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Titelblatt der Dissertation von Werner Berthold

Eine Dissertation über E.T.A. Hoffmann kehrt zurück an die Staatsbibliothek

Beitrag von Roman Kuhn

Es entbehrt nicht einer gewissen, durchaus erfreulichen Ironie, dass ausgerechnet eine Dissertation, die sich den Entfremdungsbegriff in den Titel schreibt, nun an die Staatsbibliothek zu Berlin zurückkehrt. Wobei „Zurückkehren“ ein in diesem Zusammenhang erklärungsbedürftiges Wort ist, war der Text doch bisher weder in unserem Bestand noch ist er 1953 in Berliner Gefilden, sondern vielmehr an der Universität Leipzig als Dissertation angenommen worden.

Die Staatsbibliothek freut sich dennoch sehr über das maschinenschriftliche Exemplar der Dissertation Werner Bertholds, das uns aus seinem Nachlass von Brita Eckert, seiner Nachfolgerin als Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933–45, überreicht wurde.

Portrait Werner Berthold

Portraitaufnahme Werner Berthold (1996). Aus dem persönlichen Nachlass ©

Werner Berthold (1921–2017)[1], Wegbereiter der Exilforschung, studierte ab 1946 in Leipzig Geschichte, Germanistik und Philosophie und begann im Anschluss ein Bibliotheksreferendariat an der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden und später der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek Berlin (ab 1954 und bis zur Wiedervereinigung: Deutsche Staatsbibliothek). Während seines Referendariats verfasste Berthold seine Dissertation über E.T.A. Hoffmann, die damit zwar eine Leipziger Hochschulschrift bleibt, aber vielleicht in Teilen Unter den Linden entstanden ist und in diesem Sinne nun in die Staatsbibliothek zurückkehrt.

Es scheint ein weiter Weg von der Dissertation mit dem Titel Das Phänomen der Entfremdung bei E.T.A. Hoffmann zur Literatur des Exils, mit der sich Berthold, der 1957 nach Westdeutschland an die Frankfurter Nationalbibliothek ging, als Leiter des Exilarchivs beschäftigte. Ebenso scheinen zunächst literaturwissenschaftliche und bibliothekarische Tätigkeit Bertholds in zwei Richtungen zu führen, die keine Schnittpunkte aufweisen: Promotion beim Goethezeit-Experten Hermann August Korff in Leipzig und später Auf- und Ausbau der Sammlung und diverse Ausstellungen zur Exilliteratur in Frankfurt am Main. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich allerdings doch Verbindungslinien: So stand Berthold bereits in seiner Leipziger Studienzeit in engem Kontakt mit aktiven Gegnern und Verfolgten des NS-Regimes und „aus dem Exil in Ost und West Heimgekehrten“[2], wie etwa Walter Markov oder Alfred Menzel und Ernst Bloch, bei denen die Dissertation neben Korff entstand.

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus beschränkt sich also keineswegs auf die Beschäftigung mit Exilliteratur und hinterlässt bereits in Bertholds Dissertation ihre Spuren. Wenn er dort den „Versuch einer Grundlegung eines wissenschaftlichen, […] durch objektive Realität selbst legitimierten Hoffmannbildes“ (S. 4) unternimmt, dann wendet er sich nicht etwa aus blindem Wissenschaftsglauben gegen die interpretatorische Beliebigkeit, sondern weil sich ohne Maßstäbe und Absicherung der Ergebnisse eben auch gegen die nationalsozialistische Vereinnahmung E.T.A. Hoffmanns (Berthold verweist exemplarisch auf eine Schrift Kurt Willimcziks) nur wenig einwenden ließe.

Die Dissertation lässt sich damit auch – ohne sie darauf reduzieren zu wollen – als zeitgeschichtliches und -politisches Dokument lesen. Und umgekehrt verstand Berthold seine bibliothekarische Tätigkeit im Bereich der Exilliteratur immer auch als explizite Anregung zur Forschung: Es gehe darum, das „Material sozusagen den ‚zuständigen‘ Wissenschaftlern unübersehbar in den Weg [zu] legen, ja sie [zu] nötigen, sich in irgendeiner Weise damit auseinanderzusetzen“[3].

Bertholds Studie wollen wir der Hoffmann-Forschung, in der sie bisher kaum rezipiert wurde, vielleicht nicht gerade „in den Weg legen“, aber sie ihr doch immerhin mit auf den Weg geben und etwas zugänglicher machen, da ihr ein breiteres Publikum sicherlich nicht zuletzt deshalb verwehrt geblieben ist, weil sie zeitbedingt nur maschinenschriftlich publiziert wurde. Vielleicht beflügelt auch die erneute Konjunktur, die der Entfremdungsbegriff in den letzten Jahren erfahren hat (u.a. Jaeggi, Rosa), das Interesse.

