Auf E.T.A. Hoffmanns Spuren in Nennhausen – Ein Ausflugstipp

Nicht nur im Winter ist ein Ausflug nach Nennhausen lohnenswert. Jetzt, wo der Frühling Einzug hält, warten viele neue Entdeckungen – deshalb rufen wir Ihnen noch einmal einen unserer Blog-Beiträge aus dem vergangenen Dezember in Erinnerung. Außer der Temperaturen hat sich leider nicht sehr viel verändert – dennoch: genießen Sie die stetig wachsende Anzahl der Sonnenstunden mit dieser Empfehlung:

In diesen Tagen sind Veranstaltungen rar gesät, Menschenansammlungen sind untersagt, persönliche Treffen im Freundeskreis auf ein Minimum reduziert – auch E.T.A. Hoffmann wäre diese Zeit wahrscheinlich schwergefallen, gerade jetzt vor den Feiertagen belasten die Einschränkungen das Gemüt.

Wanderungen sind noch erlaubt. Also machen wir das Beste draus und nehmen Sie mit auf einen Spaziergang zum früheren Landsitz von Hoffmanns Freund Friedrich de la Motte-Fouqué (1777-1843) nach Nennhausen.

Schloss Nennhausen

Die „Nennhauser Burg“, wie Hoffmann sie in einem Brief nennt, ist das barocke Erbschloss von Philipp August Friedrich von Briest (1749-1822) im gleichnamigen Ort im Havelland, etwa 70 Kilometer westlich von Berlin. Von Briests verwitwete Tochter Karoline von Rochow (1774-1831) heiratete am 9. Januar 1803 Fouqué, der seitdem in Nennhausen residierte und das Schloss durch zahlreiche gesellige Abende mit seinen Dichterfreunden zu einem „Märkischen Musenhof“ (Günther de Bruyn) machte. Zu den Gästen zählten beispielsweise Adelbert von Chamisso, Karl August Varnhagen von Ense, Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel.

E.T.A. Hoffmann auf Schloss Nennhausen

Schlosspark Nennhausen

Schlosspark Nennhausen

Auch E.T.A. Hoffmann verlebte viele schöne Tage auf Schloss Nennhausen und fühlte sich dort sichtlich wohl. So schreibt er in einem Brief an seinen Bamberger Freund und Verleger Carl Friedrich Kunz am 23.12.1815: „Vierzehn vergnügte Tage habe ich in Nennhausen bei Fouqué verlebt. Sie [die Baronin] ist als Hausfrau besser, als sich literarisch drucken lassend. Sie ist geistreich, witzig und noch recht hübsch — grande e maestosa. — Auf mich hält sie viel und hat mich mit psychischer und physischer Atzung wohl versehen. Man ißt und trinkt vortrefflich, auch darf man mit dem alten Landesdirektor Briest [Fouqué’s Schwiegervater] beim Damentee eine Pfeife VarinasKnaster rauchen.“ (Hoffmann, Bd. 6: Werke 1814 – 1822: Briefe: 208. Brief an Carl Friedrich Kunz: 23 Dezember 1815, S. 83).

Auch ein knappes Jahr später geht es ihm offenbar nicht anders. Denn so sehnsuchtsvoll wie wir in Coronazeiten an eine Wochenendreise denken, klingen auch Hoffmanns Zeilen an Fouqué am 22.09.1816 bei der Aussicht auf einen neuerlichen Besuch in Nennhausen: „So Gott will, hoffe ich Sie im Oktober, losgefesselt vom Joch des KammerGerichts, einige Stunden in Nennhausen zu sehen. Gänzlich und ganz und gar mit Leib und Seele.“

Umso schmerzlicher lesen sich Hoffmanns gedichtete Bilder, wenn das Arbeitspensum eine Auszeit in Nennhausen unmöglich macht: „Beide, Hitzig und ich, sind an den Prometheusfelsen, der wie ein Haus aussieht und am Ende der Markgrafenstraße angebracht ist, angeschmiedet, daher gibt es leider keine Feiertage für uns, die wir zu einem Ausfluge nutzen könnten.“ (Brief an Fouqué 03.04.1817).

