Die Irrungen / Die Geheimnisse
Diese Fortsetzungsgeschichte mit dem Untertitel „Fragment aus dem Leben eines Fantasten“ veröffentlichte Hoffmann in den Berlinischen Taschen-Kalendern auf das Jahr 1821 sowie 1822, in denen schon ein Jahr zuvor „Die Brautwahl“ erschienen war.
Schauplatz ist das Berlin des Jahres 1820 und wiederum bietet Hoffmann ein präzises Arsenal von realen Personen und Örtlichkeiten auf, die seinen Lesern ja Vertrautes suggerierte, um die eigentliche Handlung fantastischer erscheinen zu lassen. Lebende Zeitgenossen Hoffmanns wie die Illustrator Wolf, der Friseur Warnicke, der Arzt Dr. Meyer, der Kunsthändler Weiß bieten dem Leser ein ihm bekanntes Lokalkolorit.
Satirisch aufgespießt wird die aktuelle Mode des Philhellenismus und der Graecomanie, die Begeisterung für den griechischen Freiheitskampf gegen die osmanische Unterdrückung, ein gesamteuropäisches Phänomen, das auch den snobistischen Baron von S. befallen hat. Im März 1821 kam es zum Aufstand der Griechen gegen die türkischen Besatzer, was Hoffmanns Fortsetzung der „Irrungen“ eine überraschende Aktualität verlieh.
Mit einer im Tiergarten verlorenen Brieftasche und einem Briefzettel beginnen die Irrungen und Geheimnisse um eine angebliche griechische Prinzessin, aus deren Blickwinkel die Berliner Innenstadt verfremdet erscheint.
Hoffmann selbst tritt in den „Geheimnissen“ als sein eigener Doppelgänger auf und forciert die fantastische Handlung vor einem realen Hintergrund.
Wie schon in der „Brautwahl“ karikiert Hoffmann in „Die Geheimnisse“ wiederum Berliner Juden, hier stellvertretend die Familie des Bankiers Nathanael Simson. Die antijüdische Aktion des Baron S. entstammt einer Anekdote, derzufolge Ludwig Devrient einen reichen Juden verspottete.
Obwohl Hoffmann Juden wie auch Nichtjuden der Satire preisgibt, zeigen die von ihm benutzten antijüdischen Klischees doch auch, das er sich dem zunehmend judenfeindlichen Zeitgeist nicht zu entziehen vermochte.
Jörg Petzel hat nach langjähriger Arbeit als Buchhändler und Antiquar Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaften in Bamberg studiert. Er ist Vize-Präsident der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft und Mitherausgeber sämtlicher Werke E.T.A. Hoffmanns im Deutschen Klassiker Verlag; Arbeiten zu E.T.A. Hoffmann, Friedrich de la Motte-Fouqué, Arno Schmidt und Franz Fühmann.
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