Der Band kann in Kürze im stabikat bestellt werden.

[1] Zum Leben und Wirken Bertholds siehe Brita Eckert und Harro Kieser: „Werner Berthold (1921–2017). Wissenschaftlicher Bibliothekar und Mitbegründer der Exilforschung“, in: Exil 36.2 (2017), S. 5–20.

[2] Berthold, zit. n. ebd. S. 7.

[3] Berthold, zit. n. ebd. S. 11.

Neuerscheinung eines Dialogbandes zu Hoffmanns Bamberg-inspirierten Werken

Bamberger Schlagabtausch über E.T.A. Hoffmann in sieben Dialogen

Bamberg, gelegen in der „anmutigsten Gegend“ Deutschlands, inspirierte den vielseitigen Schriftsteller E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822) zu einigen seiner berühmtesten Geschichten. In einer höchst amüsanten und kenntnis­reichen Spurensuche spekulieren nicht nur Leute von heute in sieben Dialogen über Hoffmanns kompliziertes Leben und Werk.

„Der war fei gar ned lang am Deader!“, sinnieren Bamberger Gärtner vor dem Museum in der Mittelstraße über den Alltag des Dichters. Andere streiten sich heftig über seine Vorliebe für Viecher. Zwei Studierende wollen ein schauerliches Grusel-Video über seine grotesken Horrorgeschichten drehen. Sogar „Was ist schon normal?“ fragen Wissenschaftler.

„Also des gehd echd ned, des is gelogen!“ Hat die beleidigte Bedienung der Traditionsgaststätte Schlenkerla damit Recht?

Bamberger Schlagabtausch über E.T.A. Hoffmann in sieben Dialogen

Die Autorin Lydia Schieth war stellver­tretende Schulleiterin und Gymnasial­lehrerin in Regensburg, zuvor arbeitete die promovierte Germanistin am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bamberg. 2012 erschien ihr erster Roman „Auf­geklärt und selbstbewusst“, 2019 ein Band mit Dialogen zu Theodor Fontane „Alltags verlangt man ein bisschen Esprit“. Lydia Schieth ist Mitglied der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft. Sie ist überzeugt: Die fantastische Welt E.T.A. Hoffmanns und Bamberg gehören zusammen.

Das Werk ist demnächst auch bei uns im StabiKat zur Ausleihe verfügbar.

Weitere Informationen

Veröffentlichung französischer Analysen von E.T.A. Hoffmanns Fantasiestücken

Neuveröffentlichung „Nouvelles Lectures des Fantasiestücke d’E. T. A. Hoffmann“ (Analysensammlung zu E.T.A. Hoffmanns Fantasiestücken)

Diese Ausgabe präsentiert eine Vielzahl von Analysen der Fantasiestücke Hoffmanns, dessen künstlerisches Schaffen essentieller Bestanteil der literarischen und kulturellen Entwicklung der Europäischen Romantik war. Inbegriffen sind Beiträge sowohl auf Französisch, als auch auf Deutsch.

Die kontinuierliche Hoffmann-Forschung zeigt noch immer, wie erzählerisch Hoffmanns Kunst, sowohl visuell, als auch klanglich, ist und somit eine Vielzahl Musiker:innen und zeitgenössische Grafikdesigner:innen bis heute inspiriert.

Denn schon allein Hoffmanns Literatur ist ein multidimensionales Medium mit Ironie, Witz und Fantasie, das Komik und Groteske weckt und den Akt des künstlerischen Schaffens zu einer lebendigen Energie macht, die der Künstler seinen Leser:innen vermitteln möchte.

Die Herausgeber:innen dieses Bandes möchten den Leser:innen helfen eben diese Energie für sich selbst zu entdecken und sie dazu animieren sich von Hoffmanns Fantasie inspirieren zu lassen.

Herausgeber:innen dieses Bandes sind: Ingrid Lacheny, Dozentin an der Universität von Lorraine (Metz) und Mitglied von CEGIL; Alain Muzelle, emeritierter Professor der Universität Lorraine (Nancy) und Mitglied von CEGIL; René-Marc Pille, Professorin an der Universität Paris 8 und Mitglied von l’UR « Les mondes allemands: histoire des idées et des représentations »; Frédéric Teinturier, Dozent an der Universität von Lorraine (Metz) und Mitglied von CEGIL.

