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  • Hoffmann-Verfilmungen in der Frühzeit des Films
  • E.T.A. Hoffmann-Verfilmungen nach dem 2. Weltkrieg
  • Die zwei Verfilmungen von Die Elixiere des Teufels in den 70er Jahren
  • "Der Sandmann" im Kino
  • Anmerkungen

Leben und Werk E.T.A. Hoffmanns im Spielfilm

  1. Einführung
  2. Anthologische (und metaleptische) Filme
  3. Ballett als Stufe zwischen Erzählung und Film: Nuitters und Delibes’ Coppélia
  4. Ballett als Stufe zwischen Erzählung und Film: Petipas und Tschaikowskijs Schtschelkuntschik
  5. Verfilmungen von Einzelwerken Hoffmanns
  6. Drehbücher bzw. Szenarien, die nicht realisiert worden sind

Verfilmungen von Einzelwerken Hoffmanns

Hoffmann Verfilmungen in der Frühzeit des Films

Wir gehen wieder in die Frühzeit des Films zurück. Das heißt, Filme sind verschollen, Informationen über sie nur spärlich zu erlangen und Filme, die sich paratextuell auf E.T.A. Hoffmann berufen, müssen nicht in jedem Fall tatsächlich etwas mit seinem Werk zu tun haben.

Das Hexenlied (1919, D) von Burg

Ersteres und letzteres gilt für Das Hexenlied (1919, D) von Eugen Burg, einen nicht überlieferten Film, der nach „Motiven aus Elixiere des Teufels von E.T.A. Hoffmann“ gearbeitet sein wollte, aber dies ganz offensichtlich nicht war.[1]

Der Besessene oder Das Fräulein von Scuderi (1919, D) von Frey

Dateiname: profilbild_no_avatar.jpg. Public Domain. Quelle: http://images.google.de/imgres?imgurl=https%3A%2F%2Fcdn.pixabay.com%2Fphoto%2F2012%2F04%2F26%2F19%2F43%2Fprofile-42914_960_720.png&imgrefurl=https%3A%2F%2Fpixabay.com%2Fen%2Fprofile-man-user-home-human-42914%2F&h=720&w=775&tbnid=Xufgi3NW_XYxTM%3A&vet=1&docid=IDLg4_hhyYLwMM&ei=edtXWIemI4KJaaPUhugN&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=156&page=1&start=42&ndsp=65&ved=0ahUKEwjHxq_FqYDRAhWCRBoKHSOqAd0QMwh_KFcwVw&bih=994&biw=1920

Prof. Dr. Günter Dammann (1941-2021) hat Germanistik und Romanistik studiert, war Literaturwissenschaftler und lehrte lange Jahre an der Universität Hamburg Neuere deutsche Literatur. Er war seit 2006 emeritiert und seine Forschungsschwerpunkte waren das 17. und 18. Jh. sowie der Unterhaltungsroman (→ Forscherprofil).

Günter DammannAUTOR

Das Hexenlied

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

verloren gegangene Filme

Auch Der Besessene oder Das Fräulein von Scuderi (1919, D), ein im Januar 1920 uraufgeführter Film des Regisseurs Karl Frey von (wohl) etwa 70 min. Länge, ist verloren. Es liegt offenbar auch keine Zensurkarte vor, die wenigstens in gröbsten Zügen hätte Auskunft geben können. Die überlieferte Besetzungsliste führt neben Cardillac und seiner Tochter Madelon, neben dem Fräulein von Scuderi und dem Gesellen Olivier sowie dem Grafen Miossens und dem Polizeileutnant Degrais auch noch den Vater und die Mutter Cardillacs.[2]

Der Besessene oder: Das Fräulein von Scuderi

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

Die Elixiere des Teufels (1922, D) von Abter

Zwischentitel

Der Film Die Elixiere des Teufels (1922, D) in der Regie von Adolf Abter (Drehbuch: Meinhart Maur) muss gleichfalls zu den Verlusten gerechnet werden. Das ca. 80 min. lange Werk ist immerhin über die Zulassungskarte vom 28. August 1922 belegt, in der die sechs Akte des Films über die für jeden Akt separat durchgezählten Zwischentitel dokumentiert werden.[3] Da diese Zwischentitel naturgemäß nur Informationen bieten, die nicht aus dem Augenschein des Bildes zu gewinnen sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zulassungskarte über bestimmte und möglicherweise wichtige Vorgänge nicht (direkt) unterrichtet. So sind die Todesfälle sowohl Hermogens als auch Euphemies, die sich im Übergang vom zweiten zum dritten Akt, zu Ende des Aufenthaltes auf dem Schloss des Barons, ereignet haben müssen, an dieser Stelle nicht dokumentiert; erst spät, im fünften und sechsten Akt und also in anderem Kontext, findet sich zweimal ein einschlägiger Hinweis.

