Rezension zu Klaus Kanzog: E.T.A. Hoffmann und Heinrich von Kleist. Textbeobachtungen und Spurenelemente

Gastbeitrag von Prof. Dr. Anne Fleig, Freie Universität Berlin

Automaten und Doppelgänger, Traum und Somnambulismus lauten die Stichworte, die viele Leserinnen und Leser mit den Namen Kleist und Hoffmann verbinden. Auch die Forschung hat diese gemeinsamen Motive und Themen immer wieder behandelt. Hoffmann ist zudem einer der wenigen Zeitgenossen, der sich mehrfach anerkennend über den „herrlichen Kleist“ geäußert hat – so in einem Brief an Julius Hitzig vom 28. April 1812. Vor diesem Hintergrund zielen die „Textbeobachtungen“ von Klaus Kanzog darauf, „Spurenelemente“ einer affektiven Gegenwärtigkeit Kleists in Hoffmanns Schreiben herauszustellen, eine Gegenwärtigkeit, die immer wieder als Impuls für Hoffmann wirkt.

In vier Abschnitten folgt der Verfasser ausgedehnten Lektüren, die mit Hoffmanns vielfachen Bezugnahmen auf Kleists bekannte Erzählung Die Marquise von O… einsetzen und überzeugend Gemeinsamkeiten und Unterschiede im dialogischen Moment des Erzählens, in der Kommunikation mit dem Berliner Publikum, aber auch in der Auffassung des Themas herausstellen, die sich noch in der politischen Auseinandersetzung mit verschiedenen europäischen Befreiungskämpfen zeigen.

So verdeutlicht bereits das erste Kapitel die besondere Anziehung Hoffmanns durch einzelne Texte Kleists, die die folgenden drei kürzeren Abschnitte an weiteren Beispielen orchestrieren. Kleists Schreiben wirkt affizierend auf Hoffmann und bewegt ihn immer wieder zu eigenen Produktionen, sie führt Kanzog zufolge aber auch zu Reminiszenzen an besonders starke Aspekte oder Figuren wie anhand von Kleists Essay Über das Marionettentheater, dem Käthchen von Heilbronn und Michael Kohlhaas illustriert wird.

Der letzte Abschnitt gilt den beiden Autoren als „Preußen“, denn beide waren nicht nur gleichaltrig und durch die napoleonische Eroberung Europas geprägt, sie waren beide zumindest zeitweise preußische Staatsbedienstete und gerieten mit der Zensur in Konflikt: Hier sieht der Verfasser ein gemeinsames Rechtsbewusstsein am Werk, das auch Figuren wie Kohlhaas oder Meister Floh auszeichnet.

Der Band bietet immer wieder interessante Einsichten in die Texte von Kleist und Hoffmann und vermag durchaus ein Moment der Faszination zu vermitteln. Die vergleichenden Lektüren führen zu langen Textbeschreibungen, die nur sehr punktuell auf die umfangreiche Forschung zu beiden Autoren Bezug nehmen. Der Ertrag dieser „Textbeobachtungen“ liegt denn auch wesentlich darin, Wege für weitere Lektüren und vergleichende Analysen gespurt zu haben, um der affektiven Dimension der Bezugnahme Hoffmanns auf Kleist nachzugehen. Diese zeigt sich in einer zuerst impulsgebenden Faszinationskraft und dann anhaltenden Bindung Hoffmanns an Kleist, die sich noch im Aufbegehren gegen die preußische Obrigkeit manifestiert.

Online-Angebote des Bamberger E.T.A. Hoffmann-Theaters

In diesem Juni sollte eigentlich eine Inszenierung von Hoffmanns berühmtem Sandmann am E.T.A. Hoffmann-Theater Bamberg gezeigt werden. Doch leider kam das Coronavirus dazwischen und machte dem Theater einen Strich durch die Rechnung.

Kurzerhand plante das Theater um und versorgte die enttäuschten Theaterliebhaber:innen mit Online-Inhalten. Zum Beispiel startete das neue Format ETA@HOME, in dem die hauseigenen Schauspieler:innen in Videobeiträgen zu sehen und in Lesungen zu hören sind. Dort findet man nun auch Hoffmanns Erzählung Der Sandmann, gelesen in fünf Teilen von Schauspieler Daniel Dietrich. Das Ganze ist natürlich kostenlos, hier auf der Plattform Soundcloud zugänglich.

Wer sich dann doch eher nach etwas Visuellem sehnt, kann die veröffentlichte Aufzeichnung der Elixiere des Teufels von 2015/16 anschauen. Verantwortlich ist Hannes Weiler, dessen Inszenierung die Theaterzeitschrift Die deutsche Bühne als Beste Regie-Arbeit der Spielzeit 15/16 auszeichnete.

Auch das Theaterportal nachtkritik lobte den Regisseur für seine Arbeit: „Geschickt hat er (Hannes Weiler) den höchst zeitgenössischen Kern des 200 Jahre alten Materials freigelegt und erzählt die Posse einer paranoid-hysterischen Gesellschaft, in der das Individuum pathologisch überfordert ist. Aus einem schwarzromantischen Text wird so ein grellbuntes Spektakel.“

Weitere spannende Beiträge, Lesungen und sogar schon den neuen Spielplan für 2020/21 sind auf der Webseite des E.T.A Hoffmann-Theaters zu finden. Viel Spaß beim Entdecken wünscht das E.T.A. Hoffmann Portal!

Das fremde Kind – erste bulgarische Ausgabe mit Illustrationen von Katina Peeva

Ein Gastbeitrag von Dr. Elke Riemer-Buddecke

In Sofia, den Verlagen Cultural Perspectives Foundation und Enthusiast erschien 2019 die erste bulgarische Übersetzung von E.T.A. Hoffmanns Das fremde Kind mit farbigen Digitalillustrationen von Katina Vasileva Peeva (*1980), übersetzt von Prof. Boris Dimitrov Parashkevov, einem Germanisten und Linguisten. Das faszinierend gestaltete Buch (Design: Svoboda Tzekova), ein veritables Highlight der jüngsten Hoffmann-Illustration, ist Teil der Reihe Musik im Buch und enthält einen Zugangscode über die Webseite des Verlages zum Hörbuch, das neben der Lesung von Samuel Finzi auch eine Komposition von Ivan Shopov zu Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach (1881 uraufgeführt, hier Ausschnitt aus der Barcarolle, 3.Akt) sowie Musik von Georgi Strezov und Simeon Eduard nach Motiven von E.T.A. Hoffmanns Harfen-Quintett c-moll enthält. Die Sängerin, die auch als Mitherausgeberin fungiert, ist Ina Kancheva.[1]
Das künstlerisch anspruchsvolle Bilder- und Hörbuch mit dem Format  25,5 x 22,1 cm, das in einer Auflage von 2000 Exemplaren gedruckt wurde, ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene gedacht, da es als bibliophiles ‚Kunstwerk‘ angesehen werden kann und die Illustrationen als selbstständige Interpretation den Dialog mit dem dichterischen Text suchen. Das Buch enthält siebzehn ganz- und zwei doppelseitige digitale Illustrationen 2D von 2019 in den Maßen 24,8  x 21 cm u. 24,8 x 42 cm.[2] Dazu fünfzehn dekorative Majuskeln am Anfang jedes Kapitels, 4 Vignetten an manchem Kapitelende (Tondos), 3 kleine Randzeichnungen (Fliege, Brezel, Vogel). Ein Frontispiz mit dem idealisierten, verjüngten Porträt von E.T.A. Hoffmann in längsovaler Rahmung nach dessen von Ludwig Buchhorn in Kupfer gestochenem Selbstbildnis befindet sich vorn auf der achten Seite vor dem Vorwort zum Dichter. Ferner ist der vordere und hintere Bucheinband mit Ausschnitten von der ganzseitigen Illustration zum 3. Kapitel (Abb.1) geschmückt. Diese Illustration ist durch ihre besondere Symbolik und Nähe zu Hieronymus Bosch, seinem Weltgerichtstriptychon von 1504-08, sowie Pieter Brueghel dem Älteren (1525/1530-1569) und dessen Höllenbildern[3] wie der Höllensturz von 1563 und der Dullen Griet von 1562 die bedeutungsreichste von Katina Peevas Illustrationen (Abb.1) und wurde deshalb wohl zum Coverbild gewählt.

