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  • Der Sandmann von Paul
  • Franz Fühmanns Vorschläge für Verfilmungen
  • Andrej Tarkovskijs Gofmaniana (dt. Hoffmanniana)
  • Anmerkungen

Leben und Werk E.T.A. Hoffmanns im Spielfilm

  1. Einführung
  2. Anthologische (und metaleptische) Filme
  3. Ballett als Stufe zwischen Erzählung und Film: Nuitters und Delibes’ Coppélia
  4. Ballett als Stufe zwischen Erzählung und Film: Petipas und Tschaikowskijs Schtschelkuntschik
  5. Verfilmungen von Einzelwerken Hoffmanns
  6. Drehbücher bzw. Szenarien, die nicht realisiert worden sind

Drehbücher bzw. Szenarien, die nicht realisiert

worden sind

Zum Schluss dieser Übersicht über Leben und Werk E.T.A. Hoffmanns im Spielfilm sind drei Fälle darzustellen, in denen der Weg zum Film bereits mit dem Skript endete, dieses Skript aber zum Druck befördert wurde. Üblicherweise geschieht dergleichen, wenn ein bereits durch ein Œuvre zu Ansehen gekommener Filmemacher oder auch Schriftsteller im Spiel ist. So in zweien der drei Beispiele, anders der erste Fall: Hier haftet die Prominenz nicht an der Person, sondern am geschichtlichen Augenblick.

Dateiname: profilbild_no_avatar.jpg. Public Domain. Quelle: http://images.google.de/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fcdn.pixabay.com%2Fphoto%2F2012%2F04%2F26%2F19%2F43%2Fprofile-42914_960_720.png&imgrefurl=https%3A%2F%2Fpixabay.com%2Fen%2Fprofile-man-user-home-human-42914%2F&h=720&w=775&tbnid=Xufgi3NW_XYxTM%3A&vet=1&docid=IDLg4_hhyYLwMM&ei=edtXWIemI4KJaaPUhugN&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=156&page=1&start=42&ndsp=65&ved=0ahUKEwjHxq_FqYDRAhWCRBoKHSOqAd0QMwh_KFcwVw&bih=994&biw=1920

Prof. Dr. Günter Dammann (1941-2021) hat Germanistik und Romanistik studiert, war Literaturwissenschaftler und lehrte lange Jahre an der Universität Hamburg Neuere deutsche Literatur. Er war seit 2006 emeritiert und seine Forschungsschwerpunkte waren das 17. und 18. Jh. sowie der Unterhaltungsroman (→ Forscherprofil).

Günter DammannAUTOR

Peter Pauls Filmbuch

Handreichung für Drehbuchautoren

Der Autorenfilm

1914, unmittelbar vor der Grundstürzung aller bis dahin in Europa gültigen Verhältnisse, veröffentlichte der sich in der Filmbranche gut auskennende Praktiker Peter Paul sein Filmbuch, das eine der ersten Handreichungen für Drehbuchautoren überhaupt gewesen sein dürfte und an sieben „Musterfilms“ exemplifizierte, wie man es zu machen hatte.[1]

Diese Publikation steht zwar nicht intentional im Kontext der in den Jahren um 1910 anschwellenden Bewegung des ‚Autorenfilms‘, die sie denn auch nicht erwähnt, wird aber in einen übersubjektiven historischen Zusammenhang mit ihr gestellt werden dürfen. Ein kurzer Anriss ist nötig, damit wir Hoffmanns Verbindung mit „Musterfilms“ angemessen einschätzen können.[2] Als der kinematographischen Branche im zweiten Jahrzehnt ihrer Existenz zunehmend klar wurde, dass sie eine solide Zukunft nur hätte, wenn sie den ihr anhaftenden Ruch des Jahrmarktsvergnügens definitiv abschüttelte, schien ihr die naturgemäße Orientierung die an der Kunst, dem Theater, der Literatur. In Frankreich kannte man bereits 1908 den Film d’art, für den vorübergehend eine Beteiligung der deutschen Industrie im Gespräch war. In Deutschland kam es unter heftigen Auseinandersetzungen mit den sich um ihre Existenz sorgenden Theatern und deren Parteigängern schließlich 1912/13 zu einer institutionellen Formation, deren Schlagwort der Begriff des „Autorenfilms“ wurde. Autorenfilme, unter die sowohl Adaptationen bekannter Werke der klassischen und modernen Literatur als auch Filme nach Originaldrehbüchern berühmter aktueller Schriftsteller gerechnet wurden, galten 1913 vorübergehend als die unbezweifelbare Zukunft des Films.

