Abschlusskonferenz HoPo 2 am 28.11.2019

Abschlusskonferenz HoPo2 am 28.11. – jetzt anmelden!

Am 28. November 2019 veranstaltet die Staatsbibliothek zu Berlin in Kooperation mit der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft eine kleine Konferenz unter dem Titel Von Steampunk über Graphic Novel zu Disney – Der intermediale Kosmos der aktuellen E.T.A. Hoffmann-Rezeption. Anlass ist der Abschluss des Projekts E.T.A. Hoffmann Portal 2 zum Jahresende 2019. Auf der Konferenz werden die beiden Arbeitsschwerpunkte des dreijährigen Projekts in zwei Sektionen gewürdigt: Die Digitalisierung von Hoffmanniana aus der Staatsbibliothek zu Berlin und weiteren Einrichtungen am Vormittag und die Ausweitung der Portalinhalte auf die Bereiche Einflüsse und Rezeption am Nachmittag.

Sie sind herzlich eingeladen!

28. November 2019
10.30-17.00 Uhr
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Simón-Bolívar-Saal
Potsdamer Straße 33
10785 Berlin

Anmeldung

Die Anmeldung ist ab sofort bis zum 12. November 2019 möglich. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Die Plätze für das gemeinsame Abendessen im Anschluss (Selbstzahler) sind begrenzt. Bitte teilen Sie uns bei der Anmeldung mit, wenn Sie daran teilnehmen möchten. Bei der Online-Anmeldung nutzen Sie dazu bitte das Feld „Institution/Ort“. Wir melden uns umgehend, ob wir für Sie einen Platz reservieren konnten.

.

Programm

10.30 Begrüßung
10.45 Das Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2 – Ergebnisse und Ausblick

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

11.30 Kaffeepause
11.45 Die Akte Hoffmann – Quellen aus dem Geheimen Staatsarchiv erstmals online zugänglich

Dr. Ulrich Kober, Geheimes Staatsarchiv

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

12.30 Schwester Monika – ein Apokryph

Prof. Markus Bernauer, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

13.15 Mittagspause
14.15 E.T.A. Hoffmann im Comic

Prof. Volker Schlecht, University of Applied Sciences Europe

15.00 E.T.A. Hoffmann und ‚Coppelius‘: Zur modernen Rezeption in Musik und Oper des 21. Jahrhunderts

Dr. Stefanie Junges, Ruhr-Universität Bochum

15.45 Kaffeepause
16.00 Von Barbie bis Disney – E.T.A. Hoffmann neu verfilmt

Dr. Anett Werner-Burgmann, Humboldt-Universität Berlin

16.45 Kleiner Rundgang zur Präsentation neuer unikaler Schätze

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

17.00 Schluss mit kleinem Weinempfang
18.00 Gemeinsames Abendessen im Lokal Joseph Roth-Diele (Selbstzahler)
Das fremde Kind © Ina Kancheva. Illustriert von Katina Vasileva Peeva

Die erste bulgarische Übersetzung der Erzählung „Das fremde Kind“

Ganz neu im Bestand – und daher momentan leider noch im Geschäftsgang – ist die erste bulgarische Ausgabe von Hoffmanns Kunstmärchen Das fremde Kind, die im Juni 2019 als Kooperation der Cultural Perspectives Foundation mit dem Enthusiast-Verlag in Sofia erschien.

Den Text übersetzte der bulgarische Germanist und Linguist Prof. Boris Parashkevov. Die Künstlerin Katina Vasileva Peeva bebilderte den Band liebevoll mit vielen ganzseitigen Illustrationen. Die in gedeckten Tönen gehaltenen Zeichnungen nehmen die Handlung des Märchens auf und spiegeln dabei die phantastische Welt Hoffmanns wider.

Diese Ausgabe ist nicht nur etwas für die Augen sondern auch für die Ohren: Das Buch ist Teil der Reihe Musik im Buch, in der Hörstücke zu den Veröffentlichungen über die Webseite des Verlags zur Verfügung gestellt werden (der jeweilige Zugangscode befindet sich im Buch).

Das Hörbuch zu Das fremde Kind beinhaltet eine Lesung des bulgarisch-deutschen Schauspielers Samuel Finzi. Sein Beitrag wird zum einem um eine Komposition des bulgarischen DJs und Konzeptkünstlers Ivan Shopov ergänzt, der Motive aus Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen interpretiert, zum anderen werden Motive aus Hoffmanns Quintette für Streicher und Harfe unterlegt, neu arrangiert und interpretiert von Georgi Strezov und Simeon Eduard. (Ausschnitt aus der Barcarolle 3. Akt aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in YouTube)

 

Vorlage

Die deutsche Erstausgabe von Das fremde Kind erschien 1817 in der Sammlung Kinder-Märchen im Reimer Verlag Berlin, 1819 noch einmal im 2. Band der Sammlung Serapionsbrüder des gleichen Verlags.

 

Vorhang auf – eine Woche voller Hoffmann-Veranstaltungen

Lübeck, Berlin, Nennhausen, Bonn und Lyon – hier finden in den kommenden sieben Tagen interessante Einzelveranstaltungen rund um die Hoffmann’sche Welt statt. Der Bogen spannt sich von kommentierter Lesung, über inspiriertes Kino, Musik, Theaterinszenierung bis zur Literaturdiskussion.

 

Mittwoch, 18. September
E.T.A. HOFFMANN: DER SANDMANN mit Hanjo Kesting

im Rahmen der Reihe: Erfahren woher wir kommen – Große Erzählungen der Weltliteratur
Lesung: Markus Boysen
Kommentierung: Hanjo Kesting

Wann? 18.09.2019, 19:30-21:00 Uhr
Wo? St. Annen-Museum, St. Annen-Straße 15, 23552 Lübeck
Weitere Infos

 

Sonntag, 22. September
Filmreihe „Kino der Moderne“: DIE PUPPE (1919), Regie: Ernst Lubitsch

im Rahmen der Ausstellung „Kino der Moderne – Film in der Weimarer Republik“ der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen – zeigt das Kino Delphi LUX Die Puppe (1919) von Ernst Lubitsch. Der Film ist u.a. frei inspiriert von Motiven E.T.A. Hoffmanns.

Wann? 22.09.2019,  11:30 Uhr
Wo? Kino Delphi LUX , Yva-Bogen, Kantstraße 10, 10623 Berlin
Weitere Infos
Tickets

 

Sonntag, 22. September
Fontane und die Musik – FONTANE, E.T.A HOFFMANN, FOUQUÉ – Literarisch-Musikalische Begegnungen auf Schloß Nennhausen (Havelländische Musikfestspiele)

„Spätestens seit den Zeiten des Romantikers Friedrich de la Motte Fouqué gilt Schloss Nennhausen als Musenhof, als Ort der Poesie und Kultur. Schlegel und Chamisso, sowie E.T.A. Hoffmann waren hier zu Gast, Hoffmann vertonte später Fouqués Märchenerzählung „Undine“. Theodor Fontane kannte das Anwesen und nahm es sich zum Vorbild für die Gestaltung des Landsitzes Hohen-Cremmen in „Effi Briest“. Im Konzert der Havelländischen Musikfestspiele treffen romantische Kompositionen E.T.A. Hoffmanns und Ferdinand Ries´ auf Texte von Fontane, Hoffmann und Fouqué.“ Veranstaltungsinfos Havelländische Musikfestspiele

Wann? 22.09.2019, 16:00-20:00 Uhr
Wo? Schloss Nennhausen, Fouqué-Platz, 14715 Nennhausen
Weitere Infos und Tickets

 

Montag, 23. September
DER SANDMANN von E.T.A. Hoffmann

in einer Bearbeitung von Laura Tetzlaff und Nina Dahl
Inszenierung: Laura Tetzlaff \\ Ausstattung: Martin Scherm
Mit Leonie Renée Klein, Lucijan Gudelj und Richard Hucke

Wann? 23.09.2019, 18:00-19:30 Uhr
Wo? Kuppelsaal der Thalia Buchhandlung, Markt 24, 53111 Bonn
Weitere Infos

 

Mittwoch, 25. September
Literaturtreff: E.T.A. Hoffmanns NACHTSTÜCKE im Goethe-Institut Lyon, Frankreich

Der Freundeskreis des Goethe-Instituts Lyon (Aagil) veranstaltet alle zwei bis drei Monate einen Literaturtreff mit Diskussion in deutscher und französischer Sprache. Gesprochen wird dieses Mal über folgende Erzählungen Hoffmanns: Der Sandmann, Rat Krespel und Das öde Haus.

