Das öde Haus
Im November 1817 erschien in der Realschulbuchhandlung bei Georg Reimer der zweite Band von Hoffmanns „Nachtstücken“, der die in Berlin spielende Erzählung „Das öde Haus“ enthielt. Der Autor selbst beurteilte selbstkritisch, „das öde Haus taugt nichts“. (SW VI, S. 137) Angeregt wurde er durch den „Eindruck, den ein, unter den Linden gelegenes, Haus auf ihn machte, dessen Fenster nach vorn hinaus nie geöffnet erschienen, und hinter den seine Fantasie ihm allerlei Spukhaftes sehen ließ.“ (Hitzig II, S. 136)
Hoffmann verwendete in seinem Text geographische und namentliche Abkürzungen, die für Berliner Leser leicht zu entschlüsseln war, z.B.: „***n“ = Berlin oder „Graf P.“ = Hermann Graf Pückler (1785-1871), der mit Hoffmann befreundet war und dessen Liebesaffäre mit Helmine von Lanzendorf. „Dr. K.“ entspricht dem mit Hoffmann befreundeten Johannn Ferdinand Koreff (1783-1851), Leibarzt des preußischen Staatskanzlers Hardenberg, der auch Magnetiseur praktizierte. Hoffmanns Nachtstück ist auch eine Fundgrube zu Fragen der zeitgenössischen Medizin.
Auch die dem Haus benachbarte Konditorei Fuchs sowie die gegenüberliegende Bank auf dem Mittelstreifen der Allee (Unter den Linden) entnahm Hoffmann der Realität. Der Erzähler Theodor agiert als Flaneur in den Straßen Berlins und wird durch das Mysteriöse eines öden Hauses Unter den Linden angezogen und kommt nicht mehr davon los. Mit detektivischem Elan versucht er das Geheimnis des Hauses zu ergründen, verstrickt sich aber in Hypothesen und falschen Schlussfolgerungen.
„Das öde Haus“ ist in ästhetischer Hinsicht eine heterogene Geschichte, in die Hoffmann Probleme der Wissenschaft kunstvoll integriert hat. (Auhuber, Friedhelm: In einem fernen dunklen Spiegel. E.T.A. Hoffmanns Poetisierung der Medizin. Opladen 1986, S. 77)
Jörg Petzel hat nach langjähriger Arbeit als Buchhändler und Antiquar Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaften in Bamberg studiert. Er ist Vize-Präsident der E. T. A. Hoffmann-Gesellschaft und Mitherausgeber sämtlicher Werke E. T. A. Hoffmanns im Deutschen Klassiker Verlag; Arbeiten zu E. T. A. Hoffmann, Friedrich de la Motte-Fouqué, Arno Schmidt und Franz Fühmann.
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Literatur
Auhuber, Friedhelm: In einem fernen dunklen Spiegel. E.T.A. Hoffmanns Poetisierung der Medizin. Opladen : Westdt. Verl. 1986.
E.T.A. Hoffmann: Sämtliche Werke in sechs [in sieben] Bänden. Hg. v. Hartmut Steinecke und Wulf Segebrecht, unter Mitarbeit von Gerd Allroggen, Friedhelm Auhuber, Hartmut Mangold, Jörg Petzel und Ursula Segebrecht. Frankfurt am Main : Deutscher Klassiker-Verlag 1985- 2004.
E.T.A. Hoffmann: Aus Hoffmann’s Leben und Nachlaß. Herausgegeben von dem Verfasser des Lebens-Abrisses Friedrich Ludwig Zacharias Werners ( = Julius Eduard Hitzig). Zweiter Teil. Berlin: Dümmler 1823.