 

Abb. 1 Katina Peeva: Das Fremde Kind, 3. Kapitel: Wie es weiter bei dem vornehmen Besuche herging. Digitalillustration von 2019, 24,8 x 21 cm

 

Beeindruckende Qualität der Illustrationen

Katina Peeva[4] ist mit dieser Buchillustration von 2019 ein künstlerischer Wurf von beeindruckender Qualität gelungen. Ihre Illustrationen werden der Vielschichtigkeit der dichterischen Vorlage in besonderer Weise gerecht, sie spiegeln, vor allem durch die Hoffmann entsprechende raffinierte Technik des Zitierens anderer Werke, den konsequenten Einsatz der Möglichkeiten der digitalen Kunst, die durchgehende antinomische Grundstruktur (Segebrecht) der Erzählung wider, machen auf Hoffmanns spezifische Ironie aufmerksam, auf die Duplizität oder Vielfalt der möglichen Wahrnehmungsebenen. Denn in diesem Kindermärchen für Groß und Klein gibt es trotz scheinbar klischeehafter Vereinfachung, z.B. der Idyllisierung des Landlebens, des Schwarz-Weiß-Kontrastes zwischen Land- und Stadtleben, zwischen erfüllter Naturkindheit und seelenloser Bildungsdressur, trotz aller Phantastik und Märchenhaftigkeit wie der Verwandlung des Magister Tinte in eine scheußliche Fliege, der Erscheinung des fremden Kindes, der Stimmen der Natur und des weggeworfenen Spielzeugs etc. das Teufelchen auf der Schulter Hoffmanns und damit die für ihn bezeichnende ironische Brechung und dieser entspricht Peeva in ganz besonderer Weise.

Überzeichnete und deshalb fragile Idylle zu Märchenbeginn

Das 1.Kapitel des Märchens, das wie ein Volksmärchen mit Es war einmal ein Edelmann… beginnt,  zeichnet eine Idylle mit vielen Diminutiven und Euphemismen, dass dieser Edelmann … Herr Thaddäus von Brakel hieß und in dem kleinen Dörfchen Brakelheim wohnte … in einem niedrigen Häuschen mit wenigen kleinen Fenstern, umgeben von einem Wäldchenmit schönen schlanken Birken mit ihren belaubten Ästen, wie mit zum Gruß ausgestreckten Armen uns freundlich zugewinkt, hatten sie im frohen Rauschen und Säuseln uns zugewispert: Willkommen, willkommen unter uns! So war es nun vollends bei dem Hause, als riefen holde Stimmen aus den spiegelhellen Fenstern … süßtönend heraus: Komm doch nur herein, du lieber müder Wanderer, hier ist es gar hübsch und gastlich! Das bestätigten die Nest hinein Nest hinaus lustig zwitschernden Schwalben und der alte stattliche Storch schaute ernst und klug vom Rauchfange herab …[5] Einen solchen idyllischen Schutzraum, der ‚himmlische‘ Geborgenheit spiegelt, malte Katina Peeva mit ihrer Illustration zum 1. Kapitel:

 

Abb. 2 Katina Peeva: Das fremde Kind. 1. Kapitel: Der Herr von Brakel auf Brakelheim, Digitalillustration von 2019, 24,8 x 21 cm

 

Künstlerische Zitate und Einflüsse in Peevas Digitalillustrationen

Der Herr von Brakel auf Brakelheim (Abb. 2). Sie ‚zitierte‘, verfremdete und kombinierte dabei Werke berühmter Künstler, vor allem die des belgischen Surrealisten René Magritte (1898-1967), seine Verfremdungs- und Kombinationsbilder mit geheimnisvollem Durchblick, wie z.B. Le double Secret von 1927, The Great Familiy von 1963, A friend of order von 1964, L’Heureux Donateur von 1966 sowie Decalcomanie von 1966, und zugleich die Dschungelbilder Henri Rousseaus (1844-1910), Meisterwerke der Naiven Malerei. Auch der Einfluss kroatischer sowie serbischer Vertreter der Naiven Malerei wie Ivan Stefanek (*1942), Milan Generalić (1950-2015) und Ivan Generalić (1914-1992) ist deutlich zu erkennen. Ähnlich Magritte malte Peeva einen kopflosen männlichen Oberkörper mit dunkelbraunem Sakko, dessen Brust den Blick auf eine Landschaft mit Haus freigibt. Sowohl im Brustbild als auch hinter der männlichen Gestalt breitet sich der Himmel mit  Schäfchenwolken aus. Das Fachwerkhaus ist das Häuschen des Thaddäus von Brakel und das Dörfchen Brakelheim ist eine verträumte Paradieslandschaft, gemalt in dunklen Farben der Braun-Grün-Skala  im narrativen, reihenden Stil der naiven Malerei. Selbst der Storch, der ernst und klug vom Rauchfange herabschaut, fehlt nicht. Die umgebende männliche Gestalt, in deren Oberkörper diese ländliche Idylle eingeschrieben ist, könnte der Edelmann Thaddäus sein als Garant für diese geschützte, intakte Welt (Gegenentwurf zur Realität wie für die naive Malerei typisch) oder ein Symbol der Geborgenheit, in der Familie von Brakel lebt und ihre Kinder aufwachsen. Die fremdartigen Kakteen und Pflanzen und die Tiere im Vordergrund, die an Rousseaus Dschungelbilder erinnern, unterstreichen das Verträumte dieser Welt mit ihrer paradiesischen Harmonie, die nicht von dieser Welt ist und bald verloren gehen wird. Auch das werden Peevas Illustrationen eindringlich widerspiegeln.

 

Abb. 3 Katina Peeva: Das fremde Kind, 2. Kapitel: Der vornehme Besuch, Digitalillustration von 2019

 

Illustration zum ‚vornehmen Besuch aus der Stadt‘

Komisch und unheimlich zugleich wirkt der vornehme Besuch der Familie des Grafen Cyprianus von Brakel bei Peeva (Abb. 3). Ihre Illustration folgt zwar Hoffmanns Beschreibung bis ins Detail, verändert jedoch Wesentliches. Graf Cyprianus, dessen weiter Pelerinenmantel Frau und Kinder dominant umschließt, ist textentsprechend ein großer hagerer Mann mit einem großen silbernen Stern auf der Brust, seine Frau eine kleine dicke Dame, Sohn Herrmann trägt lange Pumphosen und ein Jäckchen von scharlachrotem Tuch … einen kleinen Säbel an der Seite, auf dem Kopf …eine seltsame rote Mütze mit einer weißen Feder und Tochter Adelgundchen …ein weißes Kleidchen…mit erschrecklich viel Bändern und Spitzen …ihre Haare [waren] ganz seltsam in Zöpfe geflochten und spitz in die Höhe heraufgewunden, oben funkelte aber ein blankes Krönchen, die Kutsche im Hintergrund ist blank und mit goldenen Zierraten reich geschmückt [6], aber Peeva verdunkelte die eigentlich bei heller und freundlicher Sonne sich abspielende Szene zu einem nahezu nächtlichen Geschehen: Fledermäuse hängen von Bäumen herab, der Himmel ist ein Abendhimmel mit bedrohlichen Wolken und alle Familienmitglieder haben schläfrige, blöde Glubschaugen[7] und wirken in ihrer absurden Kostümierung steif und unfrei wie Automaten, wie Gefangene ihrer Geltungssucht und Repräsentanten einer sich überlegen fühlenden Gesellschaftsschicht, die rücksichtslos in die ländliche Idylle der anderen Brakels einbricht. Deren Welt wird durch Pflanzen an den Bildrändern, gemalt im Stil der naiven Malerei, symbolisiert. Der Auftritt der Grafenfamilie bedeute Unheil und Böses, so die Botschaft Peevas.

