Stellenausschreibung Softwareentwickler*in (m/w/d) Frontend: Projekt HoPo3

Und noch eine Stellenausschreibung: Dieses Mal sucht das Projektteam E.T.A. Hoffmann Portal eine/n Softwareentwickler*in (m/w/d) Frontend zur Verstärkung für das Projekt HoPo3. Sie haben Interesse? Hier geht’s zur Stellenausschreibung:

Ausschreibung

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Am Rande der Nacht – zweimal E.T.A. Hoffmann in der Zeitung Politik & Kultur

Die Dezember/Januarausgabe (12/19; 1/20) der Zeitung Politik & Kultur – Zeitung des Deutschen Kulturrates widmet ihren Thementeil Am Rande der Nacht der Kultur der Dunkelheit. Verschiedenste Aspekte der Nachtseiten des Lebens werden beleuchtet: so beschreibt der Beitrag Das Visualisierungstheater der Wissenschaften die Aufgaben von Planetarien, ein anderer Artikel beschäftigt sich unter dem Titel Verlust der Nacht mit einem Forschungsnetzwerk zur Reduzierung der Lichtverschmutzung.

Natürlich darf das Motiv der „Nacht in der Literatur“ nicht fehlen – und wer eignet sich für eine Untersuchung besser als E.T.A. Hoffmann?

Frau Professor Anne Fleig stellt in einem Interview mit Theresa Brüheim Nachtstücke – Dunkelheit als literarisches Motiv bei E.T.A. Hoffmann vor. Sie legt dar, warum Hoffmann von der Dunkelheit als „unerschöpflicher Raum der Fantasie, voller Geheimnisse, aber auch [als] ein Hort von Schauermärchen und Spukgestalten“ so fasziniert war, welche Einflüsse auf Hoffmanns Begeisterung für die Nacht wirkten und welche Nachwirkungen seine Texte bis heute haben.

Auch ein zweiter Artikel – Alles Interessante ereignet sich im Dunkeln – von Herrn Professor Markus Bernauer behandelt die Umsetzung des Themas „die Nacht in der Literatur“. Markus Bernauer nimmt auch Hoffmann mit in den Blick – diesmal seine Musikästhetik und hierbei die Funktion der Nacht in ihrer Fremdheit als Vermittler zur wirklichen Welt.

Beide Autoren sind dem E.T.A. Hoffmann Portal eng verbunden:

Frau Fleig ist Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität; sie bietet in diesem Semester gemeinsam mit dem Projektteam des E.T.A. Hoffmann Portals eine Lehrveranstaltung zum Thema Romantik im E.T.A. Hoffmann Portal – Texten fürs Web an: die studentischen Beiträge z.B. zu den Verlegern Hoffmanns oder der Technik der Romantik werden im Laufe des Frühjahrs in das Portal eingestellt.

Markus Bernauer ist apl. Professor am Fachgebiet Literaturwissenschaft des Instituts für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte an der TU Berlin sowie Leiter der Jean Paul Edition und Arbeitsstellenleiter des Projekts „Libertinismus in Deutschland um 1800“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften; für das Hoffmann-Portal schrieb er einen Beitrag zur Berliner Romantik.

Die Beiträge der Zeitschrift Politik & Kultur – Zeitung des Deutschen Kulturrates können Sie hier als E-Paper (pdf) kostenfrei lesen.

 

 

Stellenausschreibung Projekt HoPo3

Das Projektteam E.T.A. Hoffmann Portal sucht eine wissenschaftliche Projektkraft zur Verstärkung für das dreijährige Projekt HoPo3. Sie haben Interesse? Hier geht’s zur Stellenausschreibung:

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Abschlusskonferenz HoPo 2 am 28.11.2019

Von Steampunk über Graphic Novel zu Disney – Bericht über die Abschlusskonferenz zum Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2

 

E.T.A. Hoffmann: Karikatur der hochschwangeren Schauspielerin Auguste Stich in ihrer Glanzrolle als Donna Diana (Berlin, November 1819). In: Handzeichnungen E.T.A. Hoffmanns in Faksimilelichtdruck. Herausgegeben von Walter Steffen und Hans von Müller. Berlin 1925.Berlin, November 1819: Ein halbes Jahr nach dem Mord an August von Kotzebue durch den Heidelberger Studenten Sand arbeitet vor allem das Königreich Preußen hart an der Überwachung und Bekämpfung liberaler und nationaler Tendenzen. Zahlreiche Studenten stehen auch in Berlin unter dem Verdacht „revolutionärer Umtriebe“ und werden seit dem Vormonat durch die „Immediat-Untersuchungs-Kommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen“ befragt. Eines ihrer prominenten Mitglieder ist E.T.A. Hoffmann, der im November 1819 alle Hände voll damit zu tun hat, Studenten zu verhören und Gutachten zu schreiben, in denen er sich vehement für die Unbestechlichkeit der Justiz unter anderem im Falle des bekannten Turnvaters Jahn einsetzt – sehr zum Missfallen des Polizeidirektors Kamptz. Die langwierigen und anstrengenden Verhöre verlangen nach Ausgleich, also setzt sich Hoffmann nach getaner Arbeit ans Klavier und komponiert einen heute nicht mehr erhaltenen Nachtgesang. Bevor er tags darauf zur nächsten Vernehmung eilt, schaut er noch schnell in der Königlich Preußischen Kalender Deputation vorbei, denn dort erscheint diese Tage der Berlinische Taschenkalender auf das Jahr 1820 mit seiner Erzählung „Die Brautwahl“, einem Text mit reichlich Berliner Lokalkolorit und Figuren, die an reale Vorbilder wie Wilhelm Hensel und die Familie Mendelssohn erinnern. Am Abend bietet das Nationaltheater die nötige Erholung, doch auch hier bleibt E.T.A. Hoffmann produktiv, setzt sich nach der Aufführung in die Weinstube Lutter & Wegner und zeichnet aus seinem Gedächtnis eine Karikatur der hochschwangeren Schauspielerin Auguste Stich in ihrer Glanzrolle als Donna Diana, die er im Lokal aufhängen lässt, wo sie bis zum Zweiten Weltkrieg an den unermüdlichen malenden und musizierenden Dichterjuristen erinnert.

 

Untersuchung gegen Professor Friedrich Ludwig Jahn – Akte der Ministerial-Untersuchungskommission: 14. Juli 1819 - 29. September 1819. Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 22 Lit. J Nr. 2.

So ungefähr kann man sich Hoffmanns Leben im November 1819 vorstellen. Genau zweihundert Jahre später, im November 2019, werden die Akten der Immediat-Untersuchungs-Kommission digitalisiert und im E.T.A. Hoffmann Portal der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK) online gestellt. Interessierte können sich seitdem komfortabel selbst ein Bild von diesen und anderen juristischen Geschehnissen um E.T.A. Hoffmann machen – und zwar ohne einen persönlichen Besuch im Geheimen Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz (GStA), das die Originalakten bewahrt.

Untersuchung gegen Professor Friedrich Ludwig Jahn – Akte der Ministerial-Untersuchungskommission: 27. Sepember 1819 - 20. Dezember 1819. Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 23 Spez. Lit. J Nr. 1

Die Digitalisierung der Akten ist Teil des dreijährigen Projekts E.T.A. Hoffmann Portal 2, das auf ein erstes einjähriges Projekt zum Aufbau der Infrastruktur und zur Entwicklung der ersten Portalinhalte folgte, und dessen erfolgreicher Abschluss nun am 28. November 2019 mit einer Konferenz in der Staatsbibliothek gefeiert wurde.

