Geeignet für
Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse
In dieser Lehreinheit nähern sich die Schülerinnen und Schüler dem Themenkomplex Automatenmenschen. Dazu analysieren und interpretieren sie die Eigenschaften, die den Figuren Clara und Olimpia in der Erzählung zugewiesen werden.
Anhand von Bildern zeigt die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern anschließend einige berühmte Beispiele von künstlichen Menschen in Mythos, Geschichte und Gegenwart und vermittelt damit, wie stark der Themenkomplex in der Geschichte verankert ist und welche Vorstellungen und Wünsche damit verbunden sind. Davon ausgehend untersuchen die Schülerinnen und Schüler Chancen und Gefahren, die von künstlichen Menschen ausgehen.
Über ausgewählte Textstellen aus Hoffmanns Erzählung „Die Automate“ lernt die Klasse weitere Automaten kennen, die zur Zeit des Autors bekannt waren, und untersucht in einer Gruppenarbeit, welche Wirkung sie auf die Menschen hatten. In einem Brief beschreiben sie einem Freund einen der Automaten und schildern ihre Einstellung zu Technik und zukünftigen Entwicklungen.
Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern einen Themenkomplex zu vermitteln, der weit über Hoffmanns Werke hinausgeht und von der Antike bis in die Gegenwart die Menschen bewegt. Sie lernen gesellschafts- und wirtschaftspolitische Fragen aus Hoffmanns Zeit kennen (Beginn der Industrialisierung) und berühren philosophische Gedankengänge.
Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse
Sichere Textkenntnis
Lesen Sie zu den Funktionen des Automatenmotivs auch den Beitrag „Automaten“ von Arno Meteling im Themenbereich „Charakteristisches“
ca. 90 Minuten
Im Sandmann werden zwei Frauengestalten einander gegenübergestellt – ein Mensch (Clara) und eine Maschine (Olimpia). Diese Figuren wollen wir uns näher ansehen.
Partnerarbeit 10 Minuten
Präsentation 10 Minuten
Aufgabe 1: Weisen Sie die vorgegebenen Textstellen der richtigen Figur zu.
Aufgabe 2: Welche Eigenschaften werden jeweils deutlich? Was ist ungewöhnlich?
Zitat/ Textstelle | Clara | Olimpia | |
1 | „Der Blick ihres himmlischen Auges sagt mehr als jede Sprache hienieden.“ | ||
2 | „In dies kalte Gemüt dringt kein Strahl des Geheimnisvollen, […] sie erschaut nur die bunte Oberfläche der Welt“ | ||
3 | „In der Tat, man sollte gar nicht glauben, daß der Geist, der aus solch hellen holdlächelnden Kindesaugen oft wie ein lieblicher süßer Traum hervorleuchtet, so gar verständig, so magistermäßig distinguieren könne.“ | ||
4 | „Aber auch noch nie hatte er eine solche herrliche Zuhörerin gehabt.“ | ||
5 | „Doch lobten die Architekten die reinen Verhältnisse ihres Wuchses, die Maler fanden Nacken, Schultern und Brust beinahe zu keuch geformt, verliebten sich dagegen sämtlich in das wunderbare Magdalenenhaar“ | ||
6 | „O du herrliche, himmlische Frau! – Du Strahl aus dem verheißenden Jenseits der Liebe – du tiefes Gemüt, in dem sich mein ganzes Sein spiegelt“ | ||
7 | „Was See – was Spiegel! – Können wir denn das Mädchen anschauen, ohne daß uns aus ihrem Blick wunderbare himmlische Gesänge und Klänge entgegenstrahlen, die in unser Innerstes dringen, daß da alles wach und rege wird?“ | ||
