Hans Georg Nägeli
〈9. August 1803.〉
Mein Herr Als ich im Freymüthigen die das Repertoire des Clavecinistes betreffende Anzeige las, bestimmte mich die humane, die echte Vorliebe für die Kunst verratende Art, womit Sie die noch unbekannte Komponisten auffordern an dem Werke Teil zu nehmen, sogleich Ihnen meine Beiträge anzubieten. Mein musikalischer Wirkungskreis waren bis jetzt einige Klöster, für die ich Messen und Vespern setzte welche mit Beifall aufgenommen wurden. Das Klavier ist mein Hauptinstrument, die Kompositionen dafür blieben so lange in meinem Pulte weil ich mir selbst ein strenger Kritiker bin, und weil Verleger von gewöhnlichem Schlage mit Leuten ohne ausgebreiteten Ruf nichts zu tun haben mögen — der Wert der Arbeit tut nichts zur Sache nur der Name entscheidet — Die Fantasie, welche ich Ihnen anbei übersende erfüllt
die in der oben erwähnten Anzeige aufgestellten Bedingnisse. Es ist ein von der gewöhnlichen SonatenGattung abweichendes nach den Regeln des doppelten Kontrapunktes gearbeitetes Klavierstück von größerm Umfange.
Sollten Sie einigen Gefallen an meiner Komposition finden, welches mich, da Sie gewiß Selbst Kenner und vorzüglicher Tonkünstler sind, innigst freuen würde, so bin ich erbötig noch mehr Beiträge zu liefern, indessen ist der Arbeiter des Lohnes wert und da Sie den Komponisten ein angemessenes Honorar versprochen haben, so überlasse ich es Ihrer Diskretion wie Sie die Fantasie im Fall der Annahme vergütigen und welche Norm Sie in Ansehung des Honorars für künftige Arbeiten bestimmen wollen.
Ich bitte auf das inständigste um baldige Antwort, welche ich so wie das Honorar für die Fantasie unter der äußern Adresse
An den KammerGerichtsReferendarius Doerffer
in
Berlin
Leipz. Str. No 66
nach Berlin zu senden bitte. Ich empfehle mich Ihrem Wohlwollen und habe die Ehre zu sein pp
Warschau
Den 9 August 1803.
Giuseppo Dori
〈4. März 1804.〉
Unerachtet Ew. WohlGeboren durch die übersandte Fantasie gegen meine Komposition eingenommen sein müssen, wage ich es dennoch Sie noch einmal mit einer Sonate zu behelligen. Es sei dies ein Beweis, daß mich gerechter Tadel nicht kränkt und daß ich Ew. WohlGeb. als einen Kenner schätze der meiner Arbeit Gerechtigkeit widerfahren lassen wird wenn sie es verdient. — Würdigen Sie mitkommende Sonate des Einrückens ins Repertoire , so bitte ich inständigst mir davon baldigst Nachricht zu geben so wie ob ich künftig mehr schicken darf. Ew. WohlGeb. Beifall soll mich aufmuntern mit angestrengtem Fleiß zu arbeiten und dem hohen Ziel welches mir vorschwebt näher zu kommen.
Die äußere Adresse bitte ich
an den R. pp
zu richten.
