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Titelblatt der Dissertation von Werner Berthold

Eine Dissertation über E.T.A. Hoffmann kehrt zurück an die Staatsbibliothek

Beitrag von Roman Kuhn

Es entbehrt nicht einer gewissen, durchaus erfreulichen Ironie, dass ausgerechnet eine Dissertation, die sich den Entfremdungsbegriff in den Titel schreibt, nun an die Staatsbibliothek zu Berlin zurückkehrt. Wobei „Zurückkehren“ ein in diesem Zusammenhang erklärungsbedürftiges Wort ist, war der Text doch bisher weder in unserem Bestand noch ist er 1953 in Berliner Gefilden, sondern vielmehr an der Universität Leipzig als Dissertation angenommen worden.

Die Staatsbibliothek freut sich dennoch sehr über das maschinenschriftliche Exemplar der Dissertation Werner Bertholds, das uns aus seinem Nachlass von Brita Eckert, seiner Nachfolgerin als Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933–45, überreicht wurde.

Portrait Werner Berthold

Portraitaufnahme Werner Berthold (1996). Aus dem persönlichen Nachlass ©

Werner Berthold (1921–2017)[1], Wegbereiter der Exilforschung, studierte ab 1946 in Leipzig Geschichte, Germanistik und Philosophie und begann im Anschluss ein Bibliotheksreferendariat an der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden und später der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek Berlin (ab 1954 und bis zur Wiedervereinigung: Deutsche Staatsbibliothek). Während seines Referendariats verfasste Berthold seine Dissertation über E.T.A. Hoffmann, die damit zwar eine Leipziger Hochschulschrift bleibt, aber vielleicht in Teilen Unter den Linden entstanden ist und in diesem Sinne nun in die Staatsbibliothek zurückkehrt.

Es scheint ein weiter Weg von der Dissertation mit dem Titel Das Phänomen der Entfremdung bei E.T.A. Hoffmann zur Literatur des Exils, mit der sich Berthold, der 1957 nach Westdeutschland an die Frankfurter Nationalbibliothek ging, als Leiter des Exilarchivs beschäftigte. Ebenso scheinen zunächst literaturwissenschaftliche und bibliothekarische Tätigkeit Bertholds in zwei Richtungen zu führen, die keine Schnittpunkte aufweisen: Promotion beim Goethezeit-Experten Hermann August Korff in Leipzig und später Auf- und Ausbau der Sammlung und diverse Ausstellungen zur Exilliteratur in Frankfurt am Main. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich allerdings doch Verbindungslinien: So stand Berthold bereits in seiner Leipziger Studienzeit in engem Kontakt mit aktiven Gegnern und Verfolgten des NS-Regimes und „aus dem Exil in Ost und West Heimgekehrten“[2], wie etwa Walter Markov oder Alfred Menzel und Ernst Bloch, bei denen die Dissertation neben Korff entstand.

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus beschränkt sich also keineswegs auf die Beschäftigung mit Exilliteratur und hinterlässt bereits in Bertholds Dissertation ihre Spuren. Wenn er dort den „Versuch einer Grundlegung eines wissenschaftlichen, […] durch objektive Realität selbst legitimierten Hoffmannbildes“ (S. 4) unternimmt, dann wendet er sich nicht etwa aus blindem Wissenschaftsglauben gegen die interpretatorische Beliebigkeit, sondern weil sich ohne Maßstäbe und Absicherung der Ergebnisse eben auch gegen die nationalsozialistische Vereinnahmung E.T.A. Hoffmanns (Berthold verweist exemplarisch auf eine Schrift Kurt Willimcziks) nur wenig einwenden ließe.

Die Dissertation lässt sich damit auch – ohne sie darauf reduzieren zu wollen – als zeitgeschichtliches und -politisches Dokument lesen. Und umgekehrt verstand Berthold seine bibliothekarische Tätigkeit im Bereich der Exilliteratur immer auch als explizite Anregung zur Forschung: Es gehe darum, das „Material sozusagen den ‚zuständigen‘ Wissenschaftlern unübersehbar in den Weg [zu] legen, ja sie [zu] nötigen, sich in irgendeiner Weise damit auseinanderzusetzen“[3].

