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Die Kupferminen zu Fahlun in Schweden (1841) Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. 8. Band Bibliographisches Institut, Hildburghausen [https://de.wikipedia.org/‌ wiki/Datei:Meyers_Universum_Band_08_45.jpg, gemeinfrei]

E.T.A. Hoffmann in Literatur, Musik und Film – Seminar an der Universität Passau

Gastbeitrag von Dr. Stephanie Großmann (Universität Passau)

Im Wintersemester 2023/24 habe ich das Hauptseminar E.T.A. Hoffmann in Literatur, Musik und Film an der Universität Passau gehalten. Mit 20 Studierenden verschiedener Studiengänge (BA Sprach- und Textwissenschaften, Deutsch Lehramt Gymnasium und Realschule, MA European Studies und MA Text- und Kultursemiotik) haben wir uns der intensiven Textarbeit an Hoffmanns Texten und uns aufbauend darauf mit verschiedenen musikalischen und filmischen Adaptionen der Texte auseinandergesetzt. Im Fokus standen Der Sandmann (1816), Ritter Gluck (1809), Die Bergwerke zu Falun (1819), Das Fräulein von Scuderi (1819) und Nußknacker und Mausekönig (1816).

Das Seminar fand in Kooperation mit dem E.T.A. Hoffmann Portal der Staatsbibliothek zu Berlin statt. Die Studierenden haben an einer virtuellen Führung durch das Portal teilgenommen und sich intensiv mit den Inhalten des Portals auseinandergesetzt. Im Rahmen des Seminars sind zahlreiche studentische Arbeiten entstanden, von denen die besten in das Portal aufgenommen werden.

Skander Fiala und Sebastian Kotschenreuther habe sich gemeinschaftlich mit Hoffmanns Konzeption von Träumen als Katalysator für die Entwicklung der Künstlerfigur auseinandergesetzt und in einem umfangreichen Beitrag textübergreifend diese Konstellationen in den Blick genommen (Hoffmanns (T)räume und deren (Be-)Deutung: (Künstlerische) Reifungsprozesse durch literarische Träume – Eine semiotische Analyse).
Des Weiteren sind vier Unterrichtsentwürfe entstanden, die in Kürze im Portal veröffentlicht werden: Sophia Rivinius zu Die Bergwerke von Falun, Nina Neuleitner zu Das Fräulein von Scuderi, Jenny Stöter zum Augenmotiv in Der Sandmann und Martina Schuller zur filmischen Adaption von Nußknacker und Mausekönig.

Wir würden uns sehr freuen, wenn der Beitrag zahlreiche Leserinnen und Leser findet und die Unterrichtsentwürfe sich einer regen Nutzung im Unterricht erfreuen können, sodass sich unsere Begeisterung für E.T.A. Hoffmann weiterträgt.

Ganz herzlich danken möchten ich auch im Namen der Studierenden dem Team des E.T.A. Hoffmann Portals, insbesondere Ursula Jäcker und Dr. Christina Schmitz, die dieses zeitintensive Projekt mit großem Engagement unterstützt und betreut haben. Für uns alle ist es ein großer Gewinn, Literaturwissenschaft nicht nur im elfenbeinernen Universitätskontext zu betreiben, sondern einen Einblick bekommen zu haben, wie unsere Forschungsergebnisse anwendungsorientiert ihren Weg in die (digitale) Welt finden können.

 

Zur Person:
Stephanie Großmann hat Diplom Kulturwirtschaft in Passau und Verona studiert, 2012 zum Thema „Inszenierungsanalyse von Opern. Eine interdisziplinäre Methodik“ promoviert und 2024 zum Thema „Kartographisches Denken und Poetisierung der (Grenz-)Landschaft im historischen Wandel. Mediale Konzeptionen des deutschen Territoriums vom Deutschen Kaiserreich bis zur Gegenwart (1871–2021)“ habilitiert. Sie ist Akademische Oberrätin a. Zt. am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Passau und hat sich in zahlreichen Vorträgen und Publikationen intensiv mit E.T.A. Hoffmann auseinandergesetzt. Sie ist Ausschussmitglied der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft.

 

Sahib Kapoor: E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann (1816) und seine Darstellung in expressionistischen Buchillustrationen

Neu erschienen: Sahib Kapoor: E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann (1816) und seine Darstellung in expressionistischen Buchillustrationen

Ende April 2024 erschien Sahib Kapoors Buch E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann (1816) und seine Darstellung in expressionistischen Buchillustrationen im Verlag Königshausen und Neumann. Wir hatten die Gelegenheit, den Autor zu seinem Buch zu befragen.