Dr. Ulrich Kober vom GStA erläuterte dem Publikum in seinem Tagungsbeitrag die Aufgaben dieses überwiegend historischen Archivs des Brandenburg-Preußischen Staates und stellte die insgesamt 19 Akten vor, in denen Schriftstücke von und über E.T.A. Hoffmann enthalten sind. Neben den Unterlagen der Immediat-Untersuchungskommission finden sich hier auch Entwurf und Reinschrift der Urkunde zur Bestallung Hoffmanns zum Regierungsrat im südpreußischen Posen von 1802 und Akten zur Beschlagnahmung seiner späten Erzählung „Meister Floh“ (1822), in der er den Polizeidirektor Kamptz verunglimpfend darstellt. Auch ein achtseitiger Probeabdruck und die zensierten Manuskriptseiten haben sich in den Akten erhalten.

 

Dr. Ulrich Kober, Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz

 

Ziel des Projektes war es aber nicht nur, die juristische Karriere Hoffmanns zu beleuchten, sondern die ganze Vielfalt seiner Begabungen und Aktivitäten für Forschung und Kultur zu bewahren und zugänglich zu machen, wie sie sich beispielsweise auch im November 1819 zeigten und in unzähligen Rezeptionsformen weiterlebten. Im Rahmen des Projekts wurden deshalb alle rechtefreien Materialien von und über E.T.A. Hoffmann sowie zu seinen Einflüssen und seiner Rezeption aus dem Bestand der Staatsbibliothek und darüber hinaus digitalisiert. Dafür konnte neben dem GStA auch die Wienbibliothek für eine Kooperation gewonnen werden, die eine der drei erhaltenen Erstausgaben der erotischen Erzählung „Schwester Monika“ (1815) besitzt.

Anonymus: Schwester Monika erzählt und erfährt: eine erotisch-psychisch-physisch-philantropisch-philantropinische Urkunde des säkularisierten Klosters X. in S... [Posen]: [Kühn] 1815. Wienbibliothek im Rathaus: Secr-A 108.

Längere Zeit wurde sie von der Forschung fälschlicherweise E.T.A. Hoffmann zugeschrieben. Prof. Dr. Markus Bernauer von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften untersucht das Werk im Rahmen seines Forschungsprojekts zum Libertinismus in der deutschen Literatur um 1800 und berichtete über seine Erkenntnisse zur Autorschaft, nach denen er eher ein Verfasserkollektiv aus dem böhmischen Raum vermutet, das im Stile Jean Pauls schreibt. Klare Vorbilder der augenscheinlich belesenen Verfasser lassen sich in der libertinen Literatur Frankreichs aus dem 18. Jahrhundert finden.

 

Prof. Dr. Markus Bernauer, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

 

E.T.A. Hoffmann Portal: Startseite Hoffmann digital

Etwa die Hälfte der insgesamt rund 2.500 geplanten Objekte ist inzwischen bereits in Hoffmann digital verfügbar, die zweite Hälfte folgt sukzessive in den nächsten Monaten. Neben Hoffmanns eigenen Werken wurden auch seine Lesestoffe aufgenommen, d.h. Werke und Autoren, von denen man weiß oder mit größerer Sicherheit annehmen kann, dass Hoffmann sie kannte und gelesen hat. Ergänzt wurden diese Materialien noch möglichst umfänglich um Verlagsproduktionen von Carl Friedrich Kunz und Julius Eduard Hitzig, zwei befreundeten Verlegern Hoffmanns, an deren Lektürestoffen er sich gerne bedient hat, sowie um  alle wesentlichen Publikationen von Personen aus seinem Umfeld, darunter zum Beispiel Carl Wilhelm Salice-Contessa oder Karl August Varnhagen von Ense.

Einen weiteren Baustein bilden biografische Arbeiten und frühe Forschungsliteratur, zum Teil auch Werke bis zum Erscheinungsjahr 1965, wenn sie im Buchhandel vergriffen sind und entsprechende Lizenzen erworben werden konnten. Und schließlich wurde auch die literarische, künstlerische, musikalische und naturwissenschaftliche Rezeption berücksichtigt, so finden sich im E.T.A. Hoffmann Portal beispielsweise auch digitalisierte Werke von Guy de Maupassant, Edgar Allan Poe, Gustav Meyrink, Walter Scott, Charles Nodier, Nikolai Gogol, Heinrich von Kleist und Angela Carter.

Ein zweiter Schwerpunkt des Projekts war der Ausbau der Textbeiträge und interaktiven Elemente im Portal. Inzwischen zählen mehr als fünfzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den ehrenamtlichen Autoren des Portals. Ihre einführenden Forschungsartikel zu unterschiedlichsten Themen werden besonders intensiv genutzt und tragen deshalb wesentlich zur Attraktivität des Webangebots bei. Im vergangenen Jahr bereicherten beispielsweise der Neurologe Roland Schiffter mit seinen Beiträgen  zur romantischen Medizin und zu Hoffmanns Krankheit und die Literaturwissenschaftlerin Polly Dickson mit einem Artikel zur Hoffmann-Rezeption in Großbritannien das Portal. In Kooperation mit Cinegraph und mit freundlicher Unterstützung von Hans-Michael Bock konnte zudem eine umfassende Filmografie mit Daten zu rund fünfzig internationalen filmischen Adaptionen online gestellt werden.

 

Unveröffentlichter Entwurf zur Graphic Novel "Das Fräulein von Scuderie : Erzählung aus dem Zeitalter Ludwig des Vierzehnten" von E.T.A. Hoffmann. Nouvelliert und illuminiert von Alexandra Kardinar & Volker Schlecht. © Prof. Volker Schlecht

Unveröffentlichter Entwurf © Prof. Volker Schlecht

E.T.A. Hoffmann Portal: Filmografie

 

 

Prof. Volker Schlecht, University of Applied Sciences Europe

Besonders vielfältig ist die moderne Hoffmann-Rezeption, denn E.T.A. Hoffmann erlebt eine ungebrochene internationale Aufmerksamkeit, die gerade in den letzten Jahren über verschiedene Kultur- und Wissenschaftsbereiche hinweg beobachtet werden kann. Einen sehr kleinen Ausschnitt dieser aktuellen Beschäftigung mit E.T.A. Hoffmann zeigten drei Konferenzbeiträge aus den Bereichen Comic, Oper und Film. Prof. Volker Schlecht von der University of Applied Sciences Europe stellte einige aktuelle Comicadaptionen von Hoffmanns Erzählungen vor und gab Einblicke in den assoziativen Entstehungsprozess seiner in Zusammenarbeit mit Alexandra Kardinar entstandenen Graphic Novel zu „Das Fräulein von Scuderi“. Unter dem Label Drushba Pankow erschaffen sie Illustrationen und Buchgestaltungen, die sich durch Verbindungen von analogen Zeichnungen und Computergrafiken auszeichnen. Hoffmannianer erkennen im unverwechselbaren Stil der beiden Künstler Verfremdungen und Groteskes, kurz: das Hoffmanneske.

