bester teuerster Freund! Wenn Sie Sich nur heute vor Abgang der Post nach F〈rankfurt〉 ein Paar Minuten abmüßigen und zu mir kommen könnten; ich habe höchst drängend mit Ihnen zu reden. Kommen Sie ja, wenns nur irgend möglich ist
Hffmnn
〈zwischen Mitte Februar und Mitte April 1822.〉
Ich habe bis 7 Uhr fest geschlafen, der Doktor M〈eyer〉 ist bei mir gewesen und hat sich der wohltätigen Crisis erfreut — ich darf nicht zur Ader lassen — Doch bin ich noch gar matt und elend — doch das gibt sich —
Vale faveque
Hff
〈14. April 1822.〉
Teuerster Freund! Hier ist des Vetters Eckfenster zur geneigten versprochenen Durchsicht. Ich lege auch das Konzept bei. Die letzten Seiten der Reinschrift habe ich noch gar nicht durchgesehen, weil mich alle Ungeduld zum Meister Wacht treibt, an dem ich scharf arbeite — Sie werden wohl noch viele Fehler finden die jedoch leicht zu verbessern sind.
Adios
Bester
Besuchen Sie mich bald!
Hoffmnn
D. 14 Ap 1822
〈Vermutlich April 1822.〉
Ich habe eine sehr unruhige aber schmerzlose Nacht gehabt und mich mit meinem jungen Spirit 〈 us 〉 fam 〈 iliaris 〉 der die Güte hatte bei mir zu wachen, meistenteils lustig unterhalten. Den Tag habe ich meistens verschlafen ohne jedoch erquickt zu werden; der Geschwulst von meinen Füßen fällt, aber noch keine Spur von Bewegung welches abscheulich ist!
Adios
Hff