Elixiere des Teufels

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

Handlung

Die Adaptation orientiert sich recht loyal an ihrer Vorlage. Bemerkenswert allerdings ist schon im ersten Akt eine Passage, die von Hoffmanns Roman abweicht und Auswirkungen auf die Gesamtstruktur des Erzählens hat:

„14. Wieder genesen, befand ich mich eines Tages in der Reliquienkammer wo mir ein Graf Viktorin gemeldet wurde, und ich stellte eine erschreckende Aehnlichkeit zwischen ihm und mir fest. 15. Ich wette, daß das Elixier des Teufels weiter nichts ist, als herrlicher, alter echter Syrakuser. 16. In der Tat, der Weinkeller des heiligen Antonius war nicht übel, sie täten wohl, den Wein zu versuchen, er würde ihre Kränklichkeit verscheuchen.“

Abweichung von der Vorlage

Für die hier eingeführte Identität des blasphemischen Klosterbesuchers mit Medardus’ Halbbruder gibt es bei Hoffmann selbst keinerlei Indiz. Diese Abweichung von der Vorlage ermöglicht es Maurs Szenario im folgenden, Viktorin, den Doppelgänger und wahnsinnigen Mönch, kontinuierlich im Auge zu behalten.[4]

Statt der hoffmannschen Romanstruktur, die alle in diesen Handlungsstrang gehörigen Vorgänge mit Verzögerung und lange Zeit auch nicht vollständig darbietet, begegnen wir im Film einer Form der Mitteilung, die uns bereits nach den Stationen auf dem Schloss des Barons und in der Handelsstadt, also während Medardus’ Aufenthalt im Försterhaus, rückhaltlos die Zusammenhänge enthüllt. Vierter Akt:

„9. Der wahnsinnige Graf Viktorin dringt in das Zimmer des Medardus. 10. Erkennst mich wohl nicht, Brüderlein, weil Du mich tot glaubst? Ich bin Graf Viktorin, Dein Doppelgänger. Bei Deinem Anblick, verruchter Satansmönch, stürzte ich vom Felsen. […] Ich bin Du. Wo sind die Briefe meiner geliebten Euphemie? 11. Du bist nicht ich, Du bist der Teufel. 12. Am nächsten Tage. 13. Mittags. 14. Es ist ein wahnsinniger Mönch, den ich im Walde fand. […] Ich muß ihn ins Tollhaus sperren lassen.“[5]

Es bleiben noch der fünfte und der sechste Akt. In ihnen ändert sich das Verhältnis des Szenarios zur Vorlage. Weil der Film die im Roman bis dahin, wenn überhaupt, nur anonymisiert erzählte Viktorin-Handlung dem Zuschauer immer schon offen präsentiert hatte, hat er es nicht mehr nötig, gegen Schluss mit langen Aufklärungen zu kommen – dies umso weniger, als er sich auf die Geschichte der Familie, der Medardus entstammt, von vornherein nicht eingelassen hatte. So nimmt er sich im fünften Akt, der eigentlich mit den Abschnitten I,4 und II,1 des Romans zu tun hätte, nur die Verhaftung des Medardus sowie dessen Traum im Kerker heraus. Gleichzeitig wird in einer Parallelmontage Aurelie gezeigt, wie sie den Transport Viktorins als Mönch ins Irrenhaus beobachtet und zu dem Urteil kommt, sich in der Beschuldigung des Medardus geirrt zu haben. Der sechste Akt bringt dann die letzten beiden Abschnitte des Romans und zeigt den Protagonisten getreu der Vorlage in Italien. „Nach schwerer Buße und harten Kasteiungen“, wie der Zwischentitel 9 des Aktes formuliert, gebietet der Papst Medardus zu sich. Damit setzt dieser sich höchster Bedrohung aus: „14. Flieh, Bruder Du schwebst in Todesgefahr. Der Neid hat Deinen Untergang beschlossen.“ In weiterhin enger Anlehnung an den Roman kehrt Hoffmanns Held in sein Kloster zurück und erlebt die Tötung der an der Schwelle zur Einkleidung als Nonne stehenden Aurelie durch den wieder einmal aufgetauchten Doppelgänger Viktorin.

Interpretation des Films

Wie Maur und Abter ihren Film verstanden wissen wollten, hatte bereits die erste Tafel des ersten Aktes verdeutlicht, in der es hieß:

Dualismus und Doppelgängermotiv

„Der Kampf des Guten mit dem Bösen, des Lichtes mit der Finsternis, des Ormuzd mit Abriman [sic], ist alt, wie die Welt. Das eine Ich strebt empor, das andere Ich zieht hinab. Jeder Mensch hat den Kampf mit seinem anderen Ich zu bestehen. Personifiziert, greifbar gestaltet hat diesen Dualismus der größte Dichter der Phantastik, E.T.A. Hoffmann. Er schuf die Gestalt des Doppelgängers. Der Sinn unseres Films: Der Mensch, der in die Höhe strebt, wird von seinem anderen Ich niedergehalten. Er strauchelt, fällt, sündigt, beichtet, büßt und wird entsühnt. Der Sinn aller Ethik und Religion.“

Bei aller Loyalität zum hoffmannschen Original reduzieren die Filmemacher das Potential des Romans doch auf ein traditionelles Ethik-Konzept.

Juwelen (1928, AT) von Brückner

Erneut auf unseren Autor berief sich gegen Ende des Jahrzehnts ein österreichischer Film. Juwelen (1928, AT; alternativer Titel: Sensation im Diamanten-Club) von Hans Brückner tauchte aus den Turbulenzen des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm nur beschädigt und gekürzt auf (ca. 64 min.).[6] Unmittelbar unter seinem Titel bekundet der Film: „Nach Motiven von E.T.A. Hoffmann“; nach Lage der Dinge wäre damit Das Fräulein von Scuderi gemeint. Doch unsere eingangs formulierten Kriterien verbieten, hier von einer Verfilmung der serapiontischen Erzählung zu sprechen. Zum einen trägt keine der im Film erscheinenden Personen einen hoffmannschen Namen, zum andern weicht der Plot um den Juwelier, der hier als Serienmörder fungiert, in wichtigen Zügen deutlich von dem ab, den wir vom Original kennen; weder stellt der Mann die Schmuckstücke selbst her noch ist eine emotionale Bindung an die Objekte das Motiv dieses Händlers, der vielmehr die von ihm verkauften Stücke zurückholt, um seiner einzigen Tochter ein materielles Vermögen in Juwelen zu hinterlassen. Auch eine in ein moralisches Dilemma verstrickte Olivier-Figur gibt es nicht.