Thassilo und Undine

Dabei ist Hoffmann in Nennhausen alles andere als untätig. So nutzt er seinen Aufenthalt im Oktober 1815 zur Komposition der Chöre zu Fouqués Festvorspiel Thassilo, das nur bemerkenswerte elf Tage später, am 22.10.1815, im Berliner Opernhaus mit Hoffmanns Chören und Märschen aufgeführt wird.

Undine

Undine

Die gemeinsame Arbeit bewährte sich bekanntermaßen nicht nur bei Thassilo, sondern vor allem beim Kunstmärchen Undine, das Fouqué auf Schloss Nennhausen verfasste, und aus dem Hoffmann die erste romantische Oper komponierte.

Das Schloss heute

Heute ist Schloss Nennhausen in Privatbesitz und öffnet nur zu besonderen Veranstaltungen seine Türen für die Öffentlichkeit. 1737 als barockes Herrenhaus errichtet und 1860 mit einer Fassade im englischen Tudorstil versehen, sind heute aber zum Glück trotz eines Brandes und verschiedener Zwischennutzungen als Schulgebäude die originale Raumaufteilung, das Mansardendach und der barocke Kamin mit dem Wappen der von Briests erhalten geblieben.

Der Schlosspark

Naturdenkmal Fouqué-Eiche

Naturdenkmal Fouqué-Eiche

Der zugehörige Schlosspark ist ebenfalls in Privatbesitz, aber ganzjährig öffentlich zugänglich. Ein ausgiebiger Spaziergang lohnt sich zu allen Jahreszeiten, denn neben einem idyllischen schilfbewachsenen Teich, der Ruine der 450 Jahre alten Fouqué-Eiche und einer barocken Sandsteinvase zu Ehren Ludwig von Briests gibt es auch die ehemaligen Besucher und Anwohner des Anwesens im Park zu entdecken – als künstlerisch gestaltete Vignetten, die von den Bäumen hängen und sich sanft im Wind drehen.

.

 

Berühmte Besucher

Baum mit Gesicht

Baum mit Gesicht

Gerade im Winter und besonders vor dem vögelumschwirrten Naturdenkmal der Fouqué-Eiche fühlt man sich gelegentlich in Hoffmanns phantastische Erzählungen versetzt. Hinter jedem Ast und Busch, so glaubt man, müsse sich im nächsten Augenblick ein wunderliches Wesen erheben oder eine betörende Stimme erklingen. Hoffmann selbst schien vor mehr als 200 Jahren schon sehr ähnliche Eindrücke gehabt zu haben. Immerhin gab er Fouqué Tipps im Umgang mit der offenbar kurz bevorstehenden realen Begegnung mit Protagonisten aus seinem „Goldnen Topf“: „[…] Sollte Ihnen nächstens ein ganz wunderlicher Jüngling, Anselmus gennant, vorkommen, so empfehle ich ihn Ihrer Liebe und Güte, auch bitte ich Ihren Blick auf den Archivarius Lindhorst zu richten, wenn er vielleicht als Stoßgeier über die Burg Nennhausen wegfliegen sollte; die Serpentina wird sich wohl einzuschmeicheln wissen. […]“ (Brief an Fouqué, 27.12.1814).

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Und sollten Sie nach der Erkundung des Schlossparks noch weitere Abenteuerlust verspüren, so empfiehlt sich eine Fortsetzung der Wanderung im angrenzenden Forst: von einem gut ausgebauten etwa 5 Kilometer langen Rundweg bis hin zu ausgedehnten Märschen sind der Wanderfreude keine Grenzen gesetzt.

Als Begleitlektüre sei auf Theodor Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg verwiesen.

Fröhliche Festtage!

 

Online-Lesetipp | Sebastian Thede: Hasard-Schicksale (2017)

Ausschnitt Inhaltsverzeichnis

 

Zufall, Schicksal, Spieler-Glück?