Bertholds Studie wollen wir der Hoffmann-Forschung, in der sie bisher kaum rezipiert wurde, vielleicht nicht gerade „in den Weg legen“, aber sie ihr doch immerhin mit auf den Weg geben und etwas zugänglicher machen, da ihr ein breiteres Publikum sicherlich nicht zuletzt deshalb verwehrt geblieben ist, weil sie zeitbedingt nur maschinenschriftlich publiziert wurde. Vielleicht beflügelt auch die erneute Konjunktur, die der Entfremdungsbegriff in den letzten Jahren erfahren hat (u.a. Jaeggi, Rosa), das Interesse.

Der Band kann in Kürze im stabikat bestellt werden.

[1] Zum Leben und Wirken Bertholds siehe Brita Eckert und Harro Kieser: „Werner Berthold (1921–2017). Wissenschaftlicher Bibliothekar und Mitbegründer der Exilforschung“, in: Exil 36.2 (2017), S. 5–20.

[2] Berthold, zit. n. ebd. S. 7.

[3] Berthold, zit. n. ebd. S. 11.

Neuerscheinung eines Dialogbandes zu Hoffmanns Bamberg-inspirierten Werken

Bamberger Schlagabtausch über E.T.A. Hoffmann in sieben Dialogen

Bamberg, gelegen in der „anmutigsten Gegend“ Deutschlands, inspirierte den vielseitigen Schriftsteller E.T.A. Hoffmann (1776 – 1822) zu einigen seiner berühmtesten Geschichten. In einer höchst amüsanten und kenntnis­reichen Spurensuche spekulieren nicht nur Leute von heute in sieben Dialogen über Hoffmanns kompliziertes Leben und Werk.

„Der war fei gar ned lang am Deader!“, sinnieren Bamberger Gärtner vor dem Museum in der Mittelstraße über den Alltag des Dichters. Andere streiten sich heftig über seine Vorliebe für Viecher. Zwei Studierende wollen ein schauerliches Grusel-Video über seine grotesken Horrorgeschichten drehen. Sogar „Was ist schon normal?“ fragen Wissenschaftler.

„Also des gehd echd ned, des is gelogen!“ Hat die beleidigte Bedienung der Traditionsgaststätte Schlenkerla damit Recht?

Bamberger Schlagabtausch über E.T.A. Hoffmann in sieben Dialogen

Die Autorin Lydia Schieth war stellver­tretende Schulleiterin und Gymnasial­lehrerin in Regensburg, zuvor arbeitete die promovierte Germanistin am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bamberg. 2012 erschien ihr erster Roman „Auf­geklärt und selbstbewusst“, 2019 ein Band mit Dialogen zu Theodor Fontane „Alltags verlangt man ein bisschen Esprit“. Lydia Schieth ist Mitglied der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft. Sie ist überzeugt: Die fantastische Welt E.T.A. Hoffmanns und Bamberg gehören zusammen.

Das Werk ist demnächst auch bei uns im StabiKat zur Ausleihe verfügbar.

Weitere Informationen

Neuerscheinungen der Herausgeber Jörg Petzel und Bernd Hesse

E. T. A. Hoffmann / Jörg Petzel (Hrsg.) / Bernd Hesse (Hrsg.):

Mit dem Kopf im Himmel und Füßen auf der Erde. Texte eines Universalkünstlers

Marix Verlag – 368 Seiten, mit s/w Abbildungen, Klappenbroschur

E.T.A. Hoffmann. Ein Lebensbild in Anekdoten

Eulenspiegel Verlag – 128 Seiten, gebunden

Sowohl ein Lesebuch, eine Werksammlung der Erzählungen, Märchen und Romane Hoffmanns, als auch eine Darstellung seines künstlerischen Schaffens in Anekdotenformat sind nun im Buchhandel erhältlich. Auch in der Staatsbibliothek zu Berlin werden sie bald zur Ausleihe verfügbar sein.