 

Dr. Stefanie Junges, Ruhr-Universität Bochum

Ähnlich viel Groteskes zeigte auch der Vortrag von Dr. Stefanie Junges von der Ruhr-Universität Bochum, die das musikalische Oeuvre der Berliner Rockband Coppelius analysierte. Nicht nur der Bandname, auch Auftritt und inhaltliche Motive sowie ganze Konzeptalben weisen ausdrücklich auf E.T.A. Hoffmann als Vorbild. Höhepunkt der konsequenten Beschäftigung mit Hoffmann ist die Steampunk-Oper Klein Zaches genannt Zinnober, die in Kooperation mit der Neuen Philharmonie Westfalen entstand und am 14. November 2014 im Musiktheater im Revier (MiR) in Gelsenkirchen uraufgeführt wurde. Zudem gab Junges einen kurzen Einblick in Robert Wilsons Inszenierung des Sandmanns, die aktuell am Schauspielhaus Düsseldorf zu sehen ist: Auch der Lichtkünstler Wilson schafft durch Ton-, Farb- und Lichtgestaltung und die Musik der britischen Rocksängerin Anna Calvi ein völlig neues Hoffmann-Erlebnis.

 

Dr. Annett Werner-Burgmann, Humboldt-Universität zu Berlin

Für harmonischere Bilder sorgte schließlich Dr. Annett Werner-Burgmann in ihrem Beitrag zu aktuellen Filmadaptionen von „Nussknacker und Mausekönig“. Die sehr unterschiedlichen Umsetzungen eines Barbie-Animationsfilms, einer ARD-Fernsehproduktion und einer Disney-Kinobearbeitung zeigten einerseits die Bandbreite der Interpretationsmöglichkeiten, andererseits die verbindenden Elemente einer zeitgemäßen Adaption: So ist die Protagonistin Marie/Clara in allen drei Bearbeitungen kein siebenjähriges Mädchen mehr, das auf ihre Rolle als umsorgende Frau und Mutter vorbereitet wird, sondern eine selbstbewusste junge Erwachsene ohne ein festgelegtes Rollenbild. Sie soll sich daran messen, was eine anständige „Person“ und eben nicht eine anständige „Frau“ ist, einige männliche Figuren werden durch weibliche Charaktere ersetzt und die Besetzung erfolgt international mit Schauspielern unterschiedlicher Hautfarben. Freilich folgen die Bearbeitungen nur lose der Vorlage, die häufig eher Tschaikowskis Ballett als Hoffmanns Erzählung ist. Trotzdem zeigen die vorgestellten Filme die steigende Attraktivität des Hoffmannschen Stoffs.

 

Dass diese Attraktivität bis in die Schulbildung reicht, zeigt die regelmäßige Wahl von Werken E.T.A. Hoffmanns zum Abiturprüfungsstoff und zur Lektüreempfehlung in der Mittelstufe. Um dieser Nachfrage mit einem passenden Angebot zu begegnen, entwickelte das Team E.T.A. Hoffmann Portal im Rahmen des Projekts in Kooperation mit dem Albert Einstein-Gymnasium Berlin-Neukölln drei neue Lehreinheiten zur Erzählung „Der Sandmann“. So wurden Unterrichtsbausteine für die Themenkomplexe „Augenmotiv“, „Automatenmotiv“ und „Sandmann-Ausgaben“ erstellt, die entweder als komplette Lehreinheiten in jeweils einer Doppelstunde umgesetzt oder als einzelne Module in den Unterricht integriert werden können. Je nach technischer Ausstattung der Klasse können die Lehreinheiten unter Einbeziehung des E.T.A. Hoffmann Portals am Smartboard/per Beamer oder an einzelnen Schüler-PCs durchgeführt werden oder auch ganz ohne technische Unterstützung. Für die komfortable Offline-Nutzung stehen übersichtliche Arbeitsblätter zum Download bereit. Mit diesem Angebot soll einerseits ausgelotet werden, wie bibliothekarische Sammlungen in den schulischen Unterricht integriert und somit schon früh eine Bindung zur Institution Bibliothek geschaffen werden können, und andererseits die auch bei Schülern bereits vorherrschende digitale Informationsbeschaffung sinnvoll im Unterricht angewendet werden, um Lehrkräfte und Lernende an die Arbeit mit qualitativ hochwertigen digitalen Inhalten im Internet heranzuführen.

 

Studierende des Hoffmann-Seminars vom Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität

In Kooperationen mit der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin hat das Projektteam im Sommersemester 2019 zudem zwei Seminare angeboten, um den Studierenden zum einen den Künstler E.T.A. Hoffmann und seine Rezeption bzw. das romantische Berlin und die romantischen Wissenschaften näherzubringen, und sie zum anderen an das recht neue Format von Onlinepublikationen in wissenschaftlichen Kulturportalen heranzuführen. So lernten die Studierenden, wie man Texte fürs Web formuliert und gestaltet, welche speziellen Anforderungen wie Visualisierungen, Lesehilfen und Verlinkungen zu berücksichtigen sind und wie man mit der entsprechenden Software umgeht. Die besten Beiträge der Studierenden wurden inzwischen im E.T.A. Hoffmann Portal veröffentlicht.

 

Folgeprojekt E.T.A. Hoffmann Portal 3 gestartet

Mit dem Ende des Jahres 2019 endete nun auch offiziell das Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2. Aber dieses Ende ist zugleich ein neuer Anfang: Im Januar 2020 startete bereits ein drittes, wiederum dreijähriges Projekt mit zwei ganz unterschiedlichen Schwerpunkten: der Erstellung einer Online-Bibliografie und der Organisation einer großen Ausstellung zum 200. Todestag E.T.A. Hoffmanns im Jahr 2022. Aktuelle Informationen zu diesem Projekt erhalten Sie auf etahoffmann.net.

Klein Zaches feiert sein 200. Jubiläum in Plovdiv – Konferenzbericht

Gastbeitrag von Iliana Eldarova (Universität Sofia) und Iliya Tochev (Universität Plovdiv)

2019 ist das 200. Jubiläumsjahr der Entstehung einer der markantesten literarischen Figuren, die von der stark kreativen Phantasie des deutschen Romantikers E.T.A. Hoffmann geschaffen wurde – im Jahr 1819 erschien das Kunstmärchen Klein Zaches genannt Zinnober. Wie kann der „kaum zwei Spannen“ hohe, missgestaltete Zaches aus Hoffmanns Novelle den Blick vieler Forscher und Künstler heute noch auf sich lenken? Weshalb ist das Bild von Zinnober – das Bild des Betrügers, der auf eine wundersame Weise durch die Zuschreibung fremder Verdienste auf sich und seiner eigenen Fehler auf die anderen im Leben erfolgt – heutzutage so fruchtbar für Diskussionen und Interpretationen?

Vom 23. bis 26. Oktober 2019 fand im Haus der Wissenschaftler in der Altstadt Plovdiv das internationale und interdisziplinäre Forum „E.T.A. Hoffmann in Bulgarien“ statt. Das Ereignis war dem 200. Jahrestag der Entstehung der Novelle „Klein Zaches genannt Zinnober“ gewidmet. Im Laufe der Diskussion wurde nach und nach deutlich, wie und warum dieses Werk in Bulgarien eine besonders aktive Rezeption erfährt. Neben wissenschaftlichen Vorträgen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedener Universitäten standen auch kulturelle Veranstaltungen auf dem Programm – eine Theaterinszenierung, eine Filmvorführung und eine Ausstellung. Ganz im Geiste Hoffmanns wurden die einzelnen Sitzungen der Konferenz als Vigilien bezeichnet – eine Anspielung auf die Novelle Der goldene Topf, und das Programm selbst folgte seiner eigenen „Fabel“.