Damit es Ihnen im Lockdown nicht langweilig wird, haben wir hier einen digitalen Lesetipp für Sie: Als E-Book erworben und damit neu im Netz der Staatsbibliothek ist das 2017 bei transcript erschienene Werk von Sebastian Thede: Hasard-Schicksale. Der literarische Zufall und das Glücksspiel im 19. Jahrhundert. Bielefeld: transcript-Verlag, 2017

Sebastian Thede analysiert darin literarische Glücksspielszenen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – von E.T.A. Hoffmann über Honoré de Balzac und Fjodor Dostojewski bis hin zu Arthur Schnitzler – und widmet sich einer Interpretation des Erzählens von Zufall.

Im Kapitel Hasard-Narrative im 19. Jahrhundert. Möglichkeiten der Kontingenz im Erzählen geht es u.a. um Zufallswiederholungen und die 1820 in Hoffmanns Serapions-Brüdern erschienene Erzählung Spieler-Glück.

Zugriff auf das komplette Buch haben Sie mit einem Bibliotheksausweis der Staatsbibliothek zu Berlin über den Link im StaBiKat

Stellenausschreibung Projekt HoPo3

Das Projektteam E.T.A. Hoffmann Portal sucht für gut zwei Jahre eine wissenschaftliche Projektkraft zur Verstärkung für das Projekt HoPo3. Sie haben Interesse? Hier geht’s zur Stellenausschreibung:

Ausschreibung

Gerne beantworten wir auch Ihre Fragen zur Stelle. Nutzen Sie eine unserer Kontaktmöglichkeiten.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Call for Papers: New Approaches to Romanticism

Aufruf zur Einreichung von Beiträgen zum NASSR Graduate Blog und Beitritt zu einer Diskussionsgruppe.

Die NASSR Graduates Students Caucus (The Graduate Student Community of the North American Society for the Study of Romanticism) bietet Absolvent:innen und allen anderen Nachwuchswissenschaftler:innen, die zur Romantik forschen, die Möglichkeit, ihre Forschungsprojekte und Ideen auf ihrem Blog vorzustellen und zu diskutieren.

Willkommen sind Blog-Beiträge (400-600 Wörter) zu jeder Phase der Forschung. Die Einreichungen können Forschungsvorschläge, Abstracts oder kurze Essays enthalten, aber auch frühe Texte, die den Beginn einer Forschung widerspiegeln, z.B. einen Fragen-Katalog, erste Beobachtungen und Intuitionen. Eingereicht werden kann alles, was mit der eigenen Forschung verbunden ist, solange es die Form eines zum Nachdenken anregenden und gut ausgearbeiteten Blogeintrags annehmen kann. Durch die darauf folgende gegenseitige Einladung, sich dieses „Labor“ der Ideen anzusehen, will die Plattform Diskussionen und Reflexionen darüber anregen, wie Annäherungen an die Romantik auf intellektueller und persönlicher Ebene aussehen können. Um fachübergreifende Gespräche unter den Blog-Mitwirkenden zu fördern, ist sie offen für Einreichungen aus allen Disziplinen.

Nach ausreichender Anzahl von Bewerbungen wird eine Diskussionsgruppe gebildet, die aus den Blog-Mitwirkenden besteht, um für jedes Forschungsprojekt detailliertes Feedback zu geben.

Die Bewerbungen werden fortlaufend ab dem 1. Februar 2021 angenommen.

Den kompletten Call for Papers, die Richtlinien und Kontaktdaten für die Einreichung finden Sie direkt auf dem Blog NASSR Graduates Students Caucus.

Ausschreibung: Klaus Heyne-Preis zur Erforschung der Deutschen Romantik

In diesem Jahr wird die Goethe-Universität Frankfurt zum ersten Mal den Klaus Heyne-Preis zur Erforschung der Deutschen Romantik verleihen. Ermöglicht durch das Vermächtnis von Prof. Dr. Klaus Heyne (1937–2017) wird ein herausragender wissenschaftlicher Beitrag zur Romantikforschung dabei mit 15.000€ Preisgeld dotiert. Die Ausschreibung des Preises richtet sich an Wissenschaftler:innen aus dem In- und Ausland in der Qualifikationsphase, deren Arbeiten einen innovativen Beitrag zur Erforschung der Deutschen Romantik leisten und ist auf keine Fachdisziplin festgelegt.