Man kann es wohl nicht genügend gewichten, dass in dieser Stimmungslage der Branche E.T.A. Hoffmann – bis dahin erst über Méliès und dessen Coppélia von 1902 im Kino präsent – gleich wieder ins Visier geriet. Der Sandmann ist unter den sieben im Titel des Filmbuchs avisierten „Musterfilms“ das einzige Beispiel Pauls für eine Literaturverfilmung.

Der Sandmann von Paul

Die von Paul vertretene Auffassung seines Gegenstandes Film ist handgreiflich:

„Literarische Werke […], welche das Hauptgewicht auf seelische Analysen legen, sind zur Filmbearbeitung nicht zu verwenden. Der Film spricht zu der großen Masse, einer viel größeren als der Roman und das Theater. Wir müssen stets darauf bedacht sein, was diese ganz große Masse interessiert, und mit was für Mitteln wir ihr Interesse wachhalten können.“[3]

Wirkungsintensität will Paul denn auch durch Quantität und weitere äußerlich operierende Mittel erreichen.

„In der Originalnovelle von E.T.A. Hoffmann begegnet Nathaniel [sic] dem Mörder seines Vaters […] im ganzen dreimal in verschiedenen Gestalten. Im Film habe ich die Möglichkeit, diese Begegnungen zu häufen. Der Phantast Nathaniel, der unter dem Verfolgungswahn leidet, […] sieht fast in jedem Fremden das Phantom.“[4]

Hoffmann, so wird schnell deutlich, ist in Pauls Augen geradezu der Literat katexochen für das Kino der „großen Masse“, die statt nach komplexen Erzähltechniken und subtilen Seelenlagen vielmehr nach einsträngig chronologischer Narration und drastischen Effekten verlangt.

Handlung

Kindheit

Duell

Olympia

Brand

Finale auf dem Turm

So sieht das „Filmdrama in 4 Abteilungen“ denn auch aus.[5] In der ersten Abteilung wird Nathaniels Kindheitsgeschichte als eine einzige abendlich-nächtliche Episode erzählt, die mit dem Tod des Vaters endet, der augenscheinlich auf den höhnisch lachenden Coppelius zurückzuführen ist. 15 Jahre später spielt die zweite Abteilung, die jene bei Hoffmann recht beiläufige Episode des abgebrochenen Duells zwischen Nathaniel und Klaras Bruder Lothar zum Inhalt hat. Pauls Szenario verlegt sie in den Winter und inszeniert mehrfache kurze Begegnungen mit Personen, die sich dann unversehens und erschreckend als Coppelius präsentieren. Die dritte Abteilung schließt hier zeitlich an. Sie bringt die entscheidenden Episoden in der (bei Hoffmann) Universitätsstadt G., vor allem die Faszination durch die am Fenster sitzende Schönheit Olympia und den Ball beim Professor Sparanzani [sic] sowie die Zerstörung der Puppe durch ihre in Streit geratenen Hersteller. Die vierte und letzte Abteilung erzählt die abschließenden Vorgänge nach der Rückkehr Nathaniels aus der Heilanstalt. Sie setzt spektakulär ein mit dem Brand des Hauses, das Nathaniels Wohnung beherbergt; diesen Brand kennt auch Hoffmanns Erzählung, dort ereignet er sich aber während der Abwesenheit Nathanaels von G. und hat die (vom Fatum beherrschte?) Funktion, den jungen Mann in die Nachbarschaft Olimpias zu bringen, hier hingegen soll er Gelegenheit bieten, den filmischen Schauwert zu erhöhen. Welchen Wert dieser Aspekt für Paul hat, zeigt sich noch einmal, wenn das Drehbuch von seinen knapp 20 Seiten gut vier allein dem Finale auf dem Turm vorbehält.