Wann? 25.09.2019, 18:30 Uhr
Wo? Goethe-Institut Lyon, 18 rue François Dauphin, 69002 Lyon
Weitere Infos

Abschlusskonferenz HoPo 2 am 28.11.2019

Save the date: Abschlusskonferenz zum Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2 am 28.11. in Berlin

Am 28. November 2019 veranstaltet die Staatsbibliothek zu Berlin eine kleine Konferenz unter dem Titel Von Steampunk über Graphic Novel zu Disney – Der intermediale Kosmos der aktuellen E.T.A. Hoffmann-Rezeption. Anlass ist der Abschluss des Projekts E.T.A. Hoffmann Portal 2 zum Jahresende 2019. Auf der Konferenz werden die beiden Arbeitsschwerpunkte des dreijährigen Projekts in zwei Sektionen gewürdigt: Die Digitalisierung von Hoffmanniana aus der Staatsbibliothek zu Berlin und weiteren Einrichtungen am Vormittag und die Ausweitung der Portalinhalte auf die Bereiche Einflüsse und Rezeption am Nachmittag.

Sie sind herzlich eingeladen!

28. November 2019
10.30-17.00 Uhr
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Simón-Bolívar-Saal
Potsdamer Straße 33
10785 Berlin

Anmeldung

Die Anmeldung ist ab sofort bis zum 12. November 2019 möglich. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Programm

10.30 Begrüßung
10.45 Das Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2 – Ergebnisse und Ausblick

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

11.30 Kaffeepause
11.45 Die Akte Hoffmann – Quellen aus dem Geheimen Staatsarchiv erstmals online zugänglich

Dr. Ulrich Kober, Geheimes Staatsarchiv

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

12.30 Schwester Monika – Eine Apokryphe

Prof. Markus Bernauer, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

13.15 Mittagspause
14.15 E.T.A. Hoffmann im Comic

Prof. Volker Schlecht, University of Applied Sciences Europe

15.00 E.T.A. Hoffmann und ‚Coppelius‘: Zur modernen Rezeption in Musik und Oper des 21. Jahrhunderts

Dr. Stefanie Junges, Ruhr-Universität Bochum

15.45 Kaffeepause
16.00 E.T.A. Hoffmann neu verfilmt

Dr. Anett Werner-Burgmann, Humboldt-Universität Berlin

16.45 Kleiner Rundgang zur Präsentation neuer unikaler Schätze

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

17.00 Schluss
18.30 Gemeinsames Abendessen (Selbstzahler)

Eine Vision der ästhetischen Groteske – »Der Sandmann« am Schauspielhaus Düsseldorf

Rezension von Stefanie Junges (→ Forscherprofil)

Robert Wilsons Inszenierung eines der bekanntesten Texte der sogenannten ›Schauerromantik‹ ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Erlebnis. Gemeint ist damit nämlich nicht einfach ein zweifellos vergnüglicher Abend am Düsseldorfer Schauspielhaus, wo das Stück derzeit aufgeführt wird, sondern das kontrastreiche, sensuelle (Mit-)Erleben des Stücks. Beinahe wie Spiegelfiguren der Akteure auf der Bühne erfährt das Publikum mit allen (auf die Probe gestellten) Sinnen den drohenden psychischen Verfall des traumatisierten Protagonisten Nathanael.

 

Nathanael verfasst einen Brief an Lothar © Lucie Jansch

Nathanael verfasst einen Brief an Lothar © Lucie Jansch

 

Ein Sprung in der Platte oder: lautlich-repetitiver Minimalismus als ästhetisches Leitprinzip

Medias in res wird der Zuschauer in das Stück gesogen. Schon beim Betreten des Theatersaals, während noch alle plaudernd ihre Plätze suchen, präsentiert sich dem einströmenden Publikum eine pechschwarze Bühnenkulisse, in der alles Licht wie in einem Schwarzen Loch zu verenden scheint. Die am vorderen Bühnenrand angebrachten kaltweißen LEDs blenden die Zuschauer und lassen die Schwärze auf der Bühne damit regelrecht schwer und bedrohlich wirken.

Das Schwarz, in dem sich jeder Blick verliert, bildet damit die ideale Kontrastfolie für ein groteskes Bühnenbild: Am rechten Bühnenrand dreht sich zur den Saal erfüllenden Spieluhrmelodie Spalanzanis Automate Olimpia, während sich links ein Bett befindet, in dem ein Mann – der Sandmann – liegt, der die sanfte Melodie gelegentlich mit einem markerschütternden Schrei durchbricht. Über und hinter ihm steht eine absurd große und bizarr grün-glitzernde Blütenstange ohne Blütenkelch. Diese nächtliche Szenerie, bei der nicht einmal der grelle, weiße Neumond im Hintergrund das schwere Schwarz der Bühne zu erhellen vermag, wird in der Bühnenmitte durch einen in schwarze Pailletten gekleideten ›Horrorclown‹ mit verzerrendem schwarzem Makeup ergänzt.

Nachdem das Publikum dieses Treiben eine Weile beobachten kann, wird durch einen explosionsartigen Knall der Beginn des eigentlichen Stücks signalisiert: Christian Friedel, der die Hauptrolle des Nathanael spielt, singt Anna Calvis »there will be a horror« und leitet so das ›Horror-Thema‹ auf gesanglicher Ebene in den Prolog des Stücks über. Währenddessen läuft im Schatten des vorderen Bühnenrands das Ensemble auf. Von links nach rechts bewegen sich die Darsteller ruckartig mit übersteigerten Gesten wie schwarze Silhouetten über die Bühne und erinnern an die grafische Darstellung der drei in Tinte getunkte Buben aus dem Struwwelpeter.

In getakteten Abständen fällt der Scheinwerfer auf ihre exaltierten Gesichter, die großen Augen und weit aufgerissenen Münder, aus denen laute Schreie in Richtung Publikum Nathanaels melodischen Gesang konterkarieren. Diese fratzenhaften Gesichter und Gestiken der Schauspieler erinnern einerseits an Michail Bachtins Idee des ›grotesken Körpers‹[1], andererseits lässt sich Robert Wilson von den traditionellen japanischen Masken- oder Nō-Theaters inspirieren.[2]

»Robert Wilson verkörpert den Anspruch, auf der Bühne jegliche Realität, jeglichen Naturalismus hinter sich zu lassen.«[3]

Die Abstraktion von Wilsons Bühnenbild, das überwiegend aus Form, Farbe und Licht besteht – wenn man vom Studierzimmer des Vaters absieht – abstrahiert und pointiert so die Realität. Was für den einen Zuschauer befremdlich sein kann, kann für den anderen ein neuer Zugang zu Hoffmanns Sandmann sein. Auch ohne Kenntnis des Textes kann man der Handlung des Stücks folgen, doch sind es paradoxerweise die kleinen Textnuancen, die durch die übersteigerten Gesten und grotesken Gestalten fokussiert werden.