Zwei Drittel des Preisgeldes werden für die Konzeption, Organisation und Durchführung einer thematisch an die Romantikforschung anschließenden Tagung zur Verfügung gestellt, die im Jahr 2022 an der Goethe-Universität Frankfurt ausgerichtet werden soll.

Die Bewerbungsfrist ist der 14.03.2021.

Ausführliche Informationen zur Bewerbung und Kontaktdaten finden Sie auf der Website zur Romantikforschung an der Universität Frankfurt/M.

 

 

 

 

Call for Papers: E.T.A. Hoffmann (1822-2022): transdisziplinäre und transnationale Perspektivierungen

Vom 10. bis 12. März 2022 findet an der Universität J. Monnet, Saint-Étienne/Lyon eine internationale und interdisziplinäre Tagung zu E.T.A. Hoffmann statt unter dem Titel:

E.T.A. Hoffmann (1822-2022): transdisziplinäre und transnationale Perspektivierungen

Noch bis zum 31. Januar 2021 können Beitragsvorschläge an die Veranstalterinnen Ingrid Lacheny (Metz, CEGIL) und Patricia Viallet (Saint-Étienne, IHRIM) gesendet werden.

 

FMF und ETA – Neuerwerbungen von Felix Martin Furtwängler

Ganz neu erworben – und daher momentan leider noch im Geschäftsgang, aber bald schon im Lesesaal der Abteilung Historische Drucke einsehbar – sind diese zwei Unikate:

FM Furtwängler; E.T.A. Hofmann: Vorher, während, nach der Sylvesternacht: zuviel Abenteuer der Sylvesternacht: ein Überbleibsel. Berlin: Privat Presse, Reprint 2021 für FM Furtwängler. 32 ungezählte Seiten in einem künstlerisch gestalteten Schuber mit Originalillustrationen. Die Vorlage für den Reprint war ein im Januar 1991 entstandenes Künstlerbuch, das letztmalig 2020 überarbeitet wurde. In einer Auflage von nur drei Stück produziert, ist dieses Exemplar versehen mit einem Autogramm für die Bibliothek: „Exemplar Staatsbibliothek Unter den Linden Berlin Felix Martin Furtwängler“

FM Furtwängler: Ombra adorata. E.T.A. Hoffmann – Fantasiestücke in Callot’s Manier. 22 lose Montagebogen aus dem Tagebuche des entflohenen Enthusiasten FM Furtwängler. Ausgabe B. Berlin: Privat Presse, 2017. Die 22 Montagebögen sind Doppelblätter, auf denen sich jeweils links eine Collage aus Papier und Teilen von Druckplatten befindet und rechts der Text von E.T.A. Hoffmann. Der Leinenklappschuber, in denen die Bildfolgen aufbewahrt sind, ist selber ein gestaltetes Kunstwerk – mit bemalter Klappe und Titelschild.

Felix Martin Furtwängler, (*1954 in Karlsruhe) studierte in Hamburg Werbegrafik und wechselte 1972 an die Hochschule der Künste in Berlin, wo er Werkkunst und Mode, Produktdesign, freie Malerei und Grafik studierte. 1982 war er Meisterschüler bei Gerhart Bergmann. Seit 1978 bis heute stellt der Maler regelmäßig Malerbücher im Selbstverlag (Privat Presse Berlin) her – darunter Unikate, aber auch Kleinstauflagen, gedruckt in eigener Studiowerkstatt in Berlin und Süddeutschland sowie in fremden Werkstätten, wie z.B. der Maschinensetzerei und Druckwerkstatt, Harald Weller, Berlin-Kreuzberg. Sein Werk erstreckt sich dabei von Buchkunst und Illustrationen zu eigenen Texten und verschiedenen literarischen Vorlagen über graphische Zyklen und Buchobjekte bis hin zu Installationen, Collagen, Assemblagen und Übermalungen fremder und eigener Werke. Seine Arbeiten sind nicht nur regelmäßig in Ausstellungen vertreten, sondern gehören zum Bestand vieler wichtiger nationaler und internationaler öffentlicher und privater Sammlungen.

