Karl Schall
Berlin den 19 t Januar 1822
Hochverehrtester Herr! Um aller Wunden willen, die sämtliche LitteraturBlätter jemals Schriftstellern und Dichtern geschlagen haben, bitte ich Sie Hochverehrtester Herr! benehmen Sie unserm guten Kaiser das unselige Vorurteil, daß ich an der schriftstellerischen Diarrhee leide und daß mir bei jeder schicklichen Ausleerung ganz leicht und anmutig ein Histörchen, ein Romänchen abgeht! — Besagter Kaiser weiß, daß ich eben den Meister Floh beendigt, daß zu Ostern Murrs dritter und letzter Teil erscheinen muß und doch verlangt er nichts geringeres als daß ich, wohlbestallter mit Akten genugsam überhäufter KammerGerichtsRat zu Johannis d〈es〉 J〈ahres〉 das fertige Manuskript von Schnellpfeffers Flitterwochen vor der Hochzeit, bestehend in Fünfzig Druckbogen abliefern soll! — Bloß das mechanische Schreiben! — man müßte vier Hände haben wie der Floh und da zu vier Händen zwei Köpfe gehören, so würd‘ es nötig sein, daß der Kopf einen Vizekopf ernenne als Vizekönig, Lieu-tenant oder wenigstens umsichtigen DepartementsRat. Und auf wen anders könnte die Wahl fallen als auf den Teil der gewissermaßen die geringer geprägte Rückseite der bessern AntlitzSeite ist. Aber wie die Arbeit verteilen? I nun! Der unten da bekäme die Taschenbücher! — Doch ganz blamieren will sich kein Mensch gern, geschieht es dann und wann auch ein bißchen! —
Aus diesem Lamentoso werden Sie, Hochverehrtester! wohl schon entnehmen, daß ich mich Rücksichts des in Rede stehenden Beitrages auf kein bestimmtes Versprechen einlassen kann; ich bitte mir aber den spätsten Termin zu nennen, bis zu dem der Beitrag eingehen müßte, und inspiriert mich der Himmel mit einem recht ordentlichen Gedanken so will ich sehen daß ich ihn fein ausspinne, denn zwischen Euch, Ihr Herren! muß man sich wohl tüchtig zusammennehmen.
Der Stralower Fischzug hat den allergröbsten Fehler den ein solches Stück haben kann und der auch den frühen Tod herbeigeführt hat, denn sanft ruht es im Grabe, seit dem die Leute sich sattsam auf der Hintergardine zeigen lassen wie Stralow und Treptow aussieht. Der Fehler besteht darin daß es — nicht lustig ist sondern höchst ernst ja bisweilen melancholisch. Faustdicke Sentimentalität — knolligter Patriotismus — Blinde Bänkelsängerinnen und Musikanten die sich heiraten um den dunklen Pfad des Lebens mitsammen zu wandeln! — Ein begeisterter Chausseeeinnehmer ruft: O ich bin den Deutschen so gut, daß ich wollt‘ sie wären alle Preußen!!! Doch genug von dieser Misere!
Contessa le Cadet war hier und zu meiner großen Freude von recht kerngesunder Munterkeit! — Ist es nicht ein Jammer, daß er sein treffliches Talent vergeudet um dem Hou〈wald〉 seine gut gemeinten aber Kraft und saftlosen undramatischen Tragödlein anfertigen zu helfen? Diesen Schafställen fehlt der Wolf! (Ich meine nicht den Schauspieler sondern einen wirlklichen lupum )
Robert ist, so viel ich weiß, in Carlsruhe und, läßt sich bewundern. Nach Berlin kommt er nicht wieder, denn er kann es den Berlinern noch immer nicht verzeihen, daß die Schlacht bei Bellalliance sie mehr inspirierte als seine Macht der Verhältnisse. Bekanntlich wollte er den Feldzug mitmachen und sich im Nachtrab der Arrieregarde des Landsäuselns anstellen lassen; es reute ihn aber nachher wieder. — Was um Himmelswillen wird Herr Kapf sagen über den Meister Floh! — Hopfen und Malz ist an dem Menschen verloren — nichts als verdammte Verirrungen, abgeschmacktes Zeug ohne Sinn und Verstand! So wird er zornig rufen und die Zuckermilch bereuen mit der er mich in der Abendzeitung (Serap〈ions〉Br〈üder〉
IV B〈and〉) gepeppelt hat, damit ich nur nicht trostlos ganz verzagen sollte. Sans comparaison versteht sich, fällt mir die Stelle aus dem Zerbino ein als der ganz erboste Nicolai (zu Ariost oder Cervantes?) 〈sagt:〉 Mensch! — Mensch! — wie habt ihr so was schreiben können!
Behalten Sie fein lieb und in stetem wohlwollenden Andenken
Ihren innig ergebenen
Hff