Beide Bände stellen die Vielseitigkeit von Hoffmanns Leben dar, welche sein Privatleben und seine berufliche und künstlerische Beschäftigung gleichermaßen prägte. So wird auch die Werksammlung „Mit dem Kopf im Himmel und Füßen auf der Erde, Texte eines Universalkünstlers“ nicht nur von seiner Literatur, sondern auch von seinen Karikaturen gefüllt, die er meist schelmisch unter Briefe zu malen pflegte. (Link zum StaBiKat)

Hingegen beschäftigt sich der Band „E.T.A. Hoffmann, ein Lebensbild in Anekdoten“ mit der Frage: „Wer war dieser einzigartige Dichter E.T.A. Hoffmann?“ und soll den interessierten Leser:innen einen speziellen, so faktentreuen wie amüsanten Blick auf seine Biografie anbieten. (Link zum StaBiKat)

Bernd Hesse/ Jörg Petzel: E.T.A. Hoffmann. Ein Lebensbild in Anekdoten

E.T.A. Hoffmann Lesebuch Prospektankündigung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In einem Video-Interview teilen die beiden Herausgeber ihre Begeisterung für Hoffmann, präsentieren ihre zwei neuen Veröffentlichungen und lesen kurze Ausschnitte daraus vor – was Sie am Freitag, den 8. Oktober im Fritz-Reuter-Museum auch live genießen können.

Jörg Petzel, Diplom-Germanist, Literaturwissenschaftler und Historiker. Mitherausgeber von E.T.A. Hoffmanns Sämtlichen Werken im Deutschen Klassiker Verlag 1985–2004. Seit 2007 Vizepräsident der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft. 2018 erschien sein Frankfurter Buntbuch Teufelspuppen, brennende Perücke, Magnetiseure, Hüpf- und Schwungmeister. E. T. A. Hoffmann in Berlin.

Bernd Hesse, Dr. jur. und Dr. phil, arbeitet als Rechtsanwalt und Autor zahlreicher Kriminalromane. 2009 erschien sein Buch Reflexion und Wirkung der juristischen Tätigkeit im Werk E. T. A. Hoffmanns.

Stolze Herren, skurrile Wesen und düstere Gestalten

Teilnachlass von Hoffmann-Zeichnungen des österreichischen Malers Wolfgang Schaukal erworben

Die Staatsbibliothek konnte in diesem Frühjahr ein Konvolut von 139 fertigen Arbeiten, Entwürfen, Skizzen und Studien Wolfgang Schaukals (geb. 1900 – gest. 1981) zu E.T.A. Hoffmann erwerben. Ermöglicht wurde dieser Ankauf durch die Mittel des Christa Karoli Nachlasses.

Wolfgang Schaukal (1900-1981)

Der Großteil dieser Zeichnungen und Radierungen stammt aus Schaukals früher Schaffensperiode bis 1924. Bereits im Alter von 16 Jahren hatte Wolfgang Schaukal begonnen, sich mit Hoffmanns Werk zeichnerisch auseinanderzusetzen. Diese Arbeiten waren nicht für die Publikation und auch nicht für ein großes Publikum bestimmt: sie sind daher keine Nacherzählungen oder bloße Illustrationen der Handlungen, sondern freie Auseinandersetzungen vor allem mit dem Unheimlichen, dem Geheimnisvollen, dem Skurrilen und dem Phantastischen, aber auch der Zerrissenheit der Protagonisten. Wie Hoffmann selbst setzte Schaukal seine inneren Bilder in äußerst lebendige und anschauliche Zeichnungen um.

Johann Wolfgang Schaukal wurde 1900 in Hranice / Mährisch Weißkirchen geboren. Als Sohn des Schriftstellers Richard von Schaukal, für den E.T.A. Hoffmann eine große Rolle spielte und der zahlreiche Hoffmann-Werke herausgab, kam Wolfgang schon als Kind mit den Werken Hoffmanns in Kontakt. Regelmäßiges Familienritual war zum Beispiel, dass die Werke E.T.A. Hoffmanns (und anderer Dichter) vom Vater vorgelesen wurden. Der Künstler Anton Kolig, mit dem Richard von Schaukal befreundet war, fing die Atmosphäre und das Ambiente dieser Vorleserunden in dem Gemälde „Bildnis der Familie Schaukal“ anschaulich ein. Der Dichter Richard Schaukal sitzt vorlesend in der Bildmitte, Johann Wolfgang, damals 11 Jahre alt, steht gespannt lauschend hinter ihm. Richards Ehefrau Fanny und die beiden jüngeren Kinder sitzen am Tisch. Unbekannt ist leider, ob es sich bei diesem Text um eine Hoffmann-Erzählung handelt.

