E.T.A. Hoffmann-Lesung am 2.11. im Chamisso-Museum (Bliesdorf/OT Kunersdorf)

Lesung
Die Geschichte vom verlorenen Spiegelbild von E. T. A. Hoffmann

Chamisso-Museum im Kunersdorfer Musenhof
02. November – 16 Uhr
Eintritt 12 €

Diese Geschichte von E.T.A. Hoffmann erzählt von Erasmus Spikher, einem Reisenden in Italien,
der durch die Begegnung mit dem Teufel den Pakt um sein Spiegelbild schließt. Ähnlich wie
Chamissos Peter Schlemihl muss er den Menschen ausweichen und befindet sich auf der Flucht.
Am Ende trifft Spikher sogar auf Peter Schlemihl. Mit dieser Begegnung schuf Hoffmann eine
Hommage an seinen Freund Adelbert von Chamisso.

Es liest Hans Jürgen Schatz.

Weitere Informationen

J. Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ in Offenbach (23.10.) und Weimar (25.10. und weitere)

Gleich zwei Mal wird in der kommenden Woche Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ aufgeführt. Sichern Sie sich schnell noch Karten!

 

Hoffmanns Erzählungen à trois

Phantastische Oper von Jacques Offenbach

Veranstalter: Fliegende Volksbühne Frankfurt

Spielort: Alte Schlosserei, EVO, Andréstraße 71, 63067 Offenbach am Main

Zeit: 23.10.2019, 19.30 Uhr

Karten: 18 Euro, ermäßigt 10 Euro, auch online unter Frankfurt Ticket

„Schauspieler spielen meine Musik, Tenöre brüllen sie nur“ soll Jacques Offenbach einmal gesagt haben. Daran halten wir uns! In Offenbachs phantastischer Oper Hoffmanns Erzählungen berichtet der unglücklich verliebte Dichter Hoffmann in der Kneipe von drei gescheiterten Liebeserlebnissen – oder Liebesphantasien? Am Ende ist er betrunken und verpasst die echte Liebe. Grund genug, um zu verzweifeln. Aber: die Poesie ist entzündet. »Hebt die Liebe dich hoch, hebt dich höher das Leid!«

Voller dramatischer Einfälle, skurriler Figuren und musikalischer Kostbarkeiten ist Hoffmanns Erzählungen ein gefundenes Fressen für Fischmann und Quasts Musiktheater à trois.

In allen Rollen: Sabine Fischmann und Michael Quast
Am Flügel: Rhodri Britton/Markus Neumeyer
Musikalische Fassung: Rhodri Britton
Textfassung: Michael Quast nach dem Libretto von Jules Barbier und Michel Carré
Puppe: Christian Werdin,  Kolorierung und Haar: Katja Reich
Regie: Sarah Groß

Eine Koproduktion mit dem Amt für Kultur- und Sportmanagement der Stadt Offenbach und dem Theater im Bauturm Freies Schauspiel Köln.

 

Hoffmanns Erzählungen

Phantastische Oper in fünf Akten von Jacques Offenbach

Spielort: Deutsches Nationaltheater Weimar

Termine: 25.10. / 09.11. / 06.12. / 26.12. / 05.01. / 31.01./ 22.02. / 13.04.

Karten

Libretto von Jules Barbier nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré, herausgegeben von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck
In deutscher Sprache

E.T.A. Hoffmanns Erzählungen sind berühmt für ihre fantastische Atmosphäre, die Unklarheit der Grenze zwischen Realität und Fiktion und die Faszination, durch die er die Leser*innen in seine eigene Logik hineinzieht. Entsprechend sind die Handlung ebenso wie die Musik zu dieser Oper im doppelten Wortsinne fantastisch.

In der Interpretation des Regisseurs Christian Weise, der unserem Publikum bestens bekannt sein dürfte (»Rocco und seine Brüder«, »Macbeth«, »Wie werde ich reich und glücklich«), begibt sich Hoffmann auf eine surreale Reise. In drei Extremen sucht er nach Liebe – und wird am Ende doch immer nur mit seinem ungenügenden Selbst konfrontiert.

Mit dem Opernchor des DNT
Es spielt die Staatskapelle Weimar

Musikalische Leitung: Stefano Lano
Regie: Christian Weise
Bühne: Paula Wellmann
Kostüme: Lane Schäfer

Choreografie: Alan Barnes,  Dramaturgie: Hans-Georg Wegner
Choreinstudierung: Jens Petereit,  Fechtmeister: Jan Krauter

 

E.T.A. Hoffmann in Portland – Rückblick zur Jahreskonferenz der German Studies Association 2019

Ein Beitrag von Dr. Stephanie Großmann, Universität Passau (→ Forscherprofil)

Dass E.T.A. Hoffmann bei der diesjährigen Konferenz der German Studies Association (GSA) in Portland, Oregon großes Interesse fand, zeigte sich schon daran, dass das von Prof. Dr. Liebrand (Universität zu Köln) und Prof. Dr. Thomas Wortmann (Universität Mannheim) initiierte Thema „Reperspektivierungen: Neue Lektüren zu E.T.A. Hoffmann“ mit drei Panels vertreten war. Als interdisziplinäre Vereinigung von ca. 1.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern widmet sich die German Studies Association (GSA) germanistischen und historischen Fragestellungen, die sich mit Bezügen zu Deutschland, Österreich und der Schweiz befassen. Ihre Jahreskonferenz, die dieses Jahr vom 3. bis zum 6. Oktober zum dreiundvierzigsten Mal stattfand, ist ein wichtiges Forum für den wissenschaftlichen Austausch zwischen den USA und Deutschland. In Portland näherten sich die neun Referentinnen und Referenten neuen Lektüren zu E.T.A. Hoffmann aus ganz vielfältigen Perspektiven, die unter anderem die Emotionsforschung, Gender und Queer Studies, Philosophie (Kant), Materielle Kulturwissenschaft, Film- und Theaterwissenschaft einschlossen.

Das erste Panel stellte E.T.A. Hoffmanns „Schreib- und Erzählstrategien“ in den Mittelpunkt. Den Auftakt machte M.A. Christian Struck (Harvard University) mit seinem Vortrag Das unsichtbare Element des Einflusses in E.T.A. Hoffmanns „Der Magnetiseur“ – oder: Schaum und Vermächtnis. Ihn beschäftigte besonders die Frage, wie der Text selbst den Leser „magnetisiert“. Dazu untersuchte Struck den Text bis hinein in die Ebenen von Syntax und Zeichensetzung und eröffnete auf dieser Mikroebene dessen Potenzial unterschiedlicher Lese- und Bezugsebenen. Außerdem beleuchtete er die Materialität des vielfach in Der Magnetiseur benannten Schaumes auf sein semantisches Potenzial.

In ihrem Vortrag Subjektkonstitutionen und Schreibprozesse: Hoffmanns Texte präsentierte Prof. Dr. Claudia Liebrand (Universität zu Köln), wie Hoffmanns Texte ihre Figuren als von ihrem Unterbewusstsein geleitete Marionetten erscheinen lassen. Dabei ging sie drei unterschiedlichen Facetten nach: 1. Die Texte verunklaren den Mensch-Maschine-Zusammenhang. Am Beispiel Der Sandmann zeigte sie, dass dort das Problem einer fehlenden Unterscheidbarkeit zwischen dem, was Mensch und was Nicht-Mensch ist aufgeworfen wird. 2. Das Trauma wird für die Figuren zu einem Skript, dem sie gehorchen müssen, das sie nachspielen müssen. So wird Nathanael in der traumatischen Urszene von Coppelius zur Marionette umgestaltet und kann ab dann nur noch als Marionette agieren. 3. Den Schreibprozess der Künstlerperson in Der goldene Topf konzipiert Liebrand als Écriture automatique avant la lettre, da das Unbewusste dem Dichter die Hand führt, es selbst zum Text werden soll.