Herr Kapoor, wie kamen Sie auf das Thema?

Die Überschneidung von Literatur und Bildender Kunst übt seit jeher eine besondere Faszination auf mich aus. Im Rahmen meines Bachelor-Studiums hatte ich erstmals die Gelegenheit, mich mit den Werken E. T. A. Hoffmanns zu befassen. Seitdem haben mich seine Texte immer wieder aufs Neue ästhetisch erfreut und inspiriert. Besonders angetan hat es mir dabei die Textillustration zu Hoffmanns Novelle Der Sandmann.

Warum wurde E.T.A. Hoffmann insgesamt aber eben auch im besonderen Maße im Expressionismus so häufig illustriert?

Im Expressionismus erfuhr E.T.A. Hoffmann eine Renaissance. Die Expressionist*innen griffen das Unheimliche und Undurchschaubare auf, da Hoffmann bereits die Kernproblematik der Expressionist*innen thematisierte, nämlich den physischen Aufruhr und die innere Zerrissenheit in einer rationalen Lebenswelt. In Hoffmanns Texten manifestierte sich der künstlerische Ausdruck. Hoffmanns Phantasiewelt fungierte für sie als sicherer Zufluchtsort.

Warum eignet sich der Expressionismus aus Ihrer Sicht besonders für die Illustration von E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann?

In der Zeitspanne zwischen 1913 und 1925 wurden 13 illustrierte Ausgaben von Hoffmanns Der Sandmann publiziert. In diesem Werk thematisiert Hoffmann die Existenzangst und den Wahnsinn, wobei der Protagonist Nathanael an der Schwelle zwischen Realität und Fantasie schwebt. Das gleiche Schicksal ereilte die Expressionist*innen, sei es, dass sie vom Krieg gestürzt wurden, sei es, dass sie die Auswirkungen des Krieges spürten. Wie Nathanael waren sie nicht imstande, ihren Alltag zu bewältigen. Insofern kann angenommen werden, dass Der Sandmann ein Werk ist, das die Psyche der Künstler visuell darstellt. Die Arbeit zeigt, dass Der Sandmann das am häufigsten illustrierte Werk Hoffmanns im Expressionismus ist.

Sind es vor allem deutsche oder auch internationale Künstler? Gibt es Künstlerinnen, die E.T.A. Hoffmann illustrieren?

Die Zahl der Künstlerinnen und Künstler, die Werke E.T.A. Hoffmanns illustrieren, ist groß. Hoffmann selbst illustrierte zahlreiche seiner Werke. Das allererste und berühmteste Bild zu Der Sandmann stammt von Hoffmann selbst. Nach der Erstausgabe wurden Hoffmanns Werk häufig in Frankreich illustriert. Anschließend wurde Der Sandmann von britischen und deutschen Illustrator*innen umgesetzt. In den Jahren zwischen 1913 und 1925 wurden zwei deutsche Künstlerinnen bekannt, die Hoffmanns Der Sandmann illustrierten. Über die beiden Künstlerinnen Gustel Königer und Trude Goldberg ist leider nur wenig bekannt. Es lässt sich jedoch feststellen, dass Männer in diesem Bereich deutlich häufiger vertreten sind.

 

Sind die Illustrationen typisch für den Expressionismus?

Die expressionistischen Künstler *innen neigten dazu, Übertreibungen und Verzerrungen zu bevorzugen. Die Künstler und Buchillustratoren des Expressionismus wiesen eine hohe Übereinstimmung in ihren Fähigkeiten und Stilen auf. In diesem Zusammenhang ist auch auf Ausgaben hinzuweisen, die von Künstlern wie Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka und Alfred Kubin illustriert wurden. In diesem Sinne kann postuliert werden, dass die expressionistischen Künstler*innen für die Illustrationen prädestiniert waren. Die Werke aller expressionistischen Illustrator*innen sind durch einen hohen Abstraktheitsgrad gekennzeichnet.

Viele Illustrationen sind eher nach der Blütezeit des bildkünstlerischen Expressionismus entstanden, warum?

Es lässt sich vermuten, dass die Krise der Weimarer Republik von den Verlagen als Gelegenheit genutzt wurde, um das Publikum in eine Fantasiewelt zu entführen. Zudem könnte Hoffmanns hundertster Todestag ein weiterer Grund für die intensive Auseinandersetzung sein.