Auch die Staatsbibliothek zu Berlin verzeichnet schon zahlreiche seiner Arbeiten in ihrem Katalog – darunter seine wiederholten (buch)künstlerischen Auseinandersetzungen mit E.T.A. Hoffmanns Werken:

Außerdem möchten wir noch auf diese zwei besonders schönen Ausstellungskataloge hinweisen:

Poeta wohin? Manchmal, wenn Text und Bild eins werden. Vom Malerbuch zur Buchskulptur; Felix Martin Furtwängler mit einer Auswahl von Arbeiten aus den Jahren 1978 bis heute; ein Katalogbilderlesebuch. Wiesbaden: Harrassowitz 2002. Aus der Reihe: Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, Nr. 79.

Felix Martin Furtwängler. Printing into Thinking. Folgen, Suiten, Zyklen. Eine Auswahl der Radierungen aus dem Archiv des Künstlers ergänzt durch Werke aus privater Hand und einer öffentlichen Sammlung. Wiesbaden: Harrassowitz 2009.

Call for Papers: puppen als seelenverwandte – bedeutung der eigenen puppe(n) in biographie und künstlerisch-literarischem werk

von Prof. Dr. Insa Fooken und Dr. Jana Mikota

Der vierte CfP der Zeitschrift denkste: puppe / jut a bit of: doll (de:do) ein multidisziplinäres Online-Journal für Mensch-Puppen-Diskurse (mit Peer-Review), hat den Themenschwerpunkt „Puppen als Seelenverwandte – Bedeutung der eigenen Puppe(n) in Biographie und künstlerisch-literarischem Werk“. Auch unabhängig vom Schwerpunkt können freie wissenschaftliche Beiträge sowie andere Text-Formate zum Schwerpunkt wie Essays, Interviews, Rezensionen etc. zu Mensch-Puppen-Aspekten eingereicht werden. Die ersten drei Ausgaben des Journals behandeln die Schwerpunktthemen „puppen in bedrohungsszenarien“, „puppen als miniaturen“ sowie als Doppelheft „puppen/dolls like mensch – puppen als künstliche menschen“; sie sind auf der Homepage des Journals abrufbar (https://denkste-puppe.info).

Mit dem Fokus auf die Bedeutung der eigenen Puppe(n) in Biographie und künstlerisch-literarischem Werk greift dieser Call ein Thema auf, das von der Forschung bislang kaum oder nur am Rande beachtet wurde: Die Rolle und Funktion, die (eigene) Puppen im Leben von Kunstschaffenden spielen, und der Einfluss solcher Puppen bzw. puppenähnlicher, anthropomorpher Wesen auf das künstlerische und/oder literarische Schaffen. Es geht somit sowohl um die Frage nach der Wirkung früher Puppenerfahrungen im späteren Schaffensprozess als auch um die Frage nach den möglichen (biographischen) Wurzeln und Zusammenhängen von Puppenmotiv und Puppen-Narrativen im künstlerisch-literarischen Werk. Puppen sind kongeniale, aber ambigue Seelenverwandte – ‚so wie‘ Mensch und doch anders. Ihre Affordanz als Übergangsobjekt im Lebensverlauf – als Verlebendigung, Symbolisierung und ‚tote‘ Materialität – ist ein wiederkehrendes Faszinosum zwischen Anfänglichkeit (Natalität) und Endlichkeit (Mortalität). Puppen fordern dazu auf, sich auf sich selbst und offen auf die Welt einzulassen. Puppenaffine Menschen reagieren darauf in zumeist einzigartiger Weise. All das gilt für den Besitz eigener Puppen, für selbst geschaffene genauso wie für zu eigen gemachte Puppen und Puppenwelten, seien sie literarisch, zeichnerisch, filmisch, theatral oder materiell-technisch aufbereitet (z. B. Pinocchio, Sandmännchen, Babar, Barbie, Augsburger Puppenkiste, Sesamstraße). Auch wenn Puppen mit Kindheit – Kindheitserfahrungen und Kindheitsfiktionen – symbolisch aufgeladen sind, reichen sie weit darüber hinaus. Transformiert in die Formen und Inhalte der späteren Werk-Ästhetik und künstlerischliterarischen Praxis stehen sie für Zukunftsentwürfe und Potenzialität, für das, was möglich war, möglich ist und/oder möglich (gewesen) wäre. Diese Zugänge zur Welt können destruktiv und abgründig sein, konstruktiv und integrierend, sie können heilen und retten, aber auch unbestimmt in der ambiguen und liminalen Schwebe eines Dazwischen verbleiben.

