Schloss Nennhausen

Auf E.T.A. Hoffmanns Spuren in Nennhausen – Ein Ausflugstipp

Nicht nur im Winter ist ein Ausflug nach Nennhausen lohnenswert. Jetzt, wo der Frühling Einzug hält, warten viele neue Entdeckungen – deshalb rufen wir Ihnen noch einmal einen unserer Blog-Beiträge aus dem vergangenen Dezember in Erinnerung. Außer der Temperaturen hat sich leider nicht sehr viel verändert – dennoch: genießen Sie die stetig wachsende Anzahl der Sonnenstunden mit dieser Empfehlung:

In diesen Tagen sind Veranstaltungen rar gesät, Menschenansammlungen sind untersagt, persönliche Treffen im Freundeskreis auf ein Minimum reduziert – auch E.T.A. Hoffmann wäre diese Zeit wahrscheinlich schwergefallen, gerade jetzt vor den Feiertagen belasten die Einschränkungen das Gemüt.

Wanderungen sind noch erlaubt. Also machen wir das Beste draus und nehmen Sie mit auf einen Spaziergang zum früheren Landsitz von Hoffmanns Freund Friedrich de la Motte-Fouqué (1777-1843) nach Nennhausen.

Schloss Nennhausen

Die „Nennhauser Burg“, wie Hoffmann sie in einem Brief nennt, ist das barocke Erbschloss von Philipp August Friedrich von Briest (1749-1822) im gleichnamigen Ort im Havelland, etwa 70 Kilometer westlich von Berlin. Von Briests verwitwete Tochter Karoline von Rochow (1774-1831) heiratete am 9. Januar 1803 Fouqué, der seitdem in Nennhausen residierte und das Schloss durch zahlreiche gesellige Abende mit seinen Dichterfreunden zu einem „Märkischen Musenhof“ (Günther de Bruyn) machte. Zu den Gästen zählten beispielsweise Adelbert von Chamisso, Karl August Varnhagen von Ense, Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel.

E.T.A. Hoffmann auf Schloss Nennhausen

Schlosspark Nennhausen

Schlosspark Nennhausen

Auch E.T.A. Hoffmann verlebte viele schöne Tage auf Schloss Nennhausen und fühlte sich dort sichtlich wohl. So schreibt er in einem Brief an seinen Bamberger Freund und Verleger Carl Friedrich Kunz am 23.12.1815: „Vierzehn vergnügte Tage habe ich in Nennhausen bei Fouqué verlebt. Sie [die Baronin] ist als Hausfrau besser, als sich literarisch drucken lassend. Sie ist geistreich, witzig und noch recht hübsch — grande e maestosa. — Auf mich hält sie viel und hat mich mit psychischer und physischer Atzung wohl versehen. Man ißt und trinkt vortrefflich, auch darf man mit dem alten Landesdirektor Briest [Fouqué’s Schwiegervater] beim Damentee eine Pfeife VarinasKnaster rauchen.“ (Hoffmann, Bd. 6: Werke 1814 – 1822: Briefe: 208. Brief an Carl Friedrich Kunz: 23 Dezember 1815, S. 83).

Auch ein knappes Jahr später geht es ihm offenbar nicht anders. Denn so sehnsuchtsvoll wie wir in Coronazeiten an eine Wochenendreise denken, klingen auch Hoffmanns Zeilen an Fouqué am 22.09.1816 bei der Aussicht auf einen neuerlichen Besuch in Nennhausen: „So Gott will, hoffe ich Sie im Oktober, losgefesselt vom Joch des KammerGerichts, einige Stunden in Nennhausen zu sehen. Gänzlich und ganz und gar mit Leib und Seele.“

Umso schmerzlicher lesen sich Hoffmanns gedichtete Bilder, wenn das Arbeitspensum eine Auszeit in Nennhausen unmöglich macht: „Beide, Hitzig und ich, sind an den Prometheusfelsen, der wie ein Haus aussieht und am Ende der Markgrafenstraße angebracht ist, angeschmiedet, daher gibt es leider keine Feiertage für uns, die wir zu einem Ausfluge nutzen könnten.“ (Brief an Fouqué 03.04.1817).