PD Dr. Jan Süselbeck (University of Calgary) beschäftigt sich in seinem Beitrag Schöne Augen: Emotionalisierungsstrategien in E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann aus der Perspektive der Emotionsforschung mit dem literarischen Antisemitismus der Romantik. Vor allem in der „Ensemblewirkung des Textes“ bezogen auf einzelne Aspekte der Figur Coppelius/Coppola im Sandmann – seine Physiognomie, sein Potenzial der (viralen) Ansteckung, seine sprachliche Verunglimpfung („Sköne Oken“) und sein Erscheinen als Hausierer/Schnorrer – sieht er deutliche Parallelen zur Konzeption des Ahasver-Motivs im 19. Jahrhundert. So schüre Hoffmanns Text gerade durch sein wirkmächtiges Angstszenario, bei dem nie abschließend klar wird, ob Nathanael wirklich gefährdet ist oder nicht, die Angst vor dem Fremden, das einen viral befällt und in den Abgrund zieht, wobei dieses Fremde deutliche Anklänge an die Konzeption eines unheimlichen, jüdischen Anderen des frühen 19. Jahrhunderts aufweise.

Dem „Sprechen und Verstehen“ widmete sich das zweite Panel. Zunächst untersuchte Dr. Giulia Ferro Milone (Università di Verona) in ihrem Vortrag „Der Junge knurrt und miaut, statt zu reden“: Sprachstörungen und Sprachdefizite bei Hoffmanns männlichen Figuren aus der Perspektive der Gender und Queer Studies, wie das männliche Sprechen in den Texten Hoffmanns vor der Folie der für die Goethezeit dominanten Norm der Affektkontrolle zu verorten ist. Ihre These, dass Hoffmanns Figuren die dominanten Strukturen männlichen Sprechens der Zeit nicht erfüllen, erläuterte sie an verschiedenen Beispielen (Klein Zaches genannt Zinnober, Meister Floh) und konnte zeigen, dass nicht nur in der Artikulation, sondern auch bezogen auf Syntax und Wortwahl die Figuren in einem (sprachlichen) Kindheitsstatus verbleiben und „Männlichkeitsperformanz“ problematisiert wird. Diese Befunde kontrastierte Ferro Milone mit den männlichen Tierfiguren Hoffmanns, die sich alle durch eine hervorragende Artikulation und Eloquenz auszeichnen.

Unter dem Titel Zum silbernen Lamm oder zum goldenen Bock? – E.T.A. Hoffmanns ungesellige Gesellen stellte Dr. Caroline Scholzen (Universität Salzburg) Hoffmanns Konzeption von Geselligkeit in den Kontext von Immanuel Kants geschichtsphilosophischer These des sozialen Antagonismus einer „Ungeselligen Geselligkeit“, die als Motor der Sozialisation fungiert. Scholzen argumentierte, dass Kant die aus dem Paradoxon erwachsenden Probleme einzuhegen versuche, wohingegen Hoffmann in seinen Texten den Mut bewiese, dieses Paradoxon eines doppelt gerichteten Sprachraums auszuhalten, indem er in seinen Texten inverse Strukturen nicht auflöse.

Dr. Aurora Romero (Vanderbilt University, Nashville) näherte sich in ihrem Beitrag Disarticulated Women and Their (Un)Emotional Labors in E.T.A. Hoffmann’s The Sandmann den Frauenfiguren aus der Perspektive der Visual Studies und folgte den verschiedenen Blicken auf die „female bodies“, um anhand dieser Konzeptionen die kontemporären Veränderungen der Frauenrolle herauszuarbeiten.

Das dritte Panel befasste sich unter dem Titel „Adaptionen“ mit der Relation zwischen Hoffmanns literarischen Texten und anderen medialen Konzepten oder Umsetzungen. PD Dr. Mario Grizelj (Ludwig-Maximilian-Universität München) ging in seinem Vortrag „Des Vetters Eckfenster“ und die Kamerafahrt – Nicht nur: „Hoffmann und der Film“, sondern auch „Hoffmann und die Filmanalyse“ der These nach, inwiefern Hoffmanns Texte – und hier insbesondere Des Vetters Eckfenster – als Exempel für „filmische Schreibweisen“ herhalten können. In seiner Analyse kam er zu dem Schluss, dass ein Durchspielen von filmanalytischen Begrifflichkeiten an den Raum- und Blickkonzeptionen der Texte zum einen anachronistisch sei und zum anderen auch keinen Mehrwert bringe. Dieser Punkt, die Literatur nicht auf ein protofilmisches Medium zu reduzieren, sondern vielmehr ihren Eigenwert und ihre Poetizität zu würdigen, fand auch in der Diskussion große Zustimmung.

Dr. Stephanie Großmann (Universität Passau) untersuchte in ihrem Beitrag E.T.A. Hoffmann im kaleidoskopischen Blick der Oper: Jacques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann und ihre Inszenierungen zunächst erzähltechnische Referenzen der Oper Les Contes d’Hoffmann auf E.T.A. Hoffmanns Erzählverfahren. Inwiefern dann unterschiedliche Inszenierungen der Oper Reperspektivierungen der Person E.T.A. Hoffmann hervorbringen und welche Impulse diese für neue Lektüren seiner Erzähltexte geben können, stellte sie an den Operninszenierungen von Louis Erlo (Opéra National de Lyon 1993),  Giancarlo Del Monaco (Opera de Bilbao 2006) und Stefan Herheim (Bregenzer Festspiele 2015) vor.

Den Abschluss bildete Prof. Dr. Thomas Wortmann (Universität Mannheim) mit seinem Vortrag Unter Puppen: Robert Wilson inszeniert den „Sandmann“. Als erstes fokussierte er die gesellschaftlichen Konsequenzen, die die Enttarnung Olympias als Automate in Hoffmanns Text auslöst, nämlich gerade ein fehleraffines Handeln, wie ein „taktloses Singen“, aber auch die Trennung von Paarbeziehungen. Im Anschluss widmete er sich Robert Wilsons musikalischer Bühnenrealisation (Düsseldorf 2017), in der die Erzählung zu einem an filmischen Referenzen reichen „Tale of Horror“ wird. Bezogen auf eine Reperspektivierung hob Wortmann hervor, dass das Stück einerseits die Rolle der Mutter als initiierende und dominierende Figur konzipiert, der ein infantiler Nathanael gegenübersteht. Andererseits gestaltet der die Aufführung eröffnende und schließende Song „Dream on“ und die Integration des Sandmanns als Figur das Stück als Traumerzählung, die zudem zu einer Endlossschleife gerät, da sowohl Nathanael als auch sein Vater trotz ihres vorangegangenen Todes am Ende wieder lebendig auf der Bühne sind.

Einige Ergebnisse dieser sehr breit gefächerten, produktiven Auseinandersetzung mit E.T.A. Hoffmann auf der GSA in Portland werden voraussichtlich in das E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 2020 aufgenommen.

Abschlusskonferenz HoPo2 am 28.11. – jetzt anmelden!

Am 28. November 2019 veranstaltet die Staatsbibliothek zu Berlin in Kooperation mit der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft eine kleine Konferenz unter dem Titel Von Steampunk über Graphic Novel zu Disney – Der intermediale Kosmos der aktuellen E.T.A. Hoffmann-Rezeption. Anlass ist der Abschluss des Projekts E.T.A. Hoffmann Portal 2 zum Jahresende 2019. Auf der Konferenz werden die beiden Arbeitsschwerpunkte des dreijährigen Projekts in zwei Sektionen gewürdigt: Die Digitalisierung von Hoffmanniana aus der Staatsbibliothek zu Berlin und weiteren Einrichtungen am Vormittag und die Ausweitung der Portalinhalte auf die Bereiche Einflüsse und Rezeption am Nachmittag.

Sie sind herzlich eingeladen!

28. November 2019
10.30-17.00 Uhr
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Simón-Bolívar-Saal
Potsdamer Straße 33
10785 Berlin

Anmeldung

Die Anmeldung ist ab sofort bis zum 12. November 2019 möglich. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Die Plätze für das gemeinsame Abendessen im Anschluss (Selbstzahler) sind begrenzt. Bitte teilen Sie uns bei der Anmeldung mit, wenn Sie daran teilnehmen möchten. Bei der Online-Anmeldung nutzen Sie dazu bitte das Feld „Institution/Ort“. Wir melden uns umgehend, ob wir für Sie einen Platz reservieren konnten.