Initiator und Organisator des Projektes ist der Lehrstuhl für Literaturgeschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Plovdiv „Paisii Hilendarski“. Weitere Organisatoren sind die E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft – Bamberg, Deutschland; der Bulgarische Wissenschaftlerverband (Union of Scientists in Bulgaria, Zweigstelle Plovdiv) und die Nationalbibliothek „Ivan Vasov“ – Plovdiv, Bulgarien. Partner des Projektes sind das E.T.A. Hoffmann Portal und -Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin, die Staatsbibliothek Bamberg, der Lehrstuhl für Theaterwissenschaft an der Nationalakademie für Theater- und Filmkunst „Krastjo Sarafow“ sowie der Nationalverlag „Az-buki“. Das Projekt fand statt auch dank der Unterstützung der Stadt Plovdiv, des Goethe-Instituts Bulgarien und des Nationalen Wissenschaftsfonds des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft. Das Forum „E.T.A. Hoffmann in Bulgarien“ war Teil des Programms Plovdiv 2019 – Europäische Kulturhauptstadt.

Eröffnung

Die Konferenz wurde im Haus der Wissenschaftler eröffnet. Grußworte sprachen Dr. Mariana Tcholakova (Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Plovdiv), Dr. Christina Schmitz (Projektleitung des E.T.A. Hoffmann Portals, Staatsbibliothek zu Berlin), Prof. Dr. Nevena Mileva (Vize-Rektorin der Universität Plovdiv „Paisii Hilendarski“) und Dimitar Minev (Direktor der Nationalbibliothek „Ivan Vasov“, Plovdiv). Ein Grußwort von Prof. Dr. Bettina Wagner (Präsidentin der E.T.A. Hoffmann Gesellschaft und Direktorin der Staatsbibliothek Bamberg) wurde vorgelesen.

Erste Vigilie

Eröffnet wurde die Konferenz mit einem Vortrag von Prof. Dr. Bernhard Schemmel (Geschäftsführer der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft), den der Promovend Iliya Tochev (Universität Plovdiv) in bulgarischer Übersetzung vortrug. In seinem Beitrag Das Zauberspiel „Klein Zaches“ nach E.T.A. Hoffmann konzentriert sich Prof. Dr. Schemmel auf das bisher unbekannte Zauberspiel für Kinder Klein Zaches von K. Thalburg und weist „auf die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zwischen Hoffmanns Werk und der späteren Interpretation“ hin. Darauf folgte Prof. Dr. Anna Topaldjikova (Nationalakademie für Theater und Film „Krastyo Sarafow“) mit ihrem Beitrag zum Thema Hoffmann’s Phantastic visions – provocation to the contemporary dramaturgy and theatre. Aus der Perspektive der Theaterwissenschaft näherte sich die Autorin der doppelten Natur von Hoffmanns´ Leben und fokussiert im Text auf jene Motive, die dramaturgisch und theatralisch umgesetzt wurden. Der Beitrag von Prof. Dr. Cleo Protohristova (Universität Plovdiv), Temporal Designations in E. T. A. Hoffmann’s Works – Idiosyncrasies and Subversion, legte den Fokus auf die Funktion der Zeitangaben in Hoffmanns Werk und auf seine Neigung, die Handlung mit bestimmten Feiertagen und Tagesstunden zu verknüpfen. Dabei bot sie eine Hypothese für die Rationalisierung dieser „künstlerischen Launen“ durch systematische Kontextualisierungen. Assoc. Prof. Dr. Dimitar Kambourov (Universität Sofia) zeigte in seinem Vortrag E. T. Amadeus Between Bonaparte, Beethoven, and Cinnabar: Romantic Revolution, Collective Psychosis, Popular Culture, and Democratic Discrimination eine andere Perspektive auf Hoffmanns Werk und zog Parallelen zwischen dem Autor und seinem Protagonisten, wobei er Impulse zum Konflikt zwischen Biographie, Normativität, Kreativität und Skeptizismus setzte und von einem „suiziden Modernismus“ sprach, der eine Alternative zu den „Klassikern“ (Beethoven, Tchaikovsky, Delibes, etc.) und zur Dunkelheit (E.T.A. Hoffmann selbst) biete.

Während der Diskussion wurde mehrfach deutlich, wie unterschiedlich die Interpretationen und Thesen zu Hoffmann und seinem Werk sein können: Ob die romantische Ironie dabei helfen könnte, der behaupteten (klein)bürgerlichen Weltanschauung zu entgehen; inwieweit Hoffmann tatsächlich in der Lage war, eine solche Ironie zu manifestieren; ob er ein versierter und vollwertiger Autor war, der Künstler und Wissenschaftler heute immer noch inspiriert, oder im Gegenteil – ob das Interesse an ihm und die zahlreichen Versuche zu neuen Interpretationen genau ein Ergebnis davon sind, dass es sich um ein potenzielles Talent handelt, das sich nicht völlig entfalten konnte, und um einen Schriftsteller, dessen Werk einer Fortsetzung bedarf? Diese und andere während der Diskussion aufgeworfenen Fragen beschäftigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums „E.T.A. Hoffmann in Bulgarien“ auch nach der ersten Vigilie.

Am Abend führte die unabhängige Theatergruppe Metheor unter Leitung der Regisseurin Ani Vasseva das zweisprachige Stück Hoffmann im Theatersaal der Universität Plovdiv auf. Die Schauspieler Leonid Yovchev und Stefan Milkov präsentierten darin eine künstlerische Interpretation von Hoffmanns Leben und Werk, indem sie das Publikum in die für Hoffmann typischen Gefühle von Albtraum, Angst und Unruhe versetzten.

Zweite Vigilie

Der zweite Konferenztag begann mit Assoc. Prof. Dr. Darin Tenev (Universität Sofia) und seinem Vortrag Hoffmann and the Cats of Deconstruction, in welchem er die Rezeption Hoffmanns in Frankreich durch verschiedene Essays von Sarah Kofman untersuchte, unter anderem am Beispiel ihrer Interpretation des Kater Murr. Tenev beleuchtete auch neue Diskurse aus den „Animal Studies“ und untersuchte dabei die Klassifikationsspezifika des Doppelgängerbildes. Dr. Mladen Vlashki (Universität Plovdiv) bot in seinem Vortrag E.T.A Hoffmann, Gogol und Kafka in Prag – Anna Seghers literarische Antwort auf einige politische Fragen eine Analyse von Anna Seghers´ Erzählung Die Reisebegegnung (1972), in der sich die drei Autoren kurz nach dem Ersten Weltkrieg in einem Prager Café treffen und über ihre Werke diskutieren. Dabei wurden die Reflexionen der Autorin über die politische Dynamik in Europa, die die Theorien des Realismus in der Literatur des Kalten Krieges beeinflussen, untersucht. In ihrem Beitrag zum Thema Hoffmann, Desire and The Possibility of Impossible unternahm Dr. Ani Vasseva (Metheor; NBU) den Versuch, Zaches mit den Figuren Anselmus (Der goldene Topf), Nathanael (Der Sandmann) und Balthazar (Klein Zaches) zu vergleichen. Dabei warf sie die Frage auf, ob Zaches nicht die Mängel anderer widerspiegele – in diesem Fall könne sein Bild als Satire gegen die Massenpsychose interpretiert werden. In der Folgediskussion wurden unter anderem verschiedene Überlegungen zur Bedeutung der Übersetzung der Werke Hoffmanns ins Bulgarische und ihren Einfluss auf die Rezeption erörtert.