Der Call richtet sich an die verschiedensten disziplinären Theorie-, Forschungs- und Praxisfelder. Es geht darum, die oben angestellten Überlegungen als ein Echo eigener Puppenerfahrungen zu verstehen und ihre Auswirkungen in literarischen, künstlerisch-kulturellen, medialen, psychologisch-pädagogischen, aber auch materiell-technischen Zeugnissen und Arbeiten auszuleuchten. Die folgende arbiträre Auflistung deutet ein vielfältiges Spektrum möglicher „Fälle“ und „Puppenspuren“ beispielhaft an. Für den Bereich der Literatur seien genannt: Goethe, E.T.A. Hoffmann, Franz Kafka, Rainer Maria Rilke, Lou Andreas-Salomé, Bruno Schulz, Walter Benjamin, Alice Herdan-Zuckmayer, Kurt Tucholsky, Else Lasker-Schüler, Klaus Mann, Halldór Laxness, aber auch Yoko Tawada, Elena Ferrante und viele mehr, nicht zuletzt in der Kinder- und Jugendliteratur: Tonke Dragt besitzt Puppenhäuser, Tony Schumacher schaffte eine Fülle von Puppenillustrationen, das Umfeld der Augsburger Puppenkiste reicht von Max Kruse bis Thomas Hettche. Aus dem Bereich Kunst und Medien lassen sich nennen: Niki de Saint Phalle, Oskar Kokoschka, James Ensor, Hans Bellmer, Morton Bartlett, Michel Nedjar, Gudrun Brüne, Cindy Sherman, Elena Dorfman, aber auch Marc Hogencamp mit Marwencol. In Robert Zemeckis Filmen tauchen wiederholt Puppen und puppifizierte Objekte auf, Marlene Dietrich hatte ihre Puppen (fast) immer dabei und der deutsche Kosmonaut Sigmund Jähn nahm das Sandmännchen mit ins Weltall.

Die (wissenschaftlichen) Beiträge sollen nicht mehr als 30.000 Zeichen umfassen. Andere Beitragsformen sollen in der Regel kürzer sein (5.000 – 15.000 Zeichen). Das angesprochene Themenspektrum ergibt sich aus den oben genannten Überlegungen. Bei allen Beiträgen soll auf interdisziplinäre Verständlichkeit geachtet werden. Die Texte können auf Deutsch oder Englisch als e-Datei beim Editorial Team (Prof. Dr. Insa Fooken, fooken@psychologie.uni-siegen.de und/oder Dr. Jana Mikota, mikota@germanistik.uni-siegen.de) eingereicht werden. Manuskriptrichtlinien sind auf der Homepage abrufbar. Angebote für einen Beitrag erbitten wir mit einer knappen Skizze (ca. 3.500 Zeichen) und einer Kurz-Vita bis 01. November 2020. Rückmeldungen zur Aufforderung, einen Beitrag einzureichen, erfolgen bis 01. Dezember 2020. Das endgültige Manuskript soll spätestens Mitte März 2021 vorliegen. Der geplante Erscheinungstermin ist Ende September 2021.