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Programm

10.30 Begrüßung
10.45 Das Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2 – Ergebnisse und Ausblick

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

11.30 Kaffeepause
11.45 Die Akte Hoffmann – Quellen aus dem Geheimen Staatsarchiv erstmals online zugänglich

Dr. Ulrich Kober, Geheimes Staatsarchiv

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

12.30 Schwester Monika – ein Apokryph

Prof. Markus Bernauer, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

13.15 Mittagspause
14.15 E.T.A. Hoffmann im Comic

Prof. Volker Schlecht, University of Applied Sciences Europe

15.00 E.T.A. Hoffmann und ‚Coppelius‘: Zur modernen Rezeption in Musik und Oper des 21. Jahrhunderts

Dr. Stefanie Junges, Ruhr-Universität Bochum

15.45 Kaffeepause
16.00 Von Barbie bis Disney – E.T.A. Hoffmann neu verfilmt

Dr. Anett Werner-Burgmann, Humboldt-Universität Berlin

16.45 Kleiner Rundgang zur Präsentation neuer unikaler Schätze

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

17.00 Schluss mit kleinem Weinempfang
18.00 Gemeinsames Abendessen im Lokal Joseph Roth-Diele (Selbstzahler)

Die erste bulgarische Übersetzung der Erzählung „Das fremde Kind“

Ganz neu im Bestand – und daher momentan leider noch im Geschäftsgang – ist die erste bulgarische Ausgabe von Hoffmanns Kunstmärchen Das fremde Kind, die im Juni 2019 als Kooperation der Cultural Perspectives Foundation mit dem Enthusiast-Verlag in Sofia erschien.

Den Text übersetzte der bulgarische Germanist und Linguist Prof. Boris Parashkevov. Die Künstlerin Katina Vasileva Peeva bebilderte den Band liebevoll mit vielen ganzseitigen Illustrationen. Die in gedeckten Tönen gehaltenen Zeichnungen nehmen die Handlung des Märchens auf und spiegeln dabei die phantastische Welt Hoffmanns wider.

Diese Ausgabe ist nicht nur etwas für die Augen sondern auch für die Ohren: Das Buch ist Teil der Reihe Musik im Buch, in der Hörstücke zu den Veröffentlichungen über die Webseite des Verlags zur Verfügung gestellt werden (der jeweilige Zugangscode befindet sich im Buch).

Das Hörbuch zu Das fremde Kind beinhaltet eine Lesung des bulgarisch-deutschen Schauspielers Samuel Finzi. Sein Beitrag wird zum einem um eine Komposition des bulgarischen DJs und Konzeptkünstlers Ivan Shopov ergänzt, der Motive aus Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen interpretiert, zum anderen werden Motive aus Hoffmanns Quintette für Streicher und Harfe unterlegt, neu arrangiert und interpretiert von Georgi Strezov und Simeon Eduard. (Ausschnitt aus der Barcarolle 3. Akt aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in YouTube)

 

Vorlage

Die deutsche Erstausgabe von Das fremde Kind erschien 1817 in der Sammlung Kinder-Märchen im Reimer Verlag Berlin, 1819 noch einmal im 2. Band der Sammlung Serapionsbrüder des gleichen Verlags.

 

Vorhang auf – eine Woche voller Hoffmann-Veranstaltungen

Lübeck, Berlin, Nennhausen, Bonn und Lyon – hier finden in den kommenden sieben Tagen interessante Einzelveranstaltungen rund um die Hoffmann’sche Welt statt. Der Bogen spannt sich von kommentierter Lesung, über inspiriertes Kino, Musik, Theaterinszenierung bis zur Literaturdiskussion.

 

Mittwoch, 18. September
E.T.A. HOFFMANN: DER SANDMANN mit Hanjo Kesting

im Rahmen der Reihe: Erfahren woher wir kommen – Große Erzählungen der Weltliteratur
Lesung: Markus Boysen
Kommentierung: Hanjo Kesting

Wann? 18.09.2019, 19:30-21:00 Uhr
Wo? St. Annen-Museum, St. Annen-Straße 15, 23552 Lübeck
Weitere Infos

 

Sonntag, 22. September
Filmreihe „Kino der Moderne“: DIE PUPPE (1919), Regie: Ernst Lubitsch

im Rahmen der Ausstellung „Kino der Moderne – Film in der Weimarer Republik“ der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen – zeigt das Kino Delphi LUX Die Puppe (1919) von Ernst Lubitsch. Der Film ist u.a. frei inspiriert von Motiven E.T.A. Hoffmanns.

Wann? 22.09.2019,  11:30 Uhr
Wo? Kino Delphi LUX , Yva-Bogen, Kantstraße 10, 10623 Berlin
Weitere Infos
Tickets

 

Sonntag, 22. September
Fontane und die Musik – FONTANE, E.T.A HOFFMANN, FOUQUÉ – Literarisch-Musikalische Begegnungen auf Schloß Nennhausen (Havelländische Musikfestspiele)

„Spätestens seit den Zeiten des Romantikers Friedrich de la Motte Fouqué gilt Schloss Nennhausen als Musenhof, als Ort der Poesie und Kultur. Schlegel und Chamisso, sowie E.T.A. Hoffmann waren hier zu Gast, Hoffmann vertonte später Fouqués Märchenerzählung „Undine“. Theodor Fontane kannte das Anwesen und nahm es sich zum Vorbild für die Gestaltung des Landsitzes Hohen-Cremmen in „Effi Briest“. Im Konzert der Havelländischen Musikfestspiele treffen romantische Kompositionen E.T.A. Hoffmanns und Ferdinand Ries´ auf Texte von Fontane, Hoffmann und Fouqué.“ Veranstaltungsinfos Havelländische Musikfestspiele

Wann? 22.09.2019, 16:00-20:00 Uhr
Wo? Schloss Nennhausen, Fouqué-Platz, 14715 Nennhausen
Weitere Infos und Tickets

 

Montag, 23. September
DER SANDMANN von E.T.A. Hoffmann

in einer Bearbeitung von Laura Tetzlaff und Nina Dahl
Inszenierung: Laura Tetzlaff \\ Ausstattung: Martin Scherm
Mit Leonie Renée Klein, Lucijan Gudelj und Richard Hucke

Wann? 23.09.2019, 18:00-19:30 Uhr
Wo? Kuppelsaal der Thalia Buchhandlung, Markt 24, 53111 Bonn
Weitere Infos

 

Mittwoch, 25. September
Literaturtreff: E.T.A. Hoffmanns NACHTSTÜCKE im Goethe-Institut Lyon, Frankreich

Der Freundeskreis des Goethe-Instituts Lyon (Aagil) veranstaltet alle zwei bis drei Monate einen Literaturtreff mit Diskussion in deutscher und französischer Sprache. Gesprochen wird dieses Mal über folgende Erzählungen Hoffmanns: Der Sandmann, Rat Krespel und Das öde Haus.

Wann? 25.09.2019, 18:30 Uhr
Wo? Goethe-Institut Lyon, 18 rue François Dauphin, 69002 Lyon
Weitere Infos

Save the date: Abschlusskonferenz zum Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2 am 28.11. in Berlin

Am 28. November 2019 veranstaltet die Staatsbibliothek zu Berlin eine kleine Konferenz unter dem Titel Von Steampunk über Graphic Novel zu Disney – Der intermediale Kosmos der aktuellen E.T.A. Hoffmann-Rezeption. Anlass ist der Abschluss des Projekts E.T.A. Hoffmann Portal 2 zum Jahresende 2019. Auf der Konferenz werden die beiden Arbeitsschwerpunkte des dreijährigen Projekts in zwei Sektionen gewürdigt: Die Digitalisierung von Hoffmanniana aus der Staatsbibliothek zu Berlin und weiteren Einrichtungen am Vormittag und die Ausweitung der Portalinhalte auf die Bereiche Einflüsse und Rezeption am Nachmittag.

Sie sind herzlich eingeladen!