Bei Anton Kolig (1886 – 1950), einem der wichtigsten österreichischen spätexpressionistischen Künstler des 20. Jahrhunderts, war Johann Wolfgang Schaukal auch – während seiner Zeit als Student der Chemie an der Universität Wien – einige Jahre Schüler. Obwohl Schaukal diese Zeit bei Kolig im Nachhinein als „nicht als besonders glücklich“ bezeichnete, beeinflusste ihn dieser Künstler sehr.

Neben dem Unterricht bei Anton Kolig besuchte Schaukal in den Jahren 1921 und 1922 zweimal die Königliche Kunstakademie in Stockholm, zudem belegte er Kurse in Radierung und Lithographie an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien.
Schaukal war zeit seines Lebens in kunstnahen Bereichen tätig: so arbeitete er zwischen 1928 und 1931 als Theaterzeichner in Wien und Berlin, war als Privatassistent bei Herbert Boeckl an der Akademie der Bildenden Künste in Wien tätig, leitete von 1947 bis 1969 die Grazer Urania und unterrichtete zeitweise Künstlerische Gestaltung an der Technischen Hochschule Graz. Immer pflegte er enge Kontakte zu Künstlervereinigungen wie zum Beispiel der „Grazer Sezession“. Auch wenn es zu seinen Lebzeiten einige Ausstellungsbeteiligungen gab, so tauchten die meisten seiner Arbeiten erst nach seinem Tod 1981 auf, so dass die Vielfalt seines künstlerischen Wirkens (neben Hoffmann illustrierte Schaukal u.a. auch Werke von Stifter, Chamisso, Dickens, Shakespeare, Kleist, Dickens, Nestroy, Mallarmé oder Miguel de Cervantes „Don Quijote“) spät sichtbar wurde und erst dann in Ausstellungen u.a. in Graz und Wien einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden konnte.

Zahlreiche Werke E.T.A. Hoffmanns setzte Schaukal ins Zeichnerische um: so z.B. das Fremde Kind, Signor Formica, Elixiere des Teufels, der Goldene Topf und Don Juan.

Den stolzen Don Juan mit gezogenem Schwert veranschaulicht er genauso eindrücklich wie Klein Zaches‘ skurriles Wesen, den Zwerg Pitichinaccio aus Signor Formica, Meister Floh oder den Sandmann.

Aber auch das Karikaturhafte, das ja auch Hoffmanns zeichnerisches Werk ausmacht, findet sich in Schaukals Arbeiten häufig wieder; wie in dieser Zeichnung zur Erzählung Don Juan, in der sich der „kluge Mann“ und das „Mulatten-Gesicht“ an der Wirtstafel über die Sängerin Donna Anna unterhalten.

 

 

Schaukal hatte einen guten Blick für die Lebendigkeit der Szenen und fing sie in seinen Zeichnungen – wie in dieser Reihe zu Hoffmanns Erzählung „Der Goldene Topf“ – anschaulich ein.

Die große Liebe zu E.T.A. Hoffmann zeigt sich auch in diesem Entwurf für eine Kamin-Kachel. Die Kacheln bemalte Schaukal in den 1950er Jahren selbst und ließ sie in einen großen Kachelofen in seiner Grazer Wohnung einsetzen. Schaukal verewigte Kindheitserlebnisse, seine Familie, seine Tätigkeit in Graz – und auch E.T.A. Hoffmann.