Juwelen (Sensation im Diamantenclub)

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

E.T.A. Hoffmann Verfilmungen nach dem 2. Weltkrieg

Renaissance in den 1950er Jahren

Aus der Zeit des Nationalsozialismus sind keine Filme überliefert oder Filmprojekte bekannt geworden, in denen sich ein Interesse an E.T.A. Hoffmann und seinem Werk gezeigt hätte.[7] Ein erneutes Interesse wird dagegen recht bald in den fünfziger Jahren rege, wie auf dem von Offenbachs Oper vorgegebenen ‚metaleptischen‘ Weg bereits zu sehen war. Auch im Segment der konventionelleren Verfilmungen beobachten wir nach dem Zweiten Weltkrieg eine Renaissance.

Das Fräulein von Scuderi (1955, DDR/S) von York

Am Beginn ist hier der Film Das Fräulein von Scuderi (1955, DDR/S; 99 min.) zu nennen, ein in den seinerzeitigen kultur- und außenpolitischen Konstellationen des zweiten deutschen Nachkriegsstaats konzipiertes Projekt von großem Ehrgeiz.[8] Mit der Wahl dieses Sujets hatte man aus dem Werk eines Vertreters der an sich staatlicherseits ungeliebten Romantik eine Erzählung herausgegriffen, der immerhin von der DDR-Germanistik realistische Züge attestiert wurden. Regie führte der in Hamburg lebende Eugen York, das Drehbuch schrieben zwei Westberliner Autoren, die bereits mehrere Skripte für die DEFA verfasst hatten. Die hier erkennbaren gesamtdeutschen Aspirationen wurden durch das Engagement der ebenfalls im Westen lebenden Henny Porten für die Titelrolle unterstrichen.

Das Fräulein von Scuderi

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

Von Hoffmanns Novelle zu Yorks Verfilmung

Einen ausführlichen Beitrag zu Eugen York und Das Fräulein von Scuderi finden sie in einem weiteren Beitrag von Prof. Dr. Günter Dammann.

Handlung

Orientierung am Bühnenstück von Otto Ludwig (1846/47) 

Die Umsetzung der Erzählung in das Medium Film löste die komplexe Struktur des Originals in einen linearen, der Chronologie der Ereignisse folgenden Kursus auf, wie das wegweisend schon Die Elixiere des Teufels von 1922 vorgeführt hatten und andere, noch folgende Adaptationen von Einzelwerken Hoffmanns erneut dokumentieren werden. In diesem Fall hält die Narration besonders wenig zurück, ist vielmehr recht mitteilsam, so dass wir schon nach einer halben Stunde René Cardillac als den gesuchten Massenmörder von Paris kennen. Das Drehbuch von Yorks Film orientiert sich darüber hinaus weniger an der Erzählung selbst als an dem nach der Novelle gearbeiteten Bühnenstück (1846/47) von Otto Ludwig, einem Vertreter des Poetischen Realismus. Das gilt vor allem für die Motivierung der Verbrechen des Goldschmieds, die der Film ganz in den sozialgeschichtlichen Bereich verlegt: Cardillac wird angetrieben von einer mörderischen Wut auf alle Kunden, die dem Adel angehören, weil er von einem Trauma beherrscht wird, das aus der vom vierjährigen Kind beobachteten Demütigung seiner in Leibeigenschaft einem Grundherrn unterworfenen Eltern resultiert. Stilistisch orientiert sich Yorks DEFA-Film deutlich am Modell des klassischen UFA-Films. Eine Szenographie, die durch große Sorgfalt und Qualität in Ausstattung und Kostümen auffällt, sowie eine klare episodische Gliederung des filmischen Erzählens durch Schwarzblenden zeigen, dass hier ein auf kulturpolitische Repräsentativität zielendes Projekt der Verfilmung eines Klassikers der deutschen Literatur angestrebt wurde.

E.T.A. Hoffmann und die DEFA

Hier finden Sie einen ausführlichen Beitrag zu den internationalen Hoffmann-Verfilmungen: Das Fräulein von Scuderi (1955) und Die Elixiere des Teufels (1973) von Dr. Anett Werner-Burgmann.

Cardillac (1968, D) von Reitz

Produktionsbedingungen

Widerspruch Kunst als Ware, Kunst als Kunst

revolutionäre Impulse 1968

In denkbar großem Gegensatz dazu präsentierte sich Ende der 60er Jahre Edgar Reitz’ Film Cardillac (1968, D; 97 min.), eine weitere Version der serapiontischen Erzählung über den Goldschmied aus dem Frankreich Ludwigs XIV.[9]

Statt mit dem üppigen Budget einer staatlichen Produktionsgesellschaft wie York musste Reitz (Jg. 1932) mit dem knappen Geld einer Drehbuchprämie aus dem Bundesinnenministerium aus- und zurechtkommen. Cardillac war nicht nur in der Hinsicht ein Film aus der Zeit und dem Geist von 1968, dass seine Finanzierung durch die just angelaufene staatliche Filmförderung ermöglicht wurde, sondern war dies nach Reitz’ eigener Darstellung ferner sowohl mit der von ihm nach Hoffmann erzählten Geschichte des Juweliers als auch den in der Anfangsphase der Dreharbeiten sich lostretenden Turbulenzen im Produktionsteam. E.T.A. Hoffmanns ingeniöse Erfindung eines Künstlers, der die von ihm hergestellten Objekte nicht seinen Kunden überlassen kann, sondern sie durch Mord am Käufer zu sich zurückholt, enthielt wie eine Büchse der Pandora einen ganzen Stapel von heißen Diskussionsthemen gerade für die Achtundsechziger – Widerspruch zwischen Kunst als Ware und Kunst als „Kunst“, Entäußerung durch die Arbeit als ein Prozess der Entfremdung, art pour l’art als falsches Programm eines Künstlers im Elfenbeinturm und was sonst noch an Fragen im Umkreis von Künstlertum und Markt unter kapitalistischen Strukturen assoziierbar war.