Überforderung von Kinderseelen durch Wissensballast

Dass dieses Untergangsszenarien im Stil von Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel evozieren kann, zeigt die zentrale Illustration zum 3. Kapitel (Coverbild!): Wie es weiter bei dem vornehmen Besuche herging (Abb. 1). Ganz unten am Rand tauchen wie Untergehende in einer heillos chaotischen, ja höllischen Welt die Köpfe der bedauernswerten Grafenkinder Hermann und Adelgund auf, bedrängt von fremdartigen, teils exotischen Zwitterwesen in irrealen Größenverhältnissen, von Meerestieren, gefräßigen Raubtieren mit offenen Mäulern. Fressen und Gefressen-Werden als Gesetz solcher unheilvollen Welten. Bosch und Brueghel lieferten die Vorlagen. Konkret illustriert wird eigentlich das, was Herrmann und Adelgund auf Knopfdruck als sinnlos angelerntes Wissen reproduzieren:
    Da war von vielen Städten, Flüssen und Bergen die Rede, die viele tausend Meilen ins Land hinein liegen sollten und die seltsamsten Namen trugen. Eben so wußten beide genau zu beschreiben, wie die Tiere aussähen die in wilden Gegenden der entferntesten Himmelsstriche wohnen sollten …Herrmann beschrieb ganz genau wie es vor dreihundert Jahren in einer großen Schlacht zugegangen und wußte alle Generale die dabei zugegen gewesen mit Namen zu nennen. Zuletzt sprach Adelgunde sogar von den Sternen und behauptete, am Himmel säßen allerlei seltsame Tiere und Figuren. Dem Felix wurde dabei ganz Angst und bange, er näherte sich der Frau von Brakel und fragte leise ins Ohr: Ach, Mama! liebe Mama! Was ist denn das Alles was die dort schwatzen und plappern? [8]
Felix reagiert auf das Schwatzen und Plappern der dressierten Grafenkinder mit gesundem Menschenverstand, während sich seine Eltern blenden lassen. Dass Herrmann und Adelgundchen mit so viel unverdautem Wissensballast in ihren Köpfen bedauernswerte Kreaturen sind und als Kinder darin untergehen, spürt nicht nur Felix, dem angst und bange wird. Das soll auch Peevas ‚Höllenbild‘ vermitteln, denn es nimmt Hoffmanns kulturkritischen Ansatz auf, seine unverkennbare Abrechnung mit der Aufklärungsepoche.
Wie fern von kindlicher Seele und Auffassungsbereitschaft, ja als feindlicher Übergriff zu werten aufoktroyiertes Wissen sein kann, demonstriert eindringlich Peevas Illustration (Abb. 2) zum Kapitel: Wie der Hofmeister angekommen war und die Kinder sich vor ihm fürchteten. Übermächtig und körperlich aufdringlich türmt sich Magister Tinte hinter den Kindern auf Abb. 4).[9]

 

Abb. 4 Katina Peeva: Das fremde Kind. Kapitel: Wieder der Hofmeister angekommen war und die Kinder sich vor ihm fürchteten, Digitalillustration von 2019, 25 x 21 cm

 

Wie von Hoffmann beschrieben, ist er eine abscheuliche Missgestalt mit langem Rüssel als Nase, schrecklichen Glubschaugen, dicken Backen, halslosem viereckigen Kopf auf kugelrundem Körper und spinnenhaften Fingern. Die Kinder sind seine Opfer, er bewacht sie auf engem Raum vor Fenstern, die in die schöne Natur und damit in die Freiheit locken. Felix‘ sehnsuchtsvollem Blick ist anzusehen, dass er in den Wald fliehen will, während Christlieb sich scheinbar fügt: Ach! Nun war an kein in den Wald laufen mehr zu denken!Statt dessen mußten die Kinder beinahe den ganzen Tag zwischen den vier Wänden sitzen und dem Magister Tinte Dinge nachplappern, die sie nicht verstanden. Es war ein wahres Herzeleid!- Mit welchen sehnsuchtsvollen Blicken schauten sie nach dem Walde …[10] Hosemann, Borutscheff, Zwerger, C. Hoffmann, Goltz, Ludwig – alle Illustratoren ließen es sich nicht nehmen, Magister Tinte als Bösewicht, scheußliche Missgestalt und Fliege textentsprechend darzustellen. Katina Peevas Magister Tinte ist jedoch nahezu monströs: ein deformiertes, riesiges Ungeheuer, das die Kinder bedrängt und bewacht, selbst den Blick durch das Fenster versperrt. Aber er bleibt ein Mensch, wird in keiner ihrer Illustrationen zur Fliege. Hat sie diese Verwandlung als Verharmlosung empfunden? Wollte sie, E.T.A. Hoffmanns Kindermärchen in diesem Sinne verstehend, auf falsche Erzieher als Gefahr und Bedrohung für Kinderseelen hinweisen?
Peevas Hang zu düsteren Szenarien, den ihre überwiegend in Braun (Umbra, Walnuss, Kupferbraun, Ocker) und Grün (gebrannte grüne Erde, Moos, Grasgrün, Braungrün, Flaschengrün, Olivgrün) gehaltenen Digitalillustrationen zeigen, wird besonders deutlich in Arbeiten, die phantastischen, surrealen oder unheimlichen Szenen der dichterischen Vorlage gelten und in denen sie  überwiegend surrealistisch arbeitet wie bei der Illustration zum 8. Kapitel: Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremden Kinde sagten, und was sich weiter mit demselben begab (Abb. 5).

 

Abb. 5 Katina Peeva: Das fremde Kind. 8. Kapitel, Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremden Kinde sagten, und was sich weiter mit demselben begab Digitalillustration von 2019, doppelseitig

 

Horrorerlebnisse im Wald

In dieser doppelseitigen, besonders interessanten Illustration verwandeln sich die Bäume, Wiesen, Waldtiere und Waldströme in menschliche Gesichter und die Natur wird anthropomorphisiert. Peeva verbildlicht mit dieser sowohl surrealistischen als auch naiven Illustration das Erlebnis der Kinder Felix und Christlieb, dass die Natur unter dem Einfluss des fremden Kindes lebendig wird und zu den Kindern ‚spricht‘.
Die Illustration zu dem Kapitel Was sich weiter im Walde begab, nachdem der Magister Tinte fortgejagt worden (Abb. 6), ein bevorzugtes Illustrationsobjekt auch anderer Künstler, ist ebenfalls surreal. Felix und Christlieb geraten nach der glücklichen Vertreibung des Magister Tinte aus dem Elternhaus mittels Fliegenklatsche auf der Suche nach dem fremden Kind im Wald in ein schreckliches Gewitter:
Bald türmte sich ein schwarzes Gewölk auf, der Sturm heute, der Donner begann in der Ferne zürnend zu murmeln, die hohen Tannen dröhnten und krachten … Es wurde finsterer und
zürnend zu murmeln, die hohen Tannen dröhnten und krachten … Es wurde finsterer und finsterer, dicke Regentropfen fielen herab und Blitze fuhren zischend hin und her! – Die Kinder standen an einem dicken dichten Gestrüpp …[11]

