Call for Papers: New Approaches to Romanticism

Aufruf zur Einreichung von Beiträgen zum NASSR Graduate Blog und Beitritt zu einer Diskussionsgruppe.

Die NASSR Graduates Students Caucus (The Graduate Student Community of the North American Society for the Study of Romanticism) bietet Absolvent:innen und allen anderen Nachwuchswissenschaftler:innen, die zur Romantik forschen, die Möglichkeit, ihre Forschungsprojekte und Ideen auf ihrem Blog vorzustellen und zu diskutieren.

Willkommen sind Blog-Beiträge (400-600 Wörter) zu jeder Phase der Forschung. Die Einreichungen können Forschungsvorschläge, Abstracts oder kurze Essays enthalten, aber auch frühe Texte, die den Beginn einer Forschung widerspiegeln, z.B. einen Fragen-Katalog, erste Beobachtungen und Intuitionen. Eingereicht werden kann alles, was mit der eigenen Forschung verbunden ist, solange es die Form eines zum Nachdenken anregenden und gut ausgearbeiteten Blogeintrags annehmen kann. Durch die darauf folgende gegenseitige Einladung, sich dieses „Labor“ der Ideen anzusehen, will die Plattform Diskussionen und Reflexionen darüber anregen, wie Annäherungen an die Romantik auf intellektueller und persönlicher Ebene aussehen können. Um fachübergreifende Gespräche unter den Blog-Mitwirkenden zu fördern, ist sie offen für Einreichungen aus allen Disziplinen.

Nach ausreichender Anzahl von Bewerbungen wird eine Diskussionsgruppe gebildet, die aus den Blog-Mitwirkenden besteht, um für jedes Forschungsprojekt detailliertes Feedback zu geben.

Die Bewerbungen werden fortlaufend ab dem 1. Februar 2021 angenommen.

Den kompletten Call for Papers, die Richtlinien und Kontaktdaten für die Einreichung finden Sie direkt auf dem Blog NASSR Graduates Students Caucus.

Ausschreibung: Klaus Heyne-Preis zur Erforschung der Deutschen Romantik

In diesem Jahr wird die Goethe-Universität Frankfurt zum ersten Mal den Klaus Heyne-Preis zur Erforschung der Deutschen Romantik verleihen. Ermöglicht durch das Vermächtnis von Prof. Dr. Klaus Heyne (1937–2017) wird ein herausragender wissenschaftlicher Beitrag zur Romantikforschung dabei mit 15.000€ Preisgeld dotiert. Die Ausschreibung des Preises richtet sich an Wissenschaftler:innen aus dem In- und Ausland in der Qualifikationsphase, deren Arbeiten einen innovativen Beitrag zur Erforschung der Deutschen Romantik leisten und ist auf keine Fachdisziplin festgelegt.

Zwei Drittel des Preisgeldes werden für die Konzeption, Organisation und Durchführung einer thematisch an die Romantikforschung anschließenden Tagung zur Verfügung gestellt, die im Jahr 2022 an der Goethe-Universität Frankfurt ausgerichtet werden soll.

Die Bewerbungsfrist ist der 14.03.2021.

Ausführliche Informationen zur Bewerbung und Kontaktdaten finden Sie auf der Website zur Romantikforschung an der Universität Frankfurt/M.

 

 

 

 

Call for Papers: E.T.A. Hoffmann (1822-2022): transdisziplinäre und transnationale Perspektivierungen

Vom 10. bis 12. März 2022 findet an der Universität J. Monnet, Saint-Étienne/Lyon eine internationale und interdisziplinäre Tagung zu E.T.A. Hoffmann statt unter dem Titel:

E.T.A. Hoffmann (1822-2022): transdisziplinäre und transnationale Perspektivierungen

Noch bis zum 31. Januar 2021 können Beitragsvorschläge an die Veranstalterinnen Ingrid Lacheny (Metz, CEGIL) und Patricia Viallet (Saint-Étienne, IHRIM) gesendet werden.

 

FMF und ETA – Neuerwerbungen von Felix Martin Furtwängler

Ganz neu erworben – und daher momentan leider noch im Geschäftsgang, aber bald schon im Lesesaal der Abteilung Historische Drucke einsehbar – sind diese zwei Unikate:

FM Furtwängler; E.T.A. Hofmann: Vorher, während, nach der Sylvesternacht: zuviel Abenteuer der Sylvesternacht: ein Überbleibsel. Berlin: Privat Presse, Reprint 2021 für FM Furtwängler. 32 ungezählte Seiten in einem künstlerisch gestalteten Schuber mit Originalillustrationen. Die Vorlage für den Reprint war ein im Januar 1991 entstandenes Künstlerbuch, das letztmalig 2020 überarbeitet wurde. In einer Auflage von nur drei Stück produziert, ist dieses Exemplar versehen mit einem Autogramm für die Bibliothek: „Exemplar Staatsbibliothek Unter den Linden Berlin Felix Martin Furtwängler“

FM Furtwängler: Ombra adorata. E.T.A. Hoffmann – Fantasiestücke in Callot’s Manier. 22 lose Montagebogen aus dem Tagebuche des entflohenen Enthusiasten FM Furtwängler. Ausgabe B. Berlin: Privat Presse, 2017. Die 22 Montagebögen sind Doppelblätter, auf denen sich jeweils links eine Collage aus Papier und Teilen von Druckplatten befindet und rechts der Text von E.T.A. Hoffmann. Der Leinenklappschuber, in denen die Bildfolgen aufbewahrt sind, ist selber ein gestaltetes Kunstwerk – mit bemalter Klappe und Titelschild.

Felix Martin Furtwängler, (*1954 in Karlsruhe) studierte in Hamburg Werbegrafik und wechselte 1972 an die Hochschule der Künste in Berlin, wo er Werkkunst und Mode, Produktdesign, freie Malerei und Grafik studierte. 1982 war er Meisterschüler bei Gerhart Bergmann. Seit 1978 bis heute stellt der Maler regelmäßig Malerbücher im Selbstverlag (Privat Presse Berlin) her – darunter Unikate, aber auch Kleinstauflagen, gedruckt in eigener Studiowerkstatt in Berlin und Süddeutschland sowie in fremden Werkstätten, wie z.B. der Maschinensetzerei und Druckwerkstatt, Harald Weller, Berlin-Kreuzberg. Sein Werk erstreckt sich dabei von Buchkunst und Illustrationen zu eigenen Texten und verschiedenen literarischen Vorlagen über graphische Zyklen und Buchobjekte bis hin zu Installationen, Collagen, Assemblagen und Übermalungen fremder und eigener Werke. Seine Arbeiten sind nicht nur regelmäßig in Ausstellungen vertreten, sondern gehören zum Bestand vieler wichtiger nationaler und internationaler öffentlicher und privater Sammlungen.