Zu den Turbulenzen aber hatte Reitz selbst beigetragen, insofern er seit langem egalitäre Vorstellungen von der Arbeit an einer Filmproduktion ventilierte, deren  impliziter revolutionärer Impuls im Jahre 1968 auf einen enormen Resonanzboden traf. Dem Filmemacher entglitt zeitweise jede Kontrolle über das Projekt. Der in Berlin gedrehte (und auch in Berlin spielende) Film wurde von Reitz ohne das Team in München fertiggestellt, erhielt zwar im Folgejahr 1969 den Silbernen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig, fand aber keinen kommerziellen Verleiher.

Cardillac

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

Handlung

dokumentarische Elemente

selbstreflektorische  Ebene

Der auch über seine Erzählästhetik unverkennbar im Kontext des Jungen Deutschen Films der Sechziger zu verortende Cardillac bietet uns in seiner ersten Hälfte keine einem Spannungsbogen folgende Spielfilmhandlung, sondern kommt teilweise als (natürlich fingierter) Dokumentarfilm daher: Eine sich mehrfach zu Wort meldende Erzählstimme spricht anfangs eine Kurzbiographie und Würdigung des Künstlers René Cardillac, stellt uns seine Tochter Madelon, etwa ihre Begeisterung für den Kurzwellenfunk, sowie seinen Agenten und „Mitarbeiter“ Olivier vor. Dokumentarisch gibt sich Reitz auch, wenn er den berühmten Goldschmied am Arbeitstisch, beim Frühstück oder – stets elegant gekleidet mit dunklem Mantel und weißem Schal – beim Spaziergang zeigt.

Ein wichtiges rekurrentes Motiv im Leben dieses Cardillac ist die Vorführung seines Schmucks durch und für ihn selbst am entkleideten Körper seiner eigenen Tochter. Die sexuellen Implikationen, die man natürlich gleich gewittert hat, dürften minimal sein; vielmehr zeigt sich hier, im zwanghaften Bedürfnis der Anschauung von Goldschmuck auf makelloser brauner Haut unter überhellem Kunstlicht, der solipsistische Ästhetizismus dieses Künstlers in der Nachfolge des hoffmannschen Vorbildes.

In einen Spielfilm, der nun doch auf ein Ende zusteuert, geht der ‚Dokumentarfilm‘ über, als er seinen Protagonisten den Suizid vorbereiten und zunächst in einer Art Generalprobe scheiternd umsetzen lässt. Als Auslöser des Entschlusses zum Freitod legt Reitz zum einen das Leiden unter dem Zwang zum Verbrechen, zum andern eine tiefe Krise in der künstlerischen Selbstdefinition des vor dem Alter stehenden Künstlers nahe.

Eine markante selbstreflektorische Ebene erhält Cardillac noch über seine partielle Destruktion des üblichen Schauspieler-Modells, wenn die Darsteller Oliviers und Madelons vor der Kamera ausgiebig über die Personen reflektieren, die sie zu verkörpern haben. Bewusst provokant wird man es auch nennen dürfen, wenn nicht wenige aus dem darstellenden Personal Laien sind und einige sich sogar in ihrer eigenen Identität spielen – so der Industriellensohn Gunther Sachs, der tatsächlich Kunstsammler war, oder Ali Schindehütte, dem sich Cardillac als einem Künstler der jungen Generation nähert.

Solipsismus

erkenntnistheoretische Position, die alle Gegenstände der Außenwelt und auch so genannte fremde Ichs nur als Bewusstseinsinhalte des als allein existent angesehenen eigenen Ichs sieht

Die zwei Verfilmungen von „Die Elixiere des Teufels“ in den 1970er Jahren

Hatte es mit dem Fräulein von Scuderi zu Beginn der Ost-West-Konfrontation im Nachkriegsdeutschland noch fast so etwas wie die gemeinsame Adaptation eines Werks von Hoffmann gegeben, in der zwar die DEFA den Ton angab, aber doch unter Beteiligung eines recht großen Personalanteils westdeutscher Provenienz, so kam es zwei Jahrzehnte später zu zwei gänzlich konträren Adaptationen des schwierigen Romans Die Elixiere des Teufels, von denen die erste (1972, DDR/ČSSR; 106 min.) eine gemeinsame Produktion der DEFA mit dem Filmstudio Barrandov (Prag), die zweite (1976, D; 113 min.) ein rein westdeutsches, von einer Münchner Produktionsfirma in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk realisiertes Projekt war.

