Inhalt der Lehreinheit:

In dieser Lehreinheit sollen die Schülerinnen und Schüler einen Einblick in die Illustrationsgeschichte von Hoffmanns Werken anhand des Klein Zaches  erhalten und damit auch seine Rezeptionsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert kennen lernen. Exemplarisch ausgewählt wurden (Buch-)Illustrationen v.a. aus Deutschland und Frankreich.

Ziel ist es, den Schülern durch die eigenständige Bildinterpretation ein Gefühl für den Text und die Zeichnung zu vermitteln und die Vielfältigkeit der Interpretationsmöglichkeiten aufzuzeigen.

 

Geeignet für Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe

 

Voraussetzung: sichere Textkenntnis

 

Grundlage dieser Ausarbeitung ist die Arbeit von Elke Riemer: E.T.A. Hoffmann und seine Illustratoren. Hildesheim 1976. (Zitiert als Riemer)

 

Vorschlag für einen Ablauf:

  • Die Einführung durch den Lehrer (Einführung zur Illustrationsgeschichte)
  • Fragestellung an die Schüler: Welche Stelle oder welchen Charakter des Werks würdest du zeichnen? alle Schüler nach der Reihe fragen, im Anschluss gemeinsam ordnen, Schwerpunkte finden)
  • Einzelne Illustrationen werden anhand der Leitfragen von Kleingruppen bearbeitet. Die Schülerinnen und Schüler ordnen diese den Szenen (falls möglich) zu und beschreiben das Dargestellte. Besonderer Augenmerk wird darauf gelegt, ob der Illustrator der Intension des Dichters gerecht wird (und im Zweifelsfall warum nicht)
  • Vorstellung der Bilder durch die Kleingruppen vor der Klasse. Einordnung in die Rezeptionsgeschichte durch den Lehrer (anhand der Einführungstexte).
  • Nennung eines Bildes mit Begründung durch die Schülerinnen und Schüler, das ihnen am besten zusagt, bzw. am meisten beeindruckt hat.

 

Folgende Leitfragen können beim Betrachten helfen:

 

  • Ordne die Illustration der entsprechenden Szene der Erzählung zu (nicht immer ist das möglich)!
  • Ist es eine wörtliche Darstellung des Textes oder eine freie Interpretation? Woran machst du das fest?
  • Aus welcher Zeit könnte das Bild stammen / in welchem Stil ist es gezeichnet?
  • Was sieht man auf dem Bild / wie ist der Bildaufbau?
  • Was war dem Künstler wichtig? Was steht im Blickpunkt Betrachters?
  • Was hast du zuerst beobachtet?
  • Gibt es ein Detail, das besonders interessant ist?
  • Was hast du nicht erwartet?
  • Wie wirkt das Bild auf dich?

1. Einführung zur Illustrationsgeschichte:

E.T.A. Hoffmann hatte schon von Beginn an eine starke Wirkung auf seine Leser (sowohl positive als auch negative). Dies hat Buchillustratoren angeregt, sich mit dem Werk und seiner Person auseinanderzusetzen und seine Werke zu illustrieren.  Insgesamt gehört Hoffmann zu den meist illustrierten Autoren der Weltliteratur, neben seinen Werken ist auch die Person Hoffmann selbst sehr häufig Gegenstand von bildlichen Darstellungen.

 

Fragestellung für die Schüler:  Wie kommt es, dass Hoffmanns Werke für die Illustratoren, Maler, Graphiker so interessant waren und immer noch sind?

(für die Gesamtgruppe)

 

  • Hoffmann hat selbst gezeichnet und er hat auch seine Werke selbst illustriert.

Vor dem Autor Hoffmann stand der Künstler / Maler Hoffmann. Allerdings reichte sein bildkünstlerisches Talent  nicht zu einem professionellen Maler, daher war die Kunst zeit seines Lebens „nur“ eine – ihm aber sehr wichtige – Liebhaberei. Hoffmann malte wo er auch immer war und auf dem, was sich gerade fand, z.B. Im Restaurants auf Speisekarten, Briefbögen,  im Gericht auf Aktendeckel etc. Es gibt eine Reihe von Zeichnungen, die „nebenbei“ entstanden sind. (Bild!). Er schuf unter anderem Karikaturen, Porträts, Bühnenbilder etc.