Franz Fühmanns Vorschläge für Verfilmungen

Studie zur Umsetzung von Hoffmanns Leben und Werk im Film

Drehbuchentwurf 

Intensiv mit Hoffmann beschäftigt hat sich in den späteren Jahren seines Lebens Franz Fühmann (1922–1984). Fühmann, seit 1949 Autor der DDR, durchlebte eine früh von Brüchen, Kehrtwendungen und Widerständen gekennzeichnete Existenz als Schriftsteller; das führte naturgemäß zu vielfach kontroversen Beurteilungen seines umfangreichen und heterogenen literarischen Œuvres. Stark wird das Werk des späteren Fühmann geprägt von der Rezeption unterschiedlicher literarischer Traditionen, in der auch die mediale Adaptation eine Rolle spielt. So hat der Autor neben anderem eine Studie mit dem Titel Möglichkeiten einer filmischen Aneignung von Werk und Leben E.T.A. Hoffmanns sowie einen Drehbuchentwurf zum Nachtstück Das öde Haus verfasst. Beide Arbeiten, die erste 1974 im Auftrag der DEFA geschrieben, die zweite 1984 kurz vor Fühmanns Tod entworfen, wurden erst postum veröffentlicht.[6] Der Drehbuchentwurf fällt relativ kurz aus, würde jedenfalls kaum für eine übliche Spielfilmlänge reichen, steht aber von vornherein unter der selbstgesetzten Vorgabe, dass drei „Schauergeschichten“ zu einem „Episodenfilm“ zusammengefügt werden sollten, nämlich Der Sandmann, Der Kampf der Sänger und eben Das öde Haus.[7] Indessen hatte sich die zehn Jahre frühere DEFA-Studie über die Möglichkeiten einer filmischen Aneignung bereits ungewöhnlich ausführlich bemüht, hoffmannsche „Wesenszüge“ gerade „an Hand seines Nachtstücks ‚Das öde Haus‘“ herauszuarbeiten.[8] Wir wollen zunächst den großen Zügen dieser Darstellung folgen und anschließend von hier aus das Szenario beurteilen.

Möglichkeiten einer filmischen Aneignung von Werk und Leben E.T.A. Hoffmanns

Das öde Haus

Im Fokus der Erzählung – so die Studie – steht ein Haus auf dem Boulevard Unter den Linden, das neugierig macht, weil es unansehnlich und offenbar unbewohnt ist und damit der glamourösen Prominenz seiner Umgebung skandalös widerspricht. Nacheinander werden aus der Sicht des die Geschichte als sein eigenes Erlebnis erzählenden Theodor verschiedene Hypothesen entworfen, was es mit dem Gebäude auf sich haben könne – und erweisen sich alsbald als falsch. Schließlich soll das Haus seit langem der Besitz einer auf ihren Gütern lebenden Gräfin von S. sein und bewohnt werden von einem sinistren Verwalter und einem alten Hund, vielleicht aber auch zusätzlich oder statt dessen von einem gespenstisch singenden alten Weib. Der Hausverwalter – so referiert die Studie weiter – erscheint in persona im Laden des Konditors und fällt durch seine abwegige Erscheinung und durch noch abwegigere Reden auf. Da gibt es nun für den Protagonisten und Erzähler nur mehr die Option, sich die angeblich alte Frau im Haus als jung und den Verwalter als ihren Kerkermeister zu imaginieren. Der Zustand, in den Theodor sich mit dieser Option zunehmend verstrickt, wird in diversen Figurenreden über Phänomen und Mode des Magnetismus ausführlich ventiliert. Tatsächlich lebt in dem rätselhaften Haus, wie schließlich ein knapper Bericht mit vielen offenen Enden kundtut, freiwillig eine Gräfin, die einstmals infolge einer unglücklichen Liebeskonkurrenz mit ihrer Schwester in ominöse Beziehungen zu einer „Zigeunerbande“ und schließlich den Wahnsinn getrieben wurde. In aller Naivität hatte der erzählende Theodor sich den in dieser Familiengeschichte virulenten Gefährdungen ausgesetzt.

Fühmanns Sicht von 1974 und 1984

Hoffmann selbst hielt von seiner Erzählung nicht viel; „das öde Haus taugt nichts“, dekretierte der Meister im Brief an Kunz.[9] Dass Fühmann desungeachtet das Nachtstück außerordentlich schätzte, erklärt sich in der Studie von 1974 aus den offenen Enden des abschließenden Berichts, den nicht der Erzähler selbst, sondern eine der von ihm referierten Figuren gegeben hatte. Die „Story“, so nun Fühmann, soll nicht „für aufgeklärt“ gehalten, sondern als eine Präsentation „unbestimmte[r] Mehrdeutigkeit des äußeren Vorgangs“ verstanden werden;