Die Elixiere des Teufels (1972, DDR/ČSSR) von Kirsten

Die ostdeutsch-tschechoslowakische Adaptation (Regie: Ralf Kirsten; Drehbuch: Brigitte Kirsten) legt Hoffmanns Klostergeschichte als eine vehemente Abrechnung mit dem katholischen Klerus aus.[10]

Die Elixiere des Teufels | Elixíry d’ábla

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

Handlung

Franziskus, Schüler des Kapuzinerklosters

kritischer Blick auf den Orden

Personengeflecht

Graf Viktorin

Aurelie

Baronin Euphemie

Medardus-Franziskus

Beschuldigung des Doppelmordes

weltliche und kirchliche Intrigen

Belcampo

Zu dem Zweck lässt sie die Handlung zu einem Zeitpunkt beginnen, da Franziskus noch nicht der Mönch Medardus, sondern ein Schüler des Kapuzinerseminars ist und der Baronesse Aurelie von Waldstätten erstmals begegnet. Die junge Adlige, die beim tollkühnen Ritt in wildes Gebirgswasser stürzt, wird vor dem Ertrinken durch den künftigen Mönch gerettet, der – um es biblisch zu sagen – die attraktive Aurelie anschließend ‚erkennt‘. Franziskus hat seit langem den festen Entschluss gefasst, sein gesamtes künftiges Leben dem Kloster zu weihen. Die Gründe dafür sind nicht spiritueller Art; vielmehr sieht der ebenso ernsthafte wie arglose junge Mann in der Klostergemeinschaft ein Ideal sozialer Gleichheit, dem er sich aus Ekel vor der Welt, die er von Reichtum, Korruption, Gewalt und Standesdifferenzen beschmutzt sieht, verschreiben möchte. Die ihre Identität vor dem Sohn verhehlende Mutter des jungen Mannes sucht, obgleich selbst Äbtissin, verzweifelt Franziskus anderen Sinnes zu machen, freilich erfolglos. Schon im Kontext der Einkleidungszeremonie räumt der Film die letzten Zweifel daran aus, dass Franziskus’ Sicht auf Welt und Kloster grenzenlos naiv ist: Kurze Inserts heimlicher Lauscher, Blickwechsel zwischen Entscheidungsträgern, Machtbegehren und Zynismus eines skrupellosen Bischofs – dem Film geht es vornehmlich darum, die Welt des Ordens in sehr kritischem Licht erscheinen zu lassen. So wird etwa der junge Bruder bei seinem Gespräch mit einem Besucher des Klosters heimlich belauscht und zu einer nächtlichen Auspeitschung durch die Mönche verurteilt.

Noch bevor nun der Weg des Protagonisten durch die Welt beginnt, hat der Film das Personengeflecht etabliert, in dem sein Held sich alsbald verfängt. Wir sahen bereits den Grafen Viktorin bei der Baronin Euphemie von Waldstätten, deren Geliebter er war und die ihn nun abserviert, weil sie den attraktiven jungen Bruder Medardus ins Auge gefasst hat. Viktorin ist denn auch – wie schon in der Verfilmung von 1922 – jener Besucher des Klosters, der dreist das Elixier als alten Syrakuser verkostet. Konsequent erscheint die erste Station auf dem Weg des Mönchs durch die Welt nicht als Ereignis des Zufalls oder des Fatums, sondern als Resultat einer Lenkung vom Schloss des Barons aus. Auch führt der Film Viktorin nicht als einen Halbbruder des Protagonisten; das bei Hoffmann ganz wesentliche Doppelgängermotiv entfällt mithin. Die Station auf dem Schloss erhält dafür zwei andere wesentliche Funktionen: Zum einen führt sie Medardus und Aurelie nach der flüchtigen Begegnung am Gebirgswasser als ein Paar zusammen, das sich bereits auf Elternfreuden einstellen kann; zum andern hat der Mönch auch wegen dieser prospektiven Einbindung in eine Familienbeziehung Distanz zu seinem Gelübde gewonnen, von dem er sich loskaufen will. Das Ende der Station provoziert die Baronin Euphemie, indem sie ihren unwillig gewordenen Liebhaber Medardus aus Rache zweier Morde bezichtigt, die sie selbst begangen hat.

Dass nicht nur die Welt des Klerus, sondern auch die des Adels voller Gewalt und Hinterlist ist, hat der Protagonist der Kirstens damit erfahren, und er lernt in dieser Hinsicht noch mehr in seiner nächsten Station, der Residenzstadt. Hier läuft Medardus–Franziskus erneut dem Grafen Viktorin über den Weg, dessen Eleganz auch ein Sturz in den Abgrund nichts anhaben konnte und der sich seine ehemalige Spielfigur nun erneut vornimmt, um sie bei Hofe als jenen Polen aus Krakau einzuführen, den bei Hoffmann Medardus selbst im Strafverfahren gegen ihn für sich als pseudonyme Existenz erfunden hatte. Viktorins Absicht ist, den Mönch in der Öffentlichkeit eines höfischen Balles zu identifizieren und ihn unter der Beschuldigung des Doppelmords festnehmen zu lassen. Unversehens jedoch wird der Angeklagte auf Befehl des Fürsten wieder freigelassen, freilich in einer ganz anderen Konstellation, als dies im Roman (oder auch im Film von 1922) geschah:

Das Kalkül des Fürsten ist, die Entledigung des Täters aus dem Gewahrsam werde seitens der Öffentlichkeit als eine Gewalttat der Kapuziner wahrgenommen und das Ansehen des Mönchtums schwächen. Den Zynismus der weltlichen Gewalt schlägt die Skrupellosigkeit des Bischofs nun allerdings um Längen. Dieser nämlich lässt einerseits Franziskus–Medardus durch ein Gift beseitigen, bei dem es sich tatsächlich nur um ein Betäubungsmittel handelt, so dass gleichzeitig andererseits verdeckt angeordnet werden kann, unter Beseitigung der Schinderknechte den schönen Franziskus ihm, dem homosexuellen Bischof, als exklusiven Liebhaber zuzuführen.