  1. Zudem hat Hoffmann als Romantiker häufig märchenhafte Themen benutzt, die sich ebenfalls zum Illustrieren anbieten – wie das Kunstmärchen Klein Zaches.
  2. Zur Veranschaulichung seiner Gedanke und seiner schriftstellerischen Pläne bediente er sich des Zeichenstiftes, oft rundete sich eine Gestalt oder Szene vor der Niederschrift zum Bild. (Beispiel Sandmann-Bild – Die Federzeichnung zum Sandmann von 1815 schuf Hoffmann in nur wenigen Minuten. Er zeichnete sie, um dem Herausgeber des Sandmanns die noch nicht geschriebene Erzählung zu verdeutlichen. Also entstand erst die Zeichnung und dann erst geschriebene Text – trotzdem hat man das Gefühl, das die Zeichnung den Text illustriert, Hoffmann muss also, als er das Bild malte, den Text schon sehr genau und lebendig im Kopf gehabt haben. (Was auch wieder für seine eigene Bildhaftigkeit spricht)
  3. Er hat als Schriftsteller eine sehr bildhafte Sprache, die sich gut in gemalte Bilder umsetzen lässt. Die Szenen und Beschreibungen sind sehr bildhaft. (Beispiel)
  4. Es gibt eine gemeinsame Wurzel des zeichnerischen und schriftstellerischen Talents Hoffmanns. Hoffmann beobachtete sehr genau und konnte diese Beobachtungen sowohl im Bild als auch im Wort festhalten.

 

1. Illustration

Hoffmanns Umschlag Klein Zaches

Titel:

Künstler: E.T.A. Hoffmann

Entstanden: 1818

Illustrationsart: ??? Sepiamanier?

Motiv 1: Bild Fee Rosabelverde mit Klein Zaches

Motiv 2: Prosper Alpanus auf einer Libelle reitend

 

Hoffmann zeichnete zeit seines Lebens gerne und viel. In den letzten Jahren entwarf Hoffmann auch Buchumschläge zu seinen Werken. Er versuchte, in symbolischer Form die Inhalte des Werkes im Ganzen zu erfassen.

Hoffmann war der erste Illustrator seiner Werke.

Die vordere Umschlagszeichnung zu Klein Zaches zeigt die Fee Rosabelverde beim Kämmen ihres Schützlings Klein Zaches. Die elfenhaft schöne Fee kämmt den häßlichen, mit einem Ministerrock bekleideten, Zaches in ihrem Schoß.. Die beiden bilden einen starken Kontrast. Hoffmann schrieb zu der Zeichnung am 24.1.1819 an den Grafen Pückler-Muskau:

 

„Ich überreiche Ihnen, Hochverehrter Herr Graf dies Fantasiestück, den kleinen Zinnober, und empfehle den humoristischen Wechselbalg Ihrer Protektion… Zinobers Porträt auf dem Deckel ist sehr ähnlich, denn da sonst niemand den Kleinen zu Gesichte bekommen konnte als ich selbst, so verfertigte ich auch selbst die Zeichnung.“ Quelle???

 

Die Deckzeichnung fasst symbolisch den Inhalt des Werkes als Ganzes zusammen: die märchenhafte und zugleich satirische Idee, dass ein animalisches Monstrum kraft einer Feengabe eine Gesellschaft verblendet, die nur an den Verstand glaubt und keine Wunder erlaubt. Zaches eignet die Talente anderer Menschen an und erhält schließlich sogar noch den Ministerrock. So ist er im Ministergewand in dem Augenblick wiedergegeben, da ihm die Feengabe verliehen wird. Auf der hinteren Umschlagszeichnung sieht man Doktor Prosper Alpanus, „der wohltätige Magus“ der Geschichte, auf einer Libelle reitend.

(Vergl. Riemer: S. 4)

 

 

Einführung zu 2. Illustration: Hoffmann des 19. Jhd. im deutschsprachigen Raum

 

Zu seinen Lebzeiten war Hoffmann bei seiner Leserschaft ein äußert bekannter Dichter. Seine 1814 erschienenen Fantasiestücke machten ihn über Nacht berühmt und er blieb bis zu seinem Tode ein Publikumsliebling, der für seine Erzählungen mühelos Verleger fand. In zeitgenössischen Zeitschriften sind sehr positive Kritiken zu lesen. Hoffmann wurde als Unterhaltungsschriftsteller gesehen und geschätzt.

 

Allerdings gab es auch – vor allem von den Dichtern seiner Zeit  – zahlreiche negative Einschätzungen. So äußerten sich Goethe, aber auch  Grimm, Tieck und Eichendorf abschätzig über E.T.A. Hoffmann.