Gibt es andere Autor*innen, die im vergleichbaren Maße im Expressionismus illustriert wurden?

Es gibt auch andere Autoren, die im Expressionismus illustriert wurden, allerdings nicht in dem Maße wie Hoffmann. Die Kinder- und Hausmärchen (1812) der Gebrüder Grimm wurden vielfach am Anfang des 20. Jahrhunderts illustriert. Auch Adelbert von Chamissos Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814) wurde von namhaften Künstlern wie Emil Preetorius und Ernst Ludwig Kirchner illustriert.

Handelt es ich bei den Illustrationen besonders um Buchillustrationen und waren es mehr freie oder mehr Auftragsarbeiten?

Überwiegend waren es Buchillustrationen, die mit Hoffmanns Text zusammen erschienen sind. Alle Ausgaben waren Auftragsarbeiten. Es gab jedoch auch einen Künstler, Hugo Steiner-Prag, der Hoffmanns Werke aus eigenem Antrieb illustrierte. Einige seiner Illustrationen sind heute nicht mehr zugänglich.

Gibt es Verlage, die sich im besonderen Maße um künstlerische Ausgaben von Hoffmanns Werken verdient gemacht haben?

Der Kurt Wolff Verlag in Leipzig (Der goldene Topf, 1913) und der Georg Müller Verlag in München (Nachtstücke, 1913) waren die ersten deutschen Verlage, die Hoffmanns Texte illustriert herausgaben. Eine große Leistung erbrachte der Hans von Weber Verlag, in dem bis heute die meisten illustrierten Bücher erschienen sind, darunter Der Sandmann (1916) mit Ursteinzeichnungen von Gustel Königer und Der blonde Eckbert (1920) von Ludwig Tieck. Ein weiterer bedeutender Verlag ist der heute noch bestehende Ullstein Verlag.

Welche künstlerischen Techniken wurden besonders häufig verwendet?

Die meisten Illustrationen waren Federzeichnungen oder Kupferstiche; es gab keine Ausgabe von Der Sandmann mit Holzschnitten, obwohl diese damals üblich waren. In diesem Sinne unterscheiden sich Hoffmanns Illustrator*innen von anderen Expressionist*innen. Der abstrakte Charakter ihrer Bilder, verbindet die Künstler*innen miteinander. Statt einer wortgetreuen Illustration versuchten die Künstler*innen, die innere Welt des Protagonisten und seinen physischen Aufruhr zum Ausdruck zu bringen.

Gibt es Szenen des Sandmanns, die besonders häufig illustriert wurden?

Jeder Künstler und jede Künstlerin nehmen sich die Freiheit bei der Gestaltung der Szenen. Am häufigsten illustriert wurden die erste Begegnung von Coppelius und Nathanael im Labor des Elternhauses von Nathanael sowie das Weggehen von Coppola mit Olimpia in der zweiten Hälfte der Erzählung. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Illustrator*innen in der Erzählung eher auf die Figuren Coppelius bzw. Coppola als auf die Figur des Nathanael konzentrieren. Fast die Hälfte der Illustrator*innen hat Nathanael überhaupt nicht dargestellt. Das Böse erweckt offenbar mehr Interesse als der hilflose Nathanael.

Welche Illustration hat Sie besonders beindruckend?

Besonders eindrucksvoll ist die Illustration von Hans Windisch aus dem Jahr 1924, die Coppelius surrealistisch im Labor darstellt. Diese Figur ähnelt dem Grafen Orlok aus dem Film „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens” von F. W. Murnau aus dem Jahr 1922, so dass eine Überschneidung von Text, Bild und Film zu erkennen ist.

Vielen Dank für das Interview!

 

Zum Buch

Sahib Kapoor
E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann (1816) und seine Darstellung in expressionistischen Buchillustrationen
Würzburg: Königshausen und Neumann
ISBN: 978-3-8260-8390-7
2024
Epistemata – Literaturwissenschaft 

Ebook (StabiKat-Link)

Zum Autor

Sahib Kapoor ist ein in Indien lehrender Literatur- und Kunsthistoriker. Er lehrt Literatur und Kunstgeschichte am Center of German Studies der Jawaharlal Nehru University. 2018 wurde er mit der Goldmedaille der University of Delhi ausgezeichnet. 2022 erhielt er das renommierte Exzellenzstipendium der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Er spezialisierte sich auf die deutsche Spätromantik und Kunstgeschichte und promovierte 2023 an der Jawaharlal Nehru University. Er sammelte umfangreiche Forschungserfahrung an verschiedenen ausländischen Universitäten und Institutionen, darunter die Universität Freiburg (Schweiz), die Universität Freiburg (Deutschland) und das Leo-Baeck-Institute (USA).