Neuerscheinung: Benedetta Saglietti: La quinta sinfonia di Beethoven recensita da E.T.A. Hoffmann

Benedetta Saglietti: La quinta sinfonia di Beethoven recensita da E.T.A. Hoffmann.
Nel regno dell’infinito. Con un dialogo tra l’autrice e Riccardo Muti. Donzelli editore Roma 2020.

Im Mai erschien im italienischen Verlag Donzelli editore Roma die Rezension E.T.A. Hoffmanns zu Beethovens Fünfter Symphonie erstmalig in italienischer Sprache – übersetzt und kommentiert von der Musikhistorikerin Benedetta Saglietti. Ergänzt wird diese durch Zeugnisse zur Uraufführung, Schriften von Hector Berlioz und Johann Friedrich Reichardt, sowie einen Dialog der Autorin mit dem Dirigenten Riccardo Muti. In Kürze werden Sie diesen besonderen Band auch bei uns im Bestand finden. Bis dahin können Sie weitere Informationen, Rezensionen und Pressestimmen auf der Verlags-Website entdecken. Und hier schon einmal die Verlagsankündigung mit einigen Hintergrundinformationen:

„Beethovens Fünfte Symphonie ist eines der wichtigsten und bekanntesten Werke in der Musikgeschichte: sobald man davon spricht ertönt in unserem Kopf sofort sein prägnantes Anfangsmotto. Doch wie in diesem Buch erzählt wird, ist die Komposition auf sehr seltsame Weise berühmt geworden.

Die Geschichte der Fünften Symphonie begann am 22. Dezember 1808 in Wien, als sie unter unzähligen anderen Stücken zum ersten Mal in einem ebenso berühmten wie unglücklichen Konzert aufgeführt wurde. Die Schwierigkeit der Musik, eine unzureichende Anzahl von Proben, die Länge des Programms und die Kälte des Theaters führten dazu, dass das Konzert in einem Fiasko endete.

Obwohl Beethoven bereits ein berühmter Komponist war, schrieb ein Rezensent: „Niemand ist Prophet in seinem eigenen Land“. Beethoven wurde sehr wütend. Er befürchtete, dass Journalisten andere negative Artikel über seine Werke schreiben würden. Aber er hat sich gründlich geirrt. Sieben Monate nach dieser Uraufführung schickte Johann Friedrich Rochlitz, der Direktor des wichtigsten deutschen Musikmagazins (die Allgemeine musikalische Zeitung), die Reduktion der Symphonie für vier Hände nach Bamberg und bat einen seiner damals unbekannten Mitarbeiter, E.T.A. Hoffmann, um eine Rezension.

E.T.A. Hoffmann war es der zuerst erkannte, dass die Fünfte Symphonie zweifelsohne ein Meisterwerk war, erklärte dies laut in einem langen Aufsatz und bestimmte so das Schicksal dieses außergewöhnlichen Werkes. Wie die umfangreiche mehrsprachige Bibliographie zeigt, spielt die Rezension von E.T.A. Hoffmann eine zentrale Rolle in der Geschichte der Musikrezeption.
Bis jetzt in seiner integralen Form in Italien unveröffentlicht, erscheint diese Rezension, die zu den inspiriertesten aller Zeiten gehört, schließlich in italienischer Sprache – übersetzt und kommentiert von der Musikhistorikerin Benedetta Saglietti – zusammen mit anderen Zeugnissen über die Uraufführung und die Schriften von Johann Friedrich Reichardt und von Hector Berlioz. Diese Reise durch die fünfte Symphonie wird vom Dirigent eröffnet, der im Dialog mit der Autorin den Standpunkt des Interpreten verkündet.

Benedetta Saglietti: La quinta sinfonia di Beethoven recensita da E.T.A. Hoffmann.