Ein sehr negatives Urteil fällte auch der Literaturwissenschaftler Gottfried Gervinus (es stammte aus etwas späterer Zeit (1842) fasst die Meinung auch der zeitgenössischen Kritiker sehr gut zusammen):

Hoffmann führe „ein grundsätzlich lüderliches Leben, seine excitirten Nerven, die ihn mit Todesgedanken quälten und ihm Gespenster und Doppelgänger zeigten, reizte er mit Wein und Nacharbeiten, unachtsam, dass ihm ein mäßiges Leben für Geist und Körper das zuträglichste war. So ward sein Leben und Ende eine schauderhafte Warnungstafel, wie seine Schriften, die nach den Worten einer englischen von Göthe empfohlenen Beurteilung, fieberhafte Träume eines kranken Gehirnes bringe.“ Hier sieht man auch eine starke Vermischung von Hoffmanns Person und seinem Werk, das über lange Zeit Bestand haben sollte.

 

Nach Hoffmanns Tod 1822 verblasste der Ruhm des Dichters, die kritischen Stimmen setzten sich immer mehr durch. Er geriet in Vergessenheit oder wurde bloß noch als  „Gespenster-Hoffmann“ gesehen, der triviale Schauerromane verfasst hatte.

Mit der Einbuße an Popularität wurden Hoffmanns Werke weniger gedruckt. Mit dem Desinteresse ging einher, dass auch wenig illustriert wurde. Die Illustrationen von deutschsprachigen Ausgaben im 19. Jahrhundert, die es gibt, sind allzu brav und ahnungslos im Verhältnis zu der Abgründigkeit seiner Texte. Einzige erwähnenswerte Illustrationen sind die biedermeierlichen Illustrationen von  Theodor Hosemann (1807-1875).

2. Illustration

Künstler: Theodor Hosemann

Entstanden: 1844

Illustrationsart: Federzeichnungen

Motiv: Wie dem Studenten Fabian ein Paar Reitstiefel um den Kopf flogen (2. Kapitel)

 

Auszug Textstelle: „Näher und näher kam das Pferd, da war es, als wenn von beiden Seiten ein Paar Reitstiefel in der Luft auf und nieder baumelten und auf dem Sattel etwas Schwarzes sich rege und bewege. Dicht vor Fabian erschallte ein langes gellendes Prrr – Prrr – und in demselben Augenblick flogen ihm auch ein Paar Reitstiefel um den Kopf, und ein kleines seltsames schwarzes Ding kugelte hin, ihm zwischen die Beine.“

 

Die Illustrationen erschienen in der ersten deutschen Gesamtausgabe der Werke Hoffmanns, die 1844/45 im Verlag Reimer in Berlin, Hoffmanns letzter Wirkungsstätte, verlegt wurden.

Hosemanns Zeichnungen wurden in vielen, auch späteren Ausgabe übernommen. Er war ein früher Illustrator, der zwar auch den Stil seiner Zeit verhaftet war, der aber dennoch Hoffmanns Intensionen in seinen Bildern wiedergegeben hat.

 

Theodor Hosemann, dessen Zeichnung zu Klein Zaches, die einzige Illustration zu diesem Werk aus dem 19. Jahrhundert aus Deutschland ist, wählte eine sprechende Textstelle aus:  Balthasar und Fabian stoppen das Pferd von Klein Zaches, da sie denken, dass das Pferd durchgegangen sei und den Reiter abgeworfen habe.

Wie in Hoffmanns Text beschrieben sieht man vor allem die großen Reitstiefel von Klein Zaches Hosemann stellt den vollen Galopp des „durchgehenden Pferdes“, die stoppenden Hände von Fabian hat Hosemann ebenfalls überzeugend dargestellt. Hosemann versteht es, das Komische an der Szene gut darzustellen. Hosemann „beschreibt“ die Begebenheit sehr anschaulich, er fügte nichts hinzu, er lässt aber auch nichts weg.

 

Einführung 3. Illustration: Hoffmann der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich

Je mehr die Wirkung in Deutschland nach Hoffmanns Tod nachließ, desto mehr wuchs das Interesse an Hoffmann im Ausland, vor allem in Frankreich. 1926 erschien hier die erste Übersetzung. Hoffmann zählte schon bald zu den bedeutendsten deutschen Dichtern. Bereits 1830 (15 Jahre früher als in Deutschland) erschien eine erste Gesamtausgabe, weitere folgten in kurzen Abständen.

In Frankreich hatte seit dem 18 Jahrhundert die Buchkunst einen hohen Stellenwert – kaum ein Buch kaum ohne Zeichnungen aus. So erschienen auch Hoffmanns frühe Übersetzungen ins Französische mit Vignetten. somit  waren fast alle französischen Illustrationen des 19. Jahrhunderts waren Verlagsaufträge.