8 | „In Schritt und Stellung hatte sie etwas Abgemessenes und Steifes, das manchem unangenehm auffiel; man schrieb es dem Zwange zu, den ihr die Gesellschaft auflegte.“ | ||
9 | „Euch mag es nicht recht sein, daß sie nicht in platter Konversation faselt wie die andern flachen Gemüter. Sie spricht wenig Worte, das ist wahr; aber diese wenigen Worte erscheinen als echte Hieroglyphe der innern Welt voll Liebe und hoher Erkenntnis des geistigen Lebens in der Anschauung des ewigen Jenseits.“ | ||
10 | „[…] wurde deshalb von vielen kalt, gefühllos, prosaisch gescholten; aber andere, die das Leben in klarer Tiefe aufgefaßt, liebten ungemein das gemütvolle, verständige, kindliche Mädchen“ | ||
11 | „Du lebloser, verdammter Automat!“ | ||
12 | „[…] stundenlang sah sie mit starrem Blick unverwandt dem Geliebten ins Auge, ohne sich zu rücken und zu bewegen, und immer glühender, immer lebendiger wurde dieser Blick.“ | ||
13 | „Holzpüppchen, dreh dich“ |
Quelle
Hoffmann, E. T. A.: Der Sandmann, in: Ders.: Der Zauberspiegel : ausgewählte Erzählungen, Droemersche Verlagsanstalt, München 1952, S. 85-117. Zugriff unter: https://etahoffmann.staatsbibliothek-berlin.de/digitale-sammlung/digi-details/7/?ppn=PPN1033568732 oder https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN1033568732&PHYSID=PHYS_0001&DMDID
Text mit markierten Zitaten
Lösungen
Zitat | Clara | Olimpia | Seite in Quelle |
1 | x | S. 108 | |
2 | x | S. 90 | |
3 | x | S. 92 | |
4 | x | S. 107 | |
5 | x | S. 95 | |
6 | x | S. 105 | |
7 | x | S. 95 | |
8 | x | S. 103 | |
9 | x | S. 107 | |
10 | x | S. 95 | |
11 | x | S. 99 | |
12 | x | S. 107 | |
13 | x | x | S. 109, S. 112 |
Bereits lange vor E.T.A. Hoffmann machten sich die Menschen Gedanken über Automatenmenschen. Seit der Antike gibt es berühmte Beispiele für künstliche Menschen in Legenden und in der Literatur. Die Bilder zeigen einige Beispiele.
Die Lehrkraft zeigt die Bilder in der Vollansicht und vermittelt dabei einige Kurzinformationen zu den Inhalten. Beispiele dafür sind im Aufklappmenü zusammengestellt. Die Schülerinnen und Schüler können einbezogen werden, indem sie gefragt werden, welche der Figuren sie kennen.
Kurzinformationen zu den Bildinhalten
Die Schülerinnen und Schüler festigen die neuen Informationen zu Automatenmenschen, indem sie im Klassengespräch Bezüge zur Sandmann-Lektüre und dem Automat Olimpia herstellen. Die Lehrkraft hält die Ergebnisse an der Tafel fest.
Aufgabe 1: Welche Eigenschaften der Figuren finden sich in Olimpia wieder?
Aufgabe 2: Was wollen die Schöpfer mit ihren Geschöpfen erreichen?
Aufgabe 3: Welche Chancen und Gefahren sehen Sie?
E.T.A. Hoffmann schreibt 1814, zwei Jahre vor dem Sandmann, die Erzählung „Die Automate“, in der er viele der bekannten Automaten und Vorstellungen über künstliche Menschen beschreibt, die in seiner Zeit diskutiert wurden.
Die Schülerinnen und Schüler werden in fünf Gruppen aufgeteilt und lesen jeweils zwei der Textausschnitte aus „Die Automate“.
Gruppenarbeit 15 Minuten
Präsentation 10 Minuten
Aufgabe 1: Welche Art Automat wird beschrieben?
Aufgabe 2: Wie wird der Automat charakterisiert?
Aufgabe 3: Welche Gefühle löst er aus?
