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Interview: Drei Fragen an Christina Schmitz

Ein Beitrag von Celina Imm.

Die große Jubiläumsausstellung „Unheimlich Fantastisch: E.T.A. Hoffmann 2022“ neigt sich dem Ende zu. Zeit für Rückblicke auf eine außergewöhnliche Ausstellung und hoffmanneske Highlights. Aber vor allem Zeit für Einblicke hinter die Kulissen, auf die Menschen, die E.T.A Hoffmann in Bamberg, Berlin und Frankfurt am Main so unheimlich fantastisch ins Jahr 2022 geholt haben. Wir haben den Köpfen hinter der Jubiläumsausstellung jeweils drei Fragen gestellt.

Last but not least: Dr. Christina Schmitz, Projektleitung der Jubiläumsausstellung.

 

1. Ihr persönliches Highlight, wenn Sie auf die Ausstellungszeit in Berlin zurücksehen?

Besonders fasziniert hat mich, wie sehr sich die Besucher:innen mit dem Apparatus II von Oliver Chanarin beschäftigt haben. Aufgrund einer Verhinderung des Künstlers mussten wir improvisieren und haben kurzerhand aus einer Automaten-Installation eine immersive Station geschaffen, die offensichtlich einen besonderen Reiz ausgeübt hat.

Oliver Chanarin: Apparatus II, Foto: Benjamin Schlodder

Oliver Chanarin: Apparatus II, Foto: Benjamin Schlodder

 

Oliver Chanarin: Apparatus II, Foto: Benjamin Schlodder

Oliver Chanarin: Apparatus II, Foto: Benjamin Schlodder

 

2. Die größte Herausforderung?

Das war für mich vermutlich das, was alle Austellungsmacher:innen herausfordert: Ständige unvorhergesehene Geschehnisse bei einer extrem engen Zeitplanung zu bewältigen. Einen Tag ohne solche Erlebnisse gab es praktisch nicht, aber mit meinem großartigen Team fand sich immer eine Lösung für baulich komplexe Situationen, Terminverschiebungen, kurzfristig zurückgezogene Leihobjekte uvm.

 

3. Man könnte sagen, Berlin hat sich in Hoffmanns Werk eingeschrieben. Wie ist es umgekehrt? Gibt es für Sie Momente, in denen Sie Hoffmann aufblitzen sehen, wenn Sie durch Berlin spazieren?

Davon gibt es tatsächlich zahlreiche: Auch wenn sich Berlin stark verändert hat und kaum noch Gebäude aus Hoffmanns Zeit erhalten sind, sieht man ihn förmlich über den Gendarmenmarkt huschen, in einer Kneipenecke verschwinden oder durch den Tiergarten streifen. Und wenn ich mal Zeit habe, in der Hektik der Großstadt innezuhalten, sehe ich die Passanten gelegentlich mit Hoffmanns Augen und male mir aus, wie ihr Leben aussehen könnte…

 

Interview: Drei Fragen an Benjamin Schlodder

Ein Beitrag von Celina Imm.

Die große Jubiläumsausstellung „Unheimlich Fantastisch: E.T.A. Hoffmann 2022“ neigt sich dem Ende zu. Zeit für Rückblicke auf eine außergewöhnliche Ausstellung und hoffmanneske Highlights. Aber vor allem Zeit für Einblicke hinter die Kulissen, auf die Menschen, die E.T.A Hoffmann in Bamberg, Berlin und Frankfurt am Main so unheimlich fantastisch ins Jahr 2022 geholt haben. Wir haben den Köpfen hinter der Jubiläumsausstellung jeweils drei Fragen gestellt.

Heute: Benjamin Schlodder. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am E.T.A. Hoffmann Portal der Staatsbibliothek zu Berlin und Kurator von ETAH2022.

 

1. Was ist Ihr All-time-Favourite-Ausstellungsstück?

Den Brief Hoffmanns an Ludwig Devrient: Er galt lange als verschollen, ist visuell beeindruckend und ein spannendes Zeugnis für die Bedeutung des Nachtlebens für E.T.A. Hoffmann.

E.T.A. Hoffmann: Brief an Ludwig Devrient. Frühjahr 1817. Privatbesitz Basel. Digitalisat: Universität Basel, Heidi Zimmermann.

E.T.A. Hoffmann: Brief an Ludwig Devrient. Frühjahr 1817. Privatbesitz Basel. Digitalisat: Universität Basel, Heidi Zimmermann.

 

2. Was lag Ihnen bei der Ausstellungsgestaltung besonders am Herzen?

Mir war es wichtig, möglichst viel über die Themen und Inhalte Hoffmanns literarischer Texte zu vermitteln und gleichzeitig die Ausstellungstexte nicht zu lang werden zu lassen.

 

3. Die Ausstellung nähert sich Hoffmann aus vielen verschiedenen Perspektiven. Unheimlich, Fantastisch, Dichter, Richter – welchen Hoffmann finden Sie am faszinierendsten?

Neben dem unheimlich-fantastischen Dichter, der mich aus literaturwissenschaftlicher Perspektive am meisten interessiert, fasziniert mich Hoffmann gerade als Grenzgänger; in der Kunst und im Leben.

 

Neuerscheinung: E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften

 

E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften. Herausgegeben von Tiziana Corda / Jörg Petzel. Würzburg: Königshausen & Neumann 2018. 168 S.

Ende Dezember 2018 erschien der Tagungsband E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften.