Mit der ausgezeichnet pp
D. 4 März 1804
Bamberg den 20 t Mai 1809
Durch die widrigsten Verhältnisse bin ich abgehalten worden Ew. WohlGeb. gütiges Schreiben früher als jetzt zu beantworten, und in dem Augenblick als ich nur etwas freier atme, eile ich mit der Entschuldigung meines langen Stillschweigens eine Verbindung, die mir in jeder Hinsicht wert ist, aufs neue anzuknüpfen. —
Aufrichtig gestanden hat mich das verwerfende Urteil der übersendeten Sonate um so mehr geschmerzt, als ich gerade in dem gerügten Fehler wegen des Wiederkehrens des ersten Thema in der verwandten DurTonart ein mir vorschwebendes Ideal der höchsten Einfachheit zu erreichen gestrebt hatte. Gern will ich indessen zugestehen, daß ich dadurch auf einen Abweg geriet; die Schroffheit und Unspielbarkeit setze ich aber auf Rechnung des Umstandes daß mir bis jetzt ein Instrument gefehlt hat und ich alles ganz auswendig schreiben mußte. — Wie sehr es mir am Herzen liegt von Ew. WohlGe〈boren〉 tiefer Kenntnis der Setzkunst zu profitieren und in der Kunst vorzuschreiten, davon sei Ihnen die dringende Bitte ein Beweis, ein der Handlung übersendetes Miserere gütigst durchzusehen und mir Ihr Urteil darüber mitzuteilen. Es ist ein Werk, das ich diesen Winter auf Bestellung etwas rasch setzen mußte, und es scheint mir ganz dazu geeignet zu sein durch Ew. WohlGeb. Urteil ein Normalwerk für mich zu werden, was für Fehler ich noch bei der kontrapunktischen Behandlung einfacher Sätze zu vermeiden habe. — Könnten und wollten Ew. WohlG. sich dafür interessieren, daß meine erste Sonate aus dem B moll auf irgend eine Weise ins Publikum käme, so würden Sie mich sehr verbinden. — Mit Rücksendung des Miserere bitte ich recht sehr um ProbeExempl〈are〉 der Teutonia, indem ich mich für den hiesigen Debut dieser gewiß schönen Gesänge auf das eifrigste interessieren will. — Auf das angelegentlichste empfehle ich mich in Ihr ferneres gütiges Wohlwollen.
Ew. WohlGeboren
ergebenster
Hoffmann
Bamberg den 23 August 1809
Wahrscheinlich haben Ew. WohlGeboren die Musikalien welche ich am 27 Mai Ihnen sendete richtig erhalten, und nur in überhäuften Geschäften suche ich die Ursache der verzögerten gütigen Antwort. — So wie ich schon im letzten Briefe erwähnte habe ich mich an die Ausarbeitung von KlavierTrios gemacht und übersende Ew. WohlGeboren in der Anlage das erst fertig gewordene mit der gehorsamsten Bitte es wenn es zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen ist in Verlag zu nehmen. Es ist von ziemlichen Umfange und sehr ausgearbeitet weshalb es wohl den Namen Grand Trio , den ich auf den Titel zu setzen wagte, verdienen möchte; ohne übertriebene Schwierigkeiten hat es doch Passagen in denen sich der Klavierspieler zeigen kann, und in dieser Hinsicht, sollt‘ ich meinen, würde es den Erfordernissen die Sie mir bei der Komposition solcher Stücke aufgestellt haben entsprechen —
— Noch immer habe ich zu meinem großen Ärger auch nicht die mindesten Nachrichten aus Würzburg unerachtet ich in dem hiesigen Professor Klein vormals in Würzburg angestellt einen speziellen Freund des Herrn p Kuhn gefunden habe der sich eifrigst für mich verwendet hat; Ew. WohlGeboren bitte ich recht sehr mir die weitern Maßregeln die ich nun ergreifen soll gütigst vorzuschreiben. —
Der leidige Krieg hat aufs neue alle meine Aussichten und Hoffnungen zerstört und meine Lage ist so drückend daß wirklich eine gewisse Seelenstärke dazu gehört ihr nicht zu erliegen; ein großer Trost für mich liegt indessen darin, daß Ew. WohlGeb. mich denn doch wohl in die musikalische Welt einführen und so in artistischer und lukrativer Hinsicht mich aus diesem vegetierenden Leben erlösen werden.
Hrn. Naegeli bitte ich gütigst die Einlage zu behändigen
Auf das angelegentlichste empfehle ich mich Ew. Wohl-Geb. gütigem Wohlwollen und bitte recht dringend um eine baldige gütige Antwort indem die Verbindung mit Ew. Wohl-Geb. noch das einzige ist, welches mich in meinen trüben Tagen einigermaßen aufheitert.
Ihr ergebenster
Hoffmann.
N.S. Sollten Ew. WohlGeb. das Trio zum Verlage geeignet finden so überlasse ich die Bestimmung des Honorars ganz Ihrer Generosität.
Da ich nicht weiß ob Sie die letztgesendeten Canzonetten zu verlegen die Güte haben werden konnte ich auch nicht die No des jetzig〈en〉 Werks bestimmen welches ich im Fall des Verlags nachzuholen bitte. Sollten b # oder n ausgelassen sein so wird sie der sachkundige Korrektor gewiß nachholen, indem ich eilen muß um die heutige Post nicht zu versäumen.
Bamberg, den 23 ten August 1809.