 

3. Illustration

Hoffmann des 19. Jhd. in Frankreich

 

Künstler: Camille Rogier

Entstanden: 1836

Illustrationsart: braunfarbener Kupferstich mit blauschwarzen, filigranen Rahmen

Motiv: Fee Rosabelverde kämmt Klein Zaches die Haare (Beginn 1. Kapitel)

 

Auszug Textstelle: … Das böse Alräunchen sträubte und spreizte sich, knurrte und wollte das Fräulein in den Finger beißen, die sprach aber: »Ruhig, ruhig,[9] kleiner Maikäfer!« und strich leise und linde mit der flachen Hand ihm über den Kopf von der Stirn herüber bis in den Nacken. Allmählich glättete sich während des Streichelns das struppige Haar des Kleinen aus, bis es gescheitelt, an der Stirne fest anliegend, in hübschen weichen Locken hinabwallte auf die hohen Schultern und den Kürbisrücken. Der Kleine war immer ruhiger geworden und endlich fest eingeschlafen….

 

Camille Rogier hatte den Auftrag erhalten, 16 Vignetten zu den Contes fantastiques (Paris 1836) zu schaffen. Die romantischen Vignetten standen jeweils am Beginn einer Erzählung. Die Bände selbst waren aus Halbleder, die Buchrücken vergoldet. Es gibt keine weiteren Illustrationen, die den Text unterbrechen. Der braunfarbene Kuperstich steht in der Mitte, eingerahmt von ornamentalen, blauschwarzen, filigranen Zeichnungen, die dekorativ sind aber keinen engeren Textbezug haben und alle Kupferstichen dieser Ausgabe einrahmen .

Rogier zeichnet Abschluss der Eingangsszene, in der die Fee Rosabelverde Klein Zaches die Haare kämmt, Klein Zaches Haare gekämmt sind (allerdings nicht wie im Text beschrieben schwarz in „hübschen weichen Locken“) sind und er immer ruhiger wird.

Die Darstellung ist sehr der Illustrationskunst des 18. Jahrhunderts verhaftet.

Die Darstellung der sitzenden Fee Rosabelverde mit Kind im Arm und der schlafenden Mutter in der weiten Landschaft im Hintergrund wirkt sehr harmonisch aus, es ist keine Mimik dargestellt, die Kleidung des Weiblein ist nicht zerlumpt, Zaches Beschreibung nur teilweise um gesetzt. Die Szene erinnert insgesamt an eine Madonnendarstellung. Die dargestellten Personen zeigen wenig Mimik. Die Szene ist recht stilisiert, das Phantastische, feenhafte dieser Szene klammert Camille Rogier aus. Zaches wirkt vor allem wegen des Größenverhältnisses Kopf zu Körper auffallend, ansonsten bleibt die Umsetzung seiner Beschreibung eher allgemein.

 

 

 

….

Einführung 4. Illustration: Hoffmann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich

 

Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts ließ auch in Frankreich die euphorische Begeisterung etwas nach. Ab den 50er Jahren wuchs aber das Verlangen, nach spannend geschriebener Unterhaltungsliteratur. Hoffmanns Werke wurden Fortsetzungsromanen mit zahlreichen Illustratonen zu einem günstigen Preis angeboten.

Wichtig Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ 1881. Mischung aus Biographie und Hoffmans Werken. Ein Phänomen, dass vom 19. Jhd. Bis Mitte / Ende des 20. Jhd. Für die Hoffmann Rezeption insgesamt typisch ist. Zeigt, dass Hoffmann in Frankreich immer noch eine gewisse Rolle spielte.

 

Eine Reihe von Illustrationen, die nicht sehr tiefgründig sind und eher allgemein illustrieren.

In diesem Fall (da es aus dem 19. Jhd. Kaum Illustrationen zum Sandmann gibt), eine Französische Illustration.

 

Hier ist eine sehr allgemeine, beliebigere, austauschbarere

 

 

 

Unterschied: reine Illustration des Textes ohne Interpretation

Und im Gegensatz dazu: eigene Bewertung, starke Auseinandersetzung mit dem Text und dem Autor, eigener Eindruck wird betont und im Bild festgehalten.

 

In Frankreich hingegen finden sich – parallel zu der anhaltenden Bewunderung der Werke Hoffmanns – von den dreißiger Jahren an das ganze 19. Jahrhundert hindurch kongeniale Illustratoren (Johannot, Delacroix, Gigoux, Bertall, Gavarni, David, Foulquier, Lalauze).

 

In Frankreich gab es bereits 4 Gesamtausgaben in franz. Sprache (1829, 1836, 1840) (die erste deutsche war erst 1845).