 

Abb. 6 Katina Peeva: Das fremde Kind. Kapitel: Was sich weiter im Walde begab, nachdem der Magister Tinte fortgejagt worden. Digitalillustration von 2019, doppelseitig: 25 x 42 cm

 

Dieses beängstigende Naturschauspiel ist aber nur der Auftakt zu Schlimmeren. Hoffmann lässt hier Unheimliches und Phantastisches geschehen: Das Spielzeug aus der Stadt, das die Kinder Felix und Christlieb im Wald und in den Teich weggeworfen haben, entwickelt aus dem Gestrüpp heraus ein unheimliches Leben, starrt die Kinder mit toten Augen an und beschimpft sie krächzend mit menschlicher Stimme. Die Kinder laufen zwar weg, aber am Ufer des großen Teiches erhebt sich die von Felix hineingeworfene große Puppe aus dem Schilf und quäkt … mit häßlicher Stimme, bespritzt sogar die Kinder aus Rache mit ganzen Strömen Wasser, als wollte sie diese ertränken. Alle  erweisen sich als gehorsame Zöglinge des Herrn Magister Tinte[12] und es bleibt dem Leser überlassen, ob er diesen unheimlichen Spuk – Felix konnte diesen entsetzlichen Spuk nicht vertragen, die arme Christlieb war halb tot…[13]als reine Halluzination der geängstigten Kinder wertet oder als reale Präsens des Bösen und Unheimlichen in einer fragilen und bedrohten Welt.

Peevas Darstellung suggeriert letzteres. Sie erinnert, vor allem durch die Farbwahl und angesichts der verkrüppelten, abgestorbenen Bäume, an Caspar David Friedrichs (1774-1840) düsteres Landschaftsgemälde Abtei im Eichwald von 1809/10 und seine Winter- und Nachtgemälde, wahre Tragödien der Landschaft und nicht selten mit dem Todesthema verbunden. Statt der Abteiruine sind es bei Peeva die unheimlichen Gesichter des weggeworfenen Spielzeugs, die aus dem nächtlichen Wald und Gestrüpp des Teiches auftauchen: die des Harfen- und Jägersmannes mit der Flinte, der großen Puppe mit ihren Glotzaugen, dem sprechenden Mund und Rissen im Porzellangesicht, ferner unheimliche Tiere mit denselben starrenden Glasaugen: ein Krokodil, ein Waldkauz, ein Uhu und eine Katze. Selbst der Mond hat ein grimmiges Gesicht mit Glasaugen.

Scheinbar versöhnliches Märchenende

Peeva ‚erlöst‘ den Betrachter zwar mit einem im Stil der kroatischen Naiven (Ivan Stefanek z.B.) gemalten Schlussbild (Abb. 7), das Felix und Christlieb nach der wundersamen Tröstung durch das fremde Kind vor dem Waldstrom und dem süßduftenden Laub zeigt und entspricht damit auch dem eher versöhnlichen Märchenende, das Hoffmann wählte: Sie wurden von dem Verwandten freundlich aufgenommen, dann kam es wie das fremde Kind verheißen. Alles was Felix und Christlieb unternahmen, geriet so überaus wohl, daß sie samt ihrer Mutter froh und glücklich wurden…[14]

 

Abb. 7 Katina Peeva: Das fremde Kind, letztes Kapitel: Beschluß, Digitalillustration von 2019

 

Inwieweit Hoffmann selbst solch eine ‚Reparatur‘ der ins seinen Augen nur mit Ironie zu ertragenden disharmonischen Welt für möglich hielt, sei dahingestellt. Er wollte aber ein Kindermärchen schreiben, das frömmer, kindlicher [15] ist als Nussknacker und Mausekönig und insofern ist der Schluss des Kindermärchens Das fremde Kind als versöhnlich zu verstehen. Peeva entspricht ihm hierin, aber die Mehrzahl ihrer digitalen Illustrationen vermittelt eine verstörende Weltsicht – und folgt Hoffmann  weitgehend. Etliche ihrer Illustrationen sind tendenziell sogar ‚dunkler‘ als die dichterische Vorlage und fügen noch manches Beunruhigende hinzu, ohne jedoch den Charakter dieses ‚Kindermärchens‘ aus den Augen zu verlieren. Sie sind  Resultat einer intensiven Auseinandersetzung mit E.T.A. Hoffmann und künstlerisch beeindruckende Deutungen.

 

 

Die Textgestaltung inkl. Vergabe der Zwischenüberschriften erfolgte durch das E.T.A. Hoffmann-Projektteam.

Anmerkungen

[1] Die in Sofia geborene Sängerin Ina Kancheva sang schon als Sechsjährige im Kinderchor des bulgarischen Nationalradios und Fernsehens und tourte mit diesem als Solistin und  Balletttänzerin um die Welt. Nach ihrem Studium an der Staatlichen Musikakademie Sofia (Musik und Drama, Operngesang) erhielt sie mehrere Stipendien  für die Ausbildung an großen Opernhäusern der Welt: das Europäische Opernzentrum Manchester, die Fundation Arena di Verona, de Accademia Chiggiani in Siena und das Placido Domingo Center of Perfection in Valencia. Sie hat an Meisterkursen von Irina Gavrilovici, Montserrat Caballé (Sie haben z.B. 1999 in Sofia zusammen in einem Konzert das Duo des fleurs aus der Oper Lakmé  von Léo Delibes gesungen), Raina Kabaivanska, Leo Nucci und Renato Bruson teilgenommen und gewann viele internationale Preise.  Von 2006-2011 war sie Ensemblemitglied der Staatsoper Stuttgart, brillierte dort und in anderen großen Opernhäusern des In-und Auslands in verschiedenen Hauptrollen  (Carmen, La  Traviata, Figaro, Zauberflöte, La Bohème, Don Giovanni, Le Comte Ory, Lucio Silla etc.). E.T.A. Hoffmanns Das fremde Kind ist das Debütbuch der Künstlerin, die auch als Gastdozentin und Assistenzprofessorin an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst in Sofia arbeitet und aktuell in Berlin lebt. Sie arbeitet mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zusammen (z.B. Kammeroper Madame Landru  von 1962 von Roberto Hazon in der Rolle der Madame Landrou, Uraufführung mit zwei Klavieren), hat  mit dem Pianisten Ludmil Angelov , einem führenden  Chopin-Interpreten, ihre CD Pauline Viardot, eine Sammlung klassischer Poesie und neuer Arrangements von Chopins Mazurkas sowie weitere CDs mit Liedern von Modest Mussorgsky veröffentlicht,  fördert junge Künstler, engagiert sich in der Früherziehung  junger Sänger/innen (hat inzwischen selbst eine Tochter) und hat mehrere Kinderbücher herausgegeben.

[2] In Zusammenarbeit mit einem Fotoshop (aufwändige, zeitintensive Technik).

[3] Die Höllenbilder wurde lange Zeit Pieter Brueghel dem Jüngeren, dem sogenannten Höllenbrueghel, zugeschrieben. Inzwischen ordnet man diese Werke dessen Vater zu.

[4] Katina Peeva wurde 1980 in Sofia, Bulgarien, geboren, wo sie immer noch arbeitet und lebt. 2006 schloss sie ihr Studium der Szenographie am Puppentheater an der Nationalen Akademie für Theater-und Filmkunst in Sofia ab. In den folgenden Jahren arbeitete sie als Arrangeur, Illustrator, Maler und Designer, perfektionierte klassische Techniken wie Tinte, Tempera und Aquarell.  Von 2009-2014 war sie als Gastdozentin an der Nationalen Akademie für Theater und Filmkunst in Sofia tätig. Seit 2009 ist sie eine 2D-Künstlerin im Bon Art Studio, Sofia, und arbeitet mit einem Fotoshop zusammen.

