Cyprian Kamil Norwid
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „E.T.A. Hoffmann und Europa“, das das Team E.T.A. Hoffmann Portal im Sommersemester 2019 am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin angeboten hat. Insgesamt 16 Studierende hatten sich in diesem Seminar einerseits mit Autoren aus dem europäischen Ausland beschäftigt, die E.T.A. Hoffmanns Werk beeinflusst haben, und andererseits mit Zeitgenossen und späteren Autoren, die sich von E.T.A. Hoffmann inspirieren ließen. Die besten Arbeiten, die zum Teil von den Studierenden selbst webgerecht aufbereitet wurden, konnten im Portal veröffentlicht werden.
Kalina Hauser wurde 1997 in Berlin geboren. Sie studiert seit 2016 Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Italienisch an der Freien Universität Berlin. (→ Forscherinnenprofil)
Biografie
- *1821 in Laskowo-Głuchy nahe Warschau
- Studierte in Warschau Malerei
- Dichter, Maler, Bildhauer
- Lebte für den Großteil seines Lebens im Ausland: Deutschland, Italien, USA, Frankreich
- Lebte in Armut und bekam zu Lebzeiten nur wenig Anerkennung für seine Kunst
- † 1883 in Paris
Romantiker der zweiten Generation
Ein Großteil der Werke Norwids wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und veröffentlicht, vor allem durch die Initiative des Dichters Zenon Przesmycki. Eine vollständige Sammlung seiner Texte wurde erst 1968 durch Juliusz Wiktor Gomulicki veröffentlicht.
Heute gilt Norwid als einer der wichtigsten polnischen Dichter der Romantik. Er wird in der Forschung oft als Romantiker der zweiten Generation bezeichnet, denn er hatte zum Ziel, eine ausgereiftere, weiterentwickelte Form der Romantik zu vertreten.
Bezüge zu Hoffmann in Norwids Werken
exzentrisch-phantastische Poesie
Parallelen im Stil
Die Forschungsliteratur bietet wenige Erkenntnisse über konkrete Bezüge zu E.T.A. Hoffmanns Werken in Norwids Texten. Laut Rolf Fieguth ließe sich nicht belegen, dass Norwid die Werke von E.T.A. Hoffmann kannte; aufgrund von Hoffmanns schon damals hohem Bekanntheitsgrad sei dies aber sehr wahrscheinlich. Allgemein sei Norwids Werk im Hinblick auf mögliche deutsche Inspirationen bisher nicht hinreichend erforscht worden, denn Norwids Begeisterung für deutsche Kultur, Literatur und Sprache ist weniger bekannt, als sein Interesse für die Antike, „das Italien der Neuzeit, Frankreich, England oder Amerika“ [1].
Dennoch fielen in der Vergangenheit Parallelen zwischen Cyprian Norwid und E.T.A. Hoffmann auf: So verglich beispielsweise Norwids Freund Antoni Zaleski in Briefen an seinen Schriftstellerfreund J. I. Kraszewski die exzentrisch-phantastische Poesie Norwids mit Hoffmanns Texten [2].
Auch Jan Pawel Kaczkowski, ein Übersetzer und Literaturkritiker, der unter dem Pseudonym Jean Paul d’Arderschah veröffentlichte, erkannte im Stil Norwids Parallelen zu Hoffmann: Im Vorwort zu einem Gedichtband mit Norwids Werken, den Kaczkowski selbst herausbrachte, schreibt er, dass beide Dichter realistische und symbolische Elemente miteinander verbinden und so eine neue Kunstform entwickeln [3].
Laut Danuta Zamojska-Hutchins habe Norwid sogar selbst festgestellt, dass seine Arbeit Gemeinsamkeiten mit der von E.T.A. Hoffmann hat [4]. Zamojska-Hutchins‘ Behauptung steht im Widerspruch zu Fieguths oben genannter Feststellung, der zufolge schriftliche Beweise für eine Bekanntschaft Norwids mit Hoffmanns Texten fehlen.
Biografische Gemeinsamkeiten
Noch offensichtlicher als die Parallelen zwischen dem Werk der beiden Schriftsteller sind die Ähnlichkeiten, die ihre Biographien aufweisen.
Sowohl Hoffmann als auch Norwid gingen neben der Schriftstellerei auch den bildenden Künsten nach: Norwid studierte in Warschau Malerei und war zu Lebzeiten mehr als Bildhauer und Zeichner bekannt, als als Dichter. Auch Hoffmann betätigte sich sein Leben lang als Zeichner.
Norwid und Hoffmann teilten sich außerdem so manche Beschwernis. Anerkennung für ihre Texte bekamen sie nicht sofort. Ihr schriftstellerischer Verdienst wurde zunächst bestritten oder blieb sogar gänzlich unbemerkt.
Schließlich fanden beide Schriftsteller aufgrund von schwerer Krankheit einen verfrühten Tod.
Anmerkungen
[1] Fieguth, Rolf: Norwid und die deutsche Kultur. In: Grözinger, Elvira/Lawatny, Andreas: Suche die Meinung: Karl Dedecius dem Übersetzer und Mittler, zum 65. Geburtstag. Wiesbaden: Harrassowitz, 1986. S. 182-183.
[2] Vgl. zum Beispiel Antoni Zaleski an J. I. Kraszwski, 23.12.1858. In: Mieczysław Inglot (Hrsg.): Norwid: z dziejów recepcji twórczości. Warschau: Państwowe Wydawnictwo Naukowe, 1983. S. 108-109.
[3] Vgl. D’Arderschah, Jean Paul: Geniusz polifoniczny. In: C. Norwid, eine Auswahl aus seinen Werken. Übersetzt und eingeleitet von Jean Paul D’Arderschah. Minden: J. C. C. Bruns, 1907. S. 3-7.
[4] Zamojska-Hutchins, Danuta: Form and Substance in Cyprian Norwid’s Poetry. In: The Polish Review, Vol. 28, No. 4 (1983). S. 33.