„wenn wir […] den Prozeß darstellen, den Theodor durchmacht […], dann erhalten wir eine Filmdichtung,“ vor der man sich Fragen stellen könne wie: „Was ist das für eine Welt, in der so etwas möglich ist, […] in der solch ein Ödes Haus zum Alltag gehört?“[10]

Wandel von der Studie zum Drehbuch

politische Einflüsse

1984 allerdings entschloss Fühmann sich dann selbst, die Dinge eindeutiger zu fassen. Zunächst einmal löst er die Initialen in den Namen des hoffmannschen Nachtstücks auf, S. wird so beispielsweise zu von Sohden, Z. zu von Züssow, letzterer, der Besitzer des öden Hauses, ausdrücklich als „einer der Mächtigsten hierzulande“ apostrophiert.[11] Theodors beharrliche Inquisition im Kontext des Hauses war schon in Hoffmanns Erzählung andeutungsweise in einen Herrschaftszusammenhang gerückt worden: „Um aller Seligkeit willen“, so flehte der sinistre Verwalter den jungen Mann einmal an, „verschweigen Sie, was hier geschehen, sonst komme ich um Amt und Brot!“[12] Als Theodor nun im Drehbuch – besessen von der Vorstellung, es mit dem Fall einer sequestrierten und bedrohten jungen Frau zu tun zu haben – die Einschaltung der Polizei vorschlägt, bricht sein Gegenüber Graf Pückler in lautes Gelächter aus: Das „im Züssowschen Haus!“, der Innenminister stehe „doch stramm, wenn der Züssow nur blinzelt“.[13] Ein Gendarm ist zwar alsbald da, freilich nicht, um für Theodors Vermutungen Beweise zu erbringen, sondern um ihn seinerseits wegen „Hetze gegen die Regierungsgewalt“ und „Konspiration“ zunächst zu verhören und dann, als er dem befreundeten Rat, Preußen „so schnell als nur möglich“ zu verlassen, nicht folgen will, wegen „[d]emagog. Umtriebe“ und „Attentatsvorbereitung“ zu verhaften.[14] Man hat doch wohl einige Argumente auf seiner Seite, wenn man diesen Wandel Fühmanns von 1974 (Studie Möglichkeiten einer filmischen Aneignung) bis 1984 (Szenario Das öde Haus) im Kontext der seinerzeitigen Wandlungen der DDR sehen will. An die Stelle der früheren offenen sozialkritischen Interpretation des hoffmannschen Werks im Sinne einer materialistischen Deutung des Gespenstischen setzen sich die neuen politischen Kategorien der Regimekritik und der Distanz zur Besatzungsmacht.[15]

Andrej Tarkovskijs Gofmaniana (dt. Hoffmanniana)

Wahlverwandtschaft

Andrej Tarkovskij, Regisseur eines zwar infolge verschiedener Umstände relativ schmalen, aber anspruchsvollen und gelegentlich geradezu kultisch verehrten Filmwerks, der sich bereits mit seinem zweiten Spielfilm in Kinolänge Andrej Rubljow (1966/71) eine Künstlerbiographie – in diesem Fall eine der Frühen Neuzeit – als Reflexionsmedium für eigene Ambitionen gewählt hatte, wandte sich in den siebziger Jahren mit dem Projekt Gofmaniana (dt. Hoffmanniana) einem Vertreter der deutschen Romantik zu, den er damals wohl nicht zu Unrecht als Wahlverwandten und Bruder im Geiste ansah.[16] Der Film ist nicht realisiert worden, sondern lediglich im Stadium einer ausgearbeiteten literarischen Vorlage überliefert (1976, dt. 1987).[17] Ein novellenartiges Szenario hatte der Filmemacher auch seinem Andrej-Rubljov-Film vorgeschaltet (1964), übrigens am selben Ort (Iskusstvo kino) publiziert, an dem dann auch die Gofmaniana erscheinen sollten.