[5] Die Serapions-Brüder, S. 570f.

[6] Ebd., S. 573ff.

[7] Blöde hat hier die Bedeutung von ‚schüchtern‘ oder ‚scheu‘. Peevas Darstellung suggeriert  die Bedeutung von ‚blöde‘ im heutigen Sinn.

[8] Ebd., S.577.

[9] Die Kinderbilder erinnern an die von Philipp Otto Runge (1777-1810), vor allem an das Gemälde von 1805/6: Die Hülsenbeckschen Kinder. Peeva ‚zitiert‘ vielfach in ihren Illustrationen. Das Tertium comparationis zwischen Runge und Peeva ist, dass sich der Betrachter mit der kindlichen Perspektive identifiziert und sich in deren Erlebniswelt versetzt. Die Kinder wirken deshalb nicht niedlich und ‚kindlich‘, sondern als eigenständige, gleichwertige Persönlichkeiten.

[10] Ebd., S.601.

[11] Ebd., S. 609f.

[12] Ebd., S. 610

[13] Ebd.

[14] Ebd., S. 614f.

[15] Ebd.,  S. 569

Call for Papers: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 29 (2021)

Hg. im Auftrag der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft von Claudia Liebrand, Harald Neumeyer und Thomas Wortmann

Das E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch bietet ein Forum für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen zum Werk E.T.A. Hoffmanns sowie zur Literatur und Kultur der (europäischen) Romantik. Ebenfalls publiziert werden Beiträge zur internationalen Rezeption Hoffmann’scher Texte in der Literatur der Gegenwart, aber auch in anderen Medien wie dem Theater, dem Film oder der Oper bzw. der Musik im Allgemeinen.

1992 als Nachfolger der Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft von Hartmut Steinecke, Franz Loquai und Steven Paul Scher begründet, entwickelte sich das Periodikum im Verlauf der letzten fünfundzwanzig Jahre zu einem der wichtigsten Publikationsorte für die internationale Hoffmann-Philologie. Aktuelle Herausgeber*innen sind Claudia Liebrand (Köln), Harald Neumeyer (Erlangen-Nürnberg) und Thomas Wortmann (Mannheim). Das Jahrbuch erscheint im Auftrag der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft beim Erich Schmidt Verlag Berlin; die Redaktion des Jahrbuchs ist am Lehrstuhl für Allgemeine Literaturwissenschaft und Medientheorie an der Universität zu Köln angesiedelt.

Für die Ausgabe 29 (2021) des E.T.A. Hoffmann-Jahrbuchs werden Beiträge gesucht. Das thematische Feld ist dabei bewusst breit gehalten: Neben editionsphilologischen und literarhistorischen Beiträgen sind ebenso Texte erwünscht, die Hoffmanns literarisches, bildkünstlerisches und kompositorisches Werk auf der Basis aktueller literaturtheo­retischer Strömungen (Animal Studies, Ecocriticism, Gender und Queer studies, ANT, etc.) neu perspektivieren. Auch (medien-)komparatistische Beiträge sind willkommen, die Hoff­manns Arbei­ten in einen (welt-)literarischen Kontext setzen oder aber aktuelle Adaptionen Hoffmann’scher Texte in anderen Medien (im Theater, in der Oper, als Graphic Novel etc.) analysieren. Gesucht sind Beiträge, die sich außerhalb der ein­ge­laufenen Pfade der Forschung bewegen und Neues zu viel beforschten Texten zu sagen haben oder auch jene am Rande gelegenen Texte, Zeichnungen und Kompositionen Hoffmanns in den Blick nehmen, denen die Forschung bisher nur wenig Interesse entgegengebracht hat. Beiträge aus der Musikwissenschaft, der Theater- und Filmwissenschaft oder der Kunstgeschichte sind deshalb ebenfalls willkommen. Nachwuchswissenschaftler*innen sind explizit zur Einreichung von Beiträgen aufgerufen.

 

Aufsätze auf Deutsch und Englisch können bis zum 31. Januar 2021 an Prof. Dr. Claudia Liebrand (c.liebrand@uni-koeln.de) geschickt werden. Die Beiträge werden von den Herausgeber*innen und bei Bedarf durch die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates des Jahrbuchs geprüft. Eine Entscheidung über die Aufnahme erfolgt zeitnah.

Dauerleihgabe eines Hoffmann-Briefes

Wegen Corona verspätet – aber sehnsüchtig erwartet – übergab am 3. Juni der Hoffmann-Forscher und Sammler Dr. Dr. Bernd Hesse an die Koordinatorin des E.T.A. Hoffmann Archivs, Ursula Jäcker, und den Leiter der Handschriftenabteilung, Herrn Prof. Dr. Everardus Overgaauw, ein Hoffmann Autograph als Dauerleihgabe; das Autograph war im März 2020 beim Berliner Auktionshaus Stargardt versteigert worden. Der Brief ist mit Umschlag erhalten, er umfasst eine Seite im Quartformat und ist schwach gebräunt.
Der Inhalt lautet:

„So eben bin ich mit den Vignetten beschäftigt, die Sie Morgen fix und fertig erhalten, damit, wenn, wie Freund Hitzig meint, es noch möglich sein sollte das Werkchen wenigstens für und Rücksichts Berlin erscheinen zu lassen, meiner Seits Alles geschehen ist. Um aber das mir entfallene Costum des kleinen Puppedenzke und des Schalks von Brabant nachzusehen bitte ich mir das Fouquésche Märchen, oder wenigstens nur den Passus wo Puppedenzke, Fritz und der Schalk von Brabant auf das weiße Roß steigen gütigst zuzusenden.

Hoffmnn 14 Novbr 16“

 

Brief (Hoffmnn 14 Novbr 16“)

Brief

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diesen Brief schrieb Hoffmann an seinen Berliner Verleger Georg Reimer. Er kündigte die Fertigstellung der Titel- und Schlussvignetten an, die er gerade für die Erzählungen des ersten Bands der Kinder-Märchen zeichnete. Die zweibändige Sammlung veröffentlichte Hoffmann gemeinsam mit den Berliner Schriftstellern Karl Wilhelm Salice-Contessa und Friedrich de la Motte Fouqué; alle drei waren befreundet und Mitglieder des Seraphinenordens, später der Serapionsbrüder. Der erste Band der Märchen erschien zu Weihnachten 1816 mit der Erzählung Hoffmanns „Nußknacker und Mausekönig“, Contessas „Gastmahl“ und Fouqués „Die kleinen Leute“.

Hoffmann hatte wohl die Erzählung Fouqués nicht mehr genau im Kopf, so dass er Reimer bittet, ihm das Märchen Fouqués noch einmal zu zusenden (oder zumindest die entsprechende Passage), um die Figur des Puppedenzkes und des Schalks von Brabants korrekt wiedergeben zu können.

Die Titelvignetten der Märchen gestaltete Hoffmann sehr aufwändig; sie nehmen – wie man auch dem Brief entnehmen kann – eindeutig Bezug zum Inhalt der Märchen, während die Schlussvignetten einfacher gestaltet sind und sich aus grotesken Ornamenten nach antiken Vorbildern zusammensetzen. Die Illustrationen Hoffmanns wurden als Lithographien gedruckt.