 

 

Die Zeichnungen werden in der Kinder- und Jugendbuchabteilung verwahrt und umfassend erschlossen. Ein ausführlicher Beitrag zu der Erwerbung wird im Bibliotheksmagazin 1/22 erscheinen.

 

Ausstellungen (Auswahl):

1982 Ausstellung Neue Galerie, Graz
1991 Ausstellung Österreichische Galerie, Oberes Belvedere, Wien
2019 Ausstellung Urania, Graz

 

Literatur:

Wolfgang Schaukal : (1900 – 1981) ; Oberes Belvedere, Wien, 18. Jänner bis 24. Februar 1991 / [Hrsg.: Österreichische Galerie Wien. Ausstellung und Katalog: Regine Schmidt und Barbara Schaukal]. Wien : Österr. Galerie, 1991. StabiKat

Wolfgang Schaukal 1900-1981 : Gemälde und Grafiken ; Graz, Neue Galerie, 30.3.-26.4. 1982, Linz, Stadtmuseum-Nordico, 13.5.-13.6. 1982. Graz : Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, 1982. StabiKat

Wolfgang Schaukal 1900-1981 : Frühe Zeichnungen zu E. T. A. Hoffmann, Prosper Mérimée, Stéphane Mallarmé, Adelbert von Chamisso, Miguel de Cervantes u. a. ; Graz, Neue Galerie, 7.10.-8.11.2019. Graz : Urania, 2019. Ausstellungsbegleiter Wolfgang Schaukal, Graz 2019

 

 

 

 

Online-Lesetipp | Sebastian Thede: Hasard-Schicksale (2017)

Ausschnitt Inhaltsverzeichnis

 

Zufall, Schicksal, Spieler-Glück?

Damit es Ihnen im Lockdown nicht langweilig wird, haben wir hier einen digitalen Lesetipp für Sie: Als E-Book erworben und damit neu im Netz der Staatsbibliothek ist das 2017 bei transcript erschienene Werk von Sebastian Thede: Hasard-Schicksale. Der literarische Zufall und das Glücksspiel im 19. Jahrhundert. Bielefeld: transcript-Verlag, 2017

Sebastian Thede analysiert darin literarische Glücksspielszenen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – von E.T.A. Hoffmann über Honoré de Balzac und Fjodor Dostojewski bis hin zu Arthur Schnitzler – und widmet sich einer Interpretation des Erzählens von Zufall.

Im Kapitel Hasard-Narrative im 19. Jahrhundert. Möglichkeiten der Kontingenz im Erzählen geht es u.a. um Zufallswiederholungen und die 1820 in Hoffmanns Serapions-Brüdern erschienene Erzählung Spieler-Glück.

Zugriff auf das komplette Buch haben Sie mit einem Bibliotheksausweis der Staatsbibliothek zu Berlin über den Link im StaBiKat

FMF und ETA – Neuerwerbungen von Felix Martin Furtwängler

Ganz neu erworben – und daher momentan leider noch im Geschäftsgang, aber bald schon im Lesesaal der Abteilung Historische Drucke einsehbar – sind diese zwei Unikate:

FM Furtwängler; E.T.A. Hofmann: Vorher, während, nach der Sylvesternacht: zuviel Abenteuer der Sylvesternacht: ein Überbleibsel. Berlin: Privat Presse, Reprint 2021 für FM Furtwängler. 32 ungezählte Seiten in einem künstlerisch gestalteten Schuber mit Originalillustrationen. Die Vorlage für den Reprint war ein im Januar 1991 entstandenes Künstlerbuch, das letztmalig 2020 überarbeitet wurde. In einer Auflage von nur drei Stück produziert, ist dieses Exemplar versehen mit einem Autogramm für die Bibliothek: „Exemplar Staatsbibliothek Unter den Linden Berlin Felix Martin Furtwängler“

FM Furtwängler: Ombra adorata. E.T.A. Hoffmann – Fantasiestücke in Callot’s Manier. 22 lose Montagebogen aus dem Tagebuche des entflohenen Enthusiasten FM Furtwängler. Ausgabe B. Berlin: Privat Presse, 2017. Die 22 Montagebögen sind Doppelblätter, auf denen sich jeweils links eine Collage aus Papier und Teilen von Druckplatten befindet und rechts der Text von E.T.A. Hoffmann. Der Leinenklappschuber, in denen die Bildfolgen aufbewahrt sind, ist selber ein gestaltetes Kunstwerk – mit bemalter Klappe und Titelschild.