Die Umschwünge dieses Finales überschlagen sich. Am Ende widersetzt in einer großen Kirchenszene, in der fast alle Personen des Films noch einmal versammelt sind, Aurelie sich ihrer Einkleidung und wird Medardus nach dem öffentlichen Eingeständnis seines großen Irrtums, in der Welt des Klerus „unabhängig von den Reichen und Mächtigen da draußen“ zu werden, von einem Bruder des eigenen Ordens erstochen. Eigentlich aber gehört das Ende der Adaptation von 1972 dem Friseur und Narren Pietro Belcampo, der schon in Hoffmanns Roman eine größere Nebenrolle innehatte und sie auch im Film von 1922 noch spielte. Dass Belcampos Bedeutung hier nun nochmals erheblich aufgewertet wird, zeigt schon die Besetzung mit Fred Düren, einem der markantesten Schauspieler des ostdeutschen Staates, das zeigt darüber hinaus die Umstilisierung der Figur auf brechtsches Format, das zeigt vor allem aber der Theatercoup des Finales: Belcampo ist der Maler Francesko, Belcampo ist der Vater des Medardus. Er ist es, der im Schlussbild Aurelie und ihr trotz der Anordnungen des Bischofs am Leben gebliebenes Kind in die Freiheit führt.

Insert

„Ein Insert ist eine Einstellung, die „in eine andere Einstellung“ eingeschnitten wird. Meist zeigt das Bild ein Objekt oder ein Handlungsdetail und lenkt die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf einen sehr engen visuellen Ausschnitt des Handlungsfeldes.“

Hans Jürgen Wulff

Quelle:  Lexikon der Filmbegriffe

Einkleidung

Im Christentum ist die Einkleidung in der Tradition der Ordensgemeinschaften die in einen Ritus gekleidete Übergabe des Ordensgewandes an ein neues Mitglied der Gemeinschaft.

Rezeption

Größerer Erfolg war „dieser derben gesellschaftskritischen Version“,[11] die sich zwar an zahlreichen Stellen bis in den Wortlaut hinein auf die Vorlage bezieht, aber doch so wesentliche Elemente des Romans wie den Wahnsinn und das Doppelgängermotiv eskamotiert, nicht beschieden.

Eingangszitat

Doppelgängermotiv und Wahnsinn im Zentrum

Die Elixiere des Teufels (1976, D) von Purzer

Zu einer (impliziten) polemischen Antwort kam es vier Jahre später durch eine westdeutsche Verfilmung des gleichen Stoffes. Über Die Elixiere des Teufels von 1976 (Buch und Regie: Manfred Purzer, *1931, Autor von Drehbüchern nach Romanen Johannes Mario Simmels und anderer, aber auch für Rainer Werner Fassbinder, sowie mehrfach selbst Regisseur) hat man gesagt, an ihm lasse „sich zeigen, wie man Hoffmanns Roman entschlacken und dessen Handlungskern filmgerecht freilegen kann“.[12] Wie die Elixiere von 1922 beginnt Purzers Film mit einer schriftlichen Kundgabe seines Skopus, der sich indessen von der betulichen Ethik unterscheidet, mit der wir bei Maur und Abter konfrontiert worden waren: „75 Jahre bevor Sigmund Freud die Geheimnisse der menschlichen Seele wissenschaftlich zu enträtseln begann, beschrieb E.T.A. Hoffmann die phantastischen Abenteuer eines gespaltenen ICHs…“ Damit signalisiert diese Adaptation, dass sie gerade das Motiv des Doppelgängers und das Thema des Wahnsinns ins Zentrum stellen will, die in der Koproduktion der DEFA mit dem Filmstudio Barrandov so gar keine Rolle gespielt hatten.[13]

Die Elixiere des Teufels

Weitere Daten zu diesem Film finden Sie in unserer Filmografie

Handlung

Mönch Medardus

Begegnung mit dem Doppelgänger

Auflösung des Identitätstausches

Der Film setzt sogleich ein mit den Turbulenzen, denen der Mönch Medardus durch die in der Reliquienkammer seines Klosters aufbewahrten Flaschen ausgesetzt ist, die einst angeblich der Teufel selbst dem Hl. Antonius aufgedrängt habe. Das befremdliche Verhalten des noch jungen Bruders, der seine Predigten gezielt auf Effekte abstellt, um sich den Ruhm eines von der Menge verehrten Geistlichen zu erarbeiten, bewegt den Prior dazu, zur Verhütung von Schlimmerem Medardus zuvorzukommen und ihn auf eine Mission nach Rom zu senden. Damit hat der Film die Ausgangskonstellation des Romans umrissen und schließt die große wichtige Station seines Protagonisten auf dem nahen Schloss des Barons von (im Roman: F., hier:) Fürstenau an, des Vaters der Geschwister Hermogen und Aurelie und Ehemannes der für ihn viel zu jungen und ihn schamlos betrügenden Euphemie. In Purzers Elixieren kommt es wie bei Hoffmann erst am Beginn dieser Episode zur ursprünglichen Begegnung Medardus’ mit jenem Doppelgänger Graf Viktorin, der sein weiteres Leben (mit-)bestimmt.

Des Mönchs Aufenthalt bei der Familie von Fürstenau endet mit dem Tod Euphemies und Hermogens, beide jeweils in einer Art von Notwehr durch Medardus verursacht. Die Flucht des Helden aus dieser ersten Station seines Weges erlaubt sich der Film zusätzlich mit einem spektakulären Großbrand des Schlosses zu illuminieren. In der Folge verzichtet Purzer dann auf die Ausdifferenzierung der Romanhandlung in die Stationen Handelsstadt und Fürstenresidenz und greift aus ihnen nur die wichtigsten auf den Protagonisten bezüglichen Episoden heraus: Medardus macht die Bekanntschaft des Friseurs Belcampo alias Schönfeld, der hier nicht nur den Narren gibt, sondern in die Nähe einer närrischen Doppelgängerschaft zum Mönch gestellt wird. Und Medardus sieht sich unversehens aufgrund der Vorgänge im Schloss des Barons von Fürstenau verhaftet und sucht sich mit der Fiktion einer Identität als polnischer Adliger aus der Affäre zu ziehen.

