Teilnachlass von Hoffmann-Zeichnungen des österreichischen Malers Wolfgang Schaukal erworben
Die Staatsbibliothek konnte in diesem Frühjahr ein Konvolut von 139 fertigen Arbeiten, Entwürfen, Skizzen und Studien Wolfgang Schaukals (geb. 1900 – gest. 1981) zu E.T.A. Hoffmann erwerben. Ermöglicht wurde dieser Ankauf durch die Mittel des Christa Karoli Nachlasses.
Der Großteil dieser Zeichnungen und Radierungen stammt aus Schaukals früher Schaffensperiode bis 1924. Bereits im Alter von 16 Jahren hatte Wolfgang Schaukal begonnen, sich mit Hoffmanns Werk zeichnerisch auseinanderzusetzen. Diese Arbeiten waren nicht für die Publikation und auch nicht für ein großes Publikum bestimmt: sie sind daher keine Nacherzählungen oder bloße Illustrationen der Handlungen, sondern freie Auseinandersetzungen vor allem mit dem Unheimlichen, dem Geheimnisvollen, dem Skurrilen und dem Phantastischen, aber auch der Zerrissenheit der Protagonisten. Wie Hoffmann selbst setzte Schaukal seine inneren Bilder in äußerst lebendige und anschauliche Zeichnungen um.
Johann Wolfgang Schaukal wurde 1900 in Hranice / Mährisch Weißkirchen geboren. Als Sohn des Schriftstellers Richard von Schaukal, für den E.T.A. Hoffmann eine große Rolle spielte und der zahlreiche Hoffmann-Werke herausgab, kam Wolfgang schon als Kind mit den Werken Hoffmanns in Kontakt. Regelmäßiges Familienritual war zum Beispiel, dass die Werke E.T.A. Hoffmanns (und anderer Dichter) vom Vater vorgelesen wurden. Der Künstler Anton Kolig, mit dem Richard von Schaukal befreundet war, fing die Atmosphäre und das Ambiente dieser Vorleserunden in dem Gemälde „Bildnis der Familie Schaukal“ anschaulich ein. Der Dichter Richard Schaukal sitzt vorlesend in der Bildmitte, Johann Wolfgang, damals 11 Jahre alt, steht gespannt lauschend hinter ihm. Richards Ehefrau Fanny und die beiden jüngeren Kinder sitzen am Tisch. Unbekannt ist leider, ob es sich bei diesem Text um eine Hoffmann-Erzählung handelt.
Bei Anton Kolig (1886 – 1950), einem der wichtigsten österreichischen spätexpressionistischen Künstler des 20. Jahrhunderts, war Johann Wolfgang Schaukal auch – während seiner Zeit als Student der Chemie an der Universität Wien – einige Jahre Schüler. Obwohl Schaukal diese Zeit bei Kolig im Nachhinein als „nicht als besonders glücklich“ bezeichnete, beeinflusste ihn dieser Künstler sehr.
Neben dem Unterricht bei Anton Kolig besuchte Schaukal in den Jahren 1921 und 1922 zweimal die Königliche Kunstakademie in Stockholm, zudem belegte er Kurse in Radierung und Lithographie an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien.
Schaukal war zeit seines Lebens in kunstnahen Bereichen tätig: so arbeitete er zwischen 1928 und 1931 als Theaterzeichner in Wien und Berlin, war als Privatassistent bei Herbert Boeckl an der Akademie der Bildenden Künste in Wien tätig, leitete von 1947 bis 1969 die Grazer Urania und unterrichtete zeitweise Künstlerische Gestaltung an der Technischen Hochschule Graz. Immer pflegte er enge Kontakte zu Künstlervereinigungen wie zum Beispiel der „Grazer Sezession“. Auch wenn es zu seinen Lebzeiten einige Ausstellungsbeteiligungen gab, so tauchten die meisten seiner Arbeiten erst nach seinem Tod 1981 auf, so dass die Vielfalt seines künstlerischen Wirkens (neben Hoffmann illustrierte Schaukal u.a. auch Werke von Stifter, Chamisso, Dickens, Shakespeare, Kleist, Dickens, Nestroy, Mallarmé oder Miguel de Cervantes „Don Quijote“) spät sichtbar wurde und erst dann in Ausstellungen u.a. in Graz und Wien einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden konnte.
Zahlreiche Werke E.T.A. Hoffmanns setzte Schaukal ins Zeichnerische um: so z.B. das Fremde Kind, Signor Formica, Elixiere des Teufels, der Goldene Topf und Don Juan.
Den stolzen Don Juan mit gezogenem Schwert veranschaulicht er genauso eindrücklich wie Klein Zaches‘ skurriles Wesen, den Zwerg Pitichinaccio aus Signor Formica, Meister Floh oder den Sandmann.
Aber auch das Karikaturhafte, das ja auch Hoffmanns zeichnerisches Werk ausmacht, findet sich in Schaukals Arbeiten häufig wieder; wie in dieser Zeichnung zur Erzählung Don Juan, in der sich der „kluge Mann“ und das „Mulatten-Gesicht“ an der Wirtstafel über die Sängerin Donna Anna unterhalten.
Schaukal hatte einen guten Blick für die Lebendigkeit der Szenen und fing sie in seinen Zeichnungen – wie in dieser Reihe zu Hoffmanns Erzählung „Der Goldene Topf“ – anschaulich ein.
Die große Liebe zu E.T.A. Hoffmann zeigt sich auch in diesem Entwurf für eine Kamin-Kachel. Die Kacheln bemalte Schaukal in den 1950er Jahren selbst und ließ sie in einen großen Kachelofen in seiner Grazer Wohnung einsetzen. Schaukal verewigte Kindheitserlebnisse, seine Familie, seine Tätigkeit in Graz – und auch E.T.A. Hoffmann.
Die Zeichnungen werden in der Kinder- und Jugendbuchabteilung verwahrt und umfassend erschlossen. Ein ausführlicher Beitrag zu der Erwerbung wird im Bibliotheksmagazin 1/22 erscheinen.
Ausstellungen (Auswahl):
1982 Ausstellung Neue Galerie, Graz
1991 Ausstellung Österreichische Galerie, Oberes Belvedere, Wien
2019 Ausstellung Urania, Graz
Literatur:
Wolfgang Schaukal : (1900 – 1981) ; Oberes Belvedere, Wien, 18. Jänner bis 24. Februar 1991 / [Hrsg.: Österreichische Galerie Wien. Ausstellung und Katalog: Regine Schmidt und Barbara Schaukal]. Wien : Österr. Galerie, 1991. StabiKat
Wolfgang Schaukal 1900-1981 : Gemälde und Grafiken ; Graz, Neue Galerie, 30.3.-26.4. 1982, Linz, Stadtmuseum-Nordico, 13.5.-13.6. 1982. Graz : Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, 1982. StabiKat
Wolfgang Schaukal 1900-1981 : Frühe Zeichnungen zu E. T. A. Hoffmann, Prosper Mérimée, Stéphane Mallarmé, Adelbert von Chamisso, Miguel de Cervantes u. a. ; Graz, Neue Galerie, 7.10.-8.11.2019. Graz : Urania, 2019. Ausstellungsbegleiter Wolfgang Schaukal, Graz 2019