Geeignet für
Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse
In dieser Unterrichtseinheit lernen die Schülerinnen und Schüler anhand von Hoffmanns Sandmann-Illustration, seinem eigenhändig geschriebenen Manuskript und der gedruckten Erstausgabe den Entwicklungsprozess der Erzählung von der Idee bis hin zum gedruckten Buch kennen. Zudem erhalten sie einen Einblick in die Arbeitsweisen Hoffmanns.
Zu Beginn vergleichen die Schülerinnen und Schüler das Verhältnis von Hoffmanns Sandmann-Illustration zu der daraus entstandenen textlichen Umsetzung. Des Weiteren transkribieren sie einen Abschnitt des Sandmann-Manuskriptes mit Hilfe eines Lückentextes. Hier lernen sie die Handschrift Hoffmanns und einen ersten Umgang mit handschriftlichen Dokumenten kennen. In einer dritten Aufgabe werden unterschiedliche Textversionen (Manuskript inkl. Korrekturen sowie Erstausgabe) gegenübergestellt. Auch die Frage, inwieweit die Korrekturen den Text verändern, wird hier diskutiert.
Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern den Schreibprozess Hoffmanns zu vermitteln und den Weg einer literarischen Idee zum gedruckten Buch zu veranschaulichen.
Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse
Sichere Textkenntnis
E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann. Hrsg. v. Anna Busch. Bearb. v. Janin Afken, Anna Busch, Maike Engelmann. In: „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“. Hrsg. v. Anne Baillot. Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin. (http://www.berliner-intellektuelle.eu/manuscript?Sandmann. Stand: 27. April 2015.)
ca. 45 Minuten
Lesen Sie zu Hoffmanns Zeichnung zum Sandmann auch den Beitrag von Volker Rummel im Themenbereich „Der Zeichner -> Werkillustration“
Lehrkraft: Der Überlieferung nach hatte Hoffmann, schon bevor er zu schreiben begann, eine sehr genaue bildliche Vorstellung von den Personen und der Handlung seiner Erzählung. Sein Freund Eduard Julius Hitzig berichtet in seinen Erinnerungen, dass Hoffmann bei einem gemeinsamen Treffen „während des Sprechens, die Scene S. 13 Th. 1 der Nachtstükke auf ein vor ihm liegendes Stück Aktenpapier“* skizzierte.
Aufgabe 1: Suchen Sie die entsprechende Textstelle heraus und vergleichen Sie Bild und Text.
Aufgabe 2: Inwieweit ist die Zeichnung im Text umgesetzt?
Aufgabe 1: Füllen Sie mit Hilfe des Textausschnittes den Lückentext aus.
Aufgabe 2: Beschreiben Sie den Inhalt dieses Absatzes. An welche Stelle im Text könnten Sie ihn einfügen?
Aufgabe 3: Aus welchem Grund könnte Hoffmann diesen Absatz gestrichen haben?
Dieser Textabschnitt wurde von Hoffmann noch während des Schreibprozesses gestrichen, so dass er in den Textausgaben des Sandmanns nicht abgedruckt ist.
Time's up
Die Textstelle (Manuskript Blatt 10r), die Sie transkribiert haben, ist der am Rand quer geschriebene Absatz.
Das Manuskript entstand im Spätherbst 1815. Zu Beginn der Erzählung steht das Datum „d. 16 Novb: 1815 [Ab]Nachts 1 [¿]Uhr“ – es ist allerdings nicht geklärt, ob dies den Beginn oder den Abschluss des Schreibprozesses bezeichnet oder ob es sich gar um ein fiktives Datum handelt. Hoffmann schickte am 24. November seinem Verleger Georg Reimer das Manuskript „zu gütiger Durchsicht“. Gedruckt wurde sie als erste Erzählung im Sammelband „Nachtstücke“ im Herbst 1816 in der Realschulbuchhandlung (Berlin) mit dem vordatierten Erscheinungsjahr 1817.
Aufgabe 1: Vergleichen Sie den Grundtext mit Hoffmanns eigenen Änderungen im Manuskript und der Fassung der Erstausgabe. Welche Änderungen fügte Hoffmann selbst im Manuskript ein, inwieweit wurde die Erstausgabe verändert? (Bitte Unterschiede farblich markieren)
Aufgabe 2: Inwieweit verändern die Korrekturen den Text?
Für den Vergleich der drei Textvarianten (Hoffmanns Manuskript / seine eigenen Streichungen und der Text der Erstausgabe) bietet sich die farbige Kennzeichnung der Korrekturen, Streichungen und Textstellen an. Dies kann entweder in einer gemeinsamen Arbeit am Smartboard erfolgen oder Sie nutzen das Aufgabenblatt.
Endlich als sie schon am TrauAltar
standen, erschien der entsetzliche Coppelius und berührte Clara’s holde Augen, die sprangen wie blutige Funkn heraus
[in Nathanaels Brust
wie blutige Funkn
sengend und
brennend] und sie fiel entseelt nieder und in seine hin
Nathanael stürzte sich auf den hämisch lachenden Nathanael und Coppelius der faßte ihn
aber und warf ihn in einen glühenden Feuerkreis, der sich drehte mit des der Sturm Schnelligkeit des Sturmes und ihn bausend sausend und brausend fortriß.
Aber Es war ein Tosen, als wenn der Orkan grim̄ig hineinschlägt in das Meer, deßen schaumde Wellen wie schwarze weißhauptige Riesen sich emporbaümen in wüthen=
dem Kampf, aber durch dies wilde Tosen hörte er Claras Stim̄e: Kan̄st du mich
denn nicht erschauen – Coppelius hat dich getaüscht – das waren ja nicht meine
Augen die dir so in der Brust bran̄ten, das waren ja gluhende Tropfen deines eignen
Herzbluts – ich habe ja meine Augen, sieh mich doch nur an! –
Endlich, als sie schon
am Traualtar stehen, erscheint der entsetzliche Cop-
pelius und berührt Clara’s holde Augen;
die springen in Nathanaels Brust wie blu-
tige Funken sengend und brennend, Coppelius faßt
ihn und wirft ihn in einen flammenden Feuer-
kreis, der sich dreht mit der Schnelligkeit des
Sturmes und ihn sausend und brausend fortreißt.
Es ist ein Tosen, als wenn der Orkan grimmig
hineinpeitscht in die schäumenden Meereswellen,
die sich wie schwarze, weißhauptige Riesen empor-
bäumen in wüthendem Kampfe. Aber durch dies
wilde Tosen hört er Clara‘s Stimme: Kannst
du mich denn nicht erschauen? Coppelius hat
dich getäuscht, das waren ja nicht meine Augen,
die so in deiner Brust brannten, das waren ja
glühende Tropfen Deines eignen Herzbluts –
ich habe ja meine Augen, sieh‘ mich doch nur an!
Aufgabe 1: Hoffmann zeichnete die „Laborszene“, um die Geschichte seinem Freund zu veranschaulichen. Wählen Sie eine für Sie markante Szene aus und zeichnen Sie diese.
Aufgabe 2: Auch Sie haben gewiss schon Erzählungen geschrieben. Wie unterscheidet sich Hoffmanns Schreibprozess von Ihrem?
*Aus Hoffmann’s Leben und Nachlass / Herausgegeben von dem Verfasser des Lebens-Abrißes Friedrich Ludwig Zacharias Werners [Julius Eduard Hitzig] Berlin : Dümmler ; [Berlin] : Starcke, 1823. Bd. 11 S. 382