In einer langen, in seinem Verließ situierten Szene spielt der Film die durch Theodor Hosemanns Zeichnung berühmt gewordene Erscheinung des Doppelgängers aus dem Boden des Kerkers nach. Neu gegenüber dem Roman ist ein nach der Befreiung des Gefangenen, den man amtlicherseits unversehens nicht mehr für den Mönch Medardus hält, anberaumter Besuch im Irrenhaus. Durch Einfügung dieser Szene wird die sehr lange Auflösung des Identitätstauschs zwischen Medardus und Viktorin bei Hoffmann abgekürzt, aber zugleich auch eine eindringlichere Thematisierung ethischer und theologischer Fragen über Tugend und Sünde, Schuld und Befreiung von Schuld umgangen. So sind die Insassen des Asyls mitsamt dem Horror, den ihre Welt ausstrahlt, im Film allein visuell präsent.

Die letzte halbe Stunde gehört Medardus in Rom und nach Rom. Der Film hält sich eng an die Romanvorlage, wenn er Medardus’ Verfolgung durch den Papst und dessen Berater vor dem Hintergrund der ordenspolitischen Opposition zwischen Dominikanern und Kapuzinern (und nicht etwa als Ausdruck grundsätzlicher Kriminalität des römischen Klerus) sieht. Den Anschlägen der – seit der Inquisition in der Verfolgung von Gegnern erfahrenen – Dominikaner mit Glück entkommen und wieder ins heimatliche Kloster zurückgekehrt, sieht unser Held sich einer letzten Prüfung ausgesetzt: Aurelie, die Baronesse von Fürstenau, die ihm schon eingangs als berühmtem Prediger ihre Liebe im Beichtstuhl gestanden und die während seines von zwei gewaltsamen Todesfällen gezeichneten Aufenthaltes auf dem Schloss sowohl seine Leidenschaft hatte erkennen wie auch zu fürchten lernen können, wählt ihrerseits den Weg ins Kloster. Diesmal widersteht der Reuige, der bei der Einkleidungszeremonie anwesend ist, jedem Ausbruch unkontrollierter Affekte; aber seinem wahnsinnigen Doppelgänger Viktorin gelingt es, sich auf Aurelie zu stürzen und sie zu töten. Am Ende exponiert der Film, der schon ganz zu Anfang die quasi-mythische Figur des hoffmannschen Romans, den Maler Francesco, ins Bild gebracht hatte, nochmals und mit Aplomb diese Gestalt, deren Funktion freilich gering ist, da man seitens des Skripts von vornherein auf die komplizierte Familiengeschichte verzichtet hatte.

Vergleich der unterschiedlichen Versionen

Purzers Film betont seinen mit der Schrifttafel des Eingangs formulierten Skopus (sowie seine Distanz zur Version der Elixiere aus Berlin und Prag) partiell auch durch seine Erzählästhetik. Auffällig ist die Narration über Großaufnahmen, die naturgemäß dem Filmpublikum die Orientierung erschwert, sowie die Verwendung von low-key-Fotografie. Bei allen Unterschieden verbindet beide Filme allerdings ein kurioses Detail: Sie zeigen sich außerstande, den Vornamen „Aurelie“ in korrekter Aussprache zu bieten; im Falle von Purzers Film gilt das auch für den Namen „Euphemie“.

„Der Sandmann“ im Kino

E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann (1993, D) von Schmidt

Hoffmanns Nachtstück Der Sandmann, das es bereits 1914 – wie im folgenden Kapitel gleich darzustellen ist – zu einem Szenario gebracht hatte, wurde Jahrzehnte später dann doch noch als E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann (D, 1993; 99 min.) von Eckhart Schmidt für das Kino adaptiert.[14]

Der Sandmann

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Handlung

traumatische Erinnerung

Olimpia als Androide

Daniel (wie Hoffmanns Nathanael hier heißt) reist mit seiner Freundin nach Oberitalien in das Städtchen Gardone, das ihm aus seiner Kindheit in traumatischer Erinnerung ist und das er nun zum erstenmal wiedersieht. Wie er der Freundin äußerst zögerlich und spärlich offenbart, ist sein Vater bei Experimenten mit einem gewissen Coppola in einer Brandkatastrophe ums Leben gekommen, die Mutter gleichfalls gestorben, er selbst als Waise an anderem Ort aufgewachsen. Hier folgt der Film dem Sandmann-Motiv der Erzählung recht treu.

Ohne darauf gefasst zu sein, begegnet der junge Mann aber dem noch lebenden Coppola sowie dessen Tochter Olimpia, die ihn als Bild makelloser Schönheit vom ersten Augenblick an nicht loslässt. Nachdem die Dinge sich in dieser Konstellation eine genaue geschlagene Stunde lang im Kreis gedreht haben (und das Analogon Claras, die grob vernachlässigte Freundin, endlich abgereist ist), kommt Schmidts Coup: Olimpia ist, womit man angesichts des Augenscheins und auch angesichts der durchgängig ausgesendeten Gattungssignale des Realismus nicht rechnen konnte, ein Androide, der Film also partiell Science Fiction. Es folgt ein zweiter Coup: Coppola, der Kollaborateur, dem Daniel seit je die Schuld am Tod des Vaters zumaß, ist vielmehr seinerzeit selbst verunglückt, der überlebende angebliche Coppola hingegen niemand anders als Daniels eigener Vater.