Dritte Vigilie

Assoc. Prof. Dr. Ognyan Kovachev (Universität Sofia) präsentierte in seinem Vortrag The Anxiety of Kinship: E. T. A. Hoffmann and the British Literary Gothic Context einen Vergleich zwischen dem Roman Die Elixiere des Teufels und der 1796 veröffentlichten Gothic Novel Der Mönch von Matthew Gregory Lewis, und somit zwischen der Romantik und der Britischen Neugotik. Er zog zur Diskussion englische und bulgarische Übersetzungen sowie die Verfilmung Die Elixire (1976) heran. Assoc. Prof. Dr. Boris Minkov sprach über Die Rezeption des Romans „Die Elixiere des Teufels“ in der Übersetzung von Panajot Tschinkov von 1929. Seiner Ansicht nach schaffe die bulgarische Übersetzung ein Bild des Werkes, das auf das Modell der Gothic Novel zurückgeführt werden kann – ein von Hoffmann parodiertes Modell. In seinem Beitrag zeigte er, dass Hoffmanns feste Kategorisierung als „Schwarzromantiker“ im bulgarischen Kulturraum bereits vor 1944 geschehen ist. Nach der Diskussion stellte Dr. Christina Schmitz in ihrem Vortrag Eine ganze E.T.A. Hoffmann-Welt an der Staatsbibliothek zu Berlin das Webportal und E.T.A. Hoffmann-Archiv der Staatsbibliothek vor.

Vierte Vigilie

Im Vortrag Die Retrotopie als ideologisches Instrument der deutschen Romantik in Е.Т.А. Hoffmanns „Klein Zaches, genannt Zinnober“ analysierte Assoc. Prof. Dr. Maria Endreva (Universität Sofia) das Verhältnis von Ideologie und Utopie, Konservatismus und Marxismus. Sie stellt die These auf, dass unsere Zeit wie die Romantik dazu neigt, der Realität durch Verwendung irrationaler Ideen und Praktiken auszuweichen. Assoc. Prof. Vitana Kostadinova (Universität Plovdiv) konzentrierte sich in ihrem Vortrag Literary Parallels: E.T.A. Hoffmann and the English Romantics auf die literarischen Parallelen zwischen Hoffmann (Der Sandmann) und den englischen Romantikern Coleridge (The Rime of the Ancient Mariner) und Mary Shelley (Frankenstein) sowie der gelegentlichen Referenz zu Byron.

Ausstellung

Am Nachmittag wurde in der Nationalbibliothek „Ivan Vazov“ die Ausstellung E.T.A. Hoffmann in Bulgarien eröffnet. Die Kuratorinnen Assoc. Prof. Dr. Svetla Cherpokova (Universität Plovdiv) und Promotionsstudentin Iliana Eldarova (Universität Sofia) führten in die Ausstellung ein. Zu sehen waren alle bulgarischen Ausgaben von Hoffmanns Werken, von der frühesten bis zur neuesten Ausgabe (Das unbekannte Kind, 2019), sowie Reproduktionen von Autographen und anderen unikalen Materialien aus dem Bestand der Bamberger Staatsbibliothek. Die Objekte wurden speziell für Ausstellungszwecke im Jahr 2005/2006 hergestellt und sind sehr geschickte Kopien von Zeichnungen, aber auch Handschriften, Briefen, der Todesanzeige des Kater Murr sowie wertvollen Erstausgaben literarischer bzw. musikalischer Art. Die Reproduktionen sind in acht Themen aufgeteilt: 1. Porträts E.T.A. Hoffmanns, 2. Lebensstationen Königsberg – Bamberg – Berlin, 3. Musikalien E.T.A. Hoffmanns, 4. Undine, 5. Der Sandmann, 6. Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, 7. Fantasiestücke bis Kater Murr, 8. Meister Floh.

Am Ende des zweiten Konferenztages wurde im Kulturhaus „Boris Hristov“ eine Verfilmung des von Zaches inspirierten Theaterstücks Phantastereien des bulgarischen Regisseurs Tedi Moskov gezeigt. Für das Publikum war es besonders interessant, wie die vertrauten Passagen des Romans auf eine neue Weise funktionieren und in einen anderen Kontext gestellt werden. So übte das Stück auch Kritik am sozialistischen Regime, das zur Uraufführung Ende der 1980er Jahre noch an der Macht war. Der Regisseur selbst beteiligte sich in der Diskussion und sprach über die nicht ganz ungefährliche Entstehungsgeschichte seiner Inszenierung.

Fünfte Vigilie

Am letzten Tag der Konferenz – in der fünften Vigilie – erörterte Assist. Prof. Dr. Ivan Popov (Universität Sofia) in seinem Vortrag Der Einfluss der Trivialliteratur aus dem 18. und dem Anfang des 19. Jahrhunderts auf E.T.A. Hoffmanns Werk an verschiedenen Beispielen (u.a. Elixiere des Teufels), dass das Werk Hoffmanns Züge der Trivialliteratur (v.a. des Schauerromans) trägt, und stellte sich dabei die Frage, wie Hoffmann durch die Mittel der populären Literatur „spezifisch“ romantische Ziele verwirklicht. Assist. Prof. Dr. Elitsa Dubarova („Prof. Dr. Asen Zlatarov“ Universität Burgas) beschäftigte sich in ihrem Beitrag Techniques of awakening. Observations on the narrative and theoretical dimensions of optics in the works of Hoffmann and Musil (“The corner window” and “Binoculars”) mit einem Vergleich zwischen Hoffmanns Erzählung Des Vetters Eckfenster und Robert Musils Essay Triëdere, wobei sie die Texte in den Kontext der technischen Entwicklung einerseits und der ästhetischen Umkehrung andererseits stellte.

Sechste Vigilie

Assist. Prof. Dr. Laska Laskova (Universität Sofia) hob in ihrem Vortrag zum Thema The Golden Pot: A Modern Fairytale of Tenses. Grammar Notes die manchmal übersehene Verbindung zwischen Literaturwissenschaft und Linguistik hervor. Sie untersuchte die Hypothese, dass sich Differenz und Zwiespaltung im Kunstmärchen Der goldene Topf auf der grammatischen Ebene widerspiegeln und zwar durch den Wechsel zwischen verschiedenen narrativen Systemen. Assoc. Prof. Dr. Svetla Cherpokova (Universität Plovdiv) skizzierte in ihrem Vortrag „Klein Zaches, genannt Zinnober“ – außerliterarische Verwendungen die Theater- und Filminterpretationen von Hoffmanns Werk in Bulgarien zwischen 1989 und 2010, darunter das Stück Phantastereien von Tedi Moskov und der Film Zaches (2010) des bulgarischen Regisseurs Anri Kulev, dessen Vorführung auch Teil des Konferenzprogramms war. Die Autorin beschäftigte sich mit der Frage, warum alle filmischen Bearbeitungen in diesem Zeitraum auf Klein Zaches, genannt Zinnober fußen. Somit wurde ein Überblick über Hoffmanns Rezeption in Bulgarien gegeben – zunächst durch Übersetzungen und später durch Interpretationen im Bereich anderer Künste. Hoffmanns Rezeption in Bulgarien wurde als Teil des Transferprozesses von deutscher Kultur nach Bulgarien angesehen, seine Aktualität wurde auch in politisch-gesellschaftliche Kontexte gestellt.