 

Nathanaels Vater schreitet über die Bühne © Lucie Jansch

Nathanaels Vater schreitet über die Bühne © Lucie Jansch

 

Theater für die Sinne

Hoffmanns Text wird mithilfe von Farb- und Formspielen und deren lautliche Übersetzung als Erlebnis für die Sinne inszeniert. Silhouetten, große, monochrome Flächen, buntes Licht, das entweder sanfte Farbverläufe zeichnet oder starke Kontraste manifestiert, sowie kräftige Signalfarben bestimmen die beinahe klinisch-sterile, aber zeitgleich sanfte Ästhetik des Bühnenbilds und der Kostüme. Das Spiel mit Licht und Farben kreiert in Kombination mit der vielfältigen ›Geräuschkulisse‹ eine Atmosphäre, die dem Publikum einen anderen Zugang zu Hoffmanns Erzählung gewährt – plakativer, dafür aber auch erfahr- statt nur verstehbar.

Nathanaels beginnende und zunehmende Manie, das Auf und Ab seiner Stimmungen spiegelt sich visuell in seinem giftgrün oder rot beleuchteten Gesicht sowie in Laut-Leise-Kontrasten wider. Die Spieluhrmelodie vor dem Prolog wird mit einem lauten Knall beendet, Gewitterlärm wird von Möwenklängen und Meeresrauschen abgelöst und manisches Kreischen steht nächtlichem Grillenzirpen gegenüber.

Auch hier gilt wieder das regelrecht neurotische Gesetz der Dauerschleife, das die Manie Nathanaels in akustische und visuelle Reize übersetzt: Die wenigen dialogischen Passagen, die die Handlung tragen, werden – die Intensität steigernd – stets mit je unterschiedlicher Mimik, Intonation und Lautstärke wiederholt. Liebliches Flüstern wechselt mit krächzenden Stimmen und manischem Kreischen und konterkariert so die Songs von Anna Calvi, die sich selbst zum Ziel setzt, mit Instrumenten zu malen und durch ihre Kompositionen zu hypnotisieren.[4] Es ist also wenig verwunderlich, dass Wilsons Musikwahl auf Calvi fällt; sie überträgt sein mit Licht- und Farbflächen spielendes Bühnendesign auf die musikalische Ebene.

»Die Kunst ist der Hebel, der einen Spalt aufreißt zwischen zwei sonst strikt getrennten Welten: den poetischen, anarchischen Gebildeten des Traums einerseits und der seelenlosen, bigotten Realität andererseits.«[5]

 

Nathanaels Wahnsinn wird durch grünes Scheinwerferlicht visuell signalisiert. Das Thema der Auto-maten und Maschinen wird durch den mechanischen Arm sowie das Einspielen des Geräuschs eines Zahnarztboh-rers aufgegriffen © Lucie Jansch

Nathanaels Wahnsinn wird durch grünes Scheinwerferlicht visuell signalisiert. Das Thema der Auto-maten und Maschinen wird durch den mechanischen Arm sowie das Einspielen des Geräuschs eines Zahnarztbohrers aufgegriffen © Lucie Jansch

 

Anna Calvis hypnotische Tonmalerei

Ihre Lieder sind nicht nur eine ästhetische Ergänzung, sondern unterstützen die Handlung auf unterschiedliche Weise. Sie werden ebenfalls wiederholt, rahmen das Geschehen und stehen doch für sich, denn lediglich zwei Lieder hat Calvi eigens für die Inszenierung komponiert (»Nathaniel« und »I whip the night«). Wenn Nathanael bei einer Gesellschaft im Spiegelkabinett auf seine geliebte Olimpia trifft, die – lediglich ihren Mund mechanisch öffnend – aus dem ›Off‹ ein seichtes, hallendes »Ach« säuselt, greift er mit »The Hurricane« singend das Motiv der belebten Automate auf: »Flesh to flesh, bone to bone, your love will turn me into a real boy«.[6]

 

Nathanael und Olimpia © Lucie Jansch

Nathanael und Olimpia © Lucie Jansch

 

Der rasche Wechsel der Musiktempi, der Tonvariationen und der Lautstärke erzeugen eine klangliche Atmosphäre zwischen Trance und Wahnsinn. Während zum Beispiel der Sandmann, gespielt von André Kaczmarczyk, mit zwei großen Eisblöcken regelrecht hypnotisierend über Wolken zu schreiten scheint, sing Nathanaels Mutter, dargestellt von Rosa Enskat, mit sanfter, aber kraftvoller Stimme ihren Sohn in den Schlaf: »Just surrender to the wave, surrender to it all, no fear under the oil, surrender to it all«[7] – und erzeugt ein Ambiente eines meditativen Traums, das auch das Publikum in Trance versetzt.

In anderen Szenen tönt wiederrum das garstige Geräusch eines Zahnarztbohrers durch den Saal, der bedrohlich über der Bühne schwebt, und versetzt das Publikum in mindestens unangenehme, wenn nicht sogar angsterfüllte Zustände. Das Dauerdröhnen dieses akustischen Inbegriffs des Unangenehmen korrespondiert dabei mit einem zunehmend dem giftgrünen Wahnsinn anheimfallenden Nathanael. Der endgültige psychische Verfall wird dem Publikum durch die Beschallung mit infernalischem Schuss- und Kriegslärm demonstriert, der gemeinsam mit beinahe epileptische Anfälle auslösenden Lichtblitzen den Eindruck erweckt, man sei inmitten eines Flashbacks eines Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung gestolpert.

 

Der Sandmann schreitet hypnotisch zu den Klängen von »Surrender« über die Bühne © Lucie Jansch

Der Sandmann schreitet hypnotisch zu den Klängen von »Surrender« über die Bühne © Lucie Jansch

 

Symbolfarben als Informationsträger

Nicht nur die in Signalfarben erleuchteten Gesichter – oder eher: Fratzen – der Darsteller verdeutlichen den Wahnsinns-Plot des Stücks. Auch die schlichte, einfarbige Kostümierung der Figuren ermöglicht eine präzise Differenzierung der Psychopathogenese des Protagonisten: Nathanaels Robe wechselt die Farbe. Der ›weiße Nathanael‹ repräsentiert ihn als unschuldiges, naives und auch albern-verspieltes Kind: Die Farbe der Unschuld fungiert als Symbol der unbefleckten Psyche im Stadium der Prä-Traumatisierung. Auch Nathanaels Mutter und Clara treten in ihrer albernen Art – wenn bspw. die Mutter wie ein Huhn gackert – ausschließlich in cremefarbenen Kleidern auf die Bühne, während Lothar gegen Ende den ebenfalls cremefarbenen Gehrock durch einen schwarzen ersetzt. Während also die weiße Kleidung Nathanaels die unbeschwerte Kindheit symbolisiert, lassen sich Mutter, Clara und Lothar durch ein ›nachgedunkeltes‹ Weiß dennoch optisch dieser Phase des Lebens und des prätraumatischen Geisteszustand zuordnen.

Der ›schwarze Nathanael‹ ist der erwachsene Student, der erst nach Coppolas Besuch endgültig dem Wahn anheimfällt, und steht zum ›Weißen‹ in Kontrast. Auch die schillernden, mit Pailletten besetzten Figuren Spalanzani und Olimpia treten in schwarzen Kostümen und der matt-seiden gekleidete Siegmund, Nathanaels Kommilitone, durchgehend im dunkelblauen Gewand auf. Die Texturen der Kostüme transportieren so, trotz kaum zu unterscheidender Farbwahl, die Konstellationen im Figurentableau, denn alle repräsentieren das akademische Milieu der Universitätsstadt.

Der ›rote Nathanael‹ hingegen versinnbildlicht den flammenden Wahnsinn, das überhitzte, rasende Gemüt. Dass das Potenzial einer feurigen Manie von frühester Kindheit an vorhanden ist, wird nicht zuletzt durch die zinnoberroten, an Flammen erinnernden Haare des Protagonisten deutlich. Nathanaels der Alchemie zugewandter Vater weicht mit seinem waldgrünen Gehrock von der monochromen weiß-rot-schwarzen Kostümästhetik ab, ebenso wie der Sandmann, der als einziger – sieht man von Coppolas violetter Schleife ab – kein einfarbiges Outfit trägt.