28. November 2019
10.30-17.00 Uhr
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Simón-Bolívar-Saal
Potsdamer Straße 33
10785 Berlin

Anmeldung

Die Anmeldung ist ab sofort bis zum 12. November 2019 möglich. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Programm

10.30 Begrüßung
10.45 Das Projekt E.T.A. Hoffmann Portal 2 – Ergebnisse und Ausblick

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

11.30 Kaffeepause
11.45 Die Akte Hoffmann – Quellen aus dem Geheimen Staatsarchiv erstmals online zugänglich

Dr. Ulrich Kober, Geheimes Staatsarchiv

Dr. Christina Schmitz, Staatsbibliothek zu Berlin

12.30 Schwester Monika – Eine Apokryphe

Prof. Markus Bernauer, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

13.15 Mittagspause
14.15 E.T.A. Hoffmann im Comic

Prof. Volker Schlecht, University of Applied Sciences Europe

15.00 E.T.A. Hoffmann und ‚Coppelius‘: Zur modernen Rezeption in Musik und Oper des 21. Jahrhunderts

Dr. Stefanie Junges, Ruhr-Universität Bochum

15.45 Kaffeepause
16.00 E.T.A. Hoffmann neu verfilmt

Dr. Anett Werner-Burgmann, Humboldt-Universität Berlin

16.45 Kleiner Rundgang zur Präsentation neuer unikaler Schätze

Ursula Jäcker, Staatsbibliothek zu Berlin

17.00 Schluss
18.30 Gemeinsames Abendessen (Selbstzahler)

Eine Vision der ästhetischen Groteske – »Der Sandmann« am Schauspielhaus Düsseldorf

Rezension von Stefanie Junges (→ Forscherprofil)

Robert Wilsons Inszenierung eines der bekanntesten Texte der sogenannten ›Schauerromantik‹ ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Erlebnis. Gemeint ist damit nämlich nicht einfach ein zweifellos vergnüglicher Abend am Düsseldorfer Schauspielhaus, wo das Stück derzeit aufgeführt wird, sondern das kontrastreiche, sensuelle (Mit-)Erleben des Stücks. Beinahe wie Spiegelfiguren der Akteure auf der Bühne erfährt das Publikum mit allen (auf die Probe gestellten) Sinnen den drohenden psychischen Verfall des traumatisierten Protagonisten Nathanael.

 

Nathanael verfasst einen Brief an Lothar © Lucie Jansch

Nathanael verfasst einen Brief an Lothar © Lucie Jansch

 

Ein Sprung in der Platte oder: lautlich-repetitiver Minimalismus als ästhetisches Leitprinzip

Medias in res wird der Zuschauer in das Stück gesogen. Schon beim Betreten des Theatersaals, während noch alle plaudernd ihre Plätze suchen, präsentiert sich dem einströmenden Publikum eine pechschwarze Bühnenkulisse, in der alles Licht wie in einem Schwarzen Loch zu verenden scheint. Die am vorderen Bühnenrand angebrachten kaltweißen LEDs blenden die Zuschauer und lassen die Schwärze auf der Bühne damit regelrecht schwer und bedrohlich wirken.

Das Schwarz, in dem sich jeder Blick verliert, bildet damit die ideale Kontrastfolie für ein groteskes Bühnenbild: Am rechten Bühnenrand dreht sich zur den Saal erfüllenden Spieluhrmelodie Spalanzanis Automate Olimpia, während sich links ein Bett befindet, in dem ein Mann – der Sandmann – liegt, der die sanfte Melodie gelegentlich mit einem markerschütternden Schrei durchbricht. Über und hinter ihm steht eine absurd große und bizarr grün-glitzernde Blütenstange ohne Blütenkelch. Diese nächtliche Szenerie, bei der nicht einmal der grelle, weiße Neumond im Hintergrund das schwere Schwarz der Bühne zu erhellen vermag, wird in der Bühnenmitte durch einen in schwarze Pailletten gekleideten ›Horrorclown‹ mit verzerrendem schwarzem Makeup ergänzt.

Nachdem das Publikum dieses Treiben eine Weile beobachten kann, wird durch einen explosionsartigen Knall der Beginn des eigentlichen Stücks signalisiert: Christian Friedel, der die Hauptrolle des Nathanael spielt, singt Anna Calvis »there will be a horror« und leitet so das ›Horror-Thema‹ auf gesanglicher Ebene in den Prolog des Stücks über. Währenddessen läuft im Schatten des vorderen Bühnenrands das Ensemble auf. Von links nach rechts bewegen sich die Darsteller ruckartig mit übersteigerten Gesten wie schwarze Silhouetten über die Bühne und erinnern an die grafische Darstellung der drei in Tinte getunkte Buben aus dem Struwwelpeter.

In getakteten Abständen fällt der Scheinwerfer auf ihre exaltierten Gesichter, die großen Augen und weit aufgerissenen Münder, aus denen laute Schreie in Richtung Publikum Nathanaels melodischen Gesang konterkarieren. Diese fratzenhaften Gesichter und Gestiken der Schauspieler erinnern einerseits an Michail Bachtins Idee des ›grotesken Körpers‹[1], andererseits lässt sich Robert Wilson von den traditionellen japanischen Masken- oder Nō-Theaters inspirieren.[2]

»Robert Wilson verkörpert den Anspruch, auf der Bühne jegliche Realität, jeglichen Naturalismus hinter sich zu lassen.«[3]

Die Abstraktion von Wilsons Bühnenbild, das überwiegend aus Form, Farbe und Licht besteht – wenn man vom Studierzimmer des Vaters absieht – abstrahiert und pointiert so die Realität. Was für den einen Zuschauer befremdlich sein kann, kann für den anderen ein neuer Zugang zu Hoffmanns Sandmann sein. Auch ohne Kenntnis des Textes kann man der Handlung des Stücks folgen, doch sind es paradoxerweise die kleinen Textnuancen, die durch die übersteigerten Gesten und grotesken Gestalten fokussiert werden.

 

Nathanaels Vater schreitet über die Bühne © Lucie Jansch

Nathanaels Vater schreitet über die Bühne © Lucie Jansch

 

Theater für die Sinne

Hoffmanns Text wird mithilfe von Farb- und Formspielen und deren lautliche Übersetzung als Erlebnis für die Sinne inszeniert. Silhouetten, große, monochrome Flächen, buntes Licht, das entweder sanfte Farbverläufe zeichnet oder starke Kontraste manifestiert, sowie kräftige Signalfarben bestimmen die beinahe klinisch-sterile, aber zeitgleich sanfte Ästhetik des Bühnenbilds und der Kostüme. Das Spiel mit Licht und Farben kreiert in Kombination mit der vielfältigen ›Geräuschkulisse‹ eine Atmosphäre, die dem Publikum einen anderen Zugang zu Hoffmanns Erzählung gewährt – plakativer, dafür aber auch erfahr- statt nur verstehbar.

Nathanaels beginnende und zunehmende Manie, das Auf und Ab seiner Stimmungen spiegelt sich visuell in seinem giftgrün oder rot beleuchteten Gesicht sowie in Laut-Leise-Kontrasten wider. Die Spieluhrmelodie vor dem Prolog wird mit einem lauten Knall beendet, Gewitterlärm wird von Möwenklängen und Meeresrauschen abgelöst und manisches Kreischen steht nächtlichem Grillenzirpen gegenüber.

Auch hier gilt wieder das regelrecht neurotische Gesetz der Dauerschleife, das die Manie Nathanaels in akustische und visuelle Reize übersetzt: Die wenigen dialogischen Passagen, die die Handlung tragen, werden – die Intensität steigernd – stets mit je unterschiedlicher Mimik, Intonation und Lautstärke wiederholt. Liebliches Flüstern wechselt mit krächzenden Stimmen und manischem Kreischen und konterkariert so die Songs von Anna Calvi, die sich selbst zum Ziel setzt, mit Instrumenten zu malen und durch ihre Kompositionen zu hypnotisieren.[4] Es ist also wenig verwunderlich, dass Wilsons Musikwahl auf Calvi fällt; sie überträgt sein mit Licht- und Farbflächen spielendes Bühnendesign auf die musikalische Ebene.