Siebte Vigilie

In der letzten, siebten Vigilie hatten junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Gelegenheit, ihre Arbeiten vorzustellen. Die Promotionsstudentin Tanya Bedavadzhieva (Universität Plovdiv) sprach über Alchemie und ihre Verwendung in Hoffmans Texten – Alchemical symbols and motifs in Hoffman’s tales. Der Promotionsstudent Iliya Tochev (Universität Plovdiv) untersuchte in seinem Beitrag Betrachtungen über die Doppelgängerfigur in einigen Werken von Knut Hamsun und E.T.A. Hoffmann durch einen typologischen Vergleich die Motive des Doppelgängers, der Spaltung und Verdoppelung in Hoffmans Sandmann und Knut Hamsuns Roman Mysterien. Schließlich skizzierte die Masterstudentin Elena Mincheva (Universität Plovdiv) in ihrem Beitrag Variations on the Image of Italy in Two Novellas by Е. Т. А. Hoffmann die Karneval- und maskengeprägte Italienvorstellung Hoffmanns in den Novellen Die Abenteuer der Sylvester-Nacht und Prinzessin Brambilla sowie die Rolle des mythologischen Landes Udargarten.

„Zaches heute?“

Es folgte eine Diskussion unter Beteiligung von Studierenden der Universität Plovdiv zu Hoffmanns kontroversem Leben und Werk sowie zu aktuellen Formen der Rezeption. Zum Abschluss der dreitägigen Vigilien wurde Anri Kulevs Film Zaches, die neueste Interpretation der Novelle (2010), im Haus der Kultur „Boris Hristov“ vorgeführt. Dazu sprach der Regisseur einführende Worte und stellte sich anschließend den Fragen des Publikums.

Die zahlreichen Interpretationen, die im Rahmen der Konferenz beleuchtet wurden, sind ein Beleg dafür, dass die Figur des „Klein Zaches“ bis heute relevant ist und wiederkehrende, aber auch neue, konkretere inhaltgebende Beispiele für seine Präsenz zu beobachten sind. Das macht ihn zweifellos zu einem der ewigen Bilder in der Weltliteratur.

Initiator und Organisator des Projektes ist der Lehrstuhl für Literaturgeschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Plovdiv „Paisii Hilendarski“. Weitere Organisatoren sind die E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft – Bamberg, Deutschland; der Bulgarische Wissenschaftlerverband (Union of Scientists in Bulgaria, Zweigstelle Plovdiv), die Nationalbibliothek „Ivan Vasov“ – Plovdiv, Bulgarien. Partner des Projektes sind das E.T.A.-Hoffmann-Portal und E.T.A.-Hoffmann-Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin, die Staatsbibliothek Bamberg, der Lehrstuhl für Theaterwissenschaft an der Nationalakademie für Theater- und Filmkunst „Krastjo Sarafow“, der Nationalverlag „Az-buki“. Das Projekt findet statt auch dank der Unterstützung der Stadt Plovdiv, des Goethe-Instituts Bulgarien und des Nationalen Wissenschaftsfonds des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft. Das Forum „E.T.A. Hoffmann in Bulgarien“ fand im Rahmen des Programms Plovdiv 2019 – Europäische Kulturhauptstadt.

Gleich fünf Mal im Dezember: Hoffmanns Erzählungen

Der Dezember steht im Zeichen von Hoffmanns Erzählungen. An fünf verschiedenen Spielstätten über ganz Deutschland verteilt haben Sie Gelegenheit, eine Inszenierung zu sehen! Trotz den leicht variierenden Titeln haben alle Inszenierungen Les Contes d’Hoffmann als Basis und werden in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln aufgeführt.

Fast 60 Jahre nach E.T.A. Hoffmanns Tod wird die Phantastische Oper in 5 Akten „Les Contes d’Hoffmann“ (Hoffmanns Erzählungen) 1881 in Paris uraufgeführt. Ihr Schöpfer, Jacques Offenbach hat sich bei der Erschaffung seines Werkes reichlich Inspiration aus verschiedenen Hoffmann-Erzählungen geholt und erweckt sogar Hoffmann selbst erneut zu Leben. Die Oper beinhaltet zum Teil Elemente aus Der SandmannRat Krespel und Die Abenteuer der Sylvester-Nacht. 

 

Sonntag, 01. Dezember 2019
Les Contes d’Hoffmann / Hoffmanns Erzählungen

Libretto von Jules Barbier nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré, Fassung von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck.
Eine kostenlose Werkeinführung wird 45 Minuten vor Beginn der Aufführung angeboten.

Wann? 01.12.19, 19:00 – 22:15 Uhr
Wo? Semperoper Dresden, Theaterplatz 2, 01067 Dresden
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Mittwoch, 04. Dezember│Donnerstag, 05. Dezember 2019
Jacques Offenbach: Hoffmanns Erzählungen á trois

Oper zu dritt mit Michael Quast, Sabine Fischmann und Rhodri Britton. Im Rahmen des Jacques Offenbach Jahres werden Michael Quast und seine MitstreiterInnen nun ein weiteres Mal zeigen, wie man mit der Schützenhilfe Offenbachs die große Oper von Schwulst und Schwellenangst befreit.

Wann? 04.12.19/05.12.19, 20:00 Uhr
Wo? Theater im Bauturm, Aachener Straße 24-26, 50674 Köln
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Sonntag, 08. Dezember 2019
Hoffmanns Erzählungen – Fantastische Oper in fünf Akten

Musikalische Leitung: Elisa Gogou
Inszenierung: Roman Hovenbitzer
Bühnenbild: Hermann Feuchter
Kostüme: Judith Fischer

Wann? 08.12.19, 16:00 Uhr
Wo? Anhaltisches Theater (Großes Haus), Friedensplatz 1a, 06844 Dessau-Roßlau
Folgende Termine: 25.12.19│22.02.20│20.03.20
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Montag, 23. Dezember 2019│Samstag, 04. Januar 2020
Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach (1881)

„Regisseurin Stöppler gelingt es, die einzelnen Bilder des Wahns zu einem dramaturgisch schlüssigen Gesamtbild zu fügen.“ (Frankfurter Neue Presse)

Musikalische Leitung: Robert Houssart
Inszenierung: Elisabeth Stöppler
Chor: Sebastian Hernandez-Laverny

Wann? 23.12.19/04.01.20
Wo? Staatstheater Mainz GmbH, Gutenbergplatz 7, 55116 Mainz
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Sonntag, 29. Dezember 2019
Hoffmanns Erzählungen

Der niederländische Regisseur Floris Visser, der am STAATSTHEATER KARLSRUHE triumphal mit Semele debütierte, inszeniert dieses Meisterwerk der Opernliteratur. Es dirigiert der gebürtige Karlsruher und Echo-Preisträger 2017 Constantin Trinks.