Rezeption

In den damit eröffneten Feldern werden einige Fragen nach Themen wie Schönheit und Makellosigkeit, Künstlichkeit und Geschichte, Liebe und Schmerz, Maschine und Freiheit gestellt, wie der Film überhaupt seine wenigen Personen ununterbrochen Fragen stellen, diese aber kaum jemals beantworten lässt. E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann, in der filmischen Machart sehr konventionell, war offenbar auf nationaler oder gar internationaler Ebene nicht erfolgreich. Eckhart Schmidts, des ehemaligen Münchner Film- und Musikkritikers, Rezeptionsstandort scheint der Dunstkreis der bayrischen Landeshauptstadt geblieben zu sein.

Anmerkungen

[1] Ich stütze mich hier auf Klaus Kanzog: Reflexe der Werke E.T.A. Hoffmanns im Film. In: E.T.A.-Hoffmann Jahrbuch 17 (2009), S. 149–165, S. 154.

[2] siehe Filmographie im E.T.A. Hoffmann Portal.

[3] Das Dokument findet sich im Bundesarchiv (Berlin); Bestandssignatur: BArch, R 9346 / B. 6355. Ich danke Ute Klawitter für die freundliche Bereitstellung einer Kopie der Zulassungskarte; diese Quelle hatte seinerzeit bereits Kanzog benutzt.

[4] Diese Identifikation des agnostizistischen Klosterbesuchers mit Medardus’ Halbbruder Viktorin findet sich erneut in Ralf Kirstens Verfilmung von 1972.

[5] Man wird bei Vertrautheit mit dem Roman die einzelnen Zwischentitel leicht ihren jeweiligen Sprechern zuordnen können.

[6] Benutzter Überlieferungsträger: DVD. Zum Film Olaf Brill: Juwelen (Sensation im Diamanten-Club). In: Zwischen Revolution und Restauration. Kultur und Politik 1789–1848 im Spiegel des Films. Katalog Cinefest – XIV. Internationales Festival des deutschen Film-Erbes. Hg. von Cinegraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung und Bundesarchiv. [Hamburg 2017] S. 28f.

[7] Darauf weist hin Kanzog, Reflexe des Films (Anm. 1), S. 160.

[8] Die Ausführungen über diese Adaptation können hier kurz gehalten werden, weil der Film und die Zusammenhänge, in denen er steht, bereits eine längere Behandlung erhalten haben in https://etahoffmann.staatsbibliothek-berlin.de/erforschen/rezeption/hoffmann-im-film/york_scuderi/.

[9] Benutzter Überlieferungsträger: DVD. Zu diesem Film siehe Thomas Koebner: Edgar Reitz. Chronist deutscher Sehnsucht. Eine Biographie. Stuttgart 2015, S. 51–59; Edgar Reitz: Die große Werkschau. Ein Handbuch. Marburg 2018, S. 79–87; Michael Töteberg: Das Interesse galt nicht der Literatur oder Wie der Neue Deutsche Film Büchner und E.T.A. Hoffmann zu Zeitgenossen der APO machte. In: Gegenwart historisch gesehen. Kultur und Politik 1789–1848 filmisch reflektiert. Red. Swenja Schiemann u. Erika Wottrich. München 2018 (CineGraph Buch), S. 41–55, hier 49–51. Ferner sind wichtig das Interview zwischen dem Hg. und dem Filmemacher in Edgar Reitz: Drehort Heimat. Arbeitsnotizen und Zukunftsentwürfe. Hg. v. Michael Toteberg. Frankfurt a. M. 1993, S. 155–269, hier 253–255 und das Interview vom 6. Oktober 2011 in Melanie Parzer: Cardillac – eine intermediale Übersetzung. Die Novelle ‚Das Fräulein von Scuderi‘ von E.T.A. Hoffmann im Vergleich mit Edgar Reitz’ Film ‚Cardillac‘. [Diplomarbeit Universität Wien.] Saarbrücken 2013, S. 113–129.

[10] Benutzter Überlieferungsträger: VHS-Kassette. Zum Film siehe auch Anett Werner-Burgmann: ‚Kino ist fast notwendig verbunden mit Gegenwart‘. Die DEFA-Klassikerverfilmungen der 1970/80er Jahre. In: Gegenwart historisch gesehen (Anm. 9), S. 97–109, hier 103–106; vgl. https://etahoffmann.staatsbibliothek-berlin.de/erforschen/rezeption/hoffmann-im-film/hoffmann-defa/.

[11] Kanzog: Reflexe im Film (Anm. 1), S. 158.

[12] Kanzog: Reflexe im Film (Anm. 1), S. 159.

[13] Material für eine genauere Einschätzung der Unterschiede zwischen den Elixieren von 1972 und 1976 aus der Perspektive des hoffmannschen Romans und unter den Aspekten des Doppelgängertums und des Wahnsinns findet man in der sehr sorgfältigen Analyse Wolfgang Nehring: E.T.A. Hoffmann: ‚Die Elixiere des Teufels‘ (1815/16). In: Romane und Erzählungen der deutschen Romantik. Neue Interpretationen. Hg. v. Paul Michael Lützeler. Stuttgart 1981, S. 325–350, 339–345. – Benutzter Überlieferungsträger: VHS-Kassette, eingesehen unter www.youtube.com/watch?v=P8I-njIlquw im Sommer 2019.

[14] Benutzter Überlieferungsträger: DVD.

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