 

Das gesamte Ensemble am Ende des Stücks © Lucie Jansch

Das gesamte Ensemble am Ende des Stücks © Lucie Jansch

 

Wer anhand des symbolträchtigen Farbspiels glaubt, es mangele an Liebe zum Detail, irrt. Denn die plakative Farbwahl verdeutlicht auch die subtile Komplementärbeziehung zwischen Nathanael und den anderen Figuren: Weiß als Zeichen der unschuldigen, unbeschwerten Kindheit und das Cremeweiß als Symbol des familiären Umfelds. Schwarz als Ausdruck des erwachsenen, bereits durch den Tod des Vaters traumatisierten und einsamen Studenten, aber auch des ›Dunklen‹, ›Ungewissen‹ und ›Unheimlichen‹, über das der Sandmann im seinem erzählenden Monolog philosophiert und das den Studenten Nathanael in seinen – aus dem ›Off‹ vorgelesenen – Briefen an Lothar beschäftigt. Während Nathanaels Lippen schwarz und sein Mund leuchtend rot sind, verkehrt sich diese Farbdarstellung bei Coppolas Mund und pointiert die Kontrastbeziehung beider Figuren.

Die Handlung dieses »Puppentheater[s]«[8], wie Wilson es selbst nennt, trägt sich nicht durch epische Dialoge, sondern vornehmlich durch ein kontrastreiches Spiel aus Gesten, Licht, Farben und Tönen. Robert Wilson übersetzt die Essenz der Sandmann-Erzählung mithilfe dieser Licht-, Farb- und Geräuschkontraste in eine Bühnenatmosphäre, die die Handlung über die Sinne und Emotionen greif- und erfahrbar werden lässt. Die Stimm- und Körperpräsenz der Darsteller vereinnahmt den gesamten Saal und weiß gerade aufgrund der sich wiederholenden Muster die Aufmerksamkeit zu fesseln. Sprache, Gestik und Mimik aller am Stück beteiligten Figuren kennzeichnen sich durch überspitzte Stereotypie. Was wäre passender, um ein Automaten-Motiv in Szene zu setzen?

 

Nathanael und seine Mutter im Arbeitszimmer des Vaters © Lucie Jansch

Nathanael und seine Mutter im Arbeitszimmer des Vaters © Lucie Jansch

 

Hoffmanneske Motive und minimalistische Ästhetik

Populäre Motive der Hoffmann-Erzählung werden mit minimalistischer Ästhetik in Szene gesetzt, ohne die Handlung zu überformen. Die von Yi-An Chen dargestellte Automate Olimpia ist bereits vor Beginn des Stücks präsent. Dass es sich um eine Puppe handelt wird nicht nur – wieder plakativ – durch den Aufzieh-Schlüssel in ihrem Rücken deutlich, sondern auch durch die mechanischen Bewegungen und die starre Mimik sowie ihre hallenden, metallisch klingenden »Ach«-Seufzer.

Nicht nur weil der vermeintliche Sandmann, der Advokat Coppelius, nachts Nathanaels Vater besucht und die Mutter ihre Kinder mit der Warnung »Zu Bette! Zu Bette! Der Sandmann kommt« auf die Stuben schickt, weil er unartigen Kindern Sand in die Augen streue, »bis diese ihnen blutig zum Kopf herausspringen«[9], wird das berühmteste Motiv der Erzählung aufgegriffen. Wenn der Advokat Nathanael entdeckt und nach seinen Augen verlangt, wird die Leinwand im Hintergrund von hunderten von Augen überschwemmt. Aber auch wenn der offensichtlich mit ›sköne Oke‹ handelnde Coppola seine augenförmigen Wettergläser anbietet oder Nathanaels Wahn auf den Höhepunkt steigt und er dabei zwei Augäpfel in den Händen hält, tauchen die Augen als zentrales Motiv subtil im Geschehen auf.

Doch hebelt die Darstellung des Sandmanns ein Charakteristikum der Hoffmannschen Erzählung aus: die Frage nach dem Doppelgänger. Die Handlung um den – möglicherweise – dem Wahnsinn anheimfallenden Nathanael trägt sich im Kern, wie es für phantastische Erzählungen charakteristisch ist, gerade durch diese Unentscheidbarkeit von ›wahr‹ und ›falsch‹ der Figurenwahrnehmung. Es ist die bewusst unbeantwortet gebliebene Frage, ob es sich beim Sandmann, beim Advokat Coppelius und beim Wetterglashändler Coppola um verschiedene Personen oder doch um eine Mehrfachidentität handelt. Wilson negiert mit seiner Entscheidung für eine Doppelbesetzung (André Kaczmarczyk als Sandmann und Andreas Grothgar als Coppola/Coppelius) gerade dieses signifikante Element Hoffmannschen Schreibens.

 

Der Wetterglashändler Coppola preist Nathanael Augen zum Verkauf an © Lucie Jansch

Der Wetterglashändler Coppola preist Nathanael Augen zum Verkauf an © Lucie Jansch

 

Der mit Augen und Wettergläsern handelnde Coppola verknüpft aber auch auf andere Art Hoffmanns Augenmotiv mit der Frage nach der ›richtigen Wahrnehmung‹. »Hoffmanns Erzählung zeigt mit beeindruckender Konsequenz, dass die Zusammenschau von Innen und Außen den Verfall des Bewusstseins bedeutet: Nathanael hält die Brillen, die ihm der Wetterglashändler Coppola […] verkaufen will, für blitzende Augen.«[10] Nachdem Nathanael die schöne Olimpia tagein, tagaus durch das von Coppola erworbene Perspektiv beobachtet, pointiert Siegmund diese verzerrte Wahrnehmung. Aber auch die Wahrnehmung des Publikums wird während der gesamten Aufführung auf die Probe gestellt – sei es durch eine alles verzehrende Dunkelheit auf der Bühne oder durch die grellweiße Blendung. Zugrunde liegt die Annahme, dass der Mensch auch während des Blinzelns etwas sieht – und zwar das Negativbild.

Das hoffmanneske Oszillieren zwischen ›Innen‹ und ›Außen‹, das in Bezug auf die Sandmann-Figur vernachlässigt wird, findet hingegen auf der Bühne seinen Platz, wenn Nathanaels Mutter von dort aus mit den Musikern und mit dem Publikum interagiert und so die Handlung sich über den Orchestergraben in den Zuschauerraum ergießen lässt. So wie schon der Wahnsinn Nathanaels für das Publikum simultan erfahrbar wird, wird es auch die Unsicherheit der Grenzziehung zwischen Bühne und Zuschauerraum.

Obgleich dem Publikum die Handlung vor allem durch die Mithilfe von Ton-, Licht-, Farb- und Formspielen erzeugte Atmosphäre emotional erfahrbar gemacht, statt einfach frontal präsentiert wird, und damit das Verschmelzen von ›Innen‹ und ›Außen‹ sowie ›Bühne‹ und ›Theatersaal‹ performativ inszeniert wird, findet diese Grenzauflösung ihre Grenze doch in der Doppelbesetzung der Coppola/Coppelius- und Sandmann-Rolle. Die Leitfrage der Erzählung ist gerade die, ob Nathanael einfach ein wahnsinniger Phantast ist, dessen kindliche Traumatisierung die Sinne vernebelt und Coppola und Coppelius einzig »in [s]einem Innern existieren und Fantome [s]eines Ich’s sind«[11] – die Inszenierung hingegen wirft diese Frage nicht nur auf, sondern beantwortet sie für den Zuschauer.