Wann? 29.12.19, 18:00 Uhr
Wo? Badisches Staatstheater Karlsruhe, Hermann-Levi-Platz 1, 76137
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Save the date: Tagung der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft am 13./14. Juni in Bamberg

Die nächste Tagung und Mitgliederversammlung der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft findet am 13./14. Juni in Bamberg statt. Weiterlesen

E.T.A. Hoffmann-Lesung am 2.11. im Chamisso-Museum (Bliesdorf/OT Kunersdorf)

Lesung
Die Geschichte vom verlorenen Spiegelbild von E. T. A. Hoffmann

Chamisso-Museum im Kunersdorfer Musenhof
02. November – 16 Uhr
Eintritt 12 €

Diese Geschichte von E.T.A. Hoffmann erzählt von Erasmus Spikher, einem Reisenden in Italien,
der durch die Begegnung mit dem Teufel den Pakt um sein Spiegelbild schließt. Ähnlich wie
Chamissos Peter Schlemihl muss er den Menschen ausweichen und befindet sich auf der Flucht.
Am Ende trifft Spikher sogar auf Peter Schlemihl. Mit dieser Begegnung schuf Hoffmann eine
Hommage an seinen Freund Adelbert von Chamisso.

Es liest Hans Jürgen Schatz.

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J. Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ in Offenbach (23.10.) und Weimar (25.10. und weitere)

Gleich zwei Mal wird in der kommenden Woche Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ aufgeführt. Sichern Sie sich schnell noch Karten!

 

Hoffmanns Erzählungen à trois

Phantastische Oper von Jacques Offenbach

Veranstalter: Fliegende Volksbühne Frankfurt

Spielort: Alte Schlosserei, EVO, Andréstraße 71, 63067 Offenbach am Main

Zeit: 23.10.2019, 19.30 Uhr

Karten: 18 Euro, ermäßigt 10 Euro, auch online unter Frankfurt Ticket

„Schauspieler spielen meine Musik, Tenöre brüllen sie nur“ soll Jacques Offenbach einmal gesagt haben. Daran halten wir uns! In Offenbachs phantastischer Oper Hoffmanns Erzählungen berichtet der unglücklich verliebte Dichter Hoffmann in der Kneipe von drei gescheiterten Liebeserlebnissen – oder Liebesphantasien? Am Ende ist er betrunken und verpasst die echte Liebe. Grund genug, um zu verzweifeln. Aber: die Poesie ist entzündet. »Hebt die Liebe dich hoch, hebt dich höher das Leid!«

Voller dramatischer Einfälle, skurriler Figuren und musikalischer Kostbarkeiten ist Hoffmanns Erzählungen ein gefundenes Fressen für Fischmann und Quasts Musiktheater à trois.

In allen Rollen: Sabine Fischmann und Michael Quast
Am Flügel: Rhodri Britton/Markus Neumeyer
Musikalische Fassung: Rhodri Britton
Textfassung: Michael Quast nach dem Libretto von Jules Barbier und Michel Carré
Puppe: Christian Werdin,  Kolorierung und Haar: Katja Reich
Regie: Sarah Groß

Eine Koproduktion mit dem Amt für Kultur- und Sportmanagement der Stadt Offenbach und dem Theater im Bauturm Freies Schauspiel Köln.

 

Hoffmanns Erzählungen

Phantastische Oper in fünf Akten von Jacques Offenbach

Spielort: Deutsches Nationaltheater Weimar

Termine: 25.10. / 09.11. / 06.12. / 26.12. / 05.01. / 31.01./ 22.02. / 13.04.

Karten

Libretto von Jules Barbier nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré, herausgegeben von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck
In deutscher Sprache

E.T.A. Hoffmanns Erzählungen sind berühmt für ihre fantastische Atmosphäre, die Unklarheit der Grenze zwischen Realität und Fiktion und die Faszination, durch die er die Leser*innen in seine eigene Logik hineinzieht. Entsprechend sind die Handlung ebenso wie die Musik zu dieser Oper im doppelten Wortsinne fantastisch.

In der Interpretation des Regisseurs Christian Weise, der unserem Publikum bestens bekannt sein dürfte (»Rocco und seine Brüder«, »Macbeth«, »Wie werde ich reich und glücklich«), begibt sich Hoffmann auf eine surreale Reise. In drei Extremen sucht er nach Liebe – und wird am Ende doch immer nur mit seinem ungenügenden Selbst konfrontiert.

Mit dem Opernchor des DNT
Es spielt die Staatskapelle Weimar

Musikalische Leitung: Stefano Lano
Regie: Christian Weise
Bühne: Paula Wellmann
Kostüme: Lane Schäfer

Choreografie: Alan Barnes,  Dramaturgie: Hans-Georg Wegner
Choreinstudierung: Jens Petereit,  Fechtmeister: Jan Krauter

 

E.T.A. Hoffmann in Portland – Rückblick zur Jahreskonferenz der German Studies Association 2019

Ein Beitrag von Dr. Stephanie Großmann, Universität Passau (→ Forscherprofil)

Dass E.T.A. Hoffmann bei der diesjährigen Konferenz der German Studies Association (GSA) in Portland, Oregon großes Interesse fand, zeigte sich schon daran, dass das von Prof. Dr. Liebrand (Universität zu Köln) und Prof. Dr. Thomas Wortmann (Universität Mannheim) initiierte Thema „Reperspektivierungen: Neue Lektüren zu E.T.A. Hoffmann“ mit drei Panels vertreten war. Als interdisziplinäre Vereinigung von ca. 1.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern widmet sich die German Studies Association (GSA) germanistischen und historischen Fragestellungen, die sich mit Bezügen zu Deutschland, Österreich und der Schweiz befassen. Ihre Jahreskonferenz, die dieses Jahr vom 3. bis zum 6. Oktober zum dreiundvierzigsten Mal stattfand, ist ein wichtiges Forum für den wissenschaftlichen Austausch zwischen den USA und Deutschland. In Portland näherten sich die neun Referentinnen und Referenten neuen Lektüren zu E.T.A. Hoffmann aus ganz vielfältigen Perspektiven, die unter anderem die Emotionsforschung, Gender und Queer Studies, Philosophie (Kant), Materielle Kulturwissenschaft, Film- und Theaterwissenschaft einschlossen.

Das erste Panel stellte E.T.A. Hoffmanns „Schreib- und Erzählstrategien“ in den Mittelpunkt. Den Auftakt machte M.A. Christian Struck (Harvard University) mit seinem Vortrag Das unsichtbare Element des Einflusses in E.T.A. Hoffmanns „Der Magnetiseur“ – oder: Schaum und Vermächtnis. Ihn beschäftigte besonders die Frage, wie der Text selbst den Leser „magnetisiert“. Dazu untersuchte Struck den Text bis hinein in die Ebenen von Syntax und Zeichensetzung und eröffnete auf dieser Mikroebene dessen Potenzial unterschiedlicher Lese- und Bezugsebenen. Außerdem beleuchtete er die Materialität des vielfach in Der Magnetiseur benannten Schaumes auf sein semantisches Potenzial.

In ihrem Vortrag Subjektkonstitutionen und Schreibprozesse: Hoffmanns Texte präsentierte Prof. Dr. Claudia Liebrand (Universität zu Köln), wie Hoffmanns Texte ihre Figuren als von ihrem Unterbewusstsein geleitete Marionetten erscheinen lassen. Dabei ging sie drei unterschiedlichen Facetten nach: 1. Die Texte verunklaren den Mensch-Maschine-Zusammenhang. Am Beispiel Der Sandmann zeigte sie, dass dort das Problem einer fehlenden Unterscheidbarkeit zwischen dem, was Mensch und was Nicht-Mensch ist aufgeworfen wird. 2. Das Trauma wird für die Figuren zu einem Skript, dem sie gehorchen müssen, das sie nachspielen müssen. So wird Nathanael in der traumatischen Urszene von Coppelius zur Marionette umgestaltet und kann ab dann nur noch als Marionette agieren. 3. Den Schreibprozess der Künstlerperson in Der goldene Topf konzipiert Liebrand als Écriture automatique avant la lettre, da das Unbewusste dem Dichter die Hand führt, es selbst zum Text werden soll.