Handlung

Episoden der Biografie Hoffmanns

Spiegel

Das „Szenario“ darf bei aller erkennbaren literarischen Sorgfalt nicht für den Film selbst gehalten werden; die kategoriale Differenz zwischen den Medien ist fundamental gerade für einen Regisseur wie Tarkovskij. Immerhin kann uns ein Blick in das Buch den einen oder anderen Aspekt offenbaren, unter dem der Spätere den Früheren als Wahlverwandten begreift, durch den er sich ebenso bestätigt sieht wie er ihn fortschreibt. Sehr deutlich schwebte Tarkovskij ein Projekt vor, das noch einmal anthologische Verfahren mit metaleptischen koppelte. Den Rahmen des Szenarios bilden Hoffmanns Krankheit und Sterben. Innerhalb dieses Rahmens begegnen uns teils zusammenhängende, teils fragmentierte Episoden und Szenen der Biographie, die – wie schon die am Beginn stehende Neufassung des Don Juan – einerseits aus einem einzigen (eben diesem) fiktionalen Werk selbst gewonnen worden sind und andererseits sich geradezu getrüffelt zeigen mit weiteren Motiven: So sieht Tarkovskijs Hoffmann die Darstellerin der Donna Anna mit eigenen Augen, aber er sieht sie obendrein in einem Spiegel, auch verschwindet die Erscheinung über das Medium dieses Spiegels, und am Ende hat der fiktionale Hoffmann zudem noch sein eigenes Spiegelbild verloren – alles gegen die originale Erzählung aus den Fantasiestücken. Nach ähnlichen Verfahren neugefasst ist als Mittelstück der Hoffmanniana eine Reprise der Erzählung Das Majorat. Hier demonstriert Tarkovskij weitere Varianten im Übertrumpfen von Hoffmanns Techniken. Mehrfach werden wir etwa (erneut) mit einem Spiegel konfrontiert, der dem Ich-Erzähler Vorgänge, die er gerade erlebt hat, abermals zeigt, ja, der geradezu zum Medium wird, über das (filmisch?) entscheidende Teile des zu Erzählenden laufen: „Im Spiegel“ fließt ihm, wie ein Schlüsselsatz diesen metaphysischen Subjektivismus fasst, „das lautlose geheimnisvolle Leben dahin, das von Dingen kündete, die außer mir kein Mensch je erfahren sollte“.[18] Als die Erlösungsfigur für eine solche Existenz erscheint am Anfang und Ende der Hoffmanniana die Liebe zu Julia Mark.

Pläne zur Realisierung

Angeblich wollte Tarkovskij im Anschluss an seinen letzten Film Offret (1986; dt. Das Opfer) „seinen lange aufgeschobenen Plan realisieren“ und das Hoffmann-Projekt verfilmen. Noch 1985 habe er sich „in Berlin aufgehalten, um Schauplätze und Drehorte zu inspizieren.“[19]

Anmerkungen

[1] Peter Paul: Das Filmbuch. Wie schreibe ich einen Film und wie mache ich ihn zu Geld? Mit 7 Musterfilms und einem Kino-Adreßbuch. Berlin o.J. [Vorrede abgezeichnet Mai 1914]. – Mit der Heranziehung dieses Dokuments folge ich dem Hinweis bei Klaus Kanzog: Reflexe der Werke E.T.A. Hoffmanns im Film. In: E.T.A.-Hoffmann Jahrbuch 17 (2009), S. 149–165, S. 152.

[2] Die folgende Darstellung nach Helmut H. Diederichs: The Origins of the ‚Autorenfilm‘ / Le Origini dell’‘Autorenfilm‘. In: Prima di Caligari. Cinema tedesco, 1895–1920 / Before Caligari. German Cinema, 1895–1920. Hg. von Paolo Cherchi Usai u. Lorenzo Codelli. [Katalog der Giornate del Cinema Muto, Pordenone, 13.–21. Oktober 1990.] Pordenone 1990, S. 380–401; zum Stellenwert des ‚Autorenfilm‘-Intermezzos 1913/14 in der Veränderung der deutschen Kinoprogrammstruktur vom kurzen Film zum langen und abendfüllenden Spielfilm siehe Corinna Müller: Frühe deutsche Kinematographie. Formale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen 1907–1912. Stuttgart u. Weimar 1994, S. 218–226.

[3] Paul: Filmbuch (Anm. 1), S. 22.

[4] Ebd., S. 23.

[5] Ebd., S. 128–150.

[6] Franz Fühmann: Simplicius Simplicissimus, Der Nibelunge Not und andere Arbeiten für den Film. Hg. v. Ingrid Prignitz. Rostock 1987, die Studie dort S. 317–416, das Spielfilmszenario S. 417–450; zur Studie siehe Swantje Rehfeld: ‚…seltsames Knistern unter Bindestrichen‘. Franz Fühmanns produktive Rezeption E.T.A. Hoffmanns. Trier 2007 (Kola 1), S. 114–138.