Weitere Informationen finden Sie hier.

In Kürze wird das Werk auch in unserem Bestand vorhanden sein.

550 Jahre Kammergericht – Buchvorstellung am 26.11. in Berlin

Das Kammergericht feiert in diesem Jahr sein 550-jähriges Bestehen, genauer gesagt: seine Erwähnung in einer Urkunde aus dem Jahr 1468. Seit wann es besteht, weiß indes niemand so ganz genau. Auf jeden Fall ist es das älteste noch existierende und berühmteste deutsche Gericht, das für Berlin heute die Aufgaben eines Oberlandesgerichts wahrnimmt. Aus einem mittelalterlichen Hofgericht, das im Berliner Schloss tagte, entwickelte es sich in der Epoche der Aufklärung zu einem in ganz Europa gefeierten Symbol für Rechtsstaatlichkeit.

Als solches stand es 1798 auf einem Höhepunkt seines Ansehens: In diesem Jahr lernte E.T.A. Hoffmann den Gerichtsbetrieb als Referendar von innen kennen. Damals tagte das Kammergericht im Collegienhaus an der Lindenstraße, im heutigen Altbau des Jüdischen Museums. Nach den Freiheitskriegen begann Hoffmann im Jahr 1814 dort wieder zu arbeiten und machte Karriere als Kammergerichtsrat im Kriminalsenat. Da er während der sogenannten Demagogenverfolgung in der Restaurationsperiode strikt für Rechtsstaatlichkeit eintrat, steht Hoffmann bis heute bei den Richterinnen und Richtern am Kammergericht in hohem Ansehen (→ Hoffmann als Jurist).

In jeder Chronik des Kammergerichts nehmen Hoffmann und sein Eintreten für verfolgte Oppositionelle wie den “Turnvater” Friedrich Ludwig Jahn einen Ehrenplatz ein. So auch in dem reich illustrierten Band Das Kammergericht in Berlin, den Michael Bienert zum 550. Jubiläum vorgelegt hat. Der Auftrag an den Nichtjuristen kam zustande, nachdem Bienert im Kammergericht sein 2015 erschienenes Buch E.T.A. Hoffmanns Berlin vorgestellt hatte (→ E.T.A. Hoffmanns Berlin). Daraufhin wurde er von der Gerichtsleitung mit der Frage überrascht: “Wollen Sie nicht auch ein Buch über uns schreiben?”

Um die unendliche Stofffülle zu bewältigen, hat der Autor vierzig exemplarische Tage aus dem langen Leben des Kammergerichts ausgewählt, von denen aus er zentrale Themen, Zäsuren und Prozesse beleuchtet. Der Gang durch die Geschichte ist abwechslungsreich, weil von extremen Höhen und Tiefen geprägt. Das Kammergericht war im 19. Jahrhundert preußischer Staatsgerichtshof und ab 1879 Oberlandesgericht der deutschen Hauptstadt. In seinem wilhelminischen Justizpalast am Kleistpark tagten der NS-Volksgerichtshof und ab 1945 die alliierte Militärregierung für ganz Deutschland. Im geteilten Berlin wurde sein Präsident Günter von Drenkmann 1974 von Linksterroristen ermordet. Seit der Wiedervereinigung ist das Kammergericht wieder für ganz Berlin zuständig – vor allem als oberstes Berufungsgericht, aber auch in erster Instanz bei Staatsschutzprozessen gegen Terrorverdächtige oder Spione. Das letzte Kapitel des Buches widmet sich den Schwierigkeiten bei der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs, ein langes Interview mit dem amtierenden Kammergerichtspräsidenten Dr. Bernd Pickel rundet den Überblick ab. Die im Frühjahr erschienene erste Auflage des Buches war nach wenigen Wochen vergriffen, eine zweite Auflage ist seit November lieferbar.

Veranstaltungshinweis

Buchvorstellung mit Autor Michael Bienert und der Pressesprecherin des Kammergerichts Annette Gabriel
26. November 2018, 15.30 Uhr
Urania Berlin
Informationen und Tickets

Publikation

Michael Bienert
Das Kammergericht in Berlin
Orte – Prozesse – Ereignisse
Herausgegeben von dem Präsidenten des Kammergerichts
192 Seiten, 132 Abbildungen
Hardcover mit Schutzumschlag
Format: 21,0 x 22,5 cm
ISBN 978-3-947215-15-7
€ 25,00 (D) / € 25,70 (A)
http://www.verlagberlinbrandenburg.de/buecher/regionales/das-kammergericht-in-berlin.html