Die Handlung trägt sich nicht über Dialoge, sondern durch das Kreieren einer emotionalen Atmosphäre, die den entfachten Wahnsinn des psychisch instabilen Nathanael erlebbar werden lässt. Wilson gelingt es, den Kern der Erzählung zu pointieren und mit minimalistischer Ästhetik durch Ton-, Farb- und Lichtgestaltung in groteske Kontraste zu übertragen. Obgleich die humorvolle Überspitzung der Darstellungsleistung konzeptuell sinnvoll erscheint, droht sie das ein ums andere Mal ins Alberne abzugleiten. Dennoch lässt sich resümieren: Die Aufführung oszilliert zwischen silhouettenhafter Romantik, moderner Lichtinstallation und progressiven, horrifizierenden Elementen und ist damit nicht zuletzt phantastisch.

 

Anmerkungen

[1] Vgl. Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur. Frankfurt am Main 1996; Ders.: Rabelais und seine Welt. Frankfurt a.M. 1995 oder auch Previšić, Boris: Rabelais-Bachtin. Offene Körpertexte-Textkörper und ihre Nicht-Theoretisierbarkeit. In: Ders. [Hrsg.]: Die Literatur der Literaturtheorie. Bern 2010, S. 73-86.

[2] Vgl. Ortiz, Janine: »I want to be a machine«. Über Robert Wilsons »Sandmann«-Adaption. In: Programmheft »Der Sandmann«, hrsg. vom Düsseldorfer Schauspielhaus (Spielzeit 2016/2017), S. 10.

[3] Ebd., S. 11.

[4] Vgl. ebd., S. 45.

[5] Ebd., S. 11.

[6] Ebd., S. 41.

[7] Ebd., S. 38.

[8] Ebd., S. 10.

[9] Ebd., S. 20.

[10] Ebd., S. 9.

[11] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann. In: Ders.: Nachtstücke. Klein Zaches. Prinzessin Brambilla. Werke 1816-1820. Hrsg. von Hartmut Steinecke unter Mitarbeit von Gerhard Allroggen. Frankfurt am Main 2009, S. 24.

Quo vadis E.T.A. Hoffmann Portal? – Erkenntnisse und Maßnahmen aus unserer Evaluation 2018

Mit Forscher*innen, Schüler*innen, Lehrer*innen und Hoffmann-Interessierten zielt das E.T.A. Hoffmann Portal auf vier ganz unterschiedliche Zielgruppen, für die jeweils passende Angebote entwickelt wurden. Ob diese tatsächlich dem Bedarf und den Interessen der Nutzenden entsprechen, und ob diese Nutzenden tatsächlich auch die konzipierten Zielgruppen sind, haben wir im Herbst 2018 mit einer Selbstevaluation ermittelt. Dadurch sollte überprüft werden, wie die verschiedenen Gruppen das Portal nutzen und wie sie jeweils die Inhalte und die Gestaltung des Portals beurteilen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse leiten seitdem die nutzerorientierte Weiterentwicklung des Portals an.

In diesem Beitrag erläutern wir Ihnen die angewandten Methoden, präsentieren die Ergebnisse und beschreiben, welche Maßnahmen wir aufgrund der Ergebnisse ergriffen haben und in der nächsten Zeit noch planen. Denn durch die Evaluation gestalten Sie das E.T.A. Hoffmann Portal maßgeblich mit!

Ausgangssituation

Evaluation 2018 | Zielgruppen und Portalelemente

Evaluation 2018 | Zielgruppen und Portalelemente

Als das E.T.A. Hoffmann Portal Ende 2016 online ging, war es eines der ersten Personenportale in diesem Umfang und ein vergleichsweise neues Format für die Staatsbibliothek zu Berlin – zum einen hinsichtlich der Technik (WordPress), zum anderen als innovative Form der Sammlungsvermittlung. Zu Beginn des Projekts stand eine Zielgruppenanalyse, durch die wir in einem Persona-Konzept die Hauptnutzertypen und ihre Bedarfe beschreiben und in einem Zielgruppenmanifest die Ansprüche an das Portal hinsichtlich Struktur, Zugang, Vertrauen und Interaktion festhalten konnten (nähere Informationen hierzu können Sie im damaligen Blogbeitrag nachlesen). Auf dieser Grundlage haben wir Angebote für die Nutzergruppen Forschende, Lehrende, Schüler*innen und Interessierte entwickelt.

Erkenntnisinteresse

Nach knapp zwei Jahren Laufzeit galt es nun zu überprüfen, ob die ermittelten Nutzergruppen und Interessen auch den tatsächlichen  entsprechen und wie die Nutzung des Portals bewertet wird. Denn Erkenntnisse zu Nutzerstruktur und Nutzungsverhalten sind einerseits generell für die Weiterentwicklung des Portals relevant, helfen andererseits aber auch bei der Lösung ganz konkreter Gestaltungsfragen (wie können wir bspw. das Bildvergleichstool besser positionieren?) und bei der Antragstellung für ein Folgeprojekt.

Das Erkenntnisinteresse, das der Evaluation zugrunde lag, umfasste die folgenden Fragenkomplexe:

  • Nutzer*innen und Nutzungskontexte
    • Wer nutzt das Portal?
    • Sind die konzipierten Zielgruppen auch die realisierten Zielgruppen?
    • Inwieweit entsprechen die vermuteten Nutzungsanlässe und –situationen den tatsächlichen?
    • Entsprechen die angenommenen Bedarfe den tatsächlichen Bedarfen?
  • Usefulness
    • Wie bewerten die jeweiligen Nutzergruppen das Portal unter inhaltlichen Gesichtspunkten?
    • Nutzen die jeweiligen Zielgruppen die Bereiche des Portals, die v.a. für sie konzipiert wurden?
    • Welche Inhalte sollen ausgebaut werden, welche fehlen?
    • Um welche Funktionen soll das Portal ggf. erweitert werden (Kommunikationsplattform, Vernetzungsangebot für Forschende)?
  • Usability
    • Wie bewerten die Nutzer*innen die Usability insgesamt?
    • Welche Usability-Schwachstellen gibt es?
    • Schwerpunkte: Navigation, diverse Suchfunktionen, Mirador-Vergleichsviewer
  • Nutzungserlebnis (UX)
    • Wie bewerten die Nutzer*innen das Nutzungserlebnis insgesamt?
    • Ist das Portal ansprechend gestaltet, lädt es zum Stöbern ein?
    • Wirkt das Portal seriös?

Methoden

Die Evaluation stützte sich auf drei Datenerhebungen.  Mit einer sogenannten Logfile-Analyse wurden die Zugriffe auf die einzelnen Elemente des Portals ausgewertet, um Nutzungsschwerpunkte und weniger genutzte Bereiche des Portals zu erkennen. Gezählt wurden die Zugriffe mit Hilfe der Open-Source Plattform „Matomo“, mit der auch andere Webangebote der SBB ausgewertet werden.

  • Zeitraum der Durchführung: Oktober/November 2018
  • Beobachtungszeitraum: 01.10.2017-30.09.2018
  • Schwerpunkte:
    • Informationen zu den Nutzer*innen
    • Nutzungsintensität der einzelnen Bereiche und Funktionen des Portals

Um zu verstehen, zu welchen Zwecken und in welchen Zusammenhängen Menschen das Portal aufsuchen und was sie dort tun, wurden Nutzer*innen aus den jeweiligen Zielgruppen in Experteninterviews ausführlich zu ihrem Nutzungsverhalten befragt.

  • Zeitraum der Durchführung: Oktober/November 2018
  • Formate:
    • face-to-face in der SBB oder bei der Testperson, Skype, Chat
    • national und international
    • Einzel- und Gruppeninterviews
  • Erhebungen:
    • 4 Forscher*innen (2x Musik, 2x Literatur)
    • 4 Lehrer*innen
    • 3 Schüler*innen
    • 1 Hoffmann-Interessierte
  • Schwerpunkte:
    • Informationen zu den Nutzer*innen
    • Nutzungsanlässe
    • Nutzungsmotive
    • Nutzungskontexte

Schließlich haben wir einigen Nutzer*innen noch live bei der Verwendung des Portals über die Schultern geschaut, um Genaueres über die Nutzerfreundlichkeit der Portaloberfläche zu erfahren. In diesen sogenannten Usability-Tests wurden die Testpersonen gebeten, eine Reihe von vorab festgelegten Aufgaben im Portal zu bearbeiten. Dabei kommentierten die Testpersonen ihre Handlungen fortlaufend laut, während ihre Bildschirmaktivitäten aufgezeichnet wurden.