»Die Kunst ist der Hebel, der einen Spalt aufreißt zwischen zwei sonst strikt getrennten Welten: den poetischen, anarchischen Gebildeten des Traums einerseits und der seelenlosen, bigotten Realität andererseits.«[5]

 

Nathanaels Wahnsinn wird durch grünes Scheinwerferlicht visuell signalisiert. Das Thema der Auto-maten und Maschinen wird durch den mechanischen Arm sowie das Einspielen des Geräuschs eines Zahnarztboh-rers aufgegriffen © Lucie Jansch

Nathanaels Wahnsinn wird durch grünes Scheinwerferlicht visuell signalisiert. Das Thema der Auto-maten und Maschinen wird durch den mechanischen Arm sowie das Einspielen des Geräuschs eines Zahnarztbohrers aufgegriffen © Lucie Jansch

 

Anna Calvis hypnotische Tonmalerei

Ihre Lieder sind nicht nur eine ästhetische Ergänzung, sondern unterstützen die Handlung auf unterschiedliche Weise. Sie werden ebenfalls wiederholt, rahmen das Geschehen und stehen doch für sich, denn lediglich zwei Lieder hat Calvi eigens für die Inszenierung komponiert (»Nathaniel« und »I whip the night«). Wenn Nathanael bei einer Gesellschaft im Spiegelkabinett auf seine geliebte Olimpia trifft, die – lediglich ihren Mund mechanisch öffnend – aus dem ›Off‹ ein seichtes, hallendes »Ach« säuselt, greift er mit »The Hurricane« singend das Motiv der belebten Automate auf: »Flesh to flesh, bone to bone, your love will turn me into a real boy«.[6]

 

Nathanael und Olimpia © Lucie Jansch

Nathanael und Olimpia © Lucie Jansch

 

Der rasche Wechsel der Musiktempi, der Tonvariationen und der Lautstärke erzeugen eine klangliche Atmosphäre zwischen Trance und Wahnsinn. Während zum Beispiel der Sandmann, gespielt von André Kaczmarczyk, mit zwei großen Eisblöcken regelrecht hypnotisierend über Wolken zu schreiten scheint, sing Nathanaels Mutter, dargestellt von Rosa Enskat, mit sanfter, aber kraftvoller Stimme ihren Sohn in den Schlaf: »Just surrender to the wave, surrender to it all, no fear under the oil, surrender to it all«[7] – und erzeugt ein Ambiente eines meditativen Traums, das auch das Publikum in Trance versetzt.

In anderen Szenen tönt wiederrum das garstige Geräusch eines Zahnarztbohrers durch den Saal, der bedrohlich über der Bühne schwebt, und versetzt das Publikum in mindestens unangenehme, wenn nicht sogar angsterfüllte Zustände. Das Dauerdröhnen dieses akustischen Inbegriffs des Unangenehmen korrespondiert dabei mit einem zunehmend dem giftgrünen Wahnsinn anheimfallenden Nathanael. Der endgültige psychische Verfall wird dem Publikum durch die Beschallung mit infernalischem Schuss- und Kriegslärm demonstriert, der gemeinsam mit beinahe epileptische Anfälle auslösenden Lichtblitzen den Eindruck erweckt, man sei inmitten eines Flashbacks eines Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung gestolpert.

 

Der Sandmann schreitet hypnotisch zu den Klängen von »Surrender« über die Bühne © Lucie Jansch

Der Sandmann schreitet hypnotisch zu den Klängen von »Surrender« über die Bühne © Lucie Jansch

 

Symbolfarben als Informationsträger

Nicht nur die in Signalfarben erleuchteten Gesichter – oder eher: Fratzen – der Darsteller verdeutlichen den Wahnsinns-Plot des Stücks. Auch die schlichte, einfarbige Kostümierung der Figuren ermöglicht eine präzise Differenzierung der Psychopathogenese des Protagonisten: Nathanaels Robe wechselt die Farbe. Der ›weiße Nathanael‹ repräsentiert ihn als unschuldiges, naives und auch albern-verspieltes Kind: Die Farbe der Unschuld fungiert als Symbol der unbefleckten Psyche im Stadium der Prä-Traumatisierung. Auch Nathanaels Mutter und Clara treten in ihrer albernen Art – wenn bspw. die Mutter wie ein Huhn gackert – ausschließlich in cremefarbenen Kleidern auf die Bühne, während Lothar gegen Ende den ebenfalls cremefarbenen Gehrock durch einen schwarzen ersetzt. Während also die weiße Kleidung Nathanaels die unbeschwerte Kindheit symbolisiert, lassen sich Mutter, Clara und Lothar durch ein ›nachgedunkeltes‹ Weiß dennoch optisch dieser Phase des Lebens und des prätraumatischen Geisteszustand zuordnen.

Der ›schwarze Nathanael‹ ist der erwachsene Student, der erst nach Coppolas Besuch endgültig dem Wahn anheimfällt, und steht zum ›Weißen‹ in Kontrast. Auch die schillernden, mit Pailletten besetzten Figuren Spalanzani und Olimpia treten in schwarzen Kostümen und der matt-seiden gekleidete Siegmund, Nathanaels Kommilitone, durchgehend im dunkelblauen Gewand auf. Die Texturen der Kostüme transportieren so, trotz kaum zu unterscheidender Farbwahl, die Konstellationen im Figurentableau, denn alle repräsentieren das akademische Milieu der Universitätsstadt.

Der ›rote Nathanael‹ hingegen versinnbildlicht den flammenden Wahnsinn, das überhitzte, rasende Gemüt. Dass das Potenzial einer feurigen Manie von frühester Kindheit an vorhanden ist, wird nicht zuletzt durch die zinnoberroten, an Flammen erinnernden Haare des Protagonisten deutlich. Nathanaels der Alchemie zugewandter Vater weicht mit seinem waldgrünen Gehrock von der monochromen weiß-rot-schwarzen Kostümästhetik ab, ebenso wie der Sandmann, der als einziger – sieht man von Coppolas violetter Schleife ab – kein einfarbiges Outfit trägt.

 

Das gesamte Ensemble am Ende des Stücks © Lucie Jansch

Das gesamte Ensemble am Ende des Stücks © Lucie Jansch

 

Wer anhand des symbolträchtigen Farbspiels glaubt, es mangele an Liebe zum Detail, irrt. Denn die plakative Farbwahl verdeutlicht auch die subtile Komplementärbeziehung zwischen Nathanael und den anderen Figuren: Weiß als Zeichen der unschuldigen, unbeschwerten Kindheit und das Cremeweiß als Symbol des familiären Umfelds. Schwarz als Ausdruck des erwachsenen, bereits durch den Tod des Vaters traumatisierten und einsamen Studenten, aber auch des ›Dunklen‹, ›Ungewissen‹ und ›Unheimlichen‹, über das der Sandmann im seinem erzählenden Monolog philosophiert und das den Studenten Nathanael in seinen – aus dem ›Off‹ vorgelesenen – Briefen an Lothar beschäftigt. Während Nathanaels Lippen schwarz und sein Mund leuchtend rot sind, verkehrt sich diese Farbdarstellung bei Coppolas Mund und pointiert die Kontrastbeziehung beider Figuren.

Die Handlung dieses »Puppentheater[s]«[8], wie Wilson es selbst nennt, trägt sich nicht durch epische Dialoge, sondern vornehmlich durch ein kontrastreiches Spiel aus Gesten, Licht, Farben und Tönen. Robert Wilson übersetzt die Essenz der Sandmann-Erzählung mithilfe dieser Licht-, Farb- und Geräuschkontraste in eine Bühnenatmosphäre, die die Handlung über die Sinne und Emotionen greif- und erfahrbar werden lässt. Die Stimm- und Körperpräsenz der Darsteller vereinnahmt den gesamten Saal und weiß gerade aufgrund der sich wiederholenden Muster die Aufmerksamkeit zu fesseln. Sprache, Gestik und Mimik aller am Stück beteiligten Figuren kennzeichnen sich durch überspitzte Stereotypie. Was wäre passender, um ein Automaten-Motiv in Szene zu setzen?

 

Nathanael und seine Mutter im Arbeitszimmer des Vaters © Lucie Jansch

Nathanael und seine Mutter im Arbeitszimmer des Vaters © Lucie Jansch

 

Hoffmanneske Motive und minimalistische Ästhetik

Populäre Motive der Hoffmann-Erzählung werden mit minimalistischer Ästhetik in Szene gesetzt, ohne die Handlung zu überformen. Die von Yi-An Chen dargestellte Automate Olimpia ist bereits vor Beginn des Stücks präsent. Dass es sich um eine Puppe handelt wird nicht nur – wieder plakativ – durch den Aufzieh-Schlüssel in ihrem Rücken deutlich, sondern auch durch die mechanischen Bewegungen und die starre Mimik sowie ihre hallenden, metallisch klingenden »Ach«-Seufzer.