 

 

E.T.A Hoffmann: Das Gastmahl, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

E.T.A. Hoffmann: Titelvignette zu: Das Gastmahl, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

E.T.A Hoffmann: Die kleinen Leute, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

E.T.A. Hoffmann: Titelvignette zu: Die kleinen Leute, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

E.T.A Hoffmann: Nußknacker und Mausekönig, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

E.T.A. Hoffmann: Titelvignette zu: Nußknacker und Mausekönig, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E.T.A Hoffmann: Schlussvignette, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

E.T.A. Hoffmann: Schlussvignette, in: Kinder-Mährchen von: C.W. Contessa, Friedrich Baron de la Motte Fouqué und E.T.A. Hoffmann. Berlin: Realschulbuchhandlung 1816. SBB PK Sign. B IV 2b, 2077-1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der zweite Band der Kinder-Märchen, ebenfalls mit Illustrationen Hoffmanns, erschien ebenfalls mit je einem Märchen der drei Autoren im folgenden Jahr bei Georg Reimer.

Georg Reimer war einer der wichtigsten Buchhändler und Verleger der Zeit. 1800 übernahm er die Buchhandlung der Königlichen Realschule in Berlin, die er ab 1817 als Reimersche Buchhandlung führte. Er verlegte neben Schullektüre und wissenschaftlicher Literatur zahlreiche namhafte Autoren der Romantik – so zum Beispiel Jean Paul und Heinrich von Kleist.

Der Brief wird – wie die anderen Autographe Hoffmanns – in der Handschriftenabteilung verwahrt, während das E.T.A. Hoffmann Portal sich der wissenschaftlichen und didaktischen Hoffmann-Arbeit widmet.

 

Briefdetail (Hoffmnn 14 Novbr 16“)

Briefdetail

 

Call for Applications: Romantikforschung – Netzwerk für Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase

Aktuelle Perspektiven der Romantikforschung | Theorien, Methoden, Lektüren

Netzwerk für Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase

Die internationale Romantikforschung floriert: Studien zu den Künsten, Kulturen und Wissenschaften, den Innovationen, Traditionen und Rezeptionen, der Poetik, Ästhetik und Medialität der Romantik haben Konjunktur.[1] Diese fachübergreifende Dynamik lässt sich nicht zuletzt auf den bemerkenswerten Umstand zurückführen, dass die Romantik gleich im doppelten Sinne als aktuell und relevant zu gelten hat. Denn zum einen kann sie als diejenige Epoche betrachtet werden, deren philosophische, künstlerische, wissenschaftliche und soziale Ansätze bis in die Gegenwart fortwirken. Nachverfolgen lässt sich dieses Echo von der experimentellen Erzählliteratur über homöopathische Praktiken bis hin zu liberalen Partnerschaftsentwürfen und medialen Selbstinszenierungsstrategien. Kurzum: Die Romantik hat streng genommen nie aufgehört, Gegenwart mitzugestalten. Zum anderen werden in den romantischen Netzwerken um 1800 diejenigen Wissensformationen und Denkfiguren gebildet, die gegenwärtige Erkenntnisse präfigurieren und reflektieren, wie sich u.a. mit Blick auf die Ökologie- und Biodiversitätsforschung oder die Psychologie und Neurowissenschaften veranschaulichen ließe. Kurzum: Die Romantik hat streng genommen nie aufgehört, Gegenwärtigem vorzugreifen.

Versucht man, gerade hinsichtlich der Romantikforschung im deutschsprachigen Raum, rezente Zugriffe auf und Einsichten über ‚das Romantische‘, ‚die Romantik‘ und ‚die Romantiker*innen‘ zu differenzieren, präsentiert sich ein äußerst heterogenes Bild, das kulturwissenschaftliche und neohermeneutische, modell- und aktualisierungstheoretische, sozialgeschichtliche und dekonstruktivistische, digitalphilologische und textimmanente Interpretationen einschließt. Ein hohes Innovationspotential geht dabei von theoretisch avancierten und historisch versierten Arbeiten aus, die romantische Kunst, Gesellschaft und Wissenschaft neu zu deuten und bislang unbekannte Kontexte auf die Romantik zu beziehen vermögen. Es überrascht wenig, dass solche Beiträge insbesondere von jungen Wissenschaftler*innen vorgelegt werden, die ‚Romantik‘ zunehmend als reizvollen Forschungsgegenstand entdecken.

Genau an diesen Beobachtungen und Befunden möchte das geplante Netzwerk „Aktuelle Perspektiven der Romantikforschung | Theorien, Methoden, Lektüren“ ansetzen, das mit der Professur für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Romantikforschung an der Goethe-Universität verknüpft ist. Es soll Wissenschaftler*innen versammeln, die sich in der in der Qualifikationsphase befinden und Projekte zur Romantik vorbereiten oder ihr einschlägiges Interesse an der Romantikforschung ausweisen können. Im kontinuierlichen Austausch mit etablierten und renommierten internationalen Romantikforschenden liegen den Aktivitäten des Netzwerks drei Zielvorhaben zugrunde: Erstens geht es der Initiative um eine Vernetzung junger Romantikforscher*innen, ihrer Projekte und Erkenntnisinteressen, insbesondere – aber nicht ausschließlich – mit Blick auf den deutschsprachigen Raum. Intendiert wird zweitens eine Differenzierung der theoretischen, methodischen und praktischen Ansätze, die gegenwärtig in der Romantikforschung maßgeblich sind bzw. maßgeblich werden und neue Lektüren der Romantik und des Romantischen ermöglichen. Drittens setzt sich das Netzwerk die Komprimierung dieser Ansätze in einer gemeinsamen Publikation zum Ziel, die das Potential dieser Zugriffe und Interpretationen vorführt und das Profil der aktuellen Romantikforschung schärft. Die Publikation wird in der wissenschaftlichen Buchreihe Neue Romantikforschung veröffentlicht, die in Kürze unter der Herausgabe von Roland Borgards, Frederike Middelhoff und Martina Wernli im Metzler Verlag erscheint.

Um die Mitgliedschaft im Netzwerk „Aktuelle Perspektiven der Romantikforschung | Theorien, Methoden, Lektüren“ können sich Doktorand*innen, Postdocs und Jr.-Professor*innen bewerben, die einen methodisch reflektierten Beitrag zur Romantikforschung leisten wollen und das Erkenntnispotential ihrer Forschung demonstrieren können. Das Netzwerk begreift sich als Begegnungs-, Lern- und Austauschplattform verschiedener Disziplinen und fordert daher Forschende aus dem Bereich der Literatur- und Kulturwissenschaften, der Kunstgeschichte, den Geschichtswissenschaften sowie den Theater-, Film- und Medienwissenschaften zur Bewerbung auf. Relevante Zugriffe können beispielsweise aus den Forschungsbereichen der Medical Humanities, der Environmental Humanities (Ecocriticism/Plant Studies/Animal Studies/Multispecies Studies usw.), der Digital Humanities und anderer rezent wirksam gewordener Forschungsfelder wie u.a. der Intersektionalitätsforschung, den Queer Studies, Postcolonial Studies und Material Studies stammen. Arbeitssprachen des Netzwerks sind Deutsch und Englisch, die Einladung zur Bewerbung richtet sich explizit auch an Romantikforschende, deren Fokus auf den europäischen und außereuropäischen Netzwerken der Romantik oder anderen transnationalen (Rezeptions‑)Phänomenen des Romantischen liegt. Auch Forschende, die nicht in Deutschland ansässig sind, können sich bewerben.