Herrn Hans Georg Naegeli, in Zürich. Mit der äußersten Sehnsucht habe ich von Tage zu Tage einer gütigen Antwort von Ew. Wohlgeboren auf mein letztes Schreiben, das ich schon am 27 ten Mai absendete, entgegengesehen, allein vergebens, woran wahrscheinlich überhäufte Geschäfte Schuld sind; indem ich nicht glauben will, daß Brief und Paket etwa verloren gegangen sein könnten. Erlauben Sie mir daher, daß ich auf’s Neue Sie an einen Künstler erinnere, der auf Ihr gütiges Wohlwollen einen großen Teil seiner Hoffnungen stützt. — Ich sende der Handlung ein KlavierTrio mit dem dringenden Wunsche es verlegt zu sehen, weil es mir gut und effektvoll scheint, jedoch bin ich in Wahrheit ängstlich doch wieder den aufgestellten Erfordernissen nicht vollkommen genügt zu haben, unerachtet ich es mir angelegen sein ließ, gesangvoll und fließend zu schreiben, welches mir nach meiner indi〈vi〉duellen Überzeugung geglückt zu sein scheint, wiewohl eine mir nun einmal eigne Manier — die Ew. Wohlgeboren auch gewiß nicht entfernen wollen, indem doch ein Jeder sich selbst aussprechen muß — wieder nicht verleugnet ist.
Verfahren Ew. Wohlgeboren nicht zu strenge mit mir, und finden Sie das Trio verlagswürdig, so werde ich jetzt zum ersten Mal nicht in einer Hoffnung, die auf die Verbesserung meiner drückenden Lage einen so mächtigen Einfluß hat, nicht getäuscht werden. — So wenig ich komponiere um Geld zu gewinnen — indem nur die Kunst und die Vervollkommnung in ihr mein höchstes Bestreben ist — so darf ich doch nicht das lukrative aus dem Auge setzen, indem es hart ist, durch den Drang der Umstände mit Frau und Kind in eine Lage gesetzt zu sein, in der alle rastlose Tätigkeit kaum die dringendsten Bedürfnisse des Lebens erringen kann. —
Verzeihen Ew. Wohlgeboren dem unbegrenzten Zutrauen, welches von der Art wie Sie mich seit dem ersten Augenblick unserer Verbindung behandelt haben erzeugt worden ist, meine Offenheit — Es ist Niemand hier, dem ich das sagen würde, was ich Ihnen schrieb.
Recht sehr begierig bin ich auf Ew. Wohlgeboren Beurteilung meines …, die mir lehrreich und nützlich für künftige Werke dieser Art sein wird. Um eine baldige Antwort, die mir die Fortdauer Ihres Wohlwollens und Freundschaft zusichert, bitte ich auf das Dringendste.
Ew. Wohlgeboren ergebenster
- T. A. Hoffmann.
Bamberg, den 31 ten Oktober 1809.
Herrn Hans Georg Naegeli in Zürich. Ew. Wohlgeboren gütiges Urteil über mein Miserere hat mich gar sehr erfreut, und wenn ich um schleunige Rücksendung desselben inständig bitte, so werden mich die in dem Briefe an die Verlagshandlung enthaltenen Gründe wohl entschuldigen.
Meine hiesige Lage hat eine günstige Wendung genommen, und die Dankbarkeit, welche ich einigen hiesigen Verehrern der Kunst schuldig bin, hält mich hier in Bamberg fest, mit dem innigsten Danke erkenne ich Ihre gütigen Bemühungen für mein Unterkommen, und ist mir vielleicht in der Folge möglich, Ihnen persönlich Beweise der unbegrenzten Hochachtung die ich für Sie hege zu geben. Wollen Ew. Wohlgeboren die Gefälligkeit haben, mir die Hefte der Teutonia beizulegen, so werden Sie mich unendlich verbinden. Mein einziger Wunsch ist, in eine Lage zu kommen wo mir Muße zu Teil würde dem Studium des Kontrapunkts mehr nachzuhängen woran es mir jetzt fehlt, da ich mein Brod durch Unterricht … muß, und auch der beste Verleger mit einem obskuren Komponisten nichts zu tun haben mag; meine einzige Hoffnung ist, vielleicht mit einem größern Werke dem Publikum bekannt zu werden und so in die musikalische Welt einzutreten.
E. T. A. Hoffmann
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