  • Zeitraum der Durchführung: November/Dezember 2018
  • Erhebungen:
    • 4 interne cognitive walkthroughs unterstützt durch SBB-Kolleg*innen
    • 4 Nutzertests (2 Studierende, 1 Schüler, 1 Interessierter)
  • Schwerpunkte:
    • Menügestaltung
    • Mirador-Viewer
    • Usability-Lücken allg.

Erkenntnisse

Die Ergebnisse der Evaluation sind äußerst vielfältig. Mit knapp 34.000 eindeutigen Besuchen in den ersten vier Monaten 2019 wird das E.T.A. Hoffmann Portal intensiv genutzt. Es befindet sich unter den Top10-Websites der SBB und weist seit dem Launch eine konstante Wachstumsrate auf.

Insgesamt sehr positiv

Feedback Evaluation 2018

Feedback Evaluation 2018

Zentral ist die Erkenntnis, dass das Portal als eine seriöse, ansprechende und strukturierte Informationsquelle zu E.T.A. Hoffmann erlebt wird, die zum Stöbern einlädt und Entdeckungen auch von Nicht-Gesuchtem möglich macht. Inhalte, Usability und Nutzungserlebnis werden als sehr positiv wahrgenommen. Erfreulicherweise finden sich auch alle der ursprünglich konzipierten Nutzergruppen vom Portal und seinen Angeboten angesprochen: die Passung zwischen den Personas und den vorgefundenen Nutzungsszenarien ist hoch.

Neue Nutzergruppe

Allerdings konnte durch die Evaluation noch eine weitere wichtige Nutzergruppe ermittelt werden, die bislang nicht im Fokus stand: Studierende (BA und MA), vor allem in den Fächern Germanistik und Literaturwissenschaft. Sie wurden bisher unter die Forschenden subsumiert, doch unterscheiden sich ihre Interessen und ihr Nutzungsverhalten von anderen Forschenden.

Nutzer*innen und Nutzungskontexte

Für die einzelnen Nutzungsgruppen konnten folgende Hauptnutzungskontexte identifiziert werden:

Forschende:

  • Recherche in Bibliothekskatalogen als Normalfall
  • tendenziell konventionell (keine Literaturverwaltungssoftware, keine kollaborativen Forschungsinfrastrukturen)
  • Suche nach konkreten Objekten (Forschungsliteratur, Digitalisate)
  • thematische Anregungen für Forschung und Lehre
  • Studierende (BA) als relevante Nutzergruppe (!)

Lehrkräfte:

  • Nutzung diverser Lehrmaterialien / Unterrichtshilfen (online und print)
  • fallweise ergänzt um online-Recherchen
  • schulische Infrastrukturen für den Einsatz von Online-Quellen im Unterricht nicht optimal
  • Quellenempfehlung für das Selbststudium der Schüler*innen (!)
  • Einsatz im Unterricht im Einzelfall vorstellbar

Schüler*innen:

  • Nutzung digitaler Informationen als Regelfall
  • Quellensuche mobil, Rezeption am Desktop/Laptop
  • Fokus auf gleichermaßen zugängliche wie seriöse Quellen
  • Vorbereitung von Referaten, Klausuren, Hausarbeiten (Interpretationshilfen, Bilder, Illustrationen, Autoreninformationen)

Interessierte:

  • Sehr heterogen
  • Interessiertes Stöbern

International und mobil relevant

Insgesamt besuchten laut Logfile-Analyse Personen aus 67 verschiedenen Ländern das E.T.A. Hoffmann Portal (nach Browser-Einstellungen). Nach der weit überwiegenden Mehrzahl von Besuchen aus Deutschland (82 Prozent) folgen erstaunlicherweise die USA (2.252 Besuche) und Südkorea (1.077 Besuche) mit Besuchen im vierstelligen Bereich für den gesamten Betrachtungszeitraum. Erst danach folgen die anderen deutschsprachigen Länder und alle anderen.

Ebenso interessant war die Erkenntnis, dass das E.T.A. Hoffmann Portal intensiv mobil genutzt wird. Mehr als 40 Prozent der Nutzung entfallen auf Smartphones, Tablets und Phablets. Bei anderen Webangeboten der SBB liegt die Mobilnutzung dagegen nur bei etwa 20 Prozent.

Beliebteste Inhalte

Die Bereiche Leben und Werk und Erforschen mit ihren informativen, einführenden Forschungsbeiträgen werden laut Logfile-Analyse mit jeweils knapp 30 Prozent mit Abstand am intensivsten genutzt. Eine Mittlere Nutzungsintensität kann für die Bereiche Hoffmann digital, Unterrichten und Index (=Startseite) festgestellt werden, während die Metasuche mit nur gut einem Prozent kaum genutzt wird.

Bibliografie statt Metasuche?

Neben dem positiven Feedback zum Portal wurden also auch Bedarfe erkennbar, die bislang noch nicht berücksichtigt werden konnten, sowie Funktionen des Portals, die bisher kaum genutzt wurden. So zeigte sich, dass Wissenschaftler*innen die Metasuche nicht als datenbankübergreifende Literatursuche identifizierten. Zudem scheint es keinen ausgeprägten Bedarf für eine solche Funktion zu geben. Dies unterstreichen auch die oben genannten Ergebnisse der Logfile-Analyse, die für die Hoffmann-Suche nur sehr wenige Zugriffe ausweist. Stattdessen wünschen sich die befragten Wissenschaftler*innen eine Hoffmann-Bibliographie. Im Portal wurde der Bereich zunächst umbenannt in Literatur, um ihn von der Webseitensuche abzugrenzen. Inzwischen laufen die Vorbereitungen für einen neuen Projektantrag, der den Wunsch nach einer Bibliografie aufgreift. Wenn der Antrag erfolgreich ist, kann in den Jahren 2020 bis 2022 eine Hoffmann-Onlinebibliografie erstellt werden, die die Metasuche ersetzt.

Mehr Sichtbarkeit für das Bildvergleichstool

Bei Hoffmann digital wurde ausdrücklich die hohe Qualität der Digitalisate gelobt, die Usability des Viewers wurde aber als verbesserungswürdig eingestuft. Exemplarisch für eine Vielzahl von detaillierten Hinweisen und Anregungen soll hier der sogenannte Vergleichsviewer Mirador erwähnt werden. Er ermöglicht es, digitalisierte Objekte, bspw. Illustrationen aus verschiedenen Büchern, nebeneinander zu betrachten und auf Wunsch auch zu annotieren. Diese Funktion begeisterte die Nutzer*innen in unseren Tests, doch von allein entdeckte kaum einer der beteiligten Nutzer*innen die Funktionen dieses Viewers. Für die Portalentwicklung bedeutet das, dass die Sichtbarkeit des Viewers im Portal erhöht und die Handhabung selbsterklärender gestaltet werden müssen. Zudem arbeitet das Projektteam an einer Dokumentation der in Hoffmann digital enthaltenen Inhalte, die von einigen Nutzer*innen gewünscht wurde. In den nächsten Monaten ist ein größerer Relaunch von Hoffmann digital geplant, damit Digitalisate aus anderen Einrichtungen besser eingebunden und neue thematische Kollektionen angeboten werden können. Dabei werden auch noch einige Bugs behoben und das Layout überarbeitet.