Auch die Staatsbibliothek zu Berlin verzeichnet schon zahlreiche seiner Arbeiten in ihrem Katalog – darunter seine wiederholten (buch)künstlerischen Auseinandersetzungen mit E.T.A. Hoffmanns Werken:

Außerdem möchten wir noch auf diese zwei besonders schönen Ausstellungskataloge hinweisen:

Poeta wohin? Manchmal, wenn Text und Bild eins werden. Vom Malerbuch zur Buchskulptur; Felix Martin Furtwängler mit einer Auswahl von Arbeiten aus den Jahren 1978 bis heute; ein Katalogbilderlesebuch. Wiesbaden: Harrassowitz 2002. Aus der Reihe: Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, Nr. 79.

Felix Martin Furtwängler. Printing into Thinking. Folgen, Suiten, Zyklen. Eine Auswahl der Radierungen aus dem Archiv des Künstlers ergänzt durch Werke aus privater Hand und einer öffentlichen Sammlung. Wiesbaden: Harrassowitz 2009.

Call for Papers: puppen als seelenverwandte – bedeutung der eigenen puppe(n) in biographie und künstlerisch-literarischem werk

von Prof. Dr. Insa Fooken und Dr. Jana Mikota

Der vierte CfP der Zeitschrift denkste: puppe / jut a bit of: doll (de:do) ein multidisziplinäres Online-Journal für Mensch-Puppen-Diskurse (mit Peer-Review), hat den Themenschwerpunkt „Puppen als Seelenverwandte – Bedeutung der eigenen Puppe(n) in Biographie und künstlerisch-literarischem Werk“. Auch unabhängig vom Schwerpunkt können freie wissenschaftliche Beiträge sowie andere Text-Formate zum Schwerpunkt wie Essays, Interviews, Rezensionen etc. zu Mensch-Puppen-Aspekten eingereicht werden. Die ersten drei Ausgaben des Journals behandeln die Schwerpunktthemen „puppen in bedrohungsszenarien“, „puppen als miniaturen“ sowie als Doppelheft „puppen/dolls like mensch – puppen als künstliche menschen“; sie sind auf der Homepage des Journals abrufbar (https://denkste-puppe.info).

Mit dem Fokus auf die Bedeutung der eigenen Puppe(n) in Biographie und künstlerisch-literarischem Werk greift dieser Call ein Thema auf, das von der Forschung bislang kaum oder nur am Rande beachtet wurde: Die Rolle und Funktion, die (eigene) Puppen im Leben von Kunstschaffenden spielen, und der Einfluss solcher Puppen bzw. puppenähnlicher, anthropomorpher Wesen auf das künstlerische und/oder literarische Schaffen. Es geht somit sowohl um die Frage nach der Wirkung früher Puppenerfahrungen im späteren Schaffensprozess als auch um die Frage nach den möglichen (biographischen) Wurzeln und Zusammenhängen von Puppenmotiv und Puppen-Narrativen im künstlerisch-literarischen Werk. Puppen sind kongeniale, aber ambigue Seelenverwandte – ‚so wie‘ Mensch und doch anders. Ihre Affordanz als Übergangsobjekt im Lebensverlauf – als Verlebendigung, Symbolisierung und ‚tote‘ Materialität – ist ein wiederkehrendes Faszinosum zwischen Anfänglichkeit (Natalität) und Endlichkeit (Mortalität). Puppen fordern dazu auf, sich auf sich selbst und offen auf die Welt einzulassen. Puppenaffine Menschen reagieren darauf in zumeist einzigartiger Weise. All das gilt für den Besitz eigener Puppen, für selbst geschaffene genauso wie für zu eigen gemachte Puppen und Puppenwelten, seien sie literarisch, zeichnerisch, filmisch, theatral oder materiell-technisch aufbereitet (z. B. Pinocchio, Sandmännchen, Babar, Barbie, Augsburger Puppenkiste, Sesamstraße). Auch wenn Puppen mit Kindheit – Kindheitserfahrungen und Kindheitsfiktionen – symbolisch aufgeladen sind, reichen sie weit darüber hinaus. Transformiert in die Formen und Inhalte der späteren Werk-Ästhetik und künstlerischliterarischen Praxis stehen sie für Zukunftsentwürfe und Potenzialität, für das, was möglich war, möglich ist und/oder möglich (gewesen) wäre. Diese Zugänge zur Welt können destruktiv und abgründig sein, konstruktiv und integrierend, sie können heilen und retten, aber auch unbestimmt in der ambiguen und liminalen Schwebe eines Dazwischen verbleiben.

Der Call richtet sich an die verschiedensten disziplinären Theorie-, Forschungs- und Praxisfelder. Es geht darum, die oben angestellten Überlegungen als ein Echo eigener Puppenerfahrungen zu verstehen und ihre Auswirkungen in literarischen, künstlerisch-kulturellen, medialen, psychologisch-pädagogischen, aber auch materiell-technischen Zeugnissen und Arbeiten auszuleuchten. Die folgende arbiträre Auflistung deutet ein vielfältiges Spektrum möglicher „Fälle“ und „Puppenspuren“ beispielhaft an. Für den Bereich der Literatur seien genannt: Goethe, E.T.A. Hoffmann, Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Lou Andreas-Salomé, Bruno Schulz, Walter Benjamin, Alice Herdan-Zuckmayer, Kurt Tucholsky, Else Lasker-Schüler, Klaus Mann, Halldór Laxness, aber auch Yoko Tawada, Elena Ferrante und viele mehr, nicht zuletzt in der Kinder- und Jugendliteratur: Tonke Dragt besitzt Puppenhäuser, Tony Schumacher schaffte eine Fülle von Puppenillustrationen, das Umfeld der Augsburger Puppenkiste reicht von Max Kruse bis Thomas Hettche. Aus dem Bereich Kunst und Medien lassen sich nennen: Niki de Saint Phalle, Oskar Kokoschka, James Ensor, Hans Bellmer, Morton Bartlett, Michel Nedjar, Gudrun Brüne, Cindy Sherman, Elena Dorfman, aber auch Marc Hogencamp mit Marwencol. In Robert Zemeckis Filmen tauchen wiederholt Puppen und puppifizierte Objekte auf, Marlene Dietrich hatte ihre Puppen (fast) immer dabei und der deutsche Kosmonaut Sigmund Jähn nahm das Sandmännchen mit ins Weltall.