Das Netzwerk ist auf 20 Mitglieder begrenzt und nimmt seine Arbeit im Frühjahr 2021 auf. Es sieht regelmäßige Arbeitstreffen der Mitglieder an der GU Frankfurt sowie gemeinsame Workshops und Symposien mit geladenen Referent*innen für den Zeitraum von knapp 36 Monaten vor. Reise- und Aufenthaltskosten können – vorbehaltlich der Drittmittelförderzusage – übernommen werden.

Ihre Bewerbung sollte drei Teile, zusammengefasst in einem PDF-Dokument enthalten:

  1. CV (inkl. Verzeichnis von Publikationen, Vorträgen etc.)
  2. Romantik-Projekt/Forschungsbeitrag zur Romantik, mit dem Sie sich als Mitglied des Netzwerks bewerben und das/den Sie exemplarisch für den Sammelband zur Romantikforschung auszugestalten planen (Abstract des Projekts/Beitrags: max. 1000 Wörter)
  3. Kurzes Motivationsschreiben für die Teilnahme am und Mitarbeit im Netzwerk (max. 500 Wörter)

Bitte senden Sie Ihre Bewerbung bis zum 31. August 2020 an middelhoff@em.uni-frankfurt.de. Zu- und Absagen werden bis Ende September verschickt. Rückfragen nimmt die Initiatorin des Netzwerks, Frederike Middelhoff (W1-Professur für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Romantikforschung an der GU Frankfurt), unter der genannten Email-Adresse entgegen.

 

 

 

[1] Vgl. allein aus den vergangenen sechs Jahren u.a. die Sammelbände von Agnieszka Gutthy (Hg.): Romantic Weltliteratur of the Western World. New York [u.a.] 2020; Stefan Matuschek/Sandra Kerschbaumer (Hg.): Romantik erkennen – Modelle finden. Paderborn 2019; Serena Baiesi/Stuart Curran (Hg.): Romantic Dialectics: Culture, Gender, Theater. New York [u.a.] 2018; Alessandro Costazza (Hg.): Il romantico nel Classicismo, il classico nel Romanticismo. Milano 2017; Roswitha Burwick/Walter Pape (Hg.): Die alltägliche Romantik. Gewöhnliches und Phantastisches, Lebenswelt und Kunst. Berlin/Boston 2016; Helmut Hühn/Joachim Schiedermair (Hg.): Europäische Romantik. Interdisziplinäre Perspektiven der Forschung. Berlin/New York 2015; Michael Simon (Hg.): Episteme der Romantik. Volkskundliche Erkundungen. Münster 2014.

 

Neue Kollegin: Dr. Sophie Borges verstärkt ab 18. Mai unser Team

Ab dem 18. Mai 2020 ergänzt Dr. Sophie Borges das Projektteam E.T.A. Hoffmann Portal als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin.

Sophie Borges studierte Kunstgeschichte und Philosophie an der LMU München. Ihre Dissertation verfasste sie zum Thema Gelehrte im Bild. Repräsentation und Projektion: Goethe, die Brüder Humboldt und Schelling. Anschließend war sie vier Jahre lang für den Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel (MWW) an der Klassik Stiftung Weimar tätig. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin forschte sie dort vor allem zu den Porträts Johann Wolfgang von Goethes und realisierte als Kuratorin zwei große externe Sonderausstellungen: 2018 „Du bist Faust. Goethes Drama in der Kunst“ an der Kunsthalle München und 2019 „Goethe. Verwandlung der Welt“ an der Bonner Bundeskunsthalle. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Porträtmalerei und -fotografie des langen 19. Jahrhunderts.

Im Projekt wird Sophie Borges an der Kuratierung und wissenschaftlichen Koordination des hybriden Ausstellungsprojekts „200 Jahre E.T.A. Hoffmann“ arbeiten. Zudem wirkt sie an der wissenschaftlichen Konzeption und Umsetzung einer Online-Bibliographie zu E.T.A. Hoffmann mit und betreibt die wissenschaftliche Pflege und Weiterentwicklung des Online-Angebots „E.T.A. Hoffmann Portal“.

Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit!

Let’s get personal oder Gestatten, mein Name sei Ernst Theodor Amadeus – Hoffmann online Nr. 5

Ein Gläschen in Ehren, kann niemand verwehren… Heute wollen wir E.T.A. Hoffmann etwas persönlicher begegnen und Ihnen freie Online-Materialien zur einführenden oder auch spezielleren Beschäftigung mit seiner Biografie vorstellen. Auf ein schönes erstes oder näheres Kennenlernen mit Herrn Hoffmann also!

Aus E.T.W. wird E.T.A. – als Ausdruck seiner Bewunderung für Wolfgang Amadeus Mozart verbannt Hoffmann „den preußisch, ungeliebten Wilhelm“ aus seinem Vornamen und setzt an dessen Stelle ein Amadeus. Diese und weitere Anekdoten aus Hoffmanns Leben präsentiert Tilman Spengler in der Sendereihe Klassiker der Weltliteratur von ARD-alpha: online verfügbar in der BR-Mediathek bis zum 27. Mai 2020. Eingebettet in den (literatur)geschichtlichen und politischen Kontext begleitet er Hoffmanns persönlichen und beruflichen Weg und charakterisiert ihn vor allem als ungezügelt fantasievollen, abergründigen Literaten mit nachhaltiger Wirkung.

Eine visuell kreativ und humorvoll gestaltete (Zusammen)Fassung von Hoffmanns Biografie findet sich in der WDR-Mediathek unter dem Titel Dichter dran: E.T.A. Hoffmann. Planet Schule. In zehn Minuten werden das Auf und Ab, sowie die vielfältigen Begabungen und Leidenschaften in Hoffmanns Leben bebildert. Anhand der Erzählungen Ritter Gluck und Der Sandmann beleuchtet der Beitrag vor allem eine Besonderheit des Schriftstellers Hoffmanns: seine Fähigkeit, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen zu lassen und auch die Nachtseite der menschlichen Existenz zur Sprache zu bringen.

Ausgehend vom Doppelgängermotiv erinnert Christiane Kopka in ihrem Audiobeitrag im NDR-Info-ZeitZeichen an E.T.A. Hoffmann: Schriftsteller der Romantik. Die Zerrissenheit und Gespanntheit von Hoffmann(s Leben) sowie die vielfältigen Identitätsgefährdungen in seinen Erzählungen stehen hier im Vordergrund. Mit pointierten Zitaten des Literaturwissenschaftlers und Hoffmann-Experten Hartmut Steinecke erscheint uns E.T.A. Hoffmann als „Meister der Masken“ – sowohl in seinem Werk als auch in seinem Leben.

Im Alter von 16 Jahren beginnt Hoffmann trotz seiner künstlerischen Neigungen und Talente widerwillig, unter Druck seiner Familie, das Jurastudium in Königsberg. Nebenbei verfasst er jedoch Romane, komponiert und zeichnet weiterhin. An seinen Schulfreund Theodor Gottlieb von Hippel schreibt der 20-Jährige später: „Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags, am Tage wird gezeichnet, und abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht.“ Weitere Briefe, sowie Autographe, Biografisches und Hoffmanns Lesestoffe gibt es als Kollektionen in Hoffmann digital zu entdecken. Auch weiterführende Text-Beiträge von Hartmut Steinecke zu E.T.A Hoffmanns Briefen und E.T.A. Hoffmanns Tagebuch finden Sie in unserem Portal.