Kooperation mit Schulen

Das Portal enthält auch Unterrichtsmaterialien mit Hoffmann-Bezug für Lehrer*innen der Sekundarstufe II. Die Evaluation zeigte, dass es schwierig für Außenstehende ist, die Lehreinheiten so zu dimensionieren, dass sie für Lehrkräfte direkt verwendbar sind. Im Anschluss an die Evaluation wurden deshalb bereits weitere Lehreinheiten gemeinsam mit Berliner Lehrer*innen erarbeitet und im Schulunterricht erprobt. In Planung sind derzeit Lehreinheiten zu Hoffmanns Der Goldne Topf und Das Fräulein von Scuderi.

Kontinuierliche Akquise von Textbeiträgen

Erstaunt hat uns die Tatsache, dass besonders die einführenden Forschungsbeiträge so gut ankommen. Die Evaluation hat viele Hinweise und Anregungen zu weiteren thematischen Bereichen hervorgebracht, für die wir kontinuierlich Texte akquirieren.

Wer nutzt das Portal?

Eine einzelne wichtige Frage konnten wir mit der Evaluation allerdings nicht bewerten: Wer nutzt eigentlich das Portal? Eine quantitative Erhebung zum Anteil der jeweiligen Nutzergruppen an allen Nutzer*innen haben wir nicht durchgeführt. So konnten wir auch nicht ermitteln, ob es neben den Studierenden weitere bisher nicht bekannte Nutzergruppen gibt, für die wir unsere Angebote anpassen könnten. Dies werden wir voraussichtlich im Herbst 2019 mit einer sehr kurzen Onlinebefragung auf der Webseite nachholen.

Resümee

Für uns war die Evaluation anregend und motivierend. Wir freuen uns sehr, dass das E.T.A. Hoffmann Portal grundsätzlich so positiv bewertet wurde und haben uns mit großem Elan an die Optimierung der einzelnen Angebote gesetzt. Einige Veränderungen konnten Sie inzwischen schon sehen, andere sind noch in der Planung. So hoffen wir, dass wir das Angebot kontinuierlich so verbessern, dass das Nutzungserlebnis für Sie optimal ist. Wir danken allen, die sich an der Evaluation beteiligt haben.  Ohne Ihre Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen. Und natürlich freuen wir uns auch weiterhin über Feedback und Anregungen!

„Der goldene Topf“ am Schauspielhaus Stuttgart

Achim Freyers „Inszenierung von E.T.A. Hoffmanns Märchen „Der goldne Topf“ ist wie ein Blick in ein unscharfes Kaleidoskop. Man verliert die Orientierung. Wo ist oben, wo unten? Wer spricht? Wer singt? Wer musiziert? […] Freyer bringt den Text zum Tanzen und zum Schweben, lässt prosaische und poetische Welt ineinanderfallen“ (Nicole Golombek, Stuttgarter Zeitung, 19. Mai 2019).

Nach der Premiere am 18. Mai führt das Schauspielhaus Stuttgart „Der goldene Topf – Ein Märchen aus neuester Zeit, auf dem Theater erzählt nach E.T.A. Hoffmann“ in dieser Spielzeit noch mehrmalig im Juni, Juli und Oktober auf.

Termine: 20. , 21. Juni, 14., 18., 19. Juli, 11., 22. Oktober
Dauer: ca. 1:15 Std, ohne Pause
Ort: Schauspielhaus Stuttgart

Weitere Informationen und Karten

DER GOLDENE TOPF
Ein Märchen aus neuester Zeit
auf dem Theater erzählt nach E.T.A. Hoffmann

Inszenierung, Bühne, Kostüm: Achim Freyer
Mitarbeit Regie: Sebastian Sommer
Mitarbeit Bühne: Moritz Nitsche, Petra Weikert
Mitarbeit Kostüm: Wicke Naujoks
Musik: Alvin Curran
Video: Jakob Klaffs, Hugo Reis
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Klaus-Peter Kehr, Ingoh Brux
Besetzung: Boris Burgstaller, Gabriele Hintermaier, Ulrich Hoppe, Amina Merai, David Müller, Valentin Richter, Sven Prietz, Paula Skorupa, Felix Strobel, Live-Musik: Anne-Maria Hölscher (Akkordeon), Bernd Settelmeyer (Percussion)

Foto: Monika Rittershaus

 

 

 

 

 

Erika Landertingers Lithographien zum Nussknacker

Im Frühjahr dieses Jahres erwarb die Staatsbibliothek zu Berlin für das E.T.A. Hoffmann Archiv das Künstlerbuch Der Nussknacker: Illustrationen zum Ballett nach P. I. Tschaikowsky von Erika Landertinger.

Kostüm- und Bühnenbildnerin

Die gebürtige Salzburgerin Erika Landertinger studierte am dortigen Mozarteum sowie an der Wiener Akademie der Bildenden Künste Kostüm- und Bühnenbild; im Anschluss verantwortete sie als freischaffende Kostümbildnerin über 200 Theaterproduktionen. Im Jahr 1995  übernahm sie eine Gastprofessur in Amsterdam, seit 2003 lehrt sie an der Toneelacademie in Maastricht. Seit vielen Jahren gestaltet sie zudem für das Theater und Orchester Heidelberg Kostüme – in dieser Saison für Franz Lehars Operette Die lustige Witwe sowie Carlo Goldonis Bühnenstück Der Diener zweier Herren. Neben ihrer Tätigkeit als Kostüm- und Bühnenbildnerin arbeitet Erika Landertinger zudem als bildende Künstlerin.

Erika Landertinger: Der Nussknacker. Salzburg 2007 © Erika Landertinger

Das Künstlerbuch

Ihre Mitarbeit an der Theaterproduktion zu Tschaikowskis Ballett Der Nussknacker am Koblenzer Stadttheater inspirierte sie zu der Umsetzung des Bühnenstoffes in Lithographien. Die farbenfrohen Steindrucke auf Büttenpapier wurden in einer Auflage von zwölf Stück von Thomas Franke in der Neuhauser Kunstmühle in Salzburg im Jahr 2007 gestaltet und gedruckt. Der Deckel ist mit einer doppelblattgroßen Lithographie bezogen. Der Titel und der Druckvermerk wurden nach der Handschrift der Künstlerin gestaltet.

Die Vorlage

Das Ballett Der Nussknacker von Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1893) gehört weltweit zu den populärsten Ballettstücken (op. 71 – Ballett in 2 Akten, Libretto: M. Petipa). Tschaikowski vertonte dabei aus E.T.A. Hoffmanns Sammlung Serapionsbrüder (Berlin 1816) die Geschichte Nussknacker und Mausekönig in der Bearbeitung von Alexandre Dumas dem Älteren (1802-1870) aus dem Jahr 1845.

Der Band befindet sich momentan in der restauratorischen Bearbeitung. Er kann demnächst für den Lesesaal der Abteilung Historische Drucke bestellt werden.

Wilhelm Heise: Kolorierte Handdrucke

Originalillustrationen von Wilhelm Heise erworben

Im April 2019 hat die Staatsbibliothek zu Berlin aus Privatbesitz eine Mappe mit zehn Originalillustrationen des deutschen Künstlers Wilhelm Heise zu E.T.A. Hoffmanns ‚Das Fräulein von Scuderi‘ erworben. Sie wird derzeit in den Bestand der Kinder- und Jugendbuchabteilung eingearbeitet.

Ausbildung in Kunstakademie und Buchgewerbe

Erst nach seiner Schulzeit in Metz und einer kaufmännischen Ausbildung entdeckte Wilhelm Heise (1892–1965) die Malerei für sich und schuf erste impressionistische Bilder. Er folgte dem Impressionisten Hans Olde von Weimar 1912 an die Kunstakademie Kassel und erhielt durch dessen Vermittlung ein Stipendium für eine Ausbildung im Buchgewerbe in Berlin und Leipzig. Dort spezialisierte er sich auf künstlerische Buchgestaltung. Nach einer kriegsbedingten schöpferischen Pause und einer kurzen Ehe mit Lisa Schmidt (1916–1919) fertigte Heise erste expressionistische Buchillustrationen in seinem Atelier in München, zu denen auch die Federzeichnungen zu E.T.A. Hoffmanns ‚Das Fräulein von Scuderi‘ gehören, auf denen die neu erworbenen kolorierten Handdrucke beruhen.