Felix Martin Furtwängler, (*1954 in Karlsruhe) studierte in Hamburg Werbegrafik und wechselte 1972 an die Hochschule der Künste in Berlin, wo er Werkkunst und Mode, Produktdesign, freie Malerei und Grafik studierte. 1982 war er Meisterschüler bei Gerhart Bergmann. Seit 1978 bis heute stellt der Maler regelmäßig Malerbücher im Selbstverlag (Privat Presse Berlin) her – darunter Unikate, aber auch Kleinstauflagen, gedruckt in eigener Studiowerkstatt in Berlin und Süddeutschland sowie in fremden Werkstätten, wie z.B. der Maschinensetzerei und Druckwerkstatt, Harald Weller, Berlin-Kreuzberg. Sein Werk erstreckt sich dabei von Buchkunst und Illustrationen zu eigenen Texten und verschiedenen literarischen Vorlagen über graphische Zyklen und Buchobjekte bis hin zu Installationen, Collagen, Assemblagen und Übermalungen fremder und eigener Werke. Seine Arbeiten sind nicht nur regelmäßig in Ausstellungen vertreten, sondern gehören zum Bestand vieler wichtiger nationaler und internationaler öffentlicher und privater Sammlungen.

Auch die Staatsbibliothek zu Berlin verzeichnet schon zahlreiche seiner Arbeiten in ihrem Katalog – darunter seine wiederholten (buch)künstlerischen Auseinandersetzungen mit E.T.A. Hoffmanns Werken:

Außerdem möchten wir noch auf diese zwei besonders schönen Ausstellungskataloge hinweisen:

Poeta wohin? Manchmal, wenn Text und Bild eins werden. Vom Malerbuch zur Buchskulptur; Felix Martin Furtwängler mit einer Auswahl von Arbeiten aus den Jahren 1978 bis heute; ein Katalogbilderlesebuch. Wiesbaden: Harrassowitz 2002. Aus der Reihe: Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek, Nr. 79.

Felix Martin Furtwängler. Printing into Thinking. Folgen, Suiten, Zyklen. Eine Auswahl der Radierungen aus dem Archiv des Künstlers ergänzt durch Werke aus privater Hand und einer öffentlichen Sammlung. Wiesbaden: Harrassowitz 2009.

Das fremde Kind © Ina Kancheva. Illustriert von Katina Vasileva Peeva

Die erste bulgarische Übersetzung der Erzählung „Das fremde Kind“

Ganz neu im Bestand – und daher momentan leider noch im Geschäftsgang – ist die erste bulgarische Ausgabe von Hoffmanns Kunstmärchen Das fremde Kind, die im Juni 2019 als Kooperation der Cultural Perspectives Foundation mit dem Enthusiast-Verlag in Sofia erschien.

Den Text übersetzte der bulgarische Germanist und Linguist Prof. Boris Parashkevov. Die Künstlerin Katina Vasileva Peeva bebilderte den Band liebevoll mit vielen ganzseitigen Illustrationen. Die in gedeckten Tönen gehaltenen Zeichnungen nehmen die Handlung des Märchens auf und spiegeln dabei die phantastische Welt Hoffmanns wider.

Diese Ausgabe ist nicht nur etwas für die Augen sondern auch für die Ohren: Das Buch ist Teil der Reihe Musik im Buch, in der Hörstücke zu den Veröffentlichungen über die Webseite des Verlags zur Verfügung gestellt werden (der jeweilige Zugangscode befindet sich im Buch).

