Hinrich Lichtenstein
〈13. Januar 1818.〉
An Sie, Hochverehrtester Freund! wende ich mich zutrauungsvoll mit einer recht dringenden Bitte.
Chamisso hat mir als Vermächtnis die Idee einer Erzählung hinterlassen die ich auszuarbeiten eben im Begriff stehe. — Ein Professor der Botanik stirbt und hinterläßt nicht allein eine sehr reiche Pflanzensammlung sondern er hat auch in einem kleinen besonders angelegten Treibhause ganz seltene fremde Pflanzen und Blumen gezogen. Unter diesen befindet sich ein Exemplar, von dem es ganz unerhört ist, daß es in diesem Himmelsstrich selbst in einem Treibhause gedieh. Die Witwe (eine ganz alte Frau) veräußert nichts davon, da sie selbst mit der Wartung der Pflanzen bekannt ist und daran Freude hat. Sie verwehrt selbst dem Amanuensis des seligen Herrn, einem blutjungen enthusiastischen Botaniker, dessen ganzes Herz an jener seltenen exotischen Pflanze im Treibhause hängt, den Zutritt, bis er sich entschließt die Alte zu heiraten u. s. w.
Ich bin gar nicht Botaniker muß also irgend ein botanisches Werk tüchtig lesen und mich imprägnieren. Könnte ich wohl durch Ihre Güte ein solches Werk auf einige Tage erhalten, könnten Sie mir wohl eine fremde Pflanze nennen, die Ch〈amisso〉 etwa gemeint haben dürfte? Sie glauben nicht, wie viel Freundschaft Sie mir durch die gütige Erfüllung meiner Bitte erzeigen würden.
Mit der innigsten Hochachtung
Berlin Taubenstraße No 31
2 Treppen
Den 13 Jan 18
Ihr ergebenster
Hoffmann