Ziffernblätter, Steinstiche und Leitungsfunktionen

1920 machte Heise mit bemalten Ziffernblättern auf sich aufmerksam, die er exklusiv für einen Uhrenhändler zum Export in die USA herstellte. In seinen produktivsten Jahren zwischen 1924 und 1936 schuf Heise bedeutende graphische Arbeiten wie seine Steinstiche ‚Nächtliche Blumenstücke‘, die in zahlreichen Museen im In- und Ausland zu sehen sind. Ab 1937 wirkte er vor allem als Lehrer, zunächst in Königsberg, später in Frankfurt am Main, wo er 1946 die Leitung der Städelschule übernahm, und schließlich an der Münchner Akademie der bildenden Künste. Im September 1965 nahm Heise sich in München das Leben (→ vgl. Wikipedia-Eintrag zu Wilhelm Heise).

Federzeichnungen für einen signierten Pressendruck

Die Illustrationen zu E.T.A. Hoffmanns ‚Das Fräulein von Scuderi‘ schuf Heise 1919 für eine bibliophile Ausgabe der Kriminalnovelle, die 1920 im Hyperionverlag in München erschien. Die als hochwertiger Pressendruck bei Knorr & Hirth hergestellte Ausgabe besteht aus nur fünfzig Exemplaren, die auf echtes Bütten abgezogen und vom Künstler koloriert und signiert wurden. Die Staatsbibliothek zu Berlin besitzt neben den neu erworbenen Originalillustrationen auch das handsignierte nummerierte Exemplar Nr. 45 des Pressendrucks.

Da die Handdrucke noch urheberrechtlich geschützt sind, dürfen sie online nicht gezeigt werden. Interessierte können aber sowohl die Mappe mit den Handdrucken (im Haus am Westhafen) als auch die bibliophile Hyperion-Ausgabe (im Haus Unter den Linden) vor Ort einsehen.

Neuerscheinung: E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften

 

E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften. Herausgegeben von Tiziana Corda / Jörg Petzel. Würzburg: Königshausen & Neumann 2018. 168 S.

Ende Dezember 2018 erschien der Tagungsband E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften.

Der Band enthält elf überarbeitete Vorträge namhafter Germanisten und Komparatisten, die 2017 bei der Berliner Tagung E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften referiert haben. Die Beiträge eröffneten neue, interessante Erkenntnisse und Anregungen über E.T.A. Hoffmanns Literarisierung von deutschen und italienischen Landschaften und Städten – Berlin, Rom, Neapel.

Berlin, das in mehreren Erzählungen – von Ritter Gluck über Das öde Haus bis hin zu Des Vetters Eckfenster – die historische Kulisse für Hoffmanns Stadtbeschreibungen darstellt, wird in allen Facetten beleuchtet.

Die preußische Hauptstadt, die um 1800 mit ihrem rasanten Bevölkerungswachstum zum beliebten Reiseziel wurde, erscheint in Hoffmanns Werk als Mikrokosmos und als Bündelung der Vielfalt auf kleinem Raum. Die Großstadt im Umbruch wird mit seinen düsteren und hellen Bruchstücken dargestellt. Gespensterhäuser (Das öde Haus), Weinkeller (Die Brautwahl), Gartenlokale (Ritter Gluck, Aus dem Leben dreier Freunde) mit einem bürgerlichen Publikum und grotesk wirkenden Außenseitern bilden das neue Szenario dieser Stadt. Der Antisemitismus, der sich seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon in Preußen ausgebreitet hatte und der ein wichtiges Motiv in Erzählungen wie Die Brautwahl, Die Irrungen / Die Geheimnisse ist, wird unter Einbeziehung antisemitischer Literatur wie Carl Sessas Stück Unser Verkehr sowie Wilhelm d’Elpons Erzählung Herz der Große beleuchtet.

Anders als viele seiner Zeitgenossen ist Hoffmann bekanntlich nie in Italien gewesen und musste, mangels eigener Erlebnisse und Erfahrungen, mit zeitgenössischen Quellenwerken arbeiten. Die Stadt Rom fasziniert Hoffmann als teatro mundi und wird in seinen Erzählungen Prinzessin Brambilla und Signor Formica mithilfe literarischer Quellen wie u.a. Reisen eines Deutschen in Italien von Karl Philipp Moritz und Das Römische Carneval von Johann v. Goethe zum Schauplatz theatralischer Inszenierungen.

Kaum eine andere italienische Stadt ist in Hoffmanns Werk so präsent und so strukturprägend wie Neapel, die Stadt unter dem Vulkan. Das italienische Lokalkolorit und vor allem die für die Zeit typische und klischeehafte dargestellte Italianität besitzen in einigen Erzählungen (Ignaz Denner, Kater Murr) eine neapolitanische Prägung, die sich als ausschweifende heidnische Lebensart offenbart.

Der einführende Beitrag dieses Tagungsbandes Unter dem Vulkan. Goethe, de Sade, E.T.A. Hoffmann vermittelt die Faszination für den Vesuv als mysteriös-unheimliche Brutstätte und betont zugleich den interdisziplinären Charakter.

Im Kontrast zu Hoffmann und seinem Werk kommen in zwei Beiträgen auch italienische und deutsche Dichter zu Wort, die lange oder zeitweilig in Italien lebten.

Ludwig Tieck unternahm von Sommer 1805 bis Sommer 1806 ein romantisches Wandern von Stadt zu Stadt; die berühmten Städte auf seinem Hin- und Rückweg – Venedig, Bologna, Florenz, Rom – hat er in seinen Reisegedichte[n] eines Kranken gewürdigt.

Alessandro Manzoni hat hingegen die Metropole Norditaliens, Mailand, als Ort der Handlung für seinen berühmten historischen Roman I Promessi Sposi (erste Fassung 1827) gewählt: die konkrete, rationale Stadtbeschreibung löst sich von der romantischen Topografie und kündigt bereits den literarischen Realismus an.

 

Inhaltsverzeichnis

Patrizio Collini (Florenz): Unter dem Vulkan: Hoffmann, Sade, Goethe

Matteo Galli (Ferrara): Effet du réel und inemendabilità: Realismus reloaded bei E.T A. Hoffmann

Joachim Küpper (Berlin): Das Mailand von Manzonis I Promessi Sposi

Tiziana Corda (Berlin): Rom als Schauplatz des theatralischen Erzählens: Signor Formica und Prinzessin Brambilla

Elena Agazzi (Bergamo): Das öde Haus im Zeichen der Fledermaus. Stadtgeschichten, Landgeschichten

Walter Schmitz (Dresden): Ludwig Tieck: Stadtbilder – Stadtentwurf – Stadtwirklichkeit

Elena Giovannini (Bologna):E.T.A. Hoffmanns Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde: düstere und helle Bruchstücke der Großstadt Berlin

Klaus Deterding (Berlin): Hoffmann, der Türmer

Giulia Ferro Milone (Verona): Weiblichkeitskonstruktionen in E.T.A. Hoffmanns Lebens-Ansichten des Katers Murr und Meister Floh

Jörg Petzel (Berlin): Antijüdische Affekte oder vermeintlicher Antijudaismus in E.T.A. Hoffmanns späten Almanach-Erzählungen

Claudia Albert (Berlin): Von der Brambilla zur Branzilla. Kunst und Künste in kleinen wie großen italienischen Städten

 

Gastbeitrag von Frau Dr. Tiziana Corda, Berlin

Mehr zur E.T.A. Hoffmann-Rezeption in Italien