Thassilo und Undine

Dabei ist Hoffmann in Nennhausen alles andere als untätig. So nutzt er seinen Aufenthalt im Oktober 1815 zur Komposition der Chöre zu Fouqués Festvorspiel Thassilo, das nur bemerkenswerte elf Tage später, am 22.10.1815, im Berliner Opernhaus mit Hoffmanns Chören und Märschen aufgeführt wird.

Undine

Undine

Die gemeinsame Arbeit bewährte sich bekanntermaßen nicht nur bei Thassilo, sondern vor allem beim Kunstmärchen Undine, das Fouqué auf Schloss Nennhausen verfasste, und aus dem Hoffmann die erste romantische Oper komponierte.

Das Schloss heute

Heute ist Schloss Nennhausen in Privatbesitz und öffnet nur zu besonderen Veranstaltungen seine Türen für die Öffentlichkeit. 1737 als barockes Herrenhaus errichtet und 1860 mit einer Fassade im englischen Tudorstil versehen, sind heute aber zum Glück trotz eines Brandes und verschiedener Zwischennutzungen als Schulgebäude die originale Raumaufteilung, das Mansardendach und der barocke Kamin mit dem Wappen der von Briests erhalten geblieben.

Der Schlosspark

Naturdenkmal Fouqué-Eiche

Naturdenkmal Fouqué-Eiche

Der zugehörige Schlosspark ist ebenfalls in Privatbesitz, aber ganzjährig öffentlich zugänglich. Ein ausgiebiger Spaziergang lohnt sich zu allen Jahreszeiten, denn neben einem idyllischen schilfbewachsenen Teich, der Ruine der 450 Jahre alten Fouqué-Eiche und einer barocken Sandsteinvase zu Ehren Ludwig von Briests gibt es auch die ehemaligen Besucher und Anwohner des Anwesens im Park zu entdecken – als künstlerisch gestaltete Vignetten, die von den Bäumen hängen und sich sanft im Wind drehen.

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Berühmte Besucher

Baum mit Gesicht

Baum mit Gesicht

Gerade im Winter und besonders vor dem vögelumschwirrten Naturdenkmal der Fouqué-Eiche fühlt man sich gelegentlich in Hoffmanns phantastische Erzählungen versetzt. Hinter jedem Ast und Busch, so glaubt man, müsse sich im nächsten Augenblick ein wunderliches Wesen erheben oder eine betörende Stimme erklingen. Hoffmann selbst schien vor mehr als 200 Jahren schon sehr ähnliche Eindrücke gehabt zu haben. Immerhin gab er Fouqué Tipps im Umgang mit der offenbar kurz bevorstehenden realen Begegnung mit Protagonisten aus seinem „Goldnen Topf“: „[…] Sollte Ihnen nächstens ein ganz wunderlicher Jüngling, Anselmus gennant, vorkommen, so empfehle ich ihn Ihrer Liebe und Güte, auch bitte ich Ihren Blick auf den Archivarius Lindhorst zu richten, wenn er vielleicht als Stoßgeier über die Burg Nennhausen wegfliegen sollte; die Serpentina wird sich wohl einzuschmeicheln wissen. […]“ (Brief an Fouqué, 27.12.1814).

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Und sollten Sie nach der Erkundung des Schlossparks noch weitere Abenteuerlust verspüren, so empfiehlt sich eine Fortsetzung der Wanderung im angrenzenden Forst: von einem gut ausgebauten etwa 5 Kilometer langen Rundweg bis hin zu ausgedehnten Märschen sind der Wanderfreude keine Grenzen gesetzt.

Als Begleitlektüre sei auf Theodor Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg verwiesen.

Fröhliche Festtage!

 

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