 

 

Wissen to go – E.T.A. Hoffmann online Nr. 4

Die Ferien sind vorbei, die Schulen als physische Lernorte aber weitgehend noch geschlossen. Doch zum Glück führen viele Wege zum Wissen!

E.T.A. Hoffmanns literarische Werke sind Schullektüre in zahlreichen Bundesländern, in Nordrhein-Westfalen aktuell auch mögliches Abitur-Prüfungsthema. Insbesondere für Schüler*innen und Lehrende bietet das E.T.A. Hoffmann Portal einen ausführlichen Bereich zum Unterrichten. Dort können Interessierte zum Beispiel ihr Wissen zum Motiv des Auges oder der Automaten aus Hoffmanns Der Sandmann auffrischen oder erweitern. Daneben finden sich in der Rubrik auch je eine Lerneinheit zu Klein Zaches genannt Zinnober und zu Hoffmanns Wohnorten in Berlin, sowie Quizze – zur Biografie Hoffmanns, zur Transkription eines Briefes von Hoffmann an seinen Verleger und Freund Georg Andreas Reimer und ein Bilderrätsel. Außerdem gibt es Literaturtipps für Lehrende sowie eine große Sammlung externer Materialien zur digitalen Lehre, darunter zum Beispiel der Verweis auf die Sendung „Der goldene Topf“ – vom Zauber der Fantasie | E.T.A. Hoffmann im Porträt und Werksanalyse von Sabine Stahl, in der Reihe Sternchenthemen im Abitur des SWR2 Wissen.

Unterhaltsam und lehrreich zugleich sind außerdem die Beiträge des Podcast Radio-Wissen von Bayern 2. Biografisches zu Hoffmann, Einblicke in sein literarisches Werk und Theorien des (Un)Heimlichen verbindet Carola Zinner in ihrem Audio-Beitrag E.T.A. Hoffmann – Das Heimliche im Unheimlichen. Wer noch mehr über Hoffmann, seine vielseitigen Berufungen und Erzählungen wie Der Goldne Topf erfahren möchte, sei verwiesen auf den Beitrag E.T.A. Hoffmann – Ein Berufsbild von Gabriele Bondy. Einen Überblick zum Kontext der Romantik als Epoche und zu ihren europäischen Hauptvertreter*innen bietet unterdessen der Radio-Wissen-Beitrag Die Philosophie der Romantik – Denken als Gefühl.

Und wer es etwas verspielter mag, dem sei der Preisträger des Grimme-Online Award 2018 empfohlen: Sommers Weltliteratur to go, präsentiert von Reclam. Unter Einsatz von Playmobilfiguren spielt der Dramaturg Michael Sommer Weltliteratur in Kurzversion. Von E.T.A. Hoffmanns Werken gibt es bisher sechs Videos: Nussknacker und Mausekönig, Die Elixiere des Teufels, Der Goldne Topf, Klein Zaches genannt Zinnober, Das Fräulein von Scuderi und Der Sandmann.

Eine andere Version des Sandmann – ursprünglich eine Produktion des Norddeutschen Rundfunks 1996, gelesen von Gerd Wameling – findet sich in der BR-Mediathek. Einleitend dazu stellt die Moderatorin und Redakteurin Judith Heitkamp sich und uns vor Fragen, die die Erzählung immer noch oder gerade heute wieder aufwirft: „Was ist wahr, was ist Wahn?… Lässt sich alles rational, digital in den Griff bekommen? Was wird aus den Wesen, Automaten, Algorithmen, die der Mensch erschaffen kann?“ Im zweiten Teil stellt sie Hoffmanns Olimpia in den Zusammenhang anderer Automatenliteratur (ausgewählt von Helmut Petzold), in der Männer schreibend vermeintlich ideale, künstliche Frauen erschaffen haben, etwa Ovid im Pygmalion-Gleichnis seiner Metamorphosen, der französische Romancier Auguste de Villiers de l’Isle-Adam mit seiner Eva der Zukunft des 19. Jahrhunderts oder Chris Beckett mit der Roboterfrau Lucy in Messias Maschine von 2004. Ach ach.

Seien sie ganz unautomatisch und stets wissensdurstig gegrüßt von Ihrem E.T.A. Hoffmann Portal-Team