[7] Ebd., S. 413.

[8] Ebd., S. 365 u. 365–389.

[9] Brief in Carl Friedrich Kunz vom 8. März 1818; in: E.T.A. Hoffmann: Briefwechsel. Ges. u. erl. von Hans von Müller und Friedrich Schnapp, hg. v. Friedrich Schnapp. 3 Bde. München 1967–69; Bd. 2 (1967), S. 158–160, 160.

[10] Fühmann: Simplicius Simplicissimus (Anm. 6), S. 386f. Eine kenntnisreiche und sensible Analyse der fühmannschen Auslegung von Das öde Haus in der Studie von 1974 findet sich bei Rehfeld: „…seltsames Knistern“ (Anm. 6) vor allem S. 120–129.

[11] Fühmann: Simplicius Simplicissimus (Anm. 6), S. 422.

[12] E.T.A. Hoffmann: Fantasie- und Nachtstücke. Fantasiestücke in Callots Manier. Nachtstücke. Seltsame Leiden eines Theater-Direktors. Hg. u. mit e. Nachw. vers. v. Walter Müller-Seidel, mit Anm. v. Wolfgang Kron. München 1960, S. 480f.

[13] Fühmann: Simplicius Simplicissimus (Anm. 6), S. 429.

[14] Ebd., S. 442, 447 u. 449.

[15] Das jedenfalls ist die Auffassung von Klaus Kanzog: Reflexe der Werke E.T.A. Hoffmanns im Film. In: E.T.A.-Hoffmann Jahrbuch 17 (2009), S. 149–165, S. 162f.

[16] Zur Bedeutung der deutschen Romantik für Tarkovskij siehe Felicitas Allardt-Nostitz: Spuren der deutschen Romantik in den Filmen Andrej Tarkowskijs. In: Maja Josifowna Turowskaja u. F. A. N.: Andrej Tarkowskij. Film als Poesie, Poesie als Film. Bonn 1981, S. 100–148, darin 128–130 kundig auch über die (zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht auf Deutsch vorliegenden) Hoffmanniana. – Konkret ging der Plan zu Tarkowskijs Vorhaben 1974 allerdings vom baltischen Filmstudio aus; das vorgelegte Szenario wurde dann zwar in Tallinn, nicht aber von Goskino in Moskau akzeptiert, wie aus den Tagebüchern des Filmemachers hervorgeht. Siehe die Rezension Jörg Petzel: Bekenntnisse einer russischen Seele. In: Mitteilungen der E.T.A.-Hoffmann-Gesellschaft e.V. 35 (1989), S. 110f.

[17] Andrej Tarkovskij: Hoffmanniana. Szenario für einen nicht realisierten Film. Aus d. Russ. übertr. von Gertraude Krueger. München 1987 (Tarkovskij-Edition 2).

[18] Ebd., S. 42.

[19] Friedhelm Auhuber: Andrej Tarkovskijs Filmskizze ‚Hoffmanniana‘. Bemerkungen zu Tarkovskijs und Hoffmanns Kunst. In: Mitteilungen der E.T.A.-Hoffmann-Gesellschaft e.V. 35 (1989), S. 58–61, hier 58. Vgl. auch die Rezension Jörg Petzel: Tarkovskijs Nachtstücke. In: Mitteilungen der E.T.A.-Hoffmann-Gesellschaft e.V. 34 (1988), S. 142: „1985 weilte Tarkovskij als DAAD-Stipendiat in Berlin (West), einer Stadt, die ihn physisch und psychisch anekelte. Dort nahm er Standortbesichtigungen für seinen Hoffmann-Film vor“. In der Tat sollte die Skepsis gerade des späten Tarkovskij gegenüber der westlichen Kultur nicht unterschätzt werden; siehe z.B. Jonathan Keir: Through Christendom and Beyond. Andrei Tarkovsky and the Global Ethic Project. In: Andrej Tarkovskij. Klassiker – Klassik – Classic – Classico. Beiträge zum Ersten Internationalen Tarkovskij-Symposium an der Universität Potsdam. 2 Bde. Potsdam 2016, Bd. 1, S. 237–254, hier 237: „Later in his career, […] Tarkovsky was forced to confront the fact that the West had strayed even further from its Christian roots than Soviet Russia. In […] his final two films Nostalghia and Offret […] in particular, Tarkovsky’s interest shifts to the East, as solutions for the spiritual problems of modernity“.

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