Nicht nur weil der vermeintliche Sandmann, der Advokat Coppelius, nachts Nathanaels Vater besucht und die Mutter ihre Kinder mit der Warnung »Zu Bette! Zu Bette! Der Sandmann kommt« auf die Stuben schickt, weil er unartigen Kindern Sand in die Augen streue, »bis diese ihnen blutig zum Kopf herausspringen«[9], wird das berühmteste Motiv der Erzählung aufgegriffen. Wenn der Advokat Nathanael entdeckt und nach seinen Augen verlangt, wird die Leinwand im Hintergrund von hunderten von Augen überschwemmt. Aber auch wenn der offensichtlich mit ›sköne Oke‹ handelnde Coppola seine augenförmigen Wettergläser anbietet oder Nathanaels Wahn auf den Höhepunkt steigt und er dabei zwei Augäpfel in den Händen hält, tauchen die Augen als zentrales Motiv subtil im Geschehen auf.

Doch hebelt die Darstellung des Sandmanns ein Charakteristikum der Hoffmannschen Erzählung aus: die Frage nach dem Doppelgänger. Die Handlung um den – möglicherweise – dem Wahnsinn anheimfallenden Nathanael trägt sich im Kern, wie es für phantastische Erzählungen charakteristisch ist, gerade durch diese Unentscheidbarkeit von ›wahr‹ und ›falsch‹ der Figurenwahrnehmung. Es ist die bewusst unbeantwortet gebliebene Frage, ob es sich beim Sandmann, beim Advokat Coppelius und beim Wetterglashändler Coppola um verschiedene Personen oder doch um eine Mehrfachidentität handelt. Wilson negiert mit seiner Entscheidung für eine Doppelbesetzung (André Kaczmarczyk als Sandmann und Andreas Grothgar als Coppola/Coppelius) gerade dieses signifikante Element Hoffmannschen Schreibens.

 

Der Wetterglashändler Coppola preist Nathanael Augen zum Verkauf an © Lucie Jansch

Der Wetterglashändler Coppola preist Nathanael Augen zum Verkauf an © Lucie Jansch

 

Der mit Augen und Wettergläsern handelnde Coppola verknüpft aber auch auf andere Art Hoffmanns Augenmotiv mit der Frage nach der ›richtigen Wahrnehmung‹. »Hoffmanns Erzählung zeigt mit beeindruckender Konsequenz, dass die Zusammenschau von Innen und Außen den Verfall des Bewusstseins bedeutet: Nathanael hält die Brillen, die ihm der Wetterglashändler Coppola […] verkaufen will, für blitzende Augen.«[10] Nachdem Nathanael die schöne Olimpia tagein, tagaus durch das von Coppola erworbene Perspektiv beobachtet, pointiert Siegmund diese verzerrte Wahrnehmung. Aber auch die Wahrnehmung des Publikums wird während der gesamten Aufführung auf die Probe gestellt – sei es durch eine alles verzehrende Dunkelheit auf der Bühne oder durch die grellweiße Blendung. Zugrunde liegt die Annahme, dass der Mensch auch während des Blinzelns etwas sieht – und zwar das Negativbild.

Das hoffmanneske Oszillieren zwischen ›Innen‹ und ›Außen‹, das in Bezug auf die Sandmann-Figur vernachlässigt wird, findet hingegen auf der Bühne seinen Platz, wenn Nathanaels Mutter von dort aus mit den Musikern und mit dem Publikum interagiert und so die Handlung sich über den Orchestergraben in den Zuschauerraum ergießen lässt. So wie schon der Wahnsinn Nathanaels für das Publikum simultan erfahrbar wird, wird es auch die Unsicherheit der Grenzziehung zwischen Bühne und Zuschauerraum.

Obgleich dem Publikum die Handlung vor allem durch die Mithilfe von Ton-, Licht-, Farb- und Formspielen erzeugte Atmosphäre emotional erfahrbar gemacht, statt einfach frontal präsentiert wird, und damit das Verschmelzen von ›Innen‹ und ›Außen‹ sowie ›Bühne‹ und ›Theatersaal‹ performativ inszeniert wird, findet diese Grenzauflösung ihre Grenze doch in der Doppelbesetzung der Coppola/Coppelius- und Sandmann-Rolle. Die Leitfrage der Erzählung ist gerade die, ob Nathanael einfach ein wahnsinniger Phantast ist, dessen kindliche Traumatisierung die Sinne vernebelt und Coppola und Coppelius einzig »in [s]einem Innern existieren und Fantome [s]eines Ich’s sind«[11] – die Inszenierung hingegen wirft diese Frage nicht nur auf, sondern beantwortet sie für den Zuschauer.

Die Handlung trägt sich nicht über Dialoge, sondern durch das Kreieren einer emotionalen Atmosphäre, die den entfachten Wahnsinn des psychisch instabilen Nathanael erlebbar werden lässt. Wilson gelingt es, den Kern der Erzählung zu pointieren und mit minimalistischer Ästhetik durch Ton-, Farb- und Lichtgestaltung in groteske Kontraste zu übertragen. Obgleich die humorvolle Überspitzung der Darstellungsleistung konzeptuell sinnvoll erscheint, droht sie das ein ums andere Mal ins Alberne abzugleiten. Dennoch lässt sich resümieren: Die Aufführung oszilliert zwischen silhouettenhafter Romantik, moderner Lichtinstallation und progressiven, horrifizierenden Elementen und ist damit nicht zuletzt phantastisch.

 

Anmerkungen

[1] Vgl. Bachtin, Michail: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur. Frankfurt am Main 1996; Ders.: Rabelais und seine Welt. Frankfurt a.M. 1995 oder auch Previšić, Boris: Rabelais-Bachtin. Offene Körpertexte-Textkörper und ihre Nicht-Theoretisierbarkeit. In: Ders. [Hrsg.]: Die Literatur der Literaturtheorie. Bern 2010, S. 73-86.

[2] Vgl. Ortiz, Janine: »I want to be a machine«. Über Robert Wilsons »Sandmann«-Adaption. In: Programmheft »Der Sandmann«, hrsg. vom Düsseldorfer Schauspielhaus (Spielzeit 2016/2017), S. 10.

[3] Ebd., S. 11.

[4] Vgl. ebd., S. 45.

[5] Ebd., S. 11.

[6] Ebd., S. 41.

[7] Ebd., S. 38.

[8] Ebd., S. 10.

[9] Ebd., S. 20.

[10] Ebd., S. 9.

[11] Hoffmann, E.T.A.: Der Sandmann. In: Ders.: Nachtstücke. Klein Zaches. Prinzessin Brambilla. Werke 1816-1820. Hrsg. von Hartmut Steinecke unter Mitarbeit von Gerhard Allroggen. Frankfurt am Main 2009, S. 24.

Quo vadis E.T.A. Hoffmann Portal? – Erkenntnisse und Maßnahmen aus unserer Evaluation 2018

Mit Forscher*innen, Schüler*innen, Lehrer*innen und Hoffmann-Interessierten zielt das E.T.A. Hoffmann Portal auf vier ganz unterschiedliche Zielgruppen, für die jeweils passende Angebote entwickelt wurden. Ob diese tatsächlich dem Bedarf und den Interessen der Nutzenden entsprechen, und ob diese Nutzenden tatsächlich auch die konzipierten Zielgruppen sind, haben wir im Herbst 2018 mit einer Selbstevaluation ermittelt. Dadurch sollte überprüft werden, wie die verschiedenen Gruppen das Portal nutzen und wie sie jeweils die Inhalte und die Gestaltung des Portals beurteilen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse leiten seitdem die nutzerorientierte Weiterentwicklung des Portals an.

In diesem Beitrag erläutern wir Ihnen die angewandten Methoden, präsentieren die Ergebnisse und beschreiben, welche Maßnahmen wir aufgrund der Ergebnisse ergriffen haben und in der nächsten Zeit noch planen. Denn durch die Evaluation gestalten Sie das E.T.A. Hoffmann Portal maßgeblich mit!