Der Band enthält elf überarbeitete Vorträge namhafter Germanisten und Komparatisten, die 2017 bei der Berliner Tagung E.T.A. Hoffmanns Stadterkundungen und Stadtlandschaften referiert haben. Die Beiträge eröffneten neue, interessante Erkenntnisse und Anregungen über E.T.A. Hoffmanns Literarisierung von deutschen und italienischen Landschaften und Städten – Berlin, Rom, Neapel.

Berlin, das in mehreren Erzählungen – von Ritter Gluck über Das öde Haus bis hin zu Des Vetters Eckfenster – die historische Kulisse für Hoffmanns Stadtbeschreibungen darstellt, wird in allen Facetten beleuchtet.

Die preußische Hauptstadt, die um 1800 mit ihrem rasanten Bevölkerungswachstum zum beliebten Reiseziel wurde, erscheint in Hoffmanns Werk als Mikrokosmos und als Bündelung der Vielfalt auf kleinem Raum. Die Großstadt im Umbruch wird mit seinen düsteren und hellen Bruchstücken dargestellt. Gespensterhäuser (Das öde Haus), Weinkeller (Die Brautwahl), Gartenlokale (Ritter Gluck, Aus dem Leben dreier Freunde) mit einem bürgerlichen Publikum und grotesk wirkenden Außenseitern bilden das neue Szenario dieser Stadt. Der Antisemitismus, der sich seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon in Preußen ausgebreitet hatte und der ein wichtiges Motiv in Erzählungen wie Die Brautwahl, Die Irrungen / Die Geheimnisse ist, wird unter Einbeziehung antisemitischer Literatur wie Carl Sessas Stück Unser Verkehr sowie Wilhelm d’Elpons Erzählung Herz der Große beleuchtet.

Anders als viele seiner Zeitgenossen ist Hoffmann bekanntlich nie in Italien gewesen und musste, mangels eigener Erlebnisse und Erfahrungen, mit zeitgenössischen Quellenwerken arbeiten. Die Stadt Rom fasziniert Hoffmann als teatro mundi und wird in seinen Erzählungen Prinzessin Brambilla und Signor Formica mithilfe literarischer Quellen wie u.a. Reisen eines Deutschen in Italien von Karl Philipp Moritz und Das Römische Carneval von Johann v. Goethe zum Schauplatz theatralischer Inszenierungen.

Kaum eine andere italienische Stadt ist in Hoffmanns Werk so präsent und so strukturprägend wie Neapel, die Stadt unter dem Vulkan. Das italienische Lokalkolorit und vor allem die für die Zeit typische und klischeehafte dargestellte Italianität besitzen in einigen Erzählungen (Ignaz Denner, Kater Murr) eine neapolitanische Prägung, die sich als ausschweifende heidnische Lebensart offenbart.

Der einführende Beitrag dieses Tagungsbandes Unter dem Vulkan. Goethe, de Sade, E.T.A. Hoffmann vermittelt die Faszination für den Vesuv als mysteriös-unheimliche Brutstätte und betont zugleich den interdisziplinären Charakter.

Im Kontrast zu Hoffmann und seinem Werk kommen in zwei Beiträgen auch italienische und deutsche Dichter zu Wort, die lange oder zeitweilig in Italien lebten.

Ludwig Tieck unternahm von Sommer 1805 bis Sommer 1806 ein romantisches Wandern von Stadt zu Stadt; die berühmten Städte auf seinem Hin- und Rückweg – Venedig, Bologna, Florenz, Rom – hat er in seinen Reisegedichte[n] eines Kranken gewürdigt.

Alessandro Manzoni hat hingegen die Metropole Norditaliens, Mailand, als Ort der Handlung für seinen berühmten historischen Roman I Promessi Sposi (erste Fassung 1827) gewählt: die konkrete, rationale Stadtbeschreibung löst sich von der romantischen Topografie und kündigt bereits den literarischen Realismus an.

 

Inhaltsverzeichnis

Patrizio Collini (Florenz): Unter dem Vulkan: Hoffmann, Sade, Goethe

Matteo Galli (Ferrara): Effet du réel und inemendabilità: Realismus reloaded bei E.T A. Hoffmann

Joachim Küpper (Berlin): Das Mailand von Manzonis I Promessi Sposi

Tiziana Corda (Berlin): Rom als Schauplatz des theatralischen Erzählens: Signor Formica und Prinzessin Brambilla

Elena Agazzi (Bergamo): Das öde Haus im Zeichen der Fledermaus. Stadtgeschichten, Landgeschichten

Walter Schmitz (Dresden): Ludwig Tieck: Stadtbilder – Stadtentwurf – Stadtwirklichkeit

Elena Giovannini (Bologna):E.T.A. Hoffmanns Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde: düstere und helle Bruchstücke der Großstadt Berlin

Klaus Deterding (Berlin): Hoffmann, der Türmer

Giulia Ferro Milone (Verona): Weiblichkeitskonstruktionen in E.T.A. Hoffmanns Lebens-Ansichten des Katers Murr und Meister Floh

Jörg Petzel (Berlin): Antijüdische Affekte oder vermeintlicher Antijudaismus in E.T.A. Hoffmanns späten Almanach-Erzählungen

Claudia Albert (Berlin): Von der Brambilla zur Branzilla. Kunst und Künste in kleinen wie großen italienischen Städten

 

Gastbeitrag von Frau Dr. Tiziana Corda, Berlin

Mehr zur E.T.A. Hoffmann-Rezeption in Italien