Das Hörbuch zu Das fremde Kind beinhaltet eine Lesung des bulgarisch-deutschen Schauspielers Samuel Finzi. Sein Beitrag wird zum einem um eine Komposition des bulgarischen DJs und Konzeptkünstlers Ivan Shopov ergänzt, der Motive aus Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen interpretiert, zum anderen werden Motive aus Hoffmanns Quintette für Streicher und Harfe unterlegt, neu arrangiert und interpretiert von Georgi Strezov und Simeon Eduard. (Ausschnitt aus der Barcarolle 3. Akt aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in YouTube)

 

Vorlage

Die deutsche Erstausgabe von Das fremde Kind erschien 1817 in der Sammlung Kinder-Märchen im Reimer Verlag Berlin, 1819 noch einmal im 2. Band der Sammlung Serapionsbrüder des gleichen Verlags.

 

Erika Landertingers Lithographien zum Nussknacker

Im Frühjahr dieses Jahres erwarb die Staatsbibliothek zu Berlin für das E.T.A. Hoffmann Archiv das Künstlerbuch Der Nussknacker: Illustrationen zum Ballett nach P. I. Tschaikowsky von Erika Landertinger.

Kostüm- und Bühnenbildnerin

Die gebürtige Salzburgerin Erika Landertinger studierte am dortigen Mozarteum sowie an der Wiener Akademie der Bildenden Künste Kostüm- und Bühnenbild; im Anschluss verantwortete sie als freischaffende Kostümbildnerin über 200 Theaterproduktionen. Im Jahr 1995  übernahm sie eine Gastprofessur in Amsterdam, seit 2003 lehrt sie an der Toneelacademie in Maastricht. Seit vielen Jahren gestaltet sie zudem für das Theater und Orchester Heidelberg Kostüme – in dieser Saison für Franz Lehars Operette Die lustige Witwe sowie Carlo Goldonis Bühnenstück Der Diener zweier Herren. Neben ihrer Tätigkeit als Kostüm- und Bühnenbildnerin arbeitet Erika Landertinger zudem als bildende Künstlerin.

Erika Landertinger: Der Nussknacker. Salzburg 2007 © Erika Landertinger

Das Künstlerbuch

Ihre Mitarbeit an der Theaterproduktion zu Tschaikowskis Ballett Der Nussknacker am Koblenzer Stadttheater inspirierte sie zu der Umsetzung des Bühnenstoffes in Lithographien. Die farbenfrohen Steindrucke auf Büttenpapier wurden in einer Auflage von zwölf Stück von Thomas Franke in der Neuhauser Kunstmühle in Salzburg im Jahr 2007 gestaltet und gedruckt. Der Deckel ist mit einer doppelblattgroßen Lithographie bezogen. Der Titel und der Druckvermerk wurden nach der Handschrift der Künstlerin gestaltet.

Die Vorlage

Das Ballett Der Nussknacker von Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1893) gehört weltweit zu den populärsten Ballettstücken (op. 71 – Ballett in 2 Akten, Libretto: M. Petipa). Tschaikowski vertonte dabei aus E.T.A. Hoffmanns Sammlung Serapionsbrüder (Berlin 1816) die Geschichte Nussknacker und Mausekönig in der Bearbeitung von Alexandre Dumas dem Älteren (1802-1870) aus dem Jahr 1845.

Der Band befindet sich momentan in der restauratorischen Bearbeitung. Er kann demnächst für den Lesesaal der Abteilung Historische Drucke bestellt werden.

Wilhelm Heise: Kolorierte Handdrucke

Originalillustrationen von Wilhelm Heise erworben

Im April 2019 hat die Staatsbibliothek zu Berlin aus Privatbesitz eine Mappe mit zehn Originalillustrationen des deutschen Künstlers Wilhelm Heise zu E.T.A. Hoffmanns ‚Das Fräulein von Scuderi‘ erworben. Sie wird derzeit in den Bestand der Kinder- und Jugendbuchabteilung eingearbeitet.