Ausgangssituation

Evaluation 2018 | Zielgruppen und Portalelemente

Evaluation 2018 | Zielgruppen und Portalelemente

Als das E.T.A. Hoffmann Portal Ende 2016 online ging, war es eines der ersten Personenportale in diesem Umfang und ein vergleichsweise neues Format für die Staatsbibliothek zu Berlin – zum einen hinsichtlich der Technik (WordPress), zum anderen als innovative Form der Sammlungsvermittlung. Zu Beginn des Projekts stand eine Zielgruppenanalyse, durch die wir in einem Persona-Konzept die Hauptnutzertypen und ihre Bedarfe beschreiben und in einem Zielgruppenmanifest die Ansprüche an das Portal hinsichtlich Struktur, Zugang, Vertrauen und Interaktion festhalten konnten (nähere Informationen hierzu können Sie im damaligen Blogbeitrag nachlesen). Auf dieser Grundlage haben wir Angebote für die Nutzergruppen Forschende, Lehrende, Schüler*innen und Interessierte entwickelt.

Erkenntnisinteresse

Nach knapp zwei Jahren Laufzeit galt es nun zu überprüfen, ob die ermittelten Nutzergruppen und Interessen auch den tatsächlichen  entsprechen und wie die Nutzung des Portals bewertet wird. Denn Erkenntnisse zu Nutzerstruktur und Nutzungsverhalten sind einerseits generell für die Weiterentwicklung des Portals relevant, helfen andererseits aber auch bei der Lösung ganz konkreter Gestaltungsfragen (wie können wir bspw. das Bildvergleichstool besser positionieren?) und bei der Antragstellung für ein Folgeprojekt.

Das Erkenntnisinteresse, das der Evaluation zugrunde lag, umfasste die folgenden Fragenkomplexe:

  • Nutzer*innen und Nutzungskontexte
    • Wer nutzt das Portal?
    • Sind die konzipierten Zielgruppen auch die realisierten Zielgruppen?
    • Inwieweit entsprechen die vermuteten Nutzungsanlässe und –situationen den tatsächlichen?
    • Entsprechen die angenommenen Bedarfe den tatsächlichen Bedarfen?
  • Usefulness
    • Wie bewerten die jeweiligen Nutzergruppen das Portal unter inhaltlichen Gesichtspunkten?
    • Nutzen die jeweiligen Zielgruppen die Bereiche des Portals, die v.a. für sie konzipiert wurden?
    • Welche Inhalte sollen ausgebaut werden, welche fehlen?
    • Um welche Funktionen soll das Portal ggf. erweitert werden (Kommunikationsplattform, Vernetzungsangebot für Forschende)?
  • Usability
    • Wie bewerten die Nutzer*innen die Usability insgesamt?
    • Welche Usability-Schwachstellen gibt es?
    • Schwerpunkte: Navigation, diverse Suchfunktionen, Mirador-Vergleichsviewer
  • Nutzungserlebnis (UX)
    • Wie bewerten die Nutzer*innen das Nutzungserlebnis insgesamt?
    • Ist das Portal ansprechend gestaltet, lädt es zum Stöbern ein?
    • Wirkt das Portal seriös?

Methoden

Die Evaluation stützte sich auf drei Datenerhebungen.  Mit einer sogenannten Logfile-Analyse wurden die Zugriffe auf die einzelnen Elemente des Portals ausgewertet, um Nutzungsschwerpunkte und weniger genutzte Bereiche des Portals zu erkennen. Gezählt wurden die Zugriffe mit Hilfe der Open-Source Plattform „Matomo“, mit der auch andere Webangebote der SBB ausgewertet werden.

  • Zeitraum der Durchführung: Oktober/November 2018
  • Beobachtungszeitraum: 01.10.2017-30.09.2018
  • Schwerpunkte:
    • Informationen zu den Nutzer*innen
    • Nutzungsintensität der einzelnen Bereiche und Funktionen des Portals

Um zu verstehen, zu welchen Zwecken und in welchen Zusammenhängen Menschen das Portal aufsuchen und was sie dort tun, wurden Nutzer*innen aus den jeweiligen Zielgruppen in Experteninterviews ausführlich zu ihrem Nutzungsverhalten befragt.

  • Zeitraum der Durchführung: Oktober/November 2018
  • Formate:
    • face-to-face in der SBB oder bei der Testperson, Skype, Chat
    • national und international
    • Einzel- und Gruppeninterviews
  • Erhebungen:
    • 4 Forscher*innen (2x Musik, 2x Literatur)
    • 4 Lehrer*innen
    • 3 Schüler*innen
    • 1 Hoffmann-Interessierte
  • Schwerpunkte:
    • Informationen zu den Nutzer*innen
    • Nutzungsanlässe
    • Nutzungsmotive
    • Nutzungskontexte

Schließlich haben wir einigen Nutzer*innen noch live bei der Verwendung des Portals über die Schultern geschaut, um Genaueres über die Nutzerfreundlichkeit der Portaloberfläche zu erfahren. In diesen sogenannten Usability-Tests wurden die Testpersonen gebeten, eine Reihe von vorab festgelegten Aufgaben im Portal zu bearbeiten. Dabei kommentierten die Testpersonen ihre Handlungen fortlaufend laut, während ihre Bildschirmaktivitäten aufgezeichnet wurden.

  • Zeitraum der Durchführung: November/Dezember 2018
  • Erhebungen:
    • 4 interne cognitive walkthroughs unterstützt durch SBB-Kolleg*innen
    • 4 Nutzertests (2 Studierende, 1 Schüler, 1 Interessierter)
  • Schwerpunkte:
    • Menügestaltung
    • Mirador-Viewer
    • Usability-Lücken allg.

Erkenntnisse

Die Ergebnisse der Evaluation sind äußerst vielfältig. Mit knapp 34.000 eindeutigen Besuchen in den ersten vier Monaten 2019 wird das E.T.A. Hoffmann Portal intensiv genutzt. Es befindet sich unter den Top10-Websites der SBB und weist seit dem Launch eine konstante Wachstumsrate auf.

Insgesamt sehr positiv

Feedback Evaluation 2018

Feedback Evaluation 2018

Zentral ist die Erkenntnis, dass das Portal als eine seriöse, ansprechende und strukturierte Informationsquelle zu E.T.A. Hoffmann erlebt wird, die zum Stöbern einlädt und Entdeckungen auch von Nicht-Gesuchtem möglich macht. Inhalte, Usability und Nutzungserlebnis werden als sehr positiv wahrgenommen. Erfreulicherweise finden sich auch alle der ursprünglich konzipierten Nutzergruppen vom Portal und seinen Angeboten angesprochen: die Passung zwischen den Personas und den vorgefundenen Nutzungsszenarien ist hoch.

Neue Nutzergruppe

Allerdings konnte durch die Evaluation noch eine weitere wichtige Nutzergruppe ermittelt werden, die bislang nicht im Fokus stand: Studierende (BA und MA), vor allem in den Fächern Germanistik und Literaturwissenschaft. Sie wurden bisher unter die Forschenden subsumiert, doch unterscheiden sich ihre Interessen und ihr Nutzungsverhalten von anderen Forschenden.

Nutzer*innen und Nutzungskontexte

Für die einzelnen Nutzungsgruppen konnten folgende Hauptnutzungskontexte identifiziert werden:

Forschende:

  • Recherche in Bibliothekskatalogen als Normalfall
  • tendenziell konventionell (keine Literaturverwaltungssoftware, keine kollaborativen Forschungsinfrastrukturen)
  • Suche nach konkreten Objekten (Forschungsliteratur, Digitalisate)
  • thematische Anregungen für Forschung und Lehre
  • Studierende (BA) als relevante Nutzergruppe (!)

Lehrkräfte:

  • Nutzung diverser Lehrmaterialien / Unterrichtshilfen (online und print)
  • fallweise ergänzt um online-Recherchen
  • schulische Infrastrukturen für den Einsatz von Online-Quellen im Unterricht nicht optimal
  • Quellenempfehlung für das Selbststudium der Schüler*innen (!)
  • Einsatz im Unterricht im Einzelfall vorstellbar

Schüler*innen:

  • Nutzung digitaler Informationen als Regelfall
  • Quellensuche mobil, Rezeption am Desktop/Laptop
  • Fokus auf gleichermaßen zugängliche wie seriöse Quellen
  • Vorbereitung von Referaten, Klausuren, Hausarbeiten (Interpretationshilfen, Bilder, Illustrationen, Autoreninformationen)

Interessierte:

  • Sehr heterogen
  • Interessiertes Stöbern

International und mobil relevant

Insgesamt besuchten laut Logfile-Analyse Personen aus 67 verschiedenen Ländern das E.T.A. Hoffmann Portal (nach Browser-Einstellungen). Nach der weit überwiegenden Mehrzahl von Besuchen aus Deutschland (82 Prozent) folgen erstaunlicherweise die USA (2.252 Besuche) und Südkorea (1.077 Besuche) mit Besuchen im vierstelligen Bereich für den gesamten Betrachtungszeitraum. Erst danach folgen die anderen deutschsprachigen Länder und alle anderen.