PD Dr. Jan Süselbeck (University of Calgary) beschäftigt sich in seinem Beitrag Schöne Augen: Emotionalisierungsstrategien in E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann aus der Perspektive der Emotionsforschung mit dem literarischen Antisemitismus der Romantik. Vor allem in der „Ensemblewirkung des Textes“ bezogen auf einzelne Aspekte der Figur Coppelius/Coppola im Sandmann – seine Physiognomie, sein Potenzial der (viralen) Ansteckung, seine sprachliche Verunglimpfung („Sköne Oken“) und sein Erscheinen als Hausierer/Schnorrer – sieht er deutliche Parallelen zur Konzeption des Ahasver-Motivs im 19. Jahrhundert. So schüre Hoffmanns Text gerade durch sein wirkmächtiges Angstszenario, bei dem nie abschließend klar wird, ob Nathanael wirklich gefährdet ist oder nicht, die Angst vor dem Fremden, das einen viral befällt und in den Abgrund zieht, wobei dieses Fremde deutliche Anklänge an die Konzeption eines unheimlichen, jüdischen Anderen des frühen 19. Jahrhunderts aufweise.

Dem „Sprechen und Verstehen“ widmete sich das zweite Panel. Zunächst untersuchte Dr. Giulia Ferro Milone (Università di Verona) in ihrem Vortrag „Der Junge knurrt und miaut, statt zu reden“: Sprachstörungen und Sprachdefizite bei Hoffmanns männlichen Figuren aus der Perspektive der Gender und Queer Studies, wie das männliche Sprechen in den Texten Hoffmanns vor der Folie der für die Goethezeit dominanten Norm der Affektkontrolle zu verorten ist. Ihre These, dass Hoffmanns Figuren die dominanten Strukturen männlichen Sprechens der Zeit nicht erfüllen, erläuterte sie an verschiedenen Beispielen (Klein Zaches genannt Zinnober, Meister Floh) und konnte zeigen, dass nicht nur in der Artikulation, sondern auch bezogen auf Syntax und Wortwahl die Figuren in einem (sprachlichen) Kindheitsstatus verbleiben und „Männlichkeitsperformanz“ problematisiert wird. Diese Befunde kontrastierte Ferro Milone mit den männlichen Tierfiguren Hoffmanns, die sich alle durch eine hervorragende Artikulation und Eloquenz auszeichnen.

Unter dem Titel Zum silbernen Lamm oder zum goldenen Bock? – E.T.A. Hoffmanns ungesellige Gesellen stellte Dr. Caroline Scholzen (Universität Salzburg) Hoffmanns Konzeption von Geselligkeit in den Kontext von Immanuel Kants geschichtsphilosophischer These des sozialen Antagonismus einer „Ungeselligen Geselligkeit“, die als Motor der Sozialisation fungiert. Scholzen argumentierte, dass Kant die aus dem Paradoxon erwachsenden Probleme einzuhegen versuche, wohingegen Hoffmann in seinen Texten den Mut bewiese, dieses Paradoxon eines doppelt gerichteten Sprachraums auszuhalten, indem er in seinen Texten inverse Strukturen nicht auflöse.

Dr. Aurora Romero (Vanderbilt University, Nashville) näherte sich in ihrem Beitrag Disarticulated Women and Their (Un)Emotional Labors in E.T.A. Hoffmann’s The Sandmann den Frauenfiguren aus der Perspektive der Visual Studies und folgte den verschiedenen Blicken auf die „female bodies“, um anhand dieser Konzeptionen die kontemporären Veränderungen der Frauenrolle herauszuarbeiten.

Das dritte Panel befasste sich unter dem Titel „Adaptionen“ mit der Relation zwischen Hoffmanns literarischen Texten und anderen medialen Konzepten oder Umsetzungen. PD Dr. Mario Grizelj (Ludwig-Maximilian-Universität München) ging in seinem Vortrag „Des Vetters Eckfenster“ und die Kamerafahrt – Nicht nur: „Hoffmann und der Film“, sondern auch „Hoffmann und die Filmanalyse“ der These nach, inwiefern Hoffmanns Texte – und hier insbesondere Des Vetters Eckfenster – als Exempel für „filmische Schreibweisen“ herhalten können. In seiner Analyse kam er zu dem Schluss, dass ein Durchspielen von filmanalytischen Begrifflichkeiten an den Raum- und Blickkonzeptionen der Texte zum einen anachronistisch sei und zum anderen auch keinen Mehrwert bringe. Dieser Punkt, die Literatur nicht auf ein protofilmisches Medium zu reduzieren, sondern vielmehr ihren Eigenwert und ihre Poetizität zu würdigen, fand auch in der Diskussion große Zustimmung.

Dr. Stephanie Großmann (Universität Passau) untersuchte in ihrem Beitrag E.T.A. Hoffmann im kaleidoskopischen Blick der Oper: Jacques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann und ihre Inszenierungen zunächst erzähltechnische Referenzen der Oper Les Contes d’Hoffmann auf E.T.A. Hoffmanns Erzählverfahren. Inwiefern dann unterschiedliche Inszenierungen der Oper Reperspektivierungen der Person E.T.A. Hoffmann hervorbringen und welche Impulse diese für neue Lektüren seiner Erzähltexte geben können, stellte sie an den Operninszenierungen von Louis Erlo (Opéra National de Lyon 1993),  Giancarlo Del Monaco (Opera de Bilbao 2006) und Stefan Herheim (Bregenzer Festspiele 2015) vor.

Den Abschluss bildete Prof. Dr. Thomas Wortmann (Universität Mannheim) mit seinem Vortrag Unter Puppen: Robert Wilson inszeniert den „Sandmann“. Als erstes fokussierte er die gesellschaftlichen Konsequenzen, die die Enttarnung Olympias als Automate in Hoffmanns Text auslöst, nämlich gerade ein fehleraffines Handeln, wie ein „taktloses Singen“, aber auch die Trennung von Paarbeziehungen. Im Anschluss widmete er sich Robert Wilsons musikalischer Bühnenrealisation (Düsseldorf 2017), in der die Erzählung zu einem an filmischen Referenzen reichen „Tale of Horror“ wird. Bezogen auf eine Reperspektivierung hob Wortmann hervor, dass das Stück einerseits die Rolle der Mutter als initiierende und dominierende Figur konzipiert, der ein infantiler Nathanael gegenübersteht. Andererseits gestaltet der die Aufführung eröffnende und schließende Song „Dream on“ und die Integration des Sandmanns als Figur das Stück als Traumerzählung, die zudem zu einer Endlossschleife gerät, da sowohl Nathanael als auch sein Vater trotz ihres vorangegangenen Todes am Ende wieder lebendig auf der Bühne sind.

Einige Ergebnisse dieser sehr breit gefächerten, produktiven Auseinandersetzung mit E.T.A. Hoffmann auf der GSA in Portland werden voraussichtlich in das E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 2020 aufgenommen.