Textausschnitte Gruppe 1
Gruppe 1
„[…] In der Mitte eines nicht eben großen, nur mit dem notwendigsten Gerät versehenen Zimmers saß die lebensgroße, wohlgestaltete Figur, in reicher geschmackvoller Kleidung, auf einem niedrigen wie ein Dreifuß geformter Sessel, den der Künstler auf Verlangen wegrückte, um jede Vermutung der Verbindung mit dem Fußboden zu widerlegen, die linke Hand zwanglos auf das Knie, die rechte dagegen auf einen kleinen freistehenden Tisch gelegt. Die ganze Figur war, wie gesagt, in richtigen Verhältnissen wohlgestaltet, allein die wahrhaft orientalisch geistreiche Physiognomie gab dem ganzen ein Leben, wie man es selten bei Wachsbildern, wenn sie selbst den charaktervollen Gesichtern geistreicher Menschen nachgeformt sind, findet. […]“
„[…] Es ist gar kein Zweifel, daß ein menschliches Wesen vermöge uns verborgener und unbekannter akustischer und optischer Vorrichtungen mit dem Fragenden in solcher Verbindung steht, daß es ihn sieht, ihn hört und ihm wieder Antworten zuflüstern kann. Daß noch niemand, selbst unter unsern geschickten Mechanikern, auch nur im mindesten auf die Spur gekommen, wie jene Verbindung wohl hergestellt sein kann, zeigt, daß des Künstlers Mittel sehr sinnreich erfunden sein müssen, und so verdient von dieser Seite sein Kunstwerk allerdings die größte Aufmerksamkeit. […]“
Textausschnitte Gruppe 2
Gruppe 2
„[…] Mir sind“, sagte Ludwig, „alle solche Figuren, die dem Menschen nicht sowohl nachgebildet sind, als das Menschliche nachäffen, diese wahren Standbilder eines lebendigen Todes oder eines toten Lebens im höchsten Grade zuwider. Schon in früher Jugend lief ich weinend davon, als man mich in ein Wachsfiguren-Kabinett führte, und noch kann ich kein solches Kabinett betreten, ohne von einem unheimlichen, grauenhaften Gefühl ergriffen zu werden. Mit Macbeths Worten möchte ich rufen: Was starrst du mich an mit Augen ohne Sehkraft? wenn ich die stieren, toten, gläsernen Blicke all‘ der Potentaten, berühmten Helden und Mörder und Spitzbuben auf mich gerichtet sehe, und ich bin überzeugt, daß die mehrsten Menschen dies unheimliche Gefühl, wenn auch nicht in dem hohen Grade, wie es in mir waltet, mit mir teilen, denn man wird finden, daß im Wachsfiguren-Kabinett auch die größte Menge Menschen nur ganz leise flüstert, man hört selten ein lautes Wort; aus Ehrfurcht gegen die hohen Häupter geschieht dies nicht, sondern es ist nur der Druck des Unheimlichen, Grauenhaften, der den Zuschauern jenes Pianissimo abnötigt. […]“
Textausschnitte Gruppe 3
Gruppe 3
„[…] Was mir aber viel wunderbarer scheint und mich in der Tat recht anzieht, das ist die geistige Macht des unbekannten menschlichen Wesens, vermöge deren es in die Tiefe des Gemüts des Fragenden zu dringen scheint – es herrscht oft eine Kraft des Scharfsinns und zugleich ein grausenhaftes Helldunkel in den Antworten, wodurch sie zu Orakelsprüchen im strengsten Sinn des Worts werden. Ich habe von mehreren Freunden in dieser Hinsicht Dinge gehört, die mich in das größte Erstaunen setzen, und ich kann nicht länger dem Drange widerstehen, den wundervollen Sehergeist des Unbekannten selbst auf die Probe zu stellen, weshalb ich mich entschlossen, morgen vormittags hinzugehen […].“
„[…] Ich sehe nun wohl, daß dem unsichtbaren Wesen, das sich uns durch den Türken auf eine geheimnisvolle Weise mitteilt, Kräfte zu Gebote stehen, die mit magischer Gewalt unsre geheimsten Gedanken beherrschen, und vielleicht erblickt die fremde Macht klar und deutlich den Keim den Zukünftigen, der in uns selbst im mystischen Zusammenhange mit der Außenwelt genährt wird, und weiß so alles, was in fernen Tagen auf uns einbrechen wird, so wie es Menschen gibt mit der unglücklichen Sehergabe, den Tod zur bestimmten Stunde vorauszusagen. […]“
Textausschnitte Gruppe 4
Gruppe 4:
„[…] Ich muß gestehen, fuhr Ludwig fort, daß die Figur gleich beim Eintreten mich lebhaft an einen überaus zeitlichen künstlichen Nußknacker erinnerte, den mir einst, als ich noch ein kleiner Knabe war, ein Vetter zu Weihnachten verehrte. Der kleine Mann hatte ein überaus ernsthaft komisches Gesicht und verdrehte jedesmal mittels einer inneren Vorrichtung die großen aus dem Kopfe herausstehenden Augen, wenn er eine harte Nuß knackte, was denn so etwas possierlich Lebendiges in die ganze Figur brachte, daß ich stundenlang damit spielen konnte und der Zwerg mir unter den Händen zum wahren Alräunchen wurde. Alle noch so vollkommne Marionetten waren mir nachher steif und leblos gegen meinen herrlichen Nußknacker. […]“
„[…] Schon die Verbindung des Menschen mit toten, das Menschliche in Bildung und Bewegung nachäffenden Figuren zu gleichem Tun und Treiben hat für mich etwas Drückendes, Unheimliches, ja Entsetzliches. Ich kann mir es denken, daß es möglich sein müßte, Figuren vermöge eines im Innern verborgenen Getriebes gar künstlich und behende tanzen zu lassen, auch müßten diese mit Menschen gemeinschaftlich einen Tanz aufführen und sich in allerlei Touren wenden und drehen, so daß der lebendige Tänzer die tote hölzerne Tänzerin faßte und sich mit ihr schwenkte, würdest du den Anblick ohne inneres Grauen eine Minute lang ertragen? […]“
Textausschnitte Gruppe 5
Gruppe 5
„[…] Nun, Sie finden bei mir, was Sie in ganz Europa, ja in der ganzen Welt vergebens suchen. Des Professors Stimme hatte etwas höchst Widriges, es war ein hoher kreischender dissonierender Tenor, der gerade zu der martkschreierischen Art paßte, womit er seine Kunstwerke ankündigte. Er holte mit vielem Geräusch die Schlüssel und öffnete den geschmackvoll, ja prächtig verzierten Saal, in welchem die Kunstwerke sich befanden. […] Der Professor ging nur flüchtig an dem Orchestrion und den Spieluhren vorüber und berührte kaum merklich die Automate; dann setzte er sich aber an den Flügel und fing pianissimo ein marschmäßiges Andante an; bei der Reprise setzte der Flötenbläser die Flöte an den Mund und spielte das Thema, nun paukte der Knabe richtig im Takt ganz leise auf der Trommel, indem der andere einen Triangel kaum hörbar berührte. Bald darauf fiel das Frauenzimmer mit vollgriffigen Akkorden ein, indem sie durch das Niederdrücken der Tasten einen harmonikaähnlichen Ton hervorbrachte! Aber nun wurde es immer reger und lebendiger im ganzen Saal, die Spieluhren fielen nacheinander mit der größten rhythmischen Genauigkeit ein, der Knabe schlug immer stärker seine Trommel, der Triangel gellte durch das Zimmer, und zuletzt trompetete und paukte das Orchestrion Fortissimo dazu, daß alles zitterte und bebte, bis der Professor mit seinen Maschinen auf einen Schlag im Schlußakkord endete. […]“
„ […] Der größte Vorwurf, den man dem Musiker macht, ist, daß er ohne Ausdruck spiele, da er dadurch eben dem eigentlichen Wesen der Musik schadet oder vielmehr in der Musik die Musik vernichtet, und doch wird der geist- und empfindungsloseste Spieler noch immer mehr leisten als die vollkommenste Maschine, da es nicht denkbar ist, daß nicht irgendeinmal eine augenblickliche Anregung aus dem Innern auf sein Spiel wirken sollte, welches natürlicherweise bei der Maschine nie der Fall sein kann. […]“
Erste Stichpunkte für die Antworten
Gruppe 1:
Gruppe 2:
Gruppe 3:
Gruppe 4:
Gruppe 5:
Die Schülerinnen und Schüler sollen eine eigene Meinung zum Thema Automatenmenschen entwickeln. Sehen sie den Nutzen von Automaten oder eher die Risiken? Den Fortschritt oder die Gefahr des Kontrollverlusts? Sie beschreiben ihre Position in einem Brief. Als Hausaufgabe kann der angefangene Brief fertiggestellt werden.
Aufgabe: Stellen Sie sich vor, Sie haben an einer Präsentation von Automatenmenschen teilgenommen. Das Gesehene beschäftigt Sie. Schreiben Sie einen Brief an einen Freund und teilen Sie darin das Erlebte mit. Schildern Sie darin auch Ihre Gefühle: Sind Sie begeistert oder macht Ihnen das Erlebte eher Angst? Warum?