Ebenso interessant war die Erkenntnis, dass das E.T.A. Hoffmann Portal intensiv mobil genutzt wird. Mehr als 40 Prozent der Nutzung entfallen auf Smartphones, Tablets und Phablets. Bei anderen Webangeboten der SBB liegt die Mobilnutzung dagegen nur bei etwa 20 Prozent.

Beliebteste Inhalte

Die Bereiche Leben und Werk und Erforschen mit ihren informativen, einführenden Forschungsbeiträgen werden laut Logfile-Analyse mit jeweils knapp 30 Prozent mit Abstand am intensivsten genutzt. Eine Mittlere Nutzungsintensität kann für die Bereiche Hoffmann digital, Unterrichten und Index (=Startseite) festgestellt werden, während die Metasuche mit nur gut einem Prozent kaum genutzt wird.

Bibliografie statt Metasuche?

Neben dem positiven Feedback zum Portal wurden also auch Bedarfe erkennbar, die bislang noch nicht berücksichtigt werden konnten, sowie Funktionen des Portals, die bisher kaum genutzt wurden. So zeigte sich, dass Wissenschaftler*innen die Metasuche nicht als datenbankübergreifende Literatursuche identifizierten. Zudem scheint es keinen ausgeprägten Bedarf für eine solche Funktion zu geben. Dies unterstreichen auch die oben genannten Ergebnisse der Logfile-Analyse, die für die Hoffmann-Suche nur sehr wenige Zugriffe ausweist. Stattdessen wünschen sich die befragten Wissenschaftler*innen eine Hoffmann-Bibliographie. Im Portal wurde der Bereich zunächst umbenannt in Literatur, um ihn von der Webseitensuche abzugrenzen. Inzwischen laufen die Vorbereitungen für einen neuen Projektantrag, der den Wunsch nach einer Bibliografie aufgreift. Wenn der Antrag erfolgreich ist, kann in den Jahren 2020 bis 2022 eine Hoffmann-Onlinebibliografie erstellt werden, die die Metasuche ersetzt.

Mehr Sichtbarkeit für das Bildvergleichstool

Bei Hoffmann digital wurde ausdrücklich die hohe Qualität der Digitalisate gelobt, die Usability des Viewers wurde aber als verbesserungswürdig eingestuft. Exemplarisch für eine Vielzahl von detaillierten Hinweisen und Anregungen soll hier der sogenannte Vergleichsviewer Mirador erwähnt werden. Er ermöglicht es, digitalisierte Objekte, bspw. Illustrationen aus verschiedenen Büchern, nebeneinander zu betrachten und auf Wunsch auch zu annotieren. Diese Funktion begeisterte die Nutzer*innen in unseren Tests, doch von allein entdeckte kaum einer der beteiligten Nutzer*innen die Funktionen dieses Viewers. Für die Portalentwicklung bedeutet das, dass die Sichtbarkeit des Viewers im Portal erhöht und die Handhabung selbsterklärender gestaltet werden müssen. Zudem arbeitet das Projektteam an einer Dokumentation der in Hoffmann digital enthaltenen Inhalte, die von einigen Nutzer*innen gewünscht wurde. In den nächsten Monaten ist ein größerer Relaunch von Hoffmann digital geplant, damit Digitalisate aus anderen Einrichtungen besser eingebunden und neue thematische Kollektionen angeboten werden können. Dabei werden auch noch einige Bugs behoben und das Layout überarbeitet.

Kooperation mit Schulen

Das Portal enthält auch Unterrichtsmaterialien mit Hoffmann-Bezug für Lehrer*innen der Sekundarstufe II. Die Evaluation zeigte, dass es schwierig für Außenstehende ist, die Lehreinheiten so zu dimensionieren, dass sie für Lehrkräfte direkt verwendbar sind. Im Anschluss an die Evaluation wurden deshalb bereits weitere Lehreinheiten gemeinsam mit Berliner Lehrer*innen erarbeitet und im Schulunterricht erprobt. In Planung sind derzeit Lehreinheiten zu Hoffmanns Der Goldne Topf und Das Fräulein von Scuderi.

Kontinuierliche Akquise von Textbeiträgen

Erstaunt hat uns die Tatsache, dass besonders die einführenden Forschungsbeiträge so gut ankommen. Die Evaluation hat viele Hinweise und Anregungen zu weiteren thematischen Bereichen hervorgebracht, für die wir kontinuierlich Texte akquirieren.

Wer nutzt das Portal?

Eine einzelne wichtige Frage konnten wir mit der Evaluation allerdings nicht bewerten: Wer nutzt eigentlich das Portal? Eine quantitative Erhebung zum Anteil der jeweiligen Nutzergruppen an allen Nutzer*innen haben wir nicht durchgeführt. So konnten wir auch nicht ermitteln, ob es neben den Studierenden weitere bisher nicht bekannte Nutzergruppen gibt, für die wir unsere Angebote anpassen könnten. Dies werden wir voraussichtlich im Herbst 2019 mit einer sehr kurzen Onlinebefragung auf der Webseite nachholen.

Resümee

Für uns war die Evaluation anregend und motivierend. Wir freuen uns sehr, dass das E.T.A. Hoffmann Portal grundsätzlich so positiv bewertet wurde und haben uns mit großem Elan an die Optimierung der einzelnen Angebote gesetzt. Einige Veränderungen konnten Sie inzwischen schon sehen, andere sind noch in der Planung. So hoffen wir, dass wir das Angebot kontinuierlich so verbessern, dass das Nutzungserlebnis für Sie optimal ist. Wir danken allen, die sich an der Evaluation beteiligt haben.  Ohne Ihre Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen. Und natürlich freuen wir uns auch weiterhin über Feedback und Anregungen!

„Der goldene Topf“ am Schauspielhaus Stuttgart

Achim Freyers „Inszenierung von E.T.A. Hoffmanns Märchen „Der goldne Topf“ ist wie ein Blick in ein unscharfes Kaleidoskop. Man verliert die Orientierung. Wo ist oben, wo unten? Wer spricht? Wer singt? Wer musiziert? […] Freyer bringt den Text zum Tanzen und zum Schweben, lässt prosaische und poetische Welt ineinanderfallen“ (Nicole Golombek, Stuttgarter Zeitung, 19. Mai 2019).

Nach der Premiere am 18. Mai führt das Schauspielhaus Stuttgart „Der goldene Topf – Ein Märchen aus neuester Zeit, auf dem Theater erzählt nach E.T.A. Hoffmann“ in dieser Spielzeit noch mehrmalig im Juni, Juli und Oktober auf.

Termine: 20. , 21. Juni, 14., 18., 19. Juli, 11., 22. Oktober
Dauer: ca. 1:15 Std, ohne Pause
Ort: Schauspielhaus Stuttgart

Weitere Informationen und Karten

DER GOLDENE TOPF
Ein Märchen aus neuester Zeit
auf dem Theater erzählt nach E.T.A. Hoffmann

Inszenierung, Bühne, Kostüm: Achim Freyer
Mitarbeit Regie: Sebastian Sommer
Mitarbeit Bühne: Moritz Nitsche, Petra Weikert
Mitarbeit Kostüm: Wicke Naujoks
Musik: Alvin Curran
Video: Jakob Klaffs, Hugo Reis
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Klaus-Peter Kehr, Ingoh Brux
Besetzung: Boris Burgstaller, Gabriele Hintermaier, Ulrich Hoppe, Amina Merai, David Müller, Valentin Richter, Sven Prietz, Paula Skorupa, Felix Strobel, Live-Musik: Anne-Maria Hölscher (Akkordeon), Bernd Settelmeyer (Percussion)

Foto: Monika Rittershaus