Außerdem gibt es neben einem Biogramm, verfasst von Jörg Petzel, auch einen Zeitstrahl, mit dem wichtige Ereignisse in Hoffmanns Leben thematisch geordnet und geografisch verortet nachvollzogen werden können. Wer es weniger chronologisch oder ausführlich mag, dem seien stattdessen die kleinen merkwürdigen Geschichten aus Hoffmanns Alltag unter Kurioses empfohlen. Oder die vermutlich kürzeste Biografie der Hoffmann-Audio-Geschichte: in knapp 4 Minuten wird im BR-Podcast Kalenderblatt sein Leben von der Geburt bis zur Inschrift seines Grabsteines erzählt. Letztere sei hier zum Ausklang zitiert:

E. T. W. Hoffmann

geb. Königsberg in Preußen
den 24. Januar 1776
gest. Berlin den 25. Juni 1822
Kammer Gerichts Rath

ausgezeichnet im Amte

als Dichter
als Tonkünstler
als Maler.

Gewidmet von seinen Freunden

Wissen to go – E.T.A. Hoffmann online Nr. 4

Die Ferien sind vorbei, die Schulen als physische Lernorte aber weitgehend noch geschlossen. Doch zum Glück führen viele Wege zum Wissen!

E.T.A. Hoffmanns literarische Werke sind Schullektüre in zahlreichen Bundesländern, in Nordrhein-Westfalen aktuell auch mögliches Abitur-Prüfungsthema. Insbesondere für Schüler*innen und Lehrende bietet das E.T.A. Hoffmann Portal einen ausführlichen Bereich zum Unterrichten. Dort können Interessierte zum Beispiel ihr Wissen zum Motiv des Auges oder der Automaten aus Hoffmanns Der Sandmann auffrischen oder erweitern. Daneben finden sich in der Rubrik auch je eine Lerneinheit zu Klein Zaches genannt Zinnober und zu Hoffmanns Wohnorten in Berlin, sowie Quizze – zur Biografie Hoffmanns, zur Transkription eines Briefes von Hoffmann an seinen Verleger und Freund Georg Andreas Reimer und ein Bilderrätsel. Außerdem gibt es Literaturtipps für Lehrende sowie eine große Sammlung externer Materialien zur digitalen Lehre, darunter zum Beispiel der Verweis auf die Sendung „Der goldene Topf“ – vom Zauber der Fantasie | E.T.A. Hoffmann im Porträt und Werksanalyse von Sabine Stahl, in der Reihe Sternchenthemen im Abitur des SWR2 Wissen.

Unterhaltsam und lehrreich zugleich sind außerdem die Beiträge des Podcast Radio-Wissen von Bayern 2. Biografisches zu Hoffmann, Einblicke in sein literarisches Werk und Theorien des (Un)Heimlichen verbindet Carola Zinner in ihrem Audio-Beitrag E.T.A. Hoffmann – Das Heimliche im Unheimlichen. Wer noch mehr über Hoffmann, seine vielseitigen Berufungen und Erzählungen wie Der Goldne Topf erfahren möchte, sei verwiesen auf den Beitrag E.T.A. Hoffmann – Ein Berufsbild von Gabriele Bondy. Einen Überblick zum Kontext der Romantik als Epoche und zu ihren europäischen Hauptvertreter*innen bietet unterdessen der Radio-Wissen-Beitrag Die Philosophie der Romantik – Denken als Gefühl.

Und wer es etwas verspielter mag, dem sei der Preisträger des Grimme-Online Award 2018 empfohlen: Sommers Weltliteratur to go, präsentiert von Reclam. Unter Einsatz von Playmobilfiguren spielt der Dramaturg Michael Sommer Weltliteratur in Kurzversion. Von E.T.A. Hoffmanns Werken gibt es bisher sechs Videos: Nussknacker und Mausekönig, Die Elixiere des Teufels, Der Goldne Topf, Klein Zaches genannt Zinnober, Das Fräulein von Scuderi und Der Sandmann.

Eine andere Version des Sandmann – ursprünglich eine Produktion des Norddeutschen Rundfunks 1996, gelesen von Gerd Wameling – findet sich in der BR-Mediathek. Einleitend dazu stellt die Moderatorin und Redakteurin Judith Heitkamp sich und uns vor Fragen, die die Erzählung immer noch oder gerade heute wieder aufwirft: „Was ist wahr, was ist Wahn?… Lässt sich alles rational, digital in den Griff bekommen? Was wird aus den Wesen, Automaten, Algorithmen, die der Mensch erschaffen kann?“ Im zweiten Teil stellt sie Hoffmanns Olimpia in den Zusammenhang anderer Automatenliteratur (ausgewählt von Helmut Petzold), in der Männer schreibend vermeintlich ideale, künstliche Frauen erschaffen haben, etwa Ovid im Pygmalion-Gleichnis seiner Metamorphosen, der französische Romancier Auguste de Villiers de l’Isle-Adam mit seiner Eva der Zukunft des 19. Jahrhunderts oder Chris Beckett mit der Roboterfrau Lucy in Messias Maschine von 2004. Ach ach.

Seien sie ganz unautomatisch und stets wissensdurstig gegrüßt von Ihrem E.T.A. Hoffmann Portal-Team

Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an* – E.T.A. Hoffmann online Nr.3

Wenn für Nietzsche das Leben ohne Musik ein Irrtum wäre, so fängt für Hoffmann die Musik an, wo die Sprache aufhört?* Hoffmann war bekanntermaßen nicht nur Schriftsteller, Zeichner und Jurist, sondern auch Musiker. Deshalb geht es in der dritten Ausgabe unserer E.T.A. Hoffmann online-Reihe nun weiter mit musikalischen Empfehlungen.

Ein Musikalien-Werkverzeichnis und eine erste Einführung zu Hoffmann als Musiker finden Sie in unserem Portal. Dort gibt es neben Verweisen auf Hoffmanns Musikrezensionen (z.B. seine Besprechung der 5. Sinfonie Beethovens) unter anderem auch Digitalisate originaler Musiknoten und -handschriften Hoffmanns. Denn Hoffmann spielte nicht nur Klavier, Violine und Harfe und unterrichtete Gesang, er komponierte und dirigierte auch selbst.

Einige seiner Stücke können Sie z.B. bei spotify hören. So hat etwa das deutsche Barock- und Klassik-Orchester „Kölner Akademie“ unter dem Dirigenten Michael Alexander Willens die Symphony in E-Flat Major und Aurora & Undine Overtures eingespielt. Oder hören Sie in das Album von Luisa Guembes-Buchanan, das neben den Sonatas von Hoffmann auch die Kreisleriana von Robert Schumann enthält. 1838 inspirierte nämlich die von Hoffmann geschaffene Figur des Kappelmeisters Kreisler Schumann zu dieser Klavierkomposition. Wer mehr dazu erfahren möchte, sei verwiesen auf den Audio-Beitrag WDR3-Meisterstücke: Schumann „Kreisleriana.

In der BR-Klassik Mediathek findet sich in dem Podcast Do Re Mikro – Klassik für Kinder neben einer Einführung und Geschichten zu Antonio Vivaldi und Franz Liszt auch ein kurzer Abschnitt zu Hoffmann. Außerdem gibt es in der Podcast-Rubrik Klassik aktuell der BR-Mediathek einen interessanten Interpretationsvergleich zu Hoffmanns Erzählungen. Zur aktuellen, weitläufigen Rezeption gibt es dort zudem eine Audio-Rezension von Sylvia Schreiber zur Ballettpremiere Coppélia an der Bayerischen Staatsoper und ein Gespräch mit dem Filmkomponisten James Newton Howard zum Filmstart von Disneys Nussknacker.

Im Hoffmann Portal selbst gibt es einige ausführlichere Beiträge zur musikalischen Rezeption Hoffmanns auf der Bühne und durch Komponisten. Und zum Abschluss, seien sie mit einer Ouvertüre und einem Nachwort der vielfältig von Hoffmann inspirierten Steampunk-Band Coppelius herzlich gegrüßt und musikalisch verabschiedet bis zur nächsten Empfehlung.