 

Benedetta Saglietti ist eine vielseitige Forscherin. Sie ist Musikhistorikerin und Doktorin in Geschichte der Frühen Neuzeit sowie anerkannte Expertin für musikalische Ikonographie. Zu ihren wichtigsten Veröffentlichungen gehören: Beethoven, ritratti e immagini (Edt-De Sono, 2010); sie ist Herausgeberin von Una visita a Beethoven (La scuola di Pitagora, 2014) und mit G. Satragni von Strawinski von Alfredo Casella (Castelvecchi, 2016), neben anderen Aufsätzen und wissenschaftlichen Rezensionen. Sie nahm als freie Autorin am Sammelkatalog Ludwig van. Le mythe Beethoven (Gallimard, 2016), die große Ausstellung der Philharmonie de Paris, teil. Zusammen mit V. Manchia entwarf sie die virtuelle Choreografie von Schönbergs Pierrot Lunaire in Massins typografischer Transkription, die beim Stresa Festival 2018 uraufgeführt wurde. Sie ist tätig als Musikkritikerin und Digitalstrategin.“

Texten fürs Web: Ergebnisse aus Hoffmann-Seminar der FU online

Im Wintersemester 2019/2020 führte das Team E.T.A. Hoffmann Portal gemeinsam mit Prof. Dr. Anne Fleig am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin ein Seminar zum Thema „Romantik im E.T.A. Hoffmann Portal – Texten fürs Web“ durch. In dieser Veranstaltung hatten Studierende der Germanistik Gelegenheit, statt der üblichen Hausarbeiten ein neues Textformat kennenzulernen und gleich in der Praxis auszuprobieren – inklusive der selbstständigen Einarbeitung in das E.T.A. Hoffmann Portal der Staatsbibliothek zu Berlin über die Software WordPress.

Neun Studierende hatten sich der Herausforderung gestellt und beschäftigten sich mit den Themen Hoffmanns Berliner Orte und BekanntschaftenHoffmanns Netzwerke und Zeitgenossen sowie Romantik und Wissenschaften. Die besten Arbeiten, die von den Studierenden selbst webgerecht aufbereitet wurden, konnten nun endlich nach einer coronabedingten Verzögerung im Portal veröffentlicht werden.

Besonders erfreut sind wir im Team E.T.A. Hoffmann Portal, dass die Veranstaltung bei den Studierenden so gut angekommen ist. Ein wenig stolz dürfen wir zwei Studierende zitieren:

 

Raus aus der Routine- rein in das Portal. Das Seminar war mal etwas ganz anderes, als das, was wir sonst aus der Uni kennen. Eine Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek und dann auch noch eine Veröffentlichung im Portal statt einer Hausarbeit. Es hat super viel Spaß gemacht und man konnte ganz anders kreativ werden als sonst. Und am Ende kann jeder von uns stolz seinen Artikel präsentieren 🙂 (Lisa Dasse)

 

Mir hat das Seminar in Kooperation mit der Staatsbibliothek Berlin außerordentlich gut gefallen! Ich habe viel über Hoffmann gelernt, insbesondere auch über ihn und seine Werke hinaus. Für meine Beitrage im Portal habe ich mich mit den verschiedenen Verlegern Hoffmanns beschäftigt und wirklich spannende und einzigartige Einblicke in das Leben und die Kontakte des Schriftstellers gewonnen. – Tatsächlich würde ich dieses Seminar als die produktivste, interessanteste, abwechslungsreichste und spannendste Veranstaltung innerhalb meiner letzten Semester an der Uni ansehen und bin mehr als froh, ein Teil davon gewesen zu sein. (Janine Seidel)

 

Die neuen Beiträge finden Sie in zwei verschiedenen Rubriken: Unter Erforschen -> Umfeld finden Sie den neuen Themenbereich Verleger mit gleich sieben Beiträgen zu Hoffmanns Verlegern Karl Friedrich Wilhelm Duncker, Georg Andreas Reimer, Ferdinand Dümmler, Julius Eduard Hitzig, Carl Friedrich Kunz, Josef Max und Friedrich Wilmans. Unter Erforschen -> Romantik finden Sie die neue Rubrik Wissen(schaften) der Zeit, in der sich neben dem bereits bestehenden Artikel zur Medizin nun auch Beiträge zu Automaten, Biologie, Elektrizität und Magnetismus, Optik und Traum befinden.