Ausbildung in Kunstakademie und Buchgewerbe

Erst nach seiner Schulzeit in Metz und einer kaufmännischen Ausbildung entdeckte Wilhelm Heise (1892–1965) die Malerei für sich und schuf erste impressionistische Bilder. Er folgte dem Impressionisten Hans Olde von Weimar 1912 an die Kunstakademie Kassel und erhielt durch dessen Vermittlung ein Stipendium für eine Ausbildung im Buchgewerbe in Berlin und Leipzig. Dort spezialisierte er sich auf künstlerische Buchgestaltung. Nach einer kriegsbedingten schöpferischen Pause und einer kurzen Ehe mit Lisa Schmidt (1916–1919) fertigte Heise erste expressionistische Buchillustrationen in seinem Atelier in München, zu denen auch die Federzeichnungen zu E.T.A. Hoffmanns ‚Das Fräulein von Scuderi‘ gehören, auf denen die neu erworbenen kolorierten Handdrucke beruhen.

Ziffernblätter, Steinstiche und Leitungsfunktionen

1920 machte Heise mit bemalten Ziffernblättern auf sich aufmerksam, die er exklusiv für einen Uhrenhändler zum Export in die USA herstellte. In seinen produktivsten Jahren zwischen 1924 und 1936 schuf Heise bedeutende graphische Arbeiten wie seine Steinstiche ‚Nächtliche Blumenstücke‘, die in zahlreichen Museen im In- und Ausland zu sehen sind. Ab 1937 wirkte er vor allem als Lehrer, zunächst in Königsberg, später in Frankfurt am Main, wo er 1946 die Leitung der Städelschule übernahm, und schließlich an der Münchner Akademie der bildenden Künste. Im September 1965 nahm Heise sich in München das Leben (→ vgl. Wikipedia-Eintrag zu Wilhelm Heise).

Federzeichnungen für einen signierten Pressendruck

Die Illustrationen zu E.T.A. Hoffmanns ‚Das Fräulein von Scuderi‘ schuf Heise 1919 für eine bibliophile Ausgabe der Kriminalnovelle, die 1920 im Hyperionverlag in München erschien. Die als hochwertiger Pressendruck bei Knorr & Hirth hergestellte Ausgabe besteht aus nur fünfzig Exemplaren, die auf echtes Bütten abgezogen und vom Künstler koloriert und signiert wurden. Die Staatsbibliothek zu Berlin besitzt neben den neu erworbenen Originalillustrationen auch das handsignierte nummerierte Exemplar Nr. 45 des Pressendrucks.

Da die Handdrucke noch urheberrechtlich geschützt sind, dürfen sie online nicht gezeigt werden. Interessierte können aber sowohl die Mappe mit den Handdrucken (im Haus am Westhafen) als auch die bibliophile Hyperion-Ausgabe (im Haus Unter den Linden) vor Ort einsehen.

„Renne, lausche/Blüten singen“ – Helmut Krumpels Mappenwerk „Der goldne Topf“

Im Oktober konnte eine weitere künstlerische Bearbeitung des Werks Der goldne Topf für das Hoffmann-Archiv erworben werden. Es handelt sich um eine Mappe mit 69 teils farbigen Holzschnitten von Helmut Krumpel .

Helmut Krumpel (*1941 Wien) studierte in den 1960er Jahren an der Akademie für angewandte Kunst in Wien und lebt als freischaffender Künstler in Niederösterreich.

Ersten Kontakt zu Hoffmanns Der goldne Topf hatte Helmut Krumpel bereits Ende der 1960er Jahre, seit dieser Zeit beschäftigt ihn auch das Thema Realität – Sehnsucht immer wieder.
Erste Tuschezeichnungen und Zeichnungen auf Schabkarton zu seiner Mappe Der goldne Topf entstanden allerdings erst im Jahr 2002. Insgesamt schuf Krumpel in den Jahren 2003/2004 zu jeder Vigilie ein Titelblatt sowie weitere drei Blätter mit jeweils zwei Holzschnitten; der Druck der insgesamt 69 Holzschnitte folgte in den Jahren 2004 bis 2007.

Die Titelblätter enthalten neben der Illustration poetische Hinweise, wie z.B. „renne, lausche/Blüten singen“, die, in Anspielung an die Schreibtätigkeit Anselmus‘ in der Bibliothek des Archivarius, zusätzlich in Farsi übersetzt sind. Begleitet wird die Mappe durch den Text  Der Prediger seines Bruders Christof Krumpel.