Die (wissenschaftlichen) Beiträge sollen nicht mehr als 30.000 Zeichen umfassen. Andere Beitragsformen sollen in der Regel kürzer sein (5.000 – 15.000 Zeichen). Das angesprochene Themenspektrum ergibt sich aus den oben genannten Überlegungen. Bei allen Beiträgen soll auf interdisziplinäre Verständlichkeit geachtet werden. Die Texte können auf Deutsch oder Englisch als e-Datei beim Editorial Team (Prof. Dr. Insa Fooken, fooken@psychologie.uni-siegen.de und/oder Dr. Jana Mikota, mikota@germanistik.uni-siegen.de) eingereicht werden. Manuskriptrichtlinien sind auf der Homepage abrufbar. Angebote für einen Beitrag erbitten wir mit einer knappen Skizze (ca. 3.500 Zeichen) und einer Kurz-Vita bis 01. November 2020. Rückmeldungen zur Aufforderung, einen Beitrag einzureichen, erfolgen bis 01. Dezember 2020. Das endgültige Manuskript soll spätestens Mitte März 2021 vorliegen. Der geplante Erscheinungstermin ist Ende September 2021.

Neuerscheinung: Benedetta Saglietti: La quinta sinfonia di Beethoven recensita da E.T.A. Hoffmann

Benedetta Saglietti: La quinta sinfonia di Beethoven recensita da E.T.A. Hoffmann.
Nel regno dell’infinito. Con un dialogo tra l’autrice e Riccardo Muti. Donzelli editore Roma 2020.

Im Mai erschien im italienischen Verlag Donzelli editore Roma die Rezension E.T.A. Hoffmanns zu Beethovens Fünfter Symphonie erstmalig in italienischer Sprache – übersetzt und kommentiert von der Musikhistorikerin Benedetta Saglietti. Ergänzt wird diese durch Zeugnisse zur Uraufführung, Schriften von Hector Berlioz und Johann Friedrich Reichardt, sowie einen Dialog der Autorin mit dem Dirigenten Riccardo Muti. In Kürze werden Sie diesen besonderen Band auch bei uns im Bestand finden. Bis dahin können Sie weitere Informationen, Rezensionen und Pressestimmen auf der Verlags-Website entdecken. Und hier schon einmal die Verlagsankündigung mit einigen Hintergrundinformationen:

„Beethovens Fünfte Symphonie ist eines der wichtigsten und bekanntesten Werke in der Musikgeschichte: sobald man davon spricht ertönt in unserem Kopf sofort sein prägnantes Anfangsmotto. Doch wie in diesem Buch erzählt wird, ist die Komposition auf sehr seltsame Weise berühmt geworden.

Die Geschichte der Fünften Symphonie begann am 22. Dezember 1808 in Wien, als sie unter unzähligen anderen Stücken zum ersten Mal in einem ebenso berühmten wie unglücklichen Konzert aufgeführt wurde. Die Schwierigkeit der Musik, eine unzureichende Anzahl von Proben, die Länge des Programms und die Kälte des Theaters führten dazu, dass das Konzert in einem Fiasko endete.

Obwohl Beethoven bereits ein berühmter Komponist war, schrieb ein Rezensent: „Niemand ist Prophet in seinem eigenen Land“. Beethoven wurde sehr wütend. Er befürchtete, dass Journalisten andere negative Artikel über seine Werke schreiben würden. Aber er hat sich gründlich geirrt. Sieben Monate nach dieser Uraufführung schickte Johann Friedrich Rochlitz, der Direktor des wichtigsten deutschen Musikmagazins (die Allgemeine musikalische Zeitung), die Reduktion der Symphonie für vier Hände nach Bamberg und bat einen seiner damals unbekannten Mitarbeiter, E.T.A. Hoffmann, um eine Rezension.

E.T.A. Hoffmann war es der zuerst erkannte, dass die Fünfte Symphonie zweifelsohne ein Meisterwerk war, erklärte dies laut in einem langen Aufsatz und bestimmte so das Schicksal dieses außergewöhnlichen Werkes. Wie die umfangreiche mehrsprachige Bibliographie zeigt, spielt die Rezension von E.T.A. Hoffmann eine zentrale Rolle in der Geschichte der Musikrezeption.
Bis jetzt in seiner integralen Form in Italien unveröffentlicht, erscheint diese Rezension, die zu den inspiriertesten aller Zeiten gehört, schließlich in italienischer Sprache – übersetzt und kommentiert von der Musikhistorikerin Benedetta Saglietti – zusammen mit anderen Zeugnissen über die Uraufführung und die Schriften von Johann Friedrich Reichardt und von Hector Berlioz. Diese Reise durch die fünfte Symphonie wird vom Dirigent eröffnet, der im Dialog mit der Autorin den Standpunkt des Interpreten verkündet.

Benedetta Saglietti: La quinta sinfonia di Beethoven recensita da E.T.A. Hoffmann.

 

Benedetta Saglietti ist eine vielseitige Forscherin. Sie ist Musikhistorikerin und Doktorin in Geschichte der Frühen Neuzeit sowie anerkannte Expertin für musikalische Ikonographie. Zu ihren wichtigsten Veröffentlichungen gehören: Beethoven, ritratti e immagini (Edt-De Sono, 2010); sie ist Herausgeberin von Una visita a Beethoven (La scuola di Pitagora, 2014) und mit G. Satragni von Strawinski von Alfredo Casella (Castelvecchi, 2016), neben anderen Aufsätzen und wissenschaftlichen Rezensionen. Sie nahm als freie Autorin am Sammelkatalog Ludwig van. Le mythe Beethoven (Gallimard, 2016), die große Ausstellung der Philharmonie de Paris, teil. Zusammen mit V. Manchia entwarf sie die virtuelle Choreografie von Schönbergs Pierrot Lunaire in Massins typografischer Transkription, die beim Stresa Festival 2018 uraufgeführt wurde. Sie ist tätig als Musikkritikerin und Digitalstrategin.“

Texten fürs Web: Ergebnisse aus Hoffmann-Seminar der FU online

Im Wintersemester 2019/2020 führte das Team E.T.A. Hoffmann Portal gemeinsam mit Prof. Dr. Anne Fleig am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin ein Seminar zum Thema „Romantik im E.T.A. Hoffmann Portal – Texten fürs Web“ durch. In dieser Veranstaltung hatten Studierende der Germanistik Gelegenheit, statt der üblichen Hausarbeiten ein neues Textformat kennenzulernen und gleich in der Praxis auszuprobieren – inklusive der selbstständigen Einarbeitung in das E.T.A. Hoffmann Portal der Staatsbibliothek zu Berlin über die Software WordPress.

Neun Studierende hatten sich der Herausforderung gestellt und beschäftigten sich mit den Themen Hoffmanns Berliner Orte und BekanntschaftenHoffmanns Netzwerke und Zeitgenossen sowie Romantik und Wissenschaften. Die besten Arbeiten, die von den Studierenden selbst webgerecht aufbereitet wurden, konnten nun endlich nach einer coronabedingten Verzögerung im Portal veröffentlicht werden.

Besonders erfreut sind wir im Team E.T.A. Hoffmann Portal, dass die Veranstaltung bei den Studierenden so gut angekommen ist. Ein wenig stolz dürfen wir zwei Studierende zitieren:

 

Raus aus der Routine- rein in das Portal. Das Seminar war mal etwas ganz anderes, als das, was wir sonst aus der Uni kennen. Eine Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek und dann auch noch eine Veröffentlichung im Portal statt einer Hausarbeit. Es hat super viel Spaß gemacht und man konnte ganz anders kreativ werden als sonst. Und am Ende kann jeder von uns stolz seinen Artikel präsentieren 🙂 (Lisa Dasse)

 

Mir hat das Seminar in Kooperation mit der Staatsbibliothek Berlin außerordentlich gut gefallen! Ich habe viel über Hoffmann gelernt, insbesondere auch über ihn und seine Werke hinaus. Für meine Beitrage im Portal habe ich mich mit den verschiedenen Verlegern Hoffmanns beschäftigt und wirklich spannende und einzigartige Einblicke in das Leben und die Kontakte des Schriftstellers gewonnen. – Tatsächlich würde ich dieses Seminar als die produktivste, interessanteste, abwechslungsreichste und spannendste Veranstaltung innerhalb meiner letzten Semester an der Uni ansehen und bin mehr als froh, ein Teil davon gewesen zu sein. (Janine Seidel)

 

Die neuen Beiträge finden Sie in zwei verschiedenen Rubriken: Unter Erforschen -> Umfeld finden Sie den neuen Themenbereich Verleger mit gleich sieben Beiträgen zu Hoffmanns Verlegern Karl Friedrich Wilhelm Duncker, Georg Andreas Reimer, Ferdinand Dümmler, Julius Eduard Hitzig, Carl Friedrich Kunz, Josef Max und Friedrich Wilmans. Unter Erforschen -> Romantik finden Sie die neue Rubrik Wissen(schaften) der Zeit, in der sich neben dem bereits bestehenden Artikel zur Medizin nun auch Beiträge zu Automaten, Biologie, Elektrizität und Magnetismus, Optik und Traum befinden.

Rezension zu Klaus Kanzog: E.T.A. Hoffmann und Heinrich von Kleist. Textbeobachtungen und Spurenelemente

Gastbeitrag von Prof. Dr. Anne Fleig, Freie Universität Berlin

Automaten und Doppelgänger, Traum und Somnambulismus lauten die Stichworte, die viele Leserinnen und Leser mit den Namen Kleist und Hoffmann verbinden. Auch die Forschung hat diese gemeinsamen Motive und Themen immer wieder behandelt. Hoffmann ist zudem einer der wenigen Zeitgenossen, der sich mehrfach anerkennend über den „herrlichen Kleist“ geäußert hat – so in einem Brief an Julius Hitzig vom 28. April 1812. Vor diesem Hintergrund zielen die „Textbeobachtungen“ von Klaus Kanzog darauf, „Spurenelemente“ einer affektiven Gegenwärtigkeit Kleists in Hoffmanns Schreiben herauszustellen, eine Gegenwärtigkeit, die immer wieder als Impuls für Hoffmann wirkt.

In vier Abschnitten folgt der Verfasser ausgedehnten Lektüren, die mit Hoffmanns vielfachen Bezugnahmen auf Kleists bekannte Erzählung Die Marquise von O… einsetzen und überzeugend Gemeinsamkeiten und Unterschiede im dialogischen Moment des Erzählens, in der Kommunikation mit dem Berliner Publikum, aber auch in der Auffassung des Themas herausstellen, die sich noch in der politischen Auseinandersetzung mit verschiedenen europäischen Befreiungskämpfen zeigen.

So verdeutlicht bereits das erste Kapitel die besondere Anziehung Hoffmanns durch einzelne Texte Kleists, die die folgenden drei kürzeren Abschnitte an weiteren Beispielen orchestrieren. Kleists Schreiben wirkt affizierend auf Hoffmann und bewegt ihn immer wieder zu eigenen Produktionen, sie führt Kanzog zufolge aber auch zu Reminiszenzen an besonders starke Aspekte oder Figuren wie anhand von Kleists Essay Über das Marionettentheater, dem Käthchen von Heilbronn und Michael Kohlhaas illustriert wird.

Der letzte Abschnitt gilt den beiden Autoren als „Preußen“, denn beide waren nicht nur gleichaltrig und durch die napoleonische Eroberung Europas geprägt, sie waren beide zumindest zeitweise preußische Staatsbedienstete und gerieten mit der Zensur in Konflikt: Hier sieht der Verfasser ein gemeinsames Rechtsbewusstsein am Werk, das auch Figuren wie Kohlhaas oder Meister Floh auszeichnet.

Der Band bietet immer wieder interessante Einsichten in die Texte von Kleist und Hoffmann und vermag durchaus ein Moment der Faszination zu vermitteln. Die vergleichenden Lektüren führen zu langen Textbeschreibungen, die nur sehr punktuell auf die umfangreiche Forschung zu beiden Autoren Bezug nehmen. Der Ertrag dieser „Textbeobachtungen“ liegt denn auch wesentlich darin, Wege für weitere Lektüren und vergleichende Analysen gespurt zu haben, um der affektiven Dimension der Bezugnahme Hoffmanns auf Kleist nachzugehen. Diese zeigt sich in einer zuerst impulsgebenden Faszinationskraft und dann anhaltenden Bindung Hoffmanns an Kleist, die sich noch im Aufbegehren gegen die preußische Obrigkeit manifestiert.

Online-Angebote des Bamberger E.T.A. Hoffmann-Theaters

In diesem Juni sollte eigentlich eine Inszenierung von Hoffmanns berühmtem Sandmann am E.T.A. Hoffmann-Theater Bamberg gezeigt werden. Doch leider kam das Coronavirus dazwischen und machte dem Theater einen Strich durch die Rechnung.

Kurzerhand plante das Theater um und versorgte die enttäuschten Theaterliebhaber:innen mit Online-Inhalten. Zum Beispiel startete das neue Format ETA@HOME, in dem die hauseigenen Schauspieler:innen in Videobeiträgen zu sehen und in Lesungen zu hören sind. Dort findet man nun auch Hoffmanns Erzählung Der Sandmann, gelesen in fünf Teilen von Schauspieler Daniel Dietrich. Das Ganze ist natürlich kostenlos, hier auf der Plattform Soundcloud zugänglich.

Wer sich dann doch eher nach etwas Visuellem sehnt, kann die veröffentlichte Aufzeichnung der Elixiere des Teufels von 2015/16 anschauen. Verantwortlich ist Hannes Weiler, dessen Inszenierung die Theaterzeitschrift Die deutsche Bühne als Beste Regie-Arbeit der Spielzeit 15/16 auszeichnete.

Auch das Theaterportal nachtkritik lobte den Regisseur für seine Arbeit: „Geschickt hat er (Hannes Weiler) den höchst zeitgenössischen Kern des 200 Jahre alten Materials freigelegt und erzählt die Posse einer paranoid-hysterischen Gesellschaft, in der das Individuum pathologisch überfordert ist. Aus einem schwarzromantischen Text wird so ein grellbuntes Spektakel.“

Weitere spannende Beiträge, Lesungen und sogar schon den neuen Spielplan für 2020/21 sind auf der Webseite des E.T.A Hoffmann-Theaters zu finden. Viel Spaß beim Entdecken wünscht das E.T.A. Hoffmann Portal!

Das fremde Kind – erste bulgarische Ausgabe mit Illustrationen von Katina Peeva

Ein Gastbeitrag von Dr. Elke Riemer-Buddecke

In Sofia, den Verlagen Cultural Perspectives Foundation und Enthusiast erschien 2019 die erste bulgarische Übersetzung von E.T.A. Hoffmanns Das fremde Kind mit farbigen Digitalillustrationen von Katina Vasileva Peeva (*1980), übersetzt von Prof. Boris Dimitrov Parashkevov, einem Germanisten und Linguisten. Das faszinierend gestaltete Buch (Design: Svoboda Tzekova), ein veritables Highlight der jüngsten Hoffmann-Illustration, ist Teil der Reihe Musik im Buch und enthält einen Zugangscode über die Webseite des Verlages zum Hörbuch, das neben der Lesung von Samuel Finzi auch eine Komposition von Ivan Shopov zu Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach (1881 uraufgeführt, hier Ausschnitt aus der Barcarolle, 3.Akt) sowie Musik von Georgi Strezov und Simeon Eduard nach Motiven von E.T.A. Hoffmanns Harfen-Quintett c-moll enthält. Die Sängerin, die auch als Mitherausgeberin fungiert, ist Ina Kancheva.[1]
Das künstlerisch anspruchsvolle Bilder- und Hörbuch mit dem Format  25,5 x 22,1 cm, das in einer Auflage von 2000 Exemplaren gedruckt wurde, ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene gedacht, da es als bibliophiles ‚Kunstwerk‘ angesehen werden kann und die Illustrationen als selbstständige Interpretation den Dialog mit dem dichterischen Text suchen. Das Buch enthält siebzehn ganz- und zwei doppelseitige digitale Illustrationen 2D von 2019 in den Maßen 24,8  x 21 cm u. 24,8 x 42 cm.[2] Dazu fünfzehn dekorative Majuskeln am Anfang jedes Kapitels, 4 Vignetten an manchem Kapitelende (Tondos), 3 kleine Randzeichnungen (Fliege, Brezel, Vogel). Ein Frontispiz mit dem idealisierten, verjüngten Porträt von E.T.A. Hoffmann in längsovaler Rahmung nach dessen von Ludwig Buchhorn in Kupfer gestochenem Selbstbildnis befindet sich vorn auf der achten Seite vor dem Vorwort zum Dichter. Ferner ist der vordere und hintere Bucheinband mit Ausschnitten von der ganzseitigen Illustration zum 3. Kapitel (Abb.1) geschmückt. Diese Illustration ist durch ihre besondere Symbolik und Nähe zu Hieronymus Bosch, seinem Weltgerichtstriptychon von 1504-08, sowie Pieter Brueghel dem Älteren (1525/1530-1569) und dessen Höllenbildern[3] wie der Höllensturz von 1563 und der Dullen Griet von 1562 die bedeutungsreichste von Katina Peevas Illustrationen (Abb.1) und wurde deshalb wohl zum Coverbild gewählt.

 

Abb. 1 Katina Peeva: Das Fremde Kind, 3. Kapitel: Wie es weiter bei dem vornehmen Besuche herging. Digitalillustration von 2019, 24,8 x 21 cm

 

Beeindruckende Qualität der Illustrationen

Katina Peeva[4] ist mit dieser Buchillustration von 2019 ein künstlerischer Wurf von beeindruckender Qualität gelungen. Ihre Illustrationen werden der Vielschichtigkeit der dichterischen Vorlage in besonderer Weise gerecht, sie spiegeln, vor allem durch die Hoffmann entsprechende raffinierte Technik des Zitierens anderer Werke, den konsequenten Einsatz der Möglichkeiten der digitalen Kunst, die durchgehende antinomische Grundstruktur (Segebrecht) der Erzählung wider, machen auf Hoffmanns spezifische Ironie aufmerksam, auf die Duplizität oder Vielfalt der möglichen Wahrnehmungsebenen. Denn in diesem Kindermärchen für Groß und Klein gibt es trotz scheinbar klischeehafter Vereinfachung, z.B. der Idyllisierung des Landlebens, des Schwarz-Weiß-Kontrastes zwischen Land- und Stadtleben, zwischen erfüllter Naturkindheit und seelenloser Bildungsdressur, trotz aller Phantastik und Märchenhaftigkeit wie der Verwandlung des Magister Tinte in eine scheußliche Fliege, der Erscheinung des fremden Kindes, der Stimmen der Natur und des weggeworfenen Spielzeugs etc. das Teufelchen auf der Schulter Hoffmanns und damit die für ihn bezeichnende ironische Brechung und dieser entspricht Peeva in ganz besonderer Weise.

Überzeichnete und deshalb fragile Idylle zu Märchenbeginn

Das 1.Kapitel des Märchens, das wie ein Volksmärchen mit Es war einmal ein Edelmann… beginnt,  zeichnet eine Idylle mit vielen Diminutiven und Euphemismen, dass dieser Edelmann … Herr Thaddäus von Brakel hieß und in dem kleinen Dörfchen Brakelheim wohnte … in einem niedrigen Häuschen mit wenigen kleinen Fenstern, umgeben von einem Wäldchenmit schönen schlanken Birken mit ihren belaubten Ästen, wie mit zum Gruß ausgestreckten Armen uns freundlich zugewinkt, hatten sie im frohen Rauschen und Säuseln uns zugewispert: Willkommen, willkommen unter uns! So war es nun vollends bei dem Hause, als riefen holde Stimmen aus den spiegelhellen Fenstern … süßtönend heraus: Komm doch nur herein, du lieber müder Wanderer, hier ist es gar hübsch und gastlich! Das bestätigten die Nest hinein Nest hinaus lustig zwitschernden Schwalben und der alte stattliche Storch schaute ernst und klug vom Rauchfange herab …[5] Einen solchen idyllischen Schutzraum, der ‚himmlische‘ Geborgenheit spiegelt, malte Katina Peeva mit ihrer Illustration zum 1. Kapitel:

 

Abb. 2 Katina Peeva: Das fremde Kind. 1. Kapitel: Der Herr von Brakel auf Brakelheim, Digitalillustration von 2019, 24,8 x 21 cm

 

Künstlerische Zitate und Einflüsse in Peevas Digitalillustrationen

Der Herr von Brakel auf Brakelheim (Abb. 2). Sie ‚zitierte‘, verfremdete und kombinierte dabei Werke berühmter Künstler, vor allem die des belgischen Surrealisten René Magritte (1898-1967), seine Verfremdungs- und Kombinationsbilder mit geheimnisvollem Durchblick, wie z.B. Le double Secret von 1927, The Great Familiy von 1963, A friend of order von 1964, L’Heureux Donateur von 1966 sowie Decalcomanie von 1966, und zugleich die Dschungelbilder Henri Rousseaus (1844-1910), Meisterwerke der Naiven Malerei. Auch der Einfluss kroatischer sowie serbischer Vertreter der Naiven Malerei wie Ivan Stefanek (*1942), Milan Generalić (1950-2015) und Ivan Generalić (1914-1992) ist deutlich zu erkennen. Ähnlich Magritte malte Peeva einen kopflosen männlichen Oberkörper mit dunkelbraunem Sakko, dessen Brust den Blick auf eine Landschaft mit Haus freigibt. Sowohl im Brustbild als auch hinter der männlichen Gestalt breitet sich der Himmel mit  Schäfchenwolken aus. Das Fachwerkhaus ist das Häuschen des Thaddäus von Brakel und das Dörfchen Brakelheim ist eine verträumte Paradieslandschaft, gemalt in dunklen Farben der Braun-Grün-Skala  im narrativen, reihenden Stil der naiven Malerei. Selbst der Storch, der ernst und klug vom Rauchfange herabschaut, fehlt nicht. Die umgebende männliche Gestalt, in deren Oberkörper diese ländliche Idylle eingeschrieben ist, könnte der Edelmann Thaddäus sein als Garant für diese geschützte, intakte Welt (Gegenentwurf zur Realität wie für die naive Malerei typisch) oder ein Symbol der Geborgenheit, in der Familie von Brakel lebt und ihre Kinder aufwachsen. Die fremdartigen Kakteen und Pflanzen und die Tiere im Vordergrund, die an Rousseaus Dschungelbilder erinnern, unterstreichen das Verträumte dieser Welt mit ihrer paradiesischen Harmonie, die nicht von dieser Welt ist und bald verloren gehen wird. Auch das werden Peevas Illustrationen eindringlich widerspiegeln.

 

Abb. 3 Katina Peeva: Das fremde Kind, 2. Kapitel: Der vornehme Besuch, Digitalillustration von 2019

 

Illustration zum ‚vornehmen Besuch aus der Stadt‘

Komisch und unheimlich zugleich wirkt der vornehme Besuch der Familie des Grafen Cyprianus von Brakel bei Peeva (Abb. 3). Ihre Illustration folgt zwar Hoffmanns Beschreibung bis ins Detail, verändert jedoch Wesentliches. Graf Cyprianus, dessen weiter Pelerinenmantel Frau und Kinder dominant umschließt, ist textentsprechend ein großer hagerer Mann mit einem großen silbernen Stern auf der Brust, seine Frau eine kleine dicke Dame, Sohn Herrmann trägt lange Pumphosen und ein Jäckchen von scharlachrotem Tuch … einen kleinen Säbel an der Seite, auf dem Kopf …eine seltsame rote Mütze mit einer weißen Feder und Tochter Adelgundchen …ein weißes Kleidchen…mit erschrecklich viel Bändern und Spitzen …ihre Haare [waren] ganz seltsam in Zöpfe geflochten und spitz in die Höhe heraufgewunden, oben funkelte aber ein blankes Krönchen, die Kutsche im Hintergrund ist blank und mit goldenen Zierraten reich geschmückt [6], aber Peeva verdunkelte die eigentlich bei heller und freundlicher Sonne sich abspielende Szene zu einem nahezu nächtlichen Geschehen: Fledermäuse hängen von Bäumen herab, der Himmel ist ein Abendhimmel mit bedrohlichen Wolken und alle Familienmitglieder haben schläfrige, blöde Glubschaugen[7] und wirken in ihrer absurden Kostümierung steif und unfrei wie Automaten, wie Gefangene ihrer Geltungssucht und Repräsentanten einer sich überlegen fühlenden Gesellschaftsschicht, die rücksichtslos in die ländliche Idylle der anderen Brakels einbricht. Deren Welt wird durch Pflanzen an den Bildrändern, gemalt im Stil der naiven Malerei, symbolisiert. Der Auftritt der Grafenfamilie bedeute Unheil und Böses, so die Botschaft Peevas.

Überforderung von Kinderseelen durch Wissensballast

Dass dieses Untergangsszenarien im Stil von Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel evozieren kann, zeigt die zentrale Illustration zum 3. Kapitel (Coverbild!): Wie es weiter bei dem vornehmen Besuche herging (Abb. 1). Ganz unten am Rand tauchen wie Untergehende in einer heillos chaotischen, ja höllischen Welt die Köpfe der bedauernswerten Grafenkinder Hermann und Adelgund auf, bedrängt von fremdartigen, teils exotischen Zwitterwesen in irrealen Größenverhältnissen, von Meerestieren, gefräßigen Raubtieren mit offenen Mäulern. Fressen und Gefressen-Werden als Gesetz solcher unheilvollen Welten. Bosch und Brueghel lieferten die Vorlagen. Konkret illustriert wird eigentlich das, was Herrmann und Adelgund auf Knopfdruck als sinnlos angelerntes Wissen reproduzieren:
    Da war von vielen Städten, Flüssen und Bergen die Rede, die viele tausend Meilen ins Land hinein liegen sollten und die seltsamsten Namen trugen. Eben so wußten beide genau zu beschreiben, wie die Tiere aussähen die in wilden Gegenden der entferntesten Himmelsstriche wohnen sollten …Herrmann beschrieb ganz genau wie es vor dreihundert Jahren in einer großen Schlacht zugegangen und wußte alle Generale die dabei zugegen gewesen mit Namen zu nennen. Zuletzt sprach Adelgunde sogar von den Sternen und behauptete, am Himmel säßen allerlei seltsame Tiere und Figuren. Dem Felix wurde dabei ganz Angst und bange, er näherte sich der Frau von Brakel und fragte leise ins Ohr: Ach, Mama! liebe Mama! Was ist denn das Alles was die dort schwatzen und plappern? [8]
Felix reagiert auf das Schwatzen und Plappern der dressierten Grafenkinder mit gesundem Menschenverstand, während sich seine Eltern blenden lassen. Dass Herrmann und Adelgundchen mit so viel unverdautem Wissensballast in ihren Köpfen bedauernswerte Kreaturen sind und als Kinder darin untergehen, spürt nicht nur Felix, dem angst und bange wird. Das soll auch Peevas ‚Höllenbild‘ vermitteln, denn es nimmt Hoffmanns kulturkritischen Ansatz auf, seine unverkennbare Abrechnung mit der Aufklärungsepoche.
Wie fern von kindlicher Seele und Auffassungsbereitschaft, ja als feindlicher Übergriff zu werten aufoktroyiertes Wissen sein kann, demonstriert eindringlich Peevas Illustration (Abb. 2) zum Kapitel: Wie der Hofmeister angekommen war und die Kinder sich vor ihm fürchteten. Übermächtig und körperlich aufdringlich türmt sich Magister Tinte hinter den Kindern auf Abb. 4).[9]

 

Abb. 4 Katina Peeva: Das fremde Kind. Kapitel: Wieder der Hofmeister angekommen war und die Kinder sich vor ihm fürchteten, Digitalillustration von 2019, 25 x 21 cm

 

Wie von Hoffmann beschrieben, ist er eine abscheuliche Missgestalt mit langem Rüssel als Nase, schrecklichen Glubschaugen, dicken Backen, halslosem viereckigen Kopf auf kugelrundem Körper und spinnenhaften Fingern. Die Kinder sind seine Opfer, er bewacht sie auf engem Raum vor Fenstern, die in die schöne Natur und damit in die Freiheit locken. Felix‘ sehnsuchtsvollem Blick ist anzusehen, dass er in den Wald fliehen will, während Christlieb sich scheinbar fügt: Ach! Nun war an kein in den Wald laufen mehr zu denken!Statt dessen mußten die Kinder beinahe den ganzen Tag zwischen den vier Wänden sitzen und dem Magister Tinte Dinge nachplappern, die sie nicht verstanden. Es war ein wahres Herzeleid!- Mit welchen sehnsuchtsvollen Blicken schauten sie nach dem Walde …[10] Hosemann, Borutscheff, Zwerger, C. Hoffmann, Goltz, Ludwig – alle Illustratoren ließen es sich nicht nehmen, Magister Tinte als Bösewicht, scheußliche Missgestalt und Fliege textentsprechend darzustellen. Katina Peevas Magister Tinte ist jedoch nahezu monströs: ein deformiertes, riesiges Ungeheuer, das die Kinder bedrängt und bewacht, selbst den Blick durch das Fenster versperrt. Aber er bleibt ein Mensch, wird in keiner ihrer Illustrationen zur Fliege. Hat sie diese Verwandlung als Verharmlosung empfunden? Wollte sie, E.T.A. Hoffmanns Kindermärchen in diesem Sinne verstehend, auf falsche Erzieher als Gefahr und Bedrohung für Kinderseelen hinweisen?
Peevas Hang zu düsteren Szenarien, den ihre überwiegend in Braun (Umbra, Walnuss, Kupferbraun, Ocker) und Grün (gebrannte grüne Erde, Moos, Grasgrün, Braungrün, Flaschengrün, Olivgrün) gehaltenen Digitalillustrationen zeigen, wird besonders deutlich in Arbeiten, die phantastischen, surrealen oder unheimlichen Szenen der dichterischen Vorlage gelten und in denen sie  überwiegend surrealistisch arbeitet wie bei der Illustration zum 8. Kapitel: Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremden Kinde sagten, und was sich weiter mit demselben begab (Abb. 5).

 

Abb. 5 Katina Peeva: Das fremde Kind. 8. Kapitel, Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremden Kinde sagten, und was sich weiter mit demselben begab Digitalillustration von 2019, doppelseitig

 

Horrorerlebnisse im Wald

In dieser doppelseitigen, besonders interessanten Illustration verwandeln sich die Bäume, Wiesen, Waldtiere und Waldströme in menschliche Gesichter und die Natur wird anthropomorphisiert. Peeva verbildlicht mit dieser sowohl surrealistischen als auch naiven Illustration das Erlebnis der Kinder Felix und Christlieb, dass die Natur unter dem Einfluss des fremden Kindes lebendig wird und zu den Kindern ‚spricht‘.
Die Illustration zu dem Kapitel Was sich weiter im Walde begab, nachdem der Magister Tinte fortgejagt worden (Abb. 6), ein bevorzugtes Illustrationsobjekt auch anderer Künstler, ist ebenfalls surreal. Felix und Christlieb geraten nach der glücklichen Vertreibung des Magister Tinte aus dem Elternhaus mittels Fliegenklatsche auf der Suche nach dem fremden Kind im Wald in ein schreckliches Gewitter:
Bald türmte sich ein schwarzes Gewölk auf, der Sturm heute, der Donner begann in der Ferne zürnend zu murmeln, die hohen Tannen dröhnten und krachten … Es wurde finsterer und
zürnend zu murmeln, die hohen Tannen dröhnten und krachten … Es wurde finsterer und finsterer, dicke Regentropfen fielen herab und Blitze fuhren zischend hin und her! – Die Kinder standen an einem dicken dichten Gestrüpp …[11]

 

Abb. 6 Katina Peeva: Das fremde Kind. Kapitel: Was sich weiter im Walde begab, nachdem der Magister Tinte fortgejagt worden. Digitalillustration von 2019, doppelseitig: 25 x 42 cm

 

Dieses beängstigende Naturschauspiel ist aber nur der Auftakt zu Schlimmeren. Hoffmann lässt hier Unheimliches und Phantastisches geschehen: Das Spielzeug aus der Stadt, das die Kinder Felix und Christlieb im Wald und in den Teich weggeworfen haben, entwickelt aus dem Gestrüpp heraus ein unheimliches Leben, starrt die Kinder mit toten Augen an und beschimpft sie krächzend mit menschlicher Stimme. Die Kinder laufen zwar weg, aber am Ufer des großen Teiches erhebt sich die von Felix hineingeworfene große Puppe aus dem Schilf und quäkt … mit häßlicher Stimme, bespritzt sogar die Kinder aus Rache mit ganzen Strömen Wasser, als wollte sie diese ertränken. Alle  erweisen sich als gehorsame Zöglinge des Herrn Magister Tinte[12] und es bleibt dem Leser überlassen, ob er diesen unheimlichen Spuk – Felix konnte diesen entsetzlichen Spuk nicht vertragen, die arme Christlieb war halb tot…[13]als reine Halluzination der geängstigten Kinder wertet oder als reale Präsens des Bösen und Unheimlichen in einer fragilen und bedrohten Welt.

Peevas Darstellung suggeriert letzteres. Sie erinnert, vor allem durch die Farbwahl und angesichts der verkrüppelten, abgestorbenen Bäume, an Caspar David Friedrichs (1774-1840) düsteres Landschaftsgemälde Abtei im Eichwald von 1809/10 und seine Winter- und Nachtgemälde, wahre Tragödien der Landschaft und nicht selten mit dem Todesthema verbunden. Statt der Abteiruine sind es bei Peeva die unheimlichen Gesichter des weggeworfenen Spielzeugs, die aus dem nächtlichen Wald und Gestrüpp des Teiches auftauchen: die des Harfen- und Jägersmannes mit der Flinte, der großen Puppe mit ihren Glotzaugen, dem sprechenden Mund und Rissen im Porzellangesicht, ferner unheimliche Tiere mit denselben starrenden Glasaugen: ein Krokodil, ein Waldkauz, ein Uhu und eine Katze. Selbst der Mond hat ein grimmiges Gesicht mit Glasaugen.

Scheinbar versöhnliches Märchenende

Peeva ‚erlöst‘ den Betrachter zwar mit einem im Stil der kroatischen Naiven (Ivan Stefanek z.B.) gemalten Schlussbild (Abb. 7), das Felix und Christlieb nach der wundersamen Tröstung durch das fremde Kind vor dem Waldstrom und dem süßduftenden Laub zeigt und entspricht damit auch dem eher versöhnlichen Märchenende, das Hoffmann wählte: Sie wurden von dem Verwandten freundlich aufgenommen, dann kam es wie das fremde Kind verheißen. Alles was Felix und Christlieb unternahmen, geriet so überaus wohl, daß sie samt ihrer Mutter froh und glücklich wurden…[14]

 

Abb. 7 Katina Peeva: Das fremde Kind, letztes Kapitel: Beschluß, Digitalillustration von 2019

 

Inwieweit Hoffmann selbst solch eine ‚Reparatur‘ der ins seinen Augen nur mit Ironie zu ertragenden disharmonischen Welt für möglich hielt, sei dahingestellt. Er wollte aber ein Kindermärchen schreiben, das frömmer, kindlicher [15] ist als Nussknacker und Mausekönig und insofern ist der Schluss des Kindermärchens Das fremde Kind als versöhnlich zu verstehen. Peeva entspricht ihm hierin, aber die Mehrzahl ihrer digitalen Illustrationen vermittelt eine verstörende Weltsicht – und folgt Hoffmann  weitgehend. Etliche ihrer Illustrationen sind tendenziell sogar ‚dunkler‘ als die dichterische Vorlage und fügen noch manches Beunruhigende hinzu, ohne jedoch den Charakter dieses ‚Kindermärchens‘ aus den Augen zu verlieren. Sie sind  Resultat einer intensiven Auseinandersetzung mit E.T.A. Hoffmann und künstlerisch beeindruckende Deutungen.

 

 

Die Textgestaltung inkl. Vergabe der Zwischenüberschriften erfolgte durch das E.T.A. Hoffmann-Projektteam.

Anmerkungen

[1] Die in Sofia geborene Sängerin Ina Kancheva sang schon als Sechsjährige im Kinderchor des bulgarischen Nationalradios und Fernsehens und tourte mit diesem als Solistin und  Balletttänzerin um die Welt. Nach ihrem Studium an der Staatlichen Musikakademie Sofia (Musik und Drama, Operngesang) erhielt sie mehrere Stipendien  für die Ausbildung an großen Opernhäusern der Welt: das Europäische Opernzentrum Manchester, die Fundation Arena di Verona, de Accademia Chiggiani in Siena und das Placido Domingo Center of Perfection in Valencia. Sie hat an Meisterkursen von Irina Gavrilovici, Montserrat Caballé (Sie haben z.B. 1999 in Sofia zusammen in einem Konzert das Duo des fleurs aus der Oper Lakmé  von Léo Delibes gesungen), Raina Kabaivanska, Leo Nucci und Renato Bruson teilgenommen und gewann viele internationale Preise.  Von 2006-2011 war sie Ensemblemitglied der Staatsoper Stuttgart, brillierte dort und in anderen großen Opernhäusern des In-und Auslands in verschiedenen Hauptrollen  (Carmen, La  Traviata, Figaro, Zauberflöte, La Bohème, Don Giovanni, Le Comte Ory, Lucio Silla etc.). E.T.A. Hoffmanns Das fremde Kind ist das Debütbuch der Künstlerin, die auch als Gastdozentin und Assistenzprofessorin an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst in Sofia arbeitet und aktuell in Berlin lebt. Sie arbeitet mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zusammen (z.B. Kammeroper Madame Landru  von 1962 von Roberto Hazon in der Rolle der Madame Landrou, Uraufführung mit zwei Klavieren), hat  mit dem Pianisten Ludmil Angelov , einem führenden  Chopin-Interpreten, ihre CD Pauline Viardot, eine Sammlung klassischer Poesie und neuer Arrangements von Chopins Mazurkas sowie weitere CDs mit Liedern von Modest Mussorgsky veröffentlicht,  fördert junge Künstler, engagiert sich in der Früherziehung  junger Sänger/innen (hat inzwischen selbst eine Tochter) und hat mehrere Kinderbücher herausgegeben.

[2] In Zusammenarbeit mit einem Fotoshop (aufwändige, zeitintensive Technik).

[3] Die Höllenbilder wurde lange Zeit Pieter Brueghel dem Jüngeren, dem sogenannten Höllenbrueghel, zugeschrieben. Inzwischen ordnet man diese Werke dessen Vater zu.

[4] Katina Peeva wurde 1980 in Sofia, Bulgarien, geboren, wo sie immer noch arbeitet und lebt. 2006 schloss sie ihr Studium der Szenographie am Puppentheater an der Nationalen Akademie für Theater-und Filmkunst in Sofia ab. In den folgenden Jahren arbeitete sie als Arrangeur, Illustrator, Maler und Designer, perfektionierte klassische Techniken wie Tinte, Tempera und Aquarell.  Von 2009-2014 war sie als Gastdozentin an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst in Sofia tätig. Seit 2009 ist sie eine 2D-Künstlerin im Bon Art Studio, Sofia, und arbeitet mit einem Fotoshop zusammen.

[5] Die Serapions-Brüder, S. 570f.

[6] Ebd., S. 573ff.

[7] Blöde hat hier die Bedeutung von ‚schüchtern‘ oder ‚scheu‘. Peevas Darstellung suggeriert  die Bedeutung von ‚blöde‘ im heutigen Sinn.

[8] Ebd., S.577.

[9] Die Kinderbilder erinnern an die von Philipp Otto Runge (1777-1810), vor allem an das Gemälde von 1805/6: Die Hülsenbeckschen Kinder. Peeva ‚zitiert‘ vielfach in ihren Illustrationen. Das Tertium comparationis zwischen Runge und Peeva ist, dass sich der Betrachter mit der kindlichen Perspektive identifiziert und sich in deren Erlebniswelt versetzt. Die Kinder wirken deshalb nicht niedlich und ‚kindlich‘, sondern als eigenständige, gleichwertige Persönlichkeiten.

[10] Ebd., S.601.

[11] Ebd., S. 609f.

[12] Ebd., S. 610

[13] Ebd.

[14] Ebd